Ente oder Ei?

Es mußte ja so kommen, irgendwann, eigentlich habe ich fortwährend damit gerechnet, nachdem im Februar schon einmal elektrische Fremdankurbelung benötigt wurde: Es ist nicht angesprungen wegen des dreitägigen Abenteuerurlaubs in den ziemlich nassen Feuchtgebieten von Büddenwarder, aber für sowas ist das im Exil befindliche edle Gefährt des Südens einfach nicht konstruiert worden, sondern für allenfalls zehnprozentige Luftfeuchtigkeit und nie unter fünfzehn, tiefstens zehn Grad plus auch im Winter, das mag es nunmal nicht, eine Unverfrorenheit sozusagen, es solchen kurz-vor-hinter-sibirischen Unbilden auszusetzen. Zudem es normalerweise überdacht steht in einem kuscheligen, windgeschützten Eckchen, links dickes Gemäuer aus der Zeit der (französischen!) Revolution, und nach rechts gedämmt mittels althergebrachter Techniken, mit Hilfe vieler, sehr vieler und seit Jahren hochaufgetürmter Festmeter Buche und Birke und auch ein bißchen uralter Eiche vom vor zwanzig Jahren vollzogenen Aus- und Umbau. Und es kam die Rache, wie sie kommen mußte: die sechs bis acht Jahre alte Batterie verweigerte ihre Dienste. Drei Umdrehungen. Aus. Ende.

Also Taxi im nahen Städtchen angerufen, Bitte um Starthilfe. Rasch kam sie auch, innerhalb von zehn Minuten, kostete überdies, auch hier Überraschung, denn von etwas größeren Ansiedlungen ist man anderes gewohnt, unter zehn Euro. Aber mit dem beabsichtigten Einkauf war dann nichts. Denn: mindestens zwanzig Minuten möchte sie bewegt werden, die Ladestation für die Schwachbrüstige, bis die wieder einigermaßen leistungsfähig ist, also wenigstens die drei Umdrehungen schafft, die sie unter witterungsgünstigeren Bedingungen benötigt. Und der ursprünglich anvisierte Konsumrauschtempel steht maximal fünf Minuten entfernt auf der grünen, gleichwohl im Nachhinein betonbefestigten Wiese.

Nun denn, der Himmel winkte wolkenlos, lud nachgerade ein zur gemütlichen Landpartie, zur Erholungsfahrt für Mobil und Kutscher gleichermaßen. Und wie sich's so dahinrollt, mit einem Mal ein Hinweis sich auftut zu dem immerfreundlichen und zuverlässigen Pfleger des anderen, vor kurzem noch alternativen Autochens und auch in Zukunft desjenigen, das kürzlich aus der Gebärmutter der französischen Fabrik geschlüpft ist. Wiederum ein Zaunpfahlwink auf schlechtere Zeiten, womit hier weniger die Empfehlungen gemeint sind, ein bißchen von dem Geld auszugeben, das einem zwar gehört, aber möglicherweise bald in der Lohe aufgegangen sein wird, die unsere Währungshüter entfacht haben, sondern schlicht der auf unabänderlich kommende Witterungen, die neuerlichen Startverdruß bringen könnten nach Ausflügen in die nassen Feuchtgebiete von Büddenwarder.

Nun gut, Enten mit Köpfen machen: Neue Batterie. Einbau kein Problem, das ginge ruckzuck, meinte Herr Osterhoff junior in Sandesneben. Etwas über sechzig Euro. Aber: kein Geld beziehungsweise nicht in der Tasche, da mit Geldtanken ja nichts war wegen des altbatteriebedingten Zwangsdauerlaufs. Aber auch das kein Problem. Überweisen eben oder auf einen ohnehin gern getanen Klönschnack hin noch mal vorbeikommen. Man kennt sich eben. Landleben.

Nun ist sie gewappnet, die Kutsche aus der Zeit der französischen Revolution, sogar gegen die büddenwarderschen Naßgebiete, zumal die winters ja noch ekelhafter und batteriekräfteraubender sind als herbstens.

Heile Welt. Es sei denn, es bricht eine Revolte aus und neben den halbstaatlichen oder mittlerweile gänzlich verstaatlichten Banken oder mit dem deutschen Staat geht auch die Bauernkasse pleite, in deren Silos unsereiner Milliönchen silagegleich gebunkert sind. Aber dann holen wir eben den Karren aus der Scheune wie anderleuts ihre Oldtimer, spannen den Ochsen davor, fahren zu den Alten, die ihr Viehzeugs entgegen aller Brüsseler Anordnungen und Erlasse und Gebote und Verbote und Gesetze einfach, irgendwo da hinten versteckt, uneinsehbar für die ewig Fortschrittsgläubigen und deren Globalitätshüter, behalten haben, leihen uns ein Huhn und haben damit ein für allemale die seit Douglas Adams existierende Frage gelöst, was denn nun zuerst dagewesen sei: Ente oder Ei.
 
Mo, 06.10.2008 |  link | (1898) | 5 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Land.Leben


nnier   (06.10.08, 18:39)   (link)  
Bei weniger als 10.- erübrigt sich das ja eigentlich, dennoch: Man muss nicht im ADAC sein, sondern hat inzwischen mit den allermeisten KFZ-Versicherungen eine Art Schutzbrief, der in solchen und ähnlichen Fällen kostenfrei in Anspruch genommen werden kann. "Nur mal so", wie mancher schreiben würde.


jean stubenzweig   (06.10.08, 21:01)   (link)  
Das letzte Mal,
daß ich auf einen dieser (B)Engel, in welche Farbe die auch immer eingepackt gewesen sein mochten, habe warten müssen, hätte die Zeit ausgereicht, Fleisch ist mein Gemüse (ja, ich habe es mittlerweile gekauft) vorwärts und auch nochmal rückwärts lesen zu können. Nach zwei Erfahrungen dieser Art in den geschätzten zehn Jahren habe ich vergangenes Jahr diesen sogenannten Schutzbrief, genau, verbrannt wie andere aktuell unser Geld (sehr gut, mal wieder oder auch meist, ahoi polloi). Es spielt keine Rolle, bei wem man sowas gebucht hat, und sei es noch so kostenlos: Sie alle beschäftigen Pannenhelferlein, die von irgendwo her kommen und oftmals alleine für die Anfahrt zwei Stunden brauchen – die Fälle, die zwischendrin noch erledigt müssen, und das Pausenbrot nicht eingerechnet. Neenee, da ruf ich eben besagten Taxler, der mir in der etwas größeren Stadt zwar das Doppelte abverlangt, aber mich nicht im Wartesaft schmoren läßt. Und für den Unterstmittelstand habe ich auch nochwas getan: Das Leuchten in den Augen dessen, der so einer alten französischen Landvettel hat wieder auf die Michelinchen helfen dürfen (ernsthaft, in Frankreich ist es mir mal passiert, daß ein Dépanneur nichts haben wollte für eine Hilfe, weil man einem Deux Cheveau gegenüber Chevalier zu sein hat ...).

P. S.
Den Leuchtgelbgefärbten habe ich mich allerdings ohnehin immer verweigert, weil ich diesen Verein nie abkonnte – oh! dafür gibt es eine große Vielfalt an Gründen.

Gute Nacht. (Knastpiepen. Zuviel Sonne während der Oben-ohne-Landpartie?)


mark793   (06.10.08, 21:14)   (link)  
Die Schutzbriefe
diverser Assekuranzen sind z.T. nicht wirklich satisfaktionsfähig gegenüber den Leistungen der Gelben. Muss ich leider sagen, wiewohl mir das pseudopolitische Getue der Autofahrerpartei mit den vier Buchstaben bisweilen auch sauer aufstößt.

Wegen Starthilfe würde ich auf die Jungs aber auch nicht warten wollen. Einmal hab ich meine Schleuder alleine angeschoben. Gut, dass es geklappt hat, denn für einen zweiten Versuch hätte ich weder Kraft noch Puste gehabt. ;-)


nnier   (06.10.08, 23:30)   (link)  
Die Idee mit dem Taxi ist ja auch gut. Ich weiß aber auch, wie weh es tut, wenn man auf diese Idee nicht kommt, dann den Pannendienst ruft und selbst bezahlen muss - man kann dann froh sein, wenn man unter 100.- bleibt. Und für diesen Zweck habe ich den Schutzbrief der Haftpflichtunterstützungskasse dann doch gerne in Anspruch genommen (nachdem ich aus dem Automobilclub auch schon vor Jahren entnervt ausgetreten war).

Und das Anschieben: Ja, das kenne ich gut, Fahrertür auf, Leerlauf rein, anschieben, rennen, reinsetzen, zweiten Gang ruckartig kommen lassen - gefolgt vom Herzkasper. (Einmal, in meiner Zeit als Fahrer für den Subunternehmer F., musste ich einen komplett überla gut beladenen Ford Transit in Gang bringen, da der auch nicht mehr anspringen wollte. Die Lösung: Einen Kollegen bitten, mit seinem Gefährt sanft heranzufahren, dann Stoßstange an Stoßstange anzuschieben, dann ruckartig den zweiten Gang ... es hat geklappt! Und den Motor habe ich in dieser Winternacht auch nicht mehr ausgehen lassen.)

Jagen Sie die Kopfschmerzen zum Teufel! (Und übrigens, den ersten Izzo-Band habe ich mit Vergnügen gelesen!)


jean stubenzweig   (07.10.08, 07:11)   (link)  
Die an sich schlüssige
Theorie mit dem Anschieben kam mir zunächst auch in den Sinn, zumal mein persönlicher Medicus (ja, der, der unsereinen bei einem gemeinsam genommenen Zigarettchen auf die tödlichen Risiken von Zertifikaten – bittere Erfahrung – aufmerksam macht) mir mehr Bewegung verordnet hat. Nicht zu vergessen die weitere mit der klassischen Enten-Kurbel (ja, die gibt's!). Doch nachdem ich den Stand der Dinge, in diesem Fall des Fahrzeugs, sah, verwarf ich sie. Es stand rückwärts abschüssig, und zwar auf einem sehr engen Sträßchen. Zwar ist besagte altfranzösische Landvettel nicht unbedingt schwer, aber als schwierig gebärdet sie sich durchaus, will man sie antriebslos bewegen. Für manchen scheint das kaum vorstellbar, aber so ein schnapsglasgroßes Motörchen entwickelt enorme Kraft auf die ochsenkarrengroßen Reifen, die dann alles andere mehr sind als Leichtlaufräder. Und die Startkurbel: Einmal hab ich's damit versucht vor Urzeiten. Es reichte aus, keinen weiteren Versuch des Starts damit zu starten. Das mag funktionieren bei einem warmen Motor. Aber bei einem, der drei Tage freistehend in dörflicher Regennässe vor sich hingefroren hat, bei dem darf man's gleich seinlassen. So gesehen wäre dieses Hilfsmittel überflüssiges, romantizistisches Beiwerk, hülfe es einem nicht beim Ab- und wieder Anschrauben bei einem eventuellen Radwechsