Bibliomanie Sucht, Bücher zu besitzen und zu sammeln. Descartes hat gesagt, die Lektüre sei eine Unterhaltung, die man mit den großen Männern der Vergangenheit führe, aber eine auserlesene Unterhaltung, in der sie uns nur ihre besten Gedanken enthüllen. Das mag bei großen Männern zutreffen. Da aber die großen Männer sehr selten sind, so wäre es verkehrt, diese Maxime auf alle möglichen Bücher und aller Arten der Lektüre anzuwenden. Es haben so viele mittelmäßige Leute und auch so viele Toren geschrieben, daß man im allgemeinen eine große Büchersammlung, von welcher Art sie auch immer sein mag, als eine Sammlung von Denkschriften über die Geschichte der Verblendung und Torheit der Menschen betrachten kann, und so könnte man über dem Eingang aller großen Bibliotheken die folgende philosophische Inschrift anbringen: Narrenhäuser des menschlichen Geistes.Jean Baptiste le Rond d'Alembert Denis Diderot, Jean Baptiste le Rond d'Alembert (et coll.): Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers par une société de Gens de Lettres. 28 Bände, 1751 bis 1772; hier zitiert nach: Artikel aus Diderots Enzyklopädie, Auswahl und Einführung von Manfred Naumann, aus dem Französischen von Theodor Lücke, Röderberg-Taschenbuch, Band 4, 1985, S. 212; © Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1984; siehe auch: Diderots Enzyklopädie
Bio-Bienen «unbelastete deutsche honige sind demnach seit etlichen jahren schon so gut wie nicht existent. daran sollte man denken, wenn man im ökoladen den sündhaft teuren ‹echt deutschen› bienenhonig erwirbt. deklariert wird eine behandlung der bienenvölker mit den entsprechenden chemikalien bislang nämlich nicht.» Mehr dazu in der feldpost
Unser Eigentum! «Unsere Fürsten sollen es erfahren, daß alles, was sie besitzen und verwalten, unser Eigentum ist; daß ihr Amt, ihr Stand nur von unsrer Übereinkunft abhängt: daß erst der geringste arbeitsame Bürger unter uns Brot haben muß, ehe an den Hofschranzen und Tagedieb die Reihe kömmt, ehe aus dem öffentlichen Schatze dem Müßiggänger Pasteten und Braten gekauft und Geiger und Pfeifer und Buhlerinnen besoldet werden.Knigge tritt laut O. F. B. in Kindlers Neues Literatur Lexikon «heute nur noch als Ahnvater der Beckmesser des ‹guten Benehmens› bekannter Autor in Erscheinung». Diese offensichtlich unausrottbar dümmliche Parole findet ihren Höhepunkt in einer Seite, die neben dem Namen des Menschenrechtlers als Gesellschaftskritiker auch noch «Manieren per Mausklick» im Banner führt. Knigges «Gesellschaftsethischer Traktat» Über den Umgang mit Menschen erschien 1788, in endgültiger Fassung 1790; hieraus entstammt obiger Auszug.
Ein Linker ist tot Wenn die altmodische Bezeichnung Herr noch auf jemand zutraf, dann war das der Schriftsteller Nicolaus Sombart. Ich hatte in den späten achtziger Jahren als Redakteur gelegentlich mit ihm zu tun, hatte auch die Werke seines Vaters Werner beim Studium kennen gelernt, und bei den wenigen Telefongesprächen hinterließ er bei mir immer den Eindruck: Der Mann stammt aus einem anderen Zeitalter und guckt sich vergnügt und fasziniert die Gegenwart an. Ein paar Mal hab ich mich gefragt: Ist das eigentlich links, was der Sombart schreibt? Jetzt isser tot, gestorben in Straßburg, mit 85 Jahren. Etwas verspätet kommt die taz mit einem Nachruf von Eva Behrendt: «Auch wenn Sombarts Utopie am Ende auf ein selbst gestaltetes, unabhängiges Leben hinauslief, ging es ihm im Grunde um das Paradies auf Erden. Weil er dafür Fantasie und Erotik ebenso in Betracht zog wie Wissenschaft und Technologie, saß er zwischen allen Stühlen.» Nun ja, das ist ja oft der einzig anständige Platz für aufrichtige Menschen. Und weiter heißt es: «Sombart war davon überzeugt, dass sich der zivilisatorische Fortschritt am Grad der Emanzipation von Frauen, Juden und Homosexuellen bemessen lasse.» Na, dann ist die Frage doch beantwortet: Sombart war links. Hans Pfitzinger in seinem tazblog
Fröhlicher enden «Das Leben sollte mit dem Tod beginnen, nicht anders herum. Zuerst gehst du ins Altersheim, wirst rausgeschmissen, wenn du zu jung wirst, spielst danach ein paar Jahre Golf, kriegst eine goldene Uhr und beginnst zu arbeiten, anschließend geht’s auf die Uni. Du hast inzwischen genug Erfahrung, um das Studentenleben richtig zu genießen, nimmst Drogen, säufst. Nach der Schule spielst Du fünf, sechs Jahre, dümpelst neun Monate in einer Gebärmutter und beendest dein Leben als Orgasmus.» Des Schauspielers Donald Sutherland (leider nicht zu ändernde Wunsch-)Erkenntnis ward gelesen in: Das Gähnen und Lesen der Kurzschnabel-Bergamsel von Axel Hacke, Süddeutsche Zeitung, 20. Oktober 2000, Feuilleton, S. 19
Der Satz und seine Zeichen «Je weniger die Satzzeichen, isoliert genommen, Bedeutung oder Ausdruck tragen, je mehr sie in der Sprache den Gegenpol zu den Namen ausmachen, desto entschiedener gewinnt ein jegliches unter ihnen seinen physiognomischen Stellenwert, seinen eigenen Ausdruck, der zwar nicht zu trennen ist von der syntaktischen Funktion, aber doch keineswegs in ihr sich erschöpft. Die Erfahrung des Grünen Heinrich, der, nach dem großen deutschen P befragt, ausruft: das ist der Pumpernickel, gilt erst recht für die Figuren der Interpunktion. Gleicht nicht das Ausrufungszeichen dem drohend gehobenen Zeigefinger? Sind nicht Fragezeichen wie Blinklichter oder ein Augenaufschlag? Doppelpunkte sperren, Karl Kraus zufolge, den Mund auf: weh dem Schriftsteller, der sie nicht nahrhaft füttert. Das Semikolon erinnert optisch an einen herunterhängenden Schnauzbart; stärker noch empfinde ich seinen Wildgeschmack. Dummschlau und selbstzufrieden lecken die Anführungszeichen sich die Lippen. Alle sind Verkehrssignale; am Ende wurden diese ihnen nachgebildet. Ausrufungszeichen sind rot, Doppelpunkte grün, Gedankenstriche befehlen stop. Aber es war der Irrtum der Georgeschule, sie darum mit Zeichen der Kommunikation zu verwechseln. Vielmehr sind es solche des Vortrags; sie dienen nicht beflissen dem Verkehr der Sprache mit dem Leser, sondern hieroglyphisch einem, der im Sprachinnern sich absieht, auf ihren eigenen Bahnen. Überflüssig darum, sie als überflüssig einzusparen: dann verstecken sie sich bloß. Jeder Text, auch der dichtest gewobene, zitiert sie von sich aus, freundliche Geister, von deren körperloser Gegenwart der Sprachleib zehrt.» Theodor W. Adorno Noten zur Literatur (Auszug aus Satzzeichen), Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1958, Seiten 161–172
Sprache und Schlamperei «Es dürfte wenige Sprachen auf der Erde geben, über die so schlecht geredet wird wie über die deutsche. Gut möglich, dass es gar keine gibt. Hören wir damit auf und wenden wir uns der Arbeit zur Verbesserung des Sprachgebrauchs zu.» Süddeutsche Zeitung «[...] Wirkung sprachlicher Fehler in den Medien! Ob ein Sprecher oder Schreiber nun bewußt oder aus Unfähigkeit gegen Regeln und Konventionen verstößt, er richtet auf jeden Fall enormen Schaden an. Aus diesem Grund ist die Sprachschlamperei von Wirtschaftsfunktionären und Politikern, Marketingleuten und Journalisten nicht nur ein Zeichen mangelnder kultureller Kompetenz, sondern auch mangelnder sozialer Kompetenz. Sie ist Ausdruck der Verantwortungslosigkeit.» Über-Setzen
Tochter der Aufklärung «Romantik stemmt sich dieser hereinbrechenden Verendlichung der Welt entgegen, sie tritt mit der Moderne auf als Tochter der Aufklärung. Auch wenn das Publikum heute vielerorts unbeeindruckt erscheint, der Auftritt der Vernunft ist noch nicht beendet, und damit behält auch die Romantik ihre Rolle.»Eine der bemerkenswertesten Reflexionen zu einem in der Regel mißverstandenen und falsch angewandten Begriff. Sehr gerne gelesen, wie die gesamte Seite.
Politiker? «Aber die meisten Menschen haben halt einfach ein Zukunftsbild, das in nichts begründet ist.» Dennis Meadows via Holger Kleins Quasipresseschau
Pöëtikäia Popäia Nun ist er endgültig umgefallen, der schiefe Turm von PISA. Nicht in Pisa. In Hildesheim, dem neuen Weimar: Dirk Knipphals: «Der Band versammelt die Poetiken sowie Ausschnitte aus den stattgefunden habenden Dikussionen.» Jagoda Marinic: «Es schreibt sich in diesen schönsten, leuchtendsten Momenten etwas von der Zerrüttetheit der Welt.» Florian Kessler: «Manchmal, vielleicht, für Momente bloß, könnte etwas wie eine Militanz der Bilder entstehen.» Ann Cotten: «Nein, nein: Ich schreibe natürlich einfach, und vor allem solche Poetiken wie diese bloß, weil man davon lebt.» Steffen Popp: «Gegen die ständige Bewusstheit und zur Aussteifung des episodischen Erinnerns muss man Strukturen in Anschlag bringen, Handlungen/Geschehen ausfalten, Narration betreiben.» Dirk Knipphals: «Darüber hinaus finden sich alle Themen, mit denen sich unweigerlich herumschlägt, wer mit dem Schreiben anfängt. Reflektiert wird, dass man auf einen Buchmarkt trifft, dass man sich zwischen dem Avantgarde-Pol und dem Narrations-Pol verorten muss, dass amerikanische Erzähler oft gute Vorbilder abgeben, dass es auch Leser gibt und manches mehr.» Mehr zu derlei Verortung des Guten, des Wahren und des Schönen in der Medienlese. Meine Güte, ist das schwül. Zum Umfallen. Wie soll man denn da kreativ schreiben können, Herr Ortheil?
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