Oh Lord! Buy me a ...

Kunst, kam es mir dieser Tage aus dem bedeutenden Magazin für Lebensfragen entgegen, sei der Luxus von heute. Und wo grenzenloser Luxus herrscht, wie das das hierzulande nunmal der Fall ist, kocht manch einer sein Süppchen. Bald haben wir mehr Kunstmessen als Kochsendungen. Solche erhöhen, wie wir wissen, das Qualitätsniveau ungemein.

Und so wie das Kochbuch boomt, werden gerne auch Kunstfonds an- und Begleitbücher aufgelegt — bildende Kunst als Geldanlage, mit einer versprochenen Rendite von auch schonmal zehn Prozent (und mehr).

Nun, so neu ist die Idee nicht, die wahre Kunst in die Ware Kunst umzuwandeln. In den siebziger beispielsweise und auch noch in den achtziger Jahren galt es unter kapitalismuskritischen Künstlern — doch welcher Künstler war das nicht nach '68? — noch als unrein, sich zu prostituieren. Das änderte sich Anfang der Neunziger. Selbst die Produzenten der wahren Kunst nahmen ein paar von den Krümeln, die vom immer opulenter werdenden Kuchen Kunstmarkt abgefallen waren. Dann geschah, was geschehen mußte: Der Kunst-Kuchen erwies sich als Baisser, das Volumen bestand nahezu ausnahmslos aus Luft. So, wie seinerzeit quadratzentimetergroße Farbteile von den ungrundierten Leinwänden der schnell dahingerotzten Gemälde der Neuen Wilden und deren Kulturfolger fielen (heutzutage löst sich der millionenteure Tigerhai von Damien Hirst langsam auf) und manch ein sogenannter Sammler verzweifelt versuchte, ohne allzu großen Verlust sich dieser Fast Art wieder zu entledigen.

Doch der Markt erholte sich relativ rasch wieder. Mehr: Waren in den Neunzigern Bilder für irrsinnige fünfzig- oder sechzigtausend und noch viel mehr Mark in die USA verschifft worden, so kostet das einige der heutigen Jungstars und deren Galeristen ein müdes Lächeln: seit endlich wieder Männchen gemalt werden (und nicht mehr nur noch undefinierbare Pinseleien), seit aus der sogenannten Leipziger Schule Dauer-Rauch aufsteigt, seit man dort — zumindest aus dem Blickwinkel der Schlagzeilen-Presse — nur noch Astronomisches produziert. Klar: sogenannte Klassiker sind ohnehin nur noch zu Preisen zu haben, von denen Tucholsky einmal geschrieben haben dürfte: «... das ist keine Zahl für uns andre ...»

Erheblich dazu beigetragen haben die Investoren. Das sind nicht nur die vielen jungen, geradezu modisch uniformierten coolen Typen auf den mittlerweile unzähligen Kunstmärkten (bald werden es so viele sein wie Sommer-Festspiele), denen die Definition «Kunst kommt von Kunst» ansonsten sonstwo vorbeigeht. Was zählt, ist der event. Und die Gemeinde wird immer größer. Früher ging der Mensch zum Beten in die Kirche. Heute geht er zum Gospeln ins Museum. Oh Lord! Buy me a Gerhard Richter (my friends all drive Porsches ...)

Investieren! Ich stecke (viel) Geld in ein Produkt, um es nach möglichst kurzer Zeit mit möglichst hohem Gewinn wieder loszuwerden. Es soll ja Menschen geben, die im Zusammenhang mit Liebe von Investition sprechen: Ich investiere in meine Frau (und versuche sie gewinnbringend wieder abzustoßen?). Es gibt Menschen, die ihre sauer verdienten Kröten in Aktien gesteckt haben, weil ihnen suggeriert wurde, zehn Prozent und höherer Gewinn sei so gut wie sicher. Das waren zu großen Teilen Kleinanleger. Die Ersparnisse — es ist hinlänglich bekannt und manch einer weint heute noch bitterlich — sind dahin.

Und nun haben wir also den Kunst-Hype; früher nannte man das mal schlicht Rummel, Rummel wie Rummelplatz. Und dorthin geht der etwas besser Verdienende, der Bankangestellte (neudeutsch: «Banker»), der Restpostenmarktfilialleiter («event manager»?) oder dessen Frau nunmal gerne (auch auf die Volkshochschule: «Wissen. Einführung in die Kunstgeschichte des dritten Jahrtausends. Zwei Stunden.»). Oder anders: Auch bei ihm hat sich herumgesprochen, daß Kunst etwas Besonderes (und damit Wertvolles) sein muß. Und damit kennt er sich nunmal aus, zumindest der Banker im ersten Gesellenjahr: mit der Geldanlage im kleinen. Und an den Kleinanleger wendet sich manch einer dieser Kunstfond-Anbieter auch. Denn wie anders ist es zu erklären, daß man bereits ab 2.500 Euro mit dabei ist?

Bei den Schwenks über die Angebote solcher Kunstfonds — deren künstlerische Investitionen auch schonmal auf zweiter oder dritter Wahl basieren — werden gerne Bilder von A. R. Penck und Keith Haring gezeigt. An den piktogrammartigen Figuren dieser beiden geistigen Verwandten kommt ja nun wirklich keiner mehr vorbei. Die von Haring sind mittlerweile zu Signets oder Unterrichtsvorlagen nahezu jeder Grund- oder Hauptschule avanciert. Das kennt man, man geht also nicht das Risiko ein, daß der potentielle Interessent sich ausklinkt. Außerdem wird so die Hemmschwelle gesenkt (wie bei der Telephon-Aktie; ein Telephon hatte ebenfalls jeder schonmal in der Hand gehabt). Oder liegt's an den berichtenden Journalisten, denen außer Penck oder Haring noch keine anderen zeitgenössischen Künstler unter die Augen gekommen sind? Kommen die Orders für diesen Boulevard nicht ohnehin aus dem Wirtschaftsressort? Was in der Natur der Sache läge.

Als in den neunziger Jahren die Kunst-Blase platzte, war manch einer um einige Mark ärmer, der damals schon geglaubt hatte, mit Kunst sei richtig Geld zu machen. Das waren bereits zu dieser Zeit nicht unbedingt solche, die den Sparstrumpf ausleeren mußten. Doch heute — zu Zeiten, in denen nahezu jeder Kneipensparer trotz weltweiter Zusammenbrüche meint, aktiv über die Finanzmärkte bummeln zu müssen — wird's kritisch. Seit langem fragt sich die Fachwelt auch hier: Wie lange wird diese Hausse anhalten? Wann kommt (endlich!) die Baisse, nein: der Crash?

Nein, anders: Ob irgendwann mal wieder über Kunst gesprochen wird?
 
Sa, 21.06.2008 |  link | (4890) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Marktgeschrei



 







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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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