Die Professorengelehrtenexpertenrepublik

Durchsetzt von einigen Insiderwitzeleien, die ich zu entschuldigen bitte, die ich mir aber nicht verkneifen kann.

Heute früh tat ich das, was ich mir eigentlich untersagt hatte, weil mir dieses volksnahe Gutgelauntsein seit je die Gutemorgenlaune verdirbt. Aber man will schließlich informiert sein, will wissen, was einem garantiert den Tag vermiesen wird. Ich schaltete also das Fernseherät ein. Da saßen zwei offensichtlich altbekannte jugendlich dynamisch wirkende Herren einander gegegnüber, und der eine sagte so etwas wie guten Morgen Magazin, Du, Herr Professor, wir haben zwar nur 1'30, aber soviel Zeit muß sein oder so ähnlich. Es ging vermutlich um Sport. Ich habe ausgeschaltet. Denn mir schwoll der Kamm der Erinnerung.

Als junger, aufstrebender Journalist war auch ich bemüht, mich bei den Koryphäen beliebt zu machen, die ich für Reportagen und Hörbilder, wie in guten alten Sprachpflegerzeiten die Features genannten Dokumentation auch genannt wurden, aber auch zu aktuellen Themata befragen durfte. So erinnere ich mich gut daran, etwa Mitte der siebziger Jahre während einer täglichen Redaktionssitzung den Abteilungsleiter des kulturellen Buntfunks darauf hingewiesen zu haben, man dürfe doch wohl dem unterministeriellen Leiter einer bundesländlichen Städte- und Verkehrsplanung seinen Professor nicht verweigern, den er auf seine Visitenkarte dezent auch ohne das Honorar- hatte drucken lassen, wozu er eigentlich gesetzlich verpflichtet gewesen wäre. Es war (noch) die Zeit, als viele an Universitäten Geistesgeschulte wie in anderen Ländern auch auf das Führen ihres Grads eines Doktors, der mittlerweile ja in einen Titel, vermutlich weil es mehr nach Adel klingt, umbenannt wurde, verzichteten, andererseits nicht nur in Nordrhein-Westfalen die Inflation der Vergabe an Honorarprofessorentiteln eingesetzt hatte, die besonders gerne an Personen verliehen wurden, die nie von einem akademischen Studium auch nur gestreift worden waren. Kurzum, meinte der unter mir leidende Redakteur, selber ein sich nicht als solcher deklarierender promovierter Mediävist, der sich darob seiner leitenden Fähigkeiten besann und daraufhin verfügte: Meinetwegen, aber dann streichen wir ihm den Doktor, denn der Herr redet mir ohnehin zu sehr wie einer, der seine akademische Würde in der Schule eines politischen Parlaments erlangt und somit nicht nicht wirklich verdient hat.1

Photographie: Wikipedia. Nik1986. Bayerische Staatbibliothek. Albrecht Pfister

Es scheint ja nicht mehr so viele Italiener zu geben, möglicherweise sind sie allesamt endlich alle integriert, wie die deutsche Poilitik redet, wenn sie assimiliert meint, auf jeden Fall geschieht es mir immer seltener, daß mir ein Kellner Hut und Mantel abnimmt und währenddessen dienstbeflissen zuraunt Si Professore, beninteso Professore, naturalmente Professore, es mag aber auch daran liegen, daß ich seit der Zeit keinen dieser Immigranten mehr aufsuche, seit der Opernsänger in einem Münchner Nobelristorante dem Cameriere dreimal hintereinander bedeutete, diese bis obenhin gefüllte Tasse entspreche weder einem römischen noch einem genuesischen Espresso, das sei allenfalls deutscher gefilteter kalter Kaffee, den er ebenso verweigere wie den hiesigen, der deutschen Leggerezza angepaßte Servizio, der ihm ständig etwas vom Professore in die Ohren trällere, er gastiere schießlich an der Opera und sei kein Dorfschullehrer. In dem putzigen Eiskaffee der norddeutschen Kleinstadt, in das ich manchmal wegen des hervorragenden, aus lediglich einem wohlschmeckenden Schluck bestehenden Espressos voller Lust wandle, kommt keines der nicht eben wenigen Familienmitglieder der aus dem Piemont stammenden Gelateriabetreiber mehr auf die Idee, mich so anzureden, seit ich nach der ersten derartigen Begrüßung die linke Augenbraue bedrohlich hochgezogen habe.

Aber der Lehrer der örtlichen Sonderschule, die ja auch ihre Bedrohung verloren hat, seit bekannt ist, daß auch in Pisa schlechte Noten geschrieben werden, der freut sich nach wie vor, mittels dieses Titels geadelt zu werden, der zwar nach Niederwild klingt, das so heißt, weil nur der niedere Adel die kleinen Tiere schießen durfte, was aber einen zeitgenössisch akademisierten Pädagogen nicht weiter berühren dürfte, der die Tricolore für das russische Nationalbanner hält, was in etwa den Kenntnissen von Lothar Matthäus gleichkommt, der gesagt haben soll, er habe bei seiner Blutgrätsche den Gegner doch gar nicht tangiert, was wiederum den interpreatorischen Fähigkeiten des großen österreichischen Sangesathleten Peter Alexander entspricht, dem zum besseren Verstehen samt Partnerin das Lied von den kleinen und den großen Tieren nachgedichtet wurde.2 Überhaupt lechzt die gesamte deutsche Bevölkerung, so mein Eindruck, bald mehr noch nach Erhöhung als die dieses Landes, das hinter den Alpen liegt, und dem sie sich geistig verwandt zu fühlen scheint, vermutlich weil dort der Adel abgeschafft wurde und es seit 1920 heißt:
«Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.»3
Österreich hat 1919 die französische Revolution von 1789 nachgeholt, jene Égalité übersetzt, von der viele dem Irrtum unterliegen, sie gelte auch im Alltag. Und der ist in den blühenden deutschen Landschaften so gräßlich farblos geworden, daß man sich nahezu blaublütig wirkende Titel herbeisehnt. Was liegt dabei näher als ein Professor? Das Volk braucht das offensichtlich. Dabei ist dem offenbar nicht bekannt, daß es weitaus mehr von diesen Titelträgern gibt als die wahrlich vielen bunten, manchmal auch gelb genannten Blätter wie Leute heute oder Brisant oder wie sie sonst noch alle heißen, aus denen es seine Informationen für den alltäglichen Umgang mit der Welt bezieht. Neben den oben erwähnten Honorarprofessoren gibt es nämlich noch diejenigen, die auch ohne eine dieser zeit- und denkaufwendigen Habilitationsschriften (ausgewiesen als Dr. habil., mittlerweile erkennbar am PD, dem Kürzel für Privatdozent) zum Professor werden. Ich weiß nicht, wie das heute heißt, aber früher nannten wir das Wolken- oder auch Schäfchen- oder auch verschlafene Professur, abgeleitet oder auch gemeinhin bekannt von der Dame mit den auch am oberen Rand des schwarzen Rollkragenpullis nicht endenwollenden Beinen, von diesem erotisch aufquellenden Cumulus: «Haufenwolke oder Quellwolke. Die klassische, unverwechselbare ‹Bilderbuchwolke› (auch Schäfchenwolke) mit ihrer flachen Unterseite und strahlend weißen Blumenkohlköpfen auf der Oberseite», wie Wikipedia das so schmuckelig beschreibt. bestehend «aus Wassertröpfchen und [...] in den unteren Wolkenstockwerken anzutreffen». Für manch einen ward das zum Wolkenkuckucksheim, denn nicht jeder hat die Zeit dazu, man muß schließlich auch noch Geld verdienen und seiner anderen Ämter walten.4

Das sind die Experten. Früher, zu schleyerhaften Zeiten mußten sie heimlich, verborgen hinter wallenden seidenen Shawls, ihre Titel aus gesellschaftlichen Gleichheitswängen fast schamhaft versteckt, zu gut gespült hat nie Bayreuth schweben, durften ihre stille Liebe zu Gesamtkunstwerk und Lindenstraße und Lady Di nie öffentlich machen. Heute ist das anders. Heute will das Volk endlich wieder Pracht. Und die kann nur leuchten, indem man zeigt, was man aufzubieten hat. Und wenn man schon im Fernsehen seinen SUV von BieEmDabbelYou oder sein Haus oder seine Kreditkarte nicht (das hatte ich vergessen) vorzeigen kann, dann wenigstens seine Honorarprofessur. Denn wer weiß schon, wo Tripsdrill an der Altweibermühle, die dortige Fachhochschule liegt.

1Seinerzeit gab es noch kein Internet, geschweige denn Suchmaschinen, zu der Zeit mußte man noch tief in Bibliotheken steigen und selber im Staub der Archive suchen und mußte mühsam alles eigenhändig abschreiben wie die Kopisten des uns alle so leidenschaftlich bewegenden Mediävums, als das Guttenbergisieren noch nicht erfunden war, als das Volk zudem noch keine Sprachen schrieb, und wenn es an geschriebene Information gelangte, dann bestanden diese überwiegend aus vielen hübschen oder auch schönen, allerdings nicht ganz so bunten und bewegten oder bewegenden Bildern wie die der gegenwärtigen Medienerzeugnisse, auf deren überbordende Inhalte ich in verschiedenen Zusammenhängen hier bereits mehrfach hingewiesen habe, auf die schlichteren der biblia pauperum.

2Die Großen, sagte es,/fressen ganz keck/Die Kirschen und sonstiges weg./Sie alle beanspruchten darin das nämliche Recht./Was sind das, sprach die Maus,/für dumme Faxen?/Die Kleinen müßten dann doch erst mal wachsen! (Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere ...)

3Adelsaufhebungsgesetz

4Das ist allerdings bereits eine höhere Stufe des niederen Gelehrtenadels. Denn dort muß bereits viel eines Fachgebietes veröffentlicht und auch anerkannt worden sein. Das ist die kumulative, zu der allerdings noch gesondert eine Schrift vorgelegt werden muß, die etwas mehr hergibt als ein Dankes- und Grüßaugustwort an die Honoratioren einer Universität.

 
Di, 03.01.2012 |  link | (5936) | 13 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ansichten


jean stubenzweig   (04.01.12, 11:47)   (link)  
Weil's zum Thema paßt,
zum Volk, zu Malte Weldings Kommentar zum obersten Gewissen einer gewissenhaften Nation, den meine Vorleserin mir vorgelesen hat:

«Das Einzige», schreibt Welding, «was ein nur zu Repräsentationszwecken existierendes Staatsoberhaupt tun muss, ist, moralische Autorität zu besitzen: Das ist im Falle von Wulff eine lachhafte Vorstellung.» Lachhaft war meine Vorstellung von Wulff bereits, als er Ministerpräsident von Niedersachsen war. Das lag aber nicht alleine an Wulff als aktivem Politiker, sondern aus meiner Sicht an ihm als Symbolfigur einer Moral, die so verlogen ist wie der größte Teil dieser Gesellschaft, diese ganze Nähe zum lieben Gott, der Kirche (samt dem «toleranten» Augenzwinkern hin zu den Evangelikanern), diese gesamte Biedermannkeit, die ständig am wachen, am hellen Geist einer tatsächlichen, nicht historisierenden Aufklärung zündelnd brandstiftert, der für ein eigenständiges Denken steht. Er ist das Volk. Deshalb wurde er sicherlich von vielen so geschätzt. Jetzt hat dieser Sachwalter derer von (Bernd Graff etwas arg blasiert im Ansatz eingesetzte Begriff) Idiotae: διώτης, sich das mit einer Nulligkeit, die eigentlich in nullkommanichts hätte ausgeräumt werden können, da die Masse rasch verzeiht, um ungestört wieder in ihren gewohnten Alltag der Langeweile übergehen zu können, auch noch kaputtgemacht mit seinen Informationsscheibchen, die nichts mehr bestätigen als die Bewußtheit einer unkosheren Tat. Wie bei dem anderen, genauso einer, den zudem eine Eitelkeit erledigt (?) hat, die eineiig mit der Dummheit verwandt ist.

Man mag von Gerhard Schröder denken, was man will (und das darf im nachhinein durchaus viel Schlechtes sein), aber eines kam mit ihm als niedersächsischem Mininsterpräsidenten nie auf: diese unsäglich fade Bravheit, die Christian Wulff dem Volk ständig als Kulisse des Seriösen vorgeschoben hat.


charon   (05.01.12, 15:04)   (link)  
Narreteien
Ihre temperamentvollen Thesen zu Titeln werde ich später noch kommentieren, vielleicht gar ausschmücken können, da ich in bisweilen unangenehmer Nähe zum modernen Hofschranzentum stehe. Bis dahin möchte ich Sie und Ihre Leser mit einer Erasmusiade aus dem Munde der Narrheit ergötzen:

Ists nicht Klugheit, wenn man sich die Dinge zu Nutzen macht? Nun, welches wird wohl der kluge Mann sein? der Weise? der zu schamhaft oder zu furchtsam ist, sich an eine Sache zu wagen; oder der Narr, den weder Scham, die er nicht hat, noch Gefahr, die er nicht erwägt, von irgend einer Unternehmung abschreckt? Der Weise nimmt seine Zuflucht zu verschimmelten Büchern, und füllt sich daraus den Kopf mit schalen Spitzfindigkeiten; der Narr, der sich hurtig an die Sache selbst macht, sammelt sich daraus, wenn ich mich nicht gröblich irre, echte Klugheit."

Einem mir befreundeten Taxifahrer-Philosophen geschah einmal, daß ein Fahrgast, der ihn zuvor vergebens in eine Liebesanstalt zu locken versucht hatte, ihm die denkwürdigen Worte ins Gesicht sprach: "So is det Leben. Der eene fährt, der andere fickt."

Die mal mehr, mal weniger ausgeprägte Herrschaft der Narrheit scheint mir mit Konstitution und Dispotion des homo sapiens (sic!) untrennbar verknüpft zu sein. Daran ist wohl nicht zu rütteln. Den eigenen Weg gehen, der närrischen Natur, die kluge Kultur an die Seite stellen, ja und zum hundertsten Mal: ganz uneitel aufklären zu helfen, das hingegen sollte für ein Menschenleben ausreichen. In diesem Sinne, lieber Doktor Stubenzweig, habe ich die Ehre!


jean stubenzweig   (05.01.12, 17:59)   (link)  
Setzen Sie sich. Sex!
Daß einer wie Sie der Lehre von der Fahne gegangen ist, das nehme ich Ihnen, auch als alter Antimilitarist, irgendwie dann doch ein bißchen übel. Sie kommen vor lauter Brot- oder Brötchenverdienen ja kaum noch zu Einträgen in Ihr Logbuch. Ach, wären Sie doch in Canada geblieben (im europäischen Norden lassen Sie sich nämlich trotz Versprechens, nun ja, meinetwegen, angedeuteter Ankündigung, ja doch nicht blicken; Bolle und so — nach Pankow war sein Ziel ...). Ich vermisse das schmerzlich. Aber ich will in mich gehen und feststellen, ab und zu espriieren sie wenigstens hier noch und denken an die durchadelte Gesellschaft. Ich bitte doch sehr um die — angekündigte! — fachliche Ausschmückung. Auch wenn Sie dafür kein Honorar erhalten, wie diese ganzen titeligen hutlosen Professoren eben (aber die brauchen das auch nicht, die können sich's in der Regel auch ohne leisten, einem ordentlichen Adelsforscher die Arbeit wegzunehmen, weil ihre Ämter ihnen reichlich geben, und den ohnehin leeren Kultursteuerbeutel belastet's auch nicht weiter).

Ich habe hier so einen alten Schinken rumliegen, Sie kennen das ja von diesem Ami da oben in Ihrem Canada, der mit Antiques and artifacts und so, der mit dem Bruder, dem Opernsänger, der keinen Wagner in Bayreuth geben wollte, weil dort geschossen wurde (ich pflege die Tradition des Antiamerikanismus der Achtundsechziger), also der mit dem ollen Gurken- oder Gutenberg*, in dem steht:
«Wenn jemand sich unterstünde, den Schauspielern ihre Larven wegzunehmen, und den Zuschauern die wahren und natürlichen Gesichter zu zeigen: würde dieser Unbesonnene nicht das ganze Spiel verderben? Indessen würde sich alles in einer neuen Gestalt gezeigt haben: das Weib als einen Mann, der Jüngling als einen Greisen, der König als einen Bettler, Jupiter als ein Menschengesicht. Wenn man den Irrthum wegnimmt, so setzt man alles in Verwirrung; die Verstellung muß die Augen der Zuschauer bezaubern. Nun, was ist das ganze Leben der Sterblichen anders als eine Comödie. Jeder spielt seine Rolle, eine ganz andere Person vorstellend, als er eigendlich ist, bis er von der Bühne abtreten muß; und etwann zeigt sich der nämliche Schauspieler in verschiedener Tracht: als König saß er auf dem Thron; und nachwerts tritt er im zerlumpten Sklavenkittel auf. Ja, dieses ist großes Schattenwerk: aber, spielt sich dann die grosse Comödie des Lebens auf andere Weise?»

*Als das Gespräch auf Bücher kommt, erwähnt der eingeladene Gast aus den USA, er habe viele Jahre lang eine alte Bibel im Haus gehabt; sie habe aber so gestunken, daß er sie einer Tante geschenkt habe. Der Gastgeber stutzt: «Wie alt war das Buch?» — «Weiß nicht, gedruckt von einem gewissen Gurkenberg oder Guggenheim in Mainz.» Der Gastgeber läßt die Gabel fallen: «Gutenberg? Nicht Guttenberg?» — «Was weiß ich. Hatten diese armen Leuchter da überhaupt mehr als ein T? Ja, Gutenberg, so hieß er, glaube ich.» Der Gastgeber springt auf: «Los, wir chartern ein Flugzeug. Wo wohnt Ihre Tante?» Der Amerikaner winkt ab. «Ach, lassen Sie's. Der Schinken ist völlig verdorben. Er muß ursprünglich einem gewissen Mack Lutter gehört haben — und der hat ihn total verkritzelt!»


terra40   (06.01.12, 13:58)   (link)  
Buchstabendruckerfindung
Damals, vor Jahren, lernten wir in der Schule, daß ein gewisser Laurens Janszoon Coster die Buchdruckkunst erfunden habe. Es stimmt: seine Statue kann man heute noch - wie ich selber vor einigen Wochen - vor der St. Bavo-Kirche (die mit der berühmten Orgel) zu Haarlem bewundern.
Gruß, T.


jean stubenzweig   (06.01.12, 16:48)   (link)  
Von Laurens Janszoon Coster
habe ich bei einem meiner Besuche in den Niederlanden auch schon gehört. Ein Handwerker aus Zwolle, in dessen Ferienhaus auf Ameland ich zu Gast war, erzählte mir davon mir stolz geschwellter Brust. Sein Sohn, den ich daraufhin angesprochen hatte, fügte schmunzelnd an: Ja, wir haben auch eine Geschichte.

Was ist denn da dran? Das Volkslexikon läßt uns wissen: «Abgesehen von dieser europäischen Diskussion gilt als gesichert, dass der Buchdruck mit beweglichen Lettern schon im 11. Jahrhundert in China erfunden wurde.»

Auf niemanden ist Verlaß. Jetzt warte ich nur noch darauf, daß ein Historiker belegt, daß Guttenberg nichtmal das Abschreiben erfunden hat.


jagothello   (06.01.12, 13:58)   (link)  
Stille Liebe...
ist gut! Ich bin so etwas wie Experte in Sachen Lindenstraßereien. Vielleicht kann ich mir als solcher einen Professorentitel ehrenhalber mit meiner kleinkriminalistischen Spürnase verdienen: Ihr bevorzugter Kaffee wird in... Stade kredenzt? Welche Besoldungsstufe steht mir nun zu? Für Sie aber gerne auch weiterhin schlicht: Jagothello!


jean stubenzweig   (06.01.12, 19:20)   (link)  
Stade Liebe?
Sei stad', sagt der durchschnittliche Bayer, wenn seine Komiker, die ums Fräulein von Quast oder die vom Champagnerverein im Fernseher kommen und seine Gattin ihn schon wieder mit der «stad'n Wiesn» auf den Arm nimmt, obwohl es schon eine Weile her ist, daß er sich da nicht so supa stad aufgeführt hat. Und wahrscheinlich quasselt sie auch ständig während der Lindenstraße, die zwar offiziell in Ihrem Köln spielt, aber meines Wissens in München gedreht wird (oder zumindest wurde); der Oberguru Geißendörfer ist schließlich ein altachtundsechziger schwabinger Filmer aus Augsburg.

Stade? Habe ich ich mich mal, wie so oft und gerne, unklar ausgedrückt? Irgendwann habe ich mal davon erzählt, daß ich mit diesen irren Rennboot von den Landungsbrücken aus nach Stade gebrettert bin (ein Hinweis). Aber ausgestiegen bin ich nicht. Ich war, soweit mein Erinnerungsvermögen das (noch) zuläßt, noch nie in Stade. Es soll ein nettes Städtchen sein, wie so viele im Norden, und genau so langweilig wie viele im Süden, Westen oder Osten. — Sie wollen also genau wissen, wo er mir kredenzt wird, der Espresso, nicht der gute deutsche Filterkaffee, den ich noch nie mochte und den ich, wenn überhaupt, nur aus Höflichkeit trinke oder wenn kein anderer da ist. Ich bin nämlich ein Urzeitespressotrinker. Also: im Eiscafé Venezia in Möllns Hauptstraße 39, das zwar nicht im Piemont liegt, aber woher soll einer aus dem Herzogtum Lauenburg wissen, wo dieser Landstrich liegt, von dem er lediglich weiß, daß es davon eine sogenannte Kirsche gibt (eben lese ich, daß der Besitzer gewechselt haben muß, denn da heißt es, ach: Inh. Apostolos Karapatsios; aber vielleicht gibt's gar zwei in diesem Nest). Nun, der Espresso ist so gut wie der in Ahrensburg, das wiederum in Stormarn liegt, wenn er dort auch anders schmeckt, wohl weil die Eigner aus einer anderen Gegend Italiens kommen und, das nebenbei, ein wirklich großartiges Tiramisù herstellen, dessentwegen ich sogar freiwillig in diese trostlose Schlafstadt fahre, wo ich dann zum Schnuddeln geparkt werde, während die Mädels das tun, was sie am liebsten tun, dort gibt's sogar ein Laden von Bang & Olufsen, in dieser Speckfalte Hamburgs, und ebensogut ist der Espresso wiederum wie der im Levantehaus, wo nebenbei noch hübsche hanseatisch-italienische Servierfräuleins für einen laufen. — So, nun wissen Sie fast alles aus meinem spannenden Leben zwischen Mare Baltikum und dort, wo in der Nähe zur Zeit die Nordeseewellen mal wieder ziemlich trekken an Land.

Besoldungsstufe für eine Honorarprofessur? Bleiben Sie lieber bei Ihrem Gehalt als Oberstudienrat (ich hoffe doch, wenigstens, für Sie). Aber vielleicht tun Sie was für die Lindenstraße. Da wohnen ganz große, von mir überaus geschätzte Künstler, die sich auch noch mit Chaosforschung beschäftigen, was mir mehrfach nicht nur im Café des Chelsea bewiesen wurde, dessen offizielle Adresse zwar die Jülicher Straße ist, wo man aber mit Blick auf die berühmte Lindenstraße oder direkt auf ihr sitzt, es sei denn, man kehrt ihr wie ich den Rücken, weil mir das dort zu palavrig, zu sehr Ganzjahreskarneval geworden ist. Dann wird man in Nordrhein-Westfalen jedoch auch nicht Honorarprofessor für seine Verdienste um die Kunst. Andererseits, Sie als Jago und Thello gleichermaßen. Finden Sie doch heraus, daß Shakespeare mal in Köln übernachtet hat. Die Freizeithistoriker Adsche und Kurt aus Büttenwarder haben mal herausgefunden, daß Ihr Liebling, der Herr Geheimrath, dort in ihrem Ort mal seine vom vielen Italien-Reisen müden Beine hochgelegt hat. Da kam aber Hoffnung auf. Allerdings warten die beiden immer noch aufs Ehrenhalberteil. In Schleswig-Holstein ist man leider nicht so freigiebig mit Talaren wie in NRW oder Berlin, wo man bereits eine solche Kette umgehängt bekommt, wenn man nur sein Amt als Direktor oder -In eines Museums für Kronkorken antritt. Aber es könnte auch sein, daß die alle Carstensen umgehängt werden, damit er endlich abtritt und wieder ein bißchen Unruhe aufkommt. Bei Heide war mehr los. Von Kai-Uwe ganz zu schweigen.


jagothello   (07.01.12, 13:44)   (link)  
Shakespeare a fraud?
Ich war mir sicher! So wird das natürlich nichts mit der Ehrendoktorwürde- nicht einmal in NRW. Andererseits: Wenn ich zuviel herausfinde über Shakespeare, sagen wir mal, dass sein richtiger Vater gar kein Handschuhmacher aus Stratford, sondern ein Tischler aus Leeds war, setzt man mir am Ende noch einen unkleidsamen, echten Doktorhut auf. Oder zwingt mich, einen Blockbuster zu fabrizieren.
Weltweit berühmt in Köln ist übrigens weniger das hübsche Chelsea, als vor allem das darunter liegende Café Central, was zum einen daran liegen mag, dass hiesige kein Hotel brauchen (brauchen sie ein Café? Sicherlich nicht so dringend wie Parkplätze!). Zum anderen aber dennoch daran, dass das Central jahrelang Sammlungsstätte war für die MTV/VIVA/EMI- Avantgarde. Die ist ja mittlerweile restlos domestiziert bzw. sucht nach Partnern für Löffelchen-Sex oder kocht auf Vox. In den 80er und 90er Jahren aber konnte es beim Schwänzen des Hauptseminars generative Syntax des Deutschen im Philosophikum gleich um´s Eck durchaus passieren, einen Cappuccino vis á vis mit Herbert Grönemeyer oder sogar Tina Turner serviert zu bekommen. Mir ist das glücklicherweise nie passiert. Ich wäre noch in Versuchung gekommen, ein Autog... genug davon.
Auf die Lindenstraße fiel der Blick jedenfalls, wenn überhaupt, nur mal zufällig; die echte nämlich ist die ganz falsche; die falsche, also die echte Pappmaché-Kulisse der Parallelgesellschaft (ich wusste seit langem: Dieses Wort wird noch einmal nützlich sein!) liegt ganz woanders.


jean stubenzweig   (08.01.12, 13:59)   (link)  
Das Central,
das meine ich doch, warum sagen Sie das nicht gleich. Dort haben wir oft gehockt, ich am aktivsten in den Neunzigern. Dann wurde es mir zu rummelig, auf eine mir unangenehme Weise oder auch Art, die auf die von Ihnen angedeutetete «MTV/VIVA/EMI- Avantgarde» zurückzuführen sein könnte. Herbert Grönemeyer oder Tina Turner (und auch Sie) habe ich in den Achtzigern dort nie gesehen. Das mag jedoch daran gelegen haben, daß die sich zum Kunstmarkt ferngehalten haben, weil ihnen dieses Volk vom Geiste «Walter Dahn, Jiri Georg Dokoupil, Martin Kippenberger, Albert und Markus Oehlen, Andreas Schulze, Günther Förg, A.R. Penck, Georg Herold, Sam Samore [welcher fachlich versierte Werbeschelm hat den denn da eingeschmuggelt?], Rosemarie Trockel und viele andere» auf die Nerven ging. Mir gefiel's nicht übel, auch wenn's mir häufig schlecht wurde danach, weil ich manchmal noch woanders hinmußte, beispielsweise mit der Dame ins nahegelegene Roxy, diesen schier unglaublich lärmigen Schuppen an der Aachener Straße (hieß der so?), und ich dort solche Sachen freiwillig zu schlucken gezwungen wurde wie dreifachen Korn mit einem winzigen Schüßchen Cola oder mit einem anderen, mit dem ich ansonsten überwiegend im Hammerstein's (das mal viel weniger schnieke aussah) saß, ins Atelier um die Ecke zum Kokstischtennis spielen, und außerdem war's für mich recht praktisch, da ich zu dieser Zeit noch in dem ein paar Fußminuten entfernten Hotel in der Flandrischen Straße logierte, in dem damals noch keine Künstler nächtens tobten und das als seinerzeit noch kleines Haus einen Literaten als Nachtportier beschäftigte, der sich bis früh um sechs gerne von seiner buchhalterischen Tätigkeit abhalten ließ, da ich mich nie bis zur Besinnungslosigkeit betrank, und mit dem ich mich manchmal auch tagsüber traf, um auch noch über andere Weltwesentlichkeiten als die der Kunst zu sprechen, zum Beispiel über Shakespeare, über den er, wenn ich mich recht erinnere, seinen Magister geschrieben hat.

«Gleich ums Eck» — wohn(t)en da die kölnischen angehenden Lehrer der Nation? «Ein Autog... » — ich rätsele dennoch, auch wenn Sie meinen, es sei genug. Aber genug ist nie genug, wie's der Wecker Konni so geschickt vom Celan Paul abparaphrasiert hat. Verraten Sie's doch, bitte, ich bin so neugierig. Und meine anderen drei Leser sicherlich auch. Es bleibt sozusagen in der Familie.

Die Parallelgesellschaft, ja. Kaum jemand mag diesen seltenen, von Ihnen dennoch wagemutig ins Feld geführten Begriff, weil er das Fremde suggeriert. Aber, um einmal mehr meine Verbildung unter Beweis zu stellen, wie sagte schon der große Parallel-Philosoph des Spätbiedermeier, der Valentin Karl: Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.

Ich war in Köln nie fremd. Nach wie vor — ich muß allerdings gestehen, seit 2008 nicht mehr dort gewesen zu sein, möglicherweise hat es sich seit damals sehr verändert — ist es für mich die italienischste Stadt Deutschlands, ist es jedenfalls in meiner Erinnerung. Das hat mir nicht nur Hella Berent bestätigt, die hanseatische Kölnerin, die lange in Florenz und Rom lebte und sich aus diesem Grund für Köln entschied, wie der Kölner gewordene Rolf Dieter Brinkmann, der dann in London unter die Räder kam. Mit Blick auf Rom: dort, überhaupt in Italien wären die Automobilisti um ihm herumgekurvt. Oder haben Sie schonmal von einem überfahrenen Cameriere gehört?


jagothello   (09.01.12, 22:10)   (link)  
Filmdose
Ihnen ist ja gar nichts Kölsches fremd... Am Ende kennen Sie auch Geierwallys home, die Filmdose? Auch nicht weit weg. Und sehr, sehr belebt. Hier tobt sie dann wirklich, die Lindenstraße.
Ja, ich habe Central gewohnt, jedenfalls ganz unweit. Unweit wohnt man in Köln allerdings eigentlich immer, es sei denn, man mag Fluglärm oder chemische Großbetriebe in der Peripherie.
Die Musikbanausen sind erst später zugezogen, in den 80ern war ja alles noch ganz anders. Autog... bzw. Autogramme kamen da so richtig in Mode.
Einen Verwandten dieser literarischen Gattung, nämlich einen Autographen, hätte ich ganz in der Nähe des Central aber einmal beinahe erworben. Es handelte sich um einen Gästelisten-Eintrag Thomas und Katia Manns, die ihre werte Gegenwart verschenkten an ein Hamburger Theater, ich meine, an das Thalia. 800,- DM!
PS: 3 Leser? Das ist ganz gut! Seien Sie froh über diese recht beachtliche Quote.


jean stubenzweig   (10.01.12, 18:46)   (link)  
Über Geierwallys Filmdose
haben wir, wenn ich mich recht erinnere, schonmal geplaudert; hier finde ich's nicht, dann wird's bei Ihnen gewesen sein — ja hier. Es ging unter anderem darum, daß ich hotelig umgezogen war, weg aus dem zu laut gewordenen Flandrischen Hof in ein anderes nahe Rudolfplatz, das dann selbst umzog in die Moselstraße und in dem ich dann zum Inventar gehörte (weshalb ich mich immer noch als Famlienmitglied fühle und es deshalb mich auch hier zu empfehlen getraue). Von dort aus tangierte ich, würde Lothar Matthäus jetzt gesagt haben, die Filmdose nicht nur nicht, sondern ich ging des öfteren auch rein, allerdings meist tagsüber, wenn ich auf dem Weg zur Straßenbahn noch einen doppelten Espresso brauchte, obwohl ich im Mado bereits die Maschine ausgetrunken hatte, weil's nach den langen Nächten auch dort noch etwas aus dem Giftschrank, gefüllt von Frau Wirtin Mancuso mit ihrem erlesenem Weingeschmack, überhaupt ständig eine besondere, eben familiare Behandlung nicht nur zur Restauration gab, die mich zur schäl Sick brachte, zum Messegelände, wo die Kunst sich zelebrierte. Allerdings war da die Zeit der Geierwally, von Walter Bockmayer oder des Kugelblitzes bereits eine Weile vorbei, auch er war irgendwie weitergezogen, wahrscheinlich, Ihrer Beschreibung folgend, mit der «MTV/VIVA/EMI-Avantgarde» (oder auch seinen Heimatsendern der Comedy?) ins Central.

Da ich des öfteren ums Central herumschlich, meine ich mich auch an zwei oder drei Antiquariate erinnern zu können (Sie haben mir meine Frage nach dem Zuhause der kommenden Pädagogen noch nicht beantwortet). Ich bin ja auch so ein Stöberer. Aber achthundert Mark für einen Gästelisten-Eintrag von Thomas und Katia Mann, und dann noch fürs Thalia statt Millowitsch? Das wäre wohl nichts geworden. Doch ich bin ohnehin kein Sammler, von nichts, auch nicht von Kunst, wenn der Eindruck hier manchmal auch entstehen mag. Ich bin eher ein Messie mit Geldzählerwurzeln in Metz, bei dem Frau Braggelmann manchmal zum gezielten Aufräumen vorbeikommt. Ein paar Autographen hüte ich jedoch durchaus. Aber dabei handelt es sich durchweg um solche, zu denen ich einen persönlichen Bezug habe (etwa in der Art: Expression der Acetyl-CoA Synthetasen [ADP-bildend] aus Pyrococcus furiosus und der Succinyl-CoA Synthetase aus Pyrobaculum aerophilum. — Ewig Dein und Dank fürs Abschreiben).

Auch außerkünstlich habe ich des öfteren Station gemacht in dieser vielleicht für andere mit ihren Standardvorstellungen von Schönheit (diese Baustelle [Hohenzollernring?] ist aber unästhetisch) nicht, aber für mich schönen Stadt (italienisches Zusammensitzen und Palavern bis in die Früh, und nicht nur bei dem). Wobei ich nicht behaupten möchte, sie gut zu kennen. Außer dem belgischen Viertel samt Randzonen, etwa einigen wüsten Kneipen mit lauter Musik oder (jüdischer) Bratwurst vom Schwein am Meter (mit Georg Chaimowicz; doch schon wieder Kunst), auch in der Südstadt hatte ich noch ein paar Menschen, die mir guttaten, dann noch (ziemliche) Berührung mit der Uniklinik und anderen wesentlichen Punkten, dem WDR und der, seiner und manchmal auch meiner Budengasse, wo auch der Herr von der Münsterlychen Lyrik als Nachrichter residierte und auch Max von der Grün (für Enzoo) gelesen hat, ein paar erwähnenswerte Beispiele, und, allerwichtigst, dem Rievkochestand vor dem Hauptbahnhof mit Blick auf den Dom oder einem Schieler rüber zum Alten Wartesaal von Jürgen Beckers Mitternachtsspitzen, ansonsten bin ich nicht allzuweit herumgekommen. Halt, doch, in den Siebzigern war ich einige Male kontinuierlich in Lindenthal, im Ostkolleg, einer Filiale der Bundeszentrale für politische Bildung, wohin ich abgeordnet worden war, um das Einmaleins der deutschen Politik zu bimsen.

Ja, über Köln plaudere ich gerne. Manchmal komme ich dabei ins schwärmende Erzählen. Und finde dabei kein Ende. Deshalb höre ich jetzt lieber auf.

Am liebsten würde ich sofort losfahren. Aber ich kann ja nicht mit meiner Behinderung. Ich darf ja nichtmal nach Marseille.

