Karriereknickereien

In Hans Pfitzingers tazblog heißt's:

Bebopalula

«Wenn jemand Hipp heißt, Klavier spielt, gut aussieht und sich im Musikgeschäft betätigt, kann eigentlich nichts schief gehen. Bei Jutta Hipp ging es allerdings schief, wie René Zipperlen in einem gut recherchierten und kenntnisreichen Artikel nachweist. Die Frau aus Leipzig (Spitzenfoto — supercool!), geboren 1925, war Mitte der fünfziger Jahre, die «First Lady of European Jazz», spielte in New York einige Alben für die renommierte Plattenfirma «Blue Note» ein und ging 1958 mit eigener Band auf Tournee durch die Südstaaten. Im selben Jahr hat sie den Pianodeckel zugeklappt und verschwand in der Versenkung. 2003, 45 Jahre später, ist sie in New York gestorben, da war sie 78. Im Jahr zuvor hatten die Leute von Blue Note die alte Frau im Stadtteil Queens ausfindig gemacht, weil sie ihr 40.000 Dollar Tantiemen nachzahlen wollten. Zipperlen schreibt mit viel Hintergrundwissen über die Jazz-Szene gegen Ende der fünfziger Jahre. Weshalb Jutta Hipp ihre Karriere beendet hat, weiß anscheinend keiner so genau ...»


Schupinkil

Erik Orsenna kennt diese Probleme offenbar. Er schreibt zu diesem Thema in Inselsommer:
«Er hatte eine Karriere als Pianist begonnen. Schumann, Chopin [...]. Sein Anschlag fand Anklang. Wäre er ohne den Unfall vom 18. Juni I965 zu Ruhm gelangt? An jenem Tag war er über den schlecht befestigten Läufer einer Hoteltreppe gestolpert und gestürzt. Mit nach vorn gestreckten Händen gestürzt, also ohne sich schwer zu verletzen. Das gleiche, genau das gleiche Mißgeschick war im Bahnhof von Brüssel-Mitte seiner Lehrerin zugestoßen, der unbezwingbaren, zarten, mythischen Clara Haskil. Aber sie, die echte Musikerin, hatte, als sie das Unglück kommen sah, ihre Hände nach hinten gestreckt, um sie zu schützen. Daraufhin war ihr Kopf auf eine Stufe aufgeschlagen, und sie war an den Folgen gestorben.»

 
Do, 29.05.2008 |  link | (1880) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: La Musica


hap   (31.05.08, 10:50)   (link)  
Jutta Hipp
Der taz-Autor stellt schon ein paar Vermutungen an, ein Unfall ist bei Jutta Hipp nicht der Grund gewesen, mir scheint eher, sie hatte die Zumutungen des Jazz-Business satt, inklusive Nachstellungen einflussreicher Herren aus demselben. War ja, nach dem Foto in der taz zu urteilen, eine ausgesprochen attraktive Frau.


caterine bueer   (21.11.10, 19:11)   (link)  
„attraktive Frau”


jean stubenzweig   (21.11.10, 19:26)   (link)  
FrauoFrauoFrau!
Genau das hatte ich unter «Dame» bereits verlinkt. Nun gut, leicht verborgen habe ich ich schon.

Jetzt wieder weg.


jean stubenzweig   (31.05.08, 13:12)   (link)  
Jutta Hipp
Hätte meine Mutter, anstatt mich ständig zu quälen mit ihrer Sehnsucht vom eigenbäuchig hervorgewehten Van Cliburn, mir das Bild dieser Dame vor Augen gehalten, wäre aus mir vielleicht doch noch ein Alexander von Schlippenbach geworden. Aber das wäre ihr dann sicher auch wieder nicht recht gewesen. Jazz, und auch noch free. Dégoûtant !


jean stubenzweig   (31.05.08, 13:49)   (link)  
Assoziationen
stellen sich da ein ! Mon dieu ! Madame mère ! Dann hätte ich am Ende gar noch sowas als Ehefrau angeschleppt.

Aber wenn ich so darüber nachdenke, wäre das sicherlich nicht das schlechteste gewesen (was sich in der Musik tummelt). Hätt'ste damit nicht ein paar Jahrzehnte früher kommen können?


jean stubenzweig   (31.05.08, 14:35)   (link)  
Verzückungen
Und so geht's weiter im Erinnerungstakt: Die oben erwähnte höchst musikalische Schlippenbach-Ehefrau hatte mir Ende der Achtziger eine weitere Verzückung gebracht: Zu den damals schier unglaublichen Gesängen von Maria João spielte Aki Takase Looking for Love, und zwei Jahre später setzen die beiden mit Alice nach. Und wenn ich horn plaese aus Cor von Maria João höre, aufgenommen mit Mário Laghinha, kann ich in Marseille (vielleicht) sogar auf den Pastis verzichten. In dieser Musik ist die ganze Stadt am Meer enthalten.

Solches meinte Madame Maman selbstverständlich nicht, wenn sie Musik sagte, sondern das. Man rächt sich für eine versungene Kindheit.















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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