Bratei an Saucenvorstufe

Die mit mir im Kaffeehausgespräch befindliche Mutter Mitte vierzig schickte ihre etwa dreizehnjährige Tochter los, um rasch noch einzukaufen. Sie möge die Tütensauce nicht vergessen! Auf mein verdutztes Gesicht hin erkundigte sie sich nach meinem Wohlbefinden. Wahrheitsgemäß antwortete ich: Nicht sonderlich gut. Denn immer, wenn ich Sauce aus der Tüte hörte, würde mir schlecht.

Wie aber anders?! warf sie die Arme nach oben, solle sie — sie könne ihre Kinder die Spaghetti doch nicht ohne alles, mit so trockenem Ketchup schlucken lassen. Ob sie denn, entgegnete ich, nicht wisse, wie dieses Pulver hergestellt würde, das dann als so etwas ähnliches wie eine Saucenvorstufe in die Tüte gelangte? Und da ich ihr fragend verblüfftes Gesicht sah, legte ich nach:

Rinderknochen in einem Bräter scharf anbraten, der Farbe wegen die Zwiebeln mit der Schale, später geschälte Tomaten hinzugeben, ganz Bequeme dürften auch Tomatenmark oder doch besser passierte Nachtschattengewächse nehmen, das Ganze ablöschen, es dürfe Wasser, müsse allerdings nicht unbedingt sein, kräftiger Rotwein aus dem Bergerac oder ein Madiran, aber auch, je nach Gusto, Bier, gerne dunkles Weißbier eigne sich ebenfalls hervorragend oder sehr viel besser, mit Kräutern würzen, lange köcheln lassen, bis ein wohlschmeckender Fond entstanden sei, der sich, beispielsweise in Eiswürfelbehältnissen, gut einfrieren lasse und nach Bedarf portionsweise verfeinert werden könne.

Letztendlich würde das Saucenpulver auch nicht viel anders hergestellt, allerdings unter Trocknung beziehungsweise der Hinzugabe diverser Geschmacksverstärker, die sie nicht benötige, da sich chemiefreier Bratensaft hervorragend dazu eigne (vielleicht aufparfumiert mit etwas Crème de Pêche oder Pineaud des Charentes). Und wesentlich preisgünstiger sei dieses Herstellungsverfahren obendrein. Zeitraubender auch nicht, da sich nach dem Anbraten und Aufgießen der Fond im Topf von alleine bilde.

Das liegt gut zwanzig Jahre zurück. Heute liest man von einer exorbitanten Zunahme von Fertiggerichten. Sogar in Frankreich oder Italien maximiert mittlerweile die Nahrungsmittelindustrie damit ihre Gewinne. Einen schier unglaublichen Zuwachs verzeichnet auch die Kochbuchbranche. Gerne werden Bücher mit Großmutters Rezepten gekauft, die vom örtlichen Slow Food-Convivium testgekocht und -gegessen wurden. Oder diese Fernsehkochomanie! Anstatt sich in die Küche zu stellen, ein bißchen zu plaudern und das eine oder andere Sößchen oder andere Vorratsleckereien zu basteln und dabei ein oder zwei Weinchen zu verkosten, hockt die deutsche Nation vor dem Glotzophon und schaut zu, wie ihr was von einem mehrgängigen Menu vorgelafert wird. Um anschließend zum nächsten Billigheimer zu rennen und ein paar Würstchen an Kartoffelsalat oder in der Mikrowelle zu garende Bratkartoffeln einzukaufen. Vermutlich gibt's das Bratei dazu demnächst auch aus der Tiefkühltruhe.

Irgendwie schaudert's unsereins da doch arg. Da nimmt man doch gerne noch so ein Klümp aus dem alten Hennentopf. Klümp? Das ist norddeutsch, und was das ist, darüber erzählt der nächste Gang.
 
Mo, 16.06.2008 |  link | (3102) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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