Ich bitte übrigens um Nachsicht für die vielen Hypäsupalinks. Sie sind für meine beiden anderen regelmäßigen Leser, einer Steine- in Patagonien und eine Tourismusforscher(in) in Réunion, für die dieses ganze Kölsch böhmische Dörfer sind oder die vermutlich oder mutmaßlich vermuten, es könnte sich dabei um potemkinsche handeln.



jagothello   (11.01.12, 00:27)   (link)  
Hamburg: Das Tor zur Welt
München: Die heimliche Geliebte Europas oder war´s: Die heimliche Hauptstadt Deutschlands? Jedenfalls: Köln: 3 Reibekuchen 2,50! Das fiel irgendwann sogar den hiesigen Dampfplauderen auf und seither gibt es keine Reibekuchen mehr am Bahnhof. Auch die Südstadt ist längst nicht mehr das, was sie einmal versprach, werden zu können und ihr Nachfolger- Nippes, ist auch schon wieder typisch Kölscher Lebensart, sprich: Selbstgenügsamkeit zum Opfer gefallen. Der neue Hoffnungsträger Ehrenfeld (Alles Gute dieser Welt kommt aus Mülheim, Nippes oder Ehrenfeld!) ist doch wirklich eher etwas für die Generation U27 und so besinnt man sich auf neue Stärken: Den sog. Rheinauhafen mit seiner Kranhausoptik und einem durchaus opulenten Microsoft-Chic, der tatsächlich insgesamt ein echter Zugewinn ist, eben gerade weil es davon vorher so wenig hier gab. Eine Mitte existiert aber nach wie vor bestenfalls im geographischen Sinne, ansonsten ist es ein wüstes Konglomerat aus Urgrund und Chaos- architektonisch, gesellschaftlich, kulturell. Ihnen gefällt es offenbar, mir ging es lange genauso- es ist aber bei weitem eher Geschmacksache als HH, M oder andere stromlinienförmige Schönheiten.
Das Central lag und liegt noch nur wenige Fußminuten entfernt vom Hauptgebäude der Universität, noch dazu, was in Köln sehr selten ist, durch kaum mehr als einen kleinen Park getrennt. Insofern lag es für mich und die meinen immer nahe, (auch einmal) hier zu versacken nach den akademischen, oft genug freudlosen Unbilden des Tages.


jean stubenzweig   (11.01.12, 10:57)   (link)  
Keine Reibekuchen
mehr am Bahnhof? Dann will ich nicht mehr hin.

Den «opuleten Mirofoft-Chic» habe ich, wenn ich mich recht erinnere, ansatzweise irgendwo hinterm Friesenplatz mitbekommen, als mir ein damals leicht überalterter U27-Künstler, der damals anfing, in Licht-Installationen an die Wand zu werfen und dafür von einer kölschen Medienanstalt Geld erhielt, sein schniekes Köln zeigen wollte. Von da an bin ich über meine Zonen gar nicht nicht mehr hinausgekommen. Wie erwähnt: allenfalls Randzonen. Zwischen Barbarossa- und Rudolfplatz. Viel mehr kenne ich nicht. Jetzt kenne ich auch den Hauptbahnhof nicht mehr. Keine Reibekuchen mehr. Ich fasse es nicht. Früh als Brauerei soll ja auch pleite sein, hat mir neulich der WDR erzählt. Oder so. Jedenfalls sollen die kein Kölsch mehr nach Bonn liefern.

Köln ist Ihrer Beschreibung nach offensichtlich auch nicht mehr, was es mal war. Es scheint sich zu verändern wie all die anderen Städte, die allesamt derart gleich aussehen (wollen), daß man nicht mehr weiß, wo man sich befindet. Europaweit. Selbst Marseille, wo mal die Kanonen gen Festland gerichtet waren, versucht auszusehen wie Paris, mit 'nem bißchen Irgendwas-mit-Medien an den Rändern. Dann kann man gleich auf den Dörfern bleiben. Die gleichen mittlerweile auch wie ein Ei dem andern. Von der Jungbäurin kam's wie eine Drohung (so eine Art Doppelmoppler). Die will mittlerweile auch irgendwas mit Medien.

Ich muß Sie allerdings korrigieren. Wenn ich falsch liege oder sich auch das mittlerweile geändert haben sollte, dann korrigieren Sie mich. München, von anderen gerne als größtes Dorf der Welt bezeichnet, nannte sich selbst gerne «Heimliche Hauptstadt Deutschlands». Es hat wohl tatsächlich «Hoffnungsträger» gegeben, die diese Hoffnung von der Hauptstadt werbetechnisch in die Welt trugen. Wie das ewige Olympia. Das von der «Geliebten Europas» lese ich zum ersten Mal.

Und Hamburg. Es müßte eigentlich längst heißen: Das Tor nach China. Oder: Chinesischer Inlandsschiffsvekehr. Nicht nur der Hafen gehört ja mittlerweile den Erben von Konfizius. Von dem sagte mir eine dieser wunderbaren und wunderschönen und bezaubernd klugen und wissenden Mischungen aus chinesischem und sonstigem Blut (Du Bastard!), er habe seine späteren Landsleute an den Kapitalismus herangeführt, es gäbe nur zwei Dinge, an das sie immer dächten, an Essen («Haben Sie heute schon gegessen?», sei die Begrüßungsformel im Land) und wie man am schnellsten, aber auch langfristig möglichst viel verdienen könne. Also: Das Tor zum Geld.















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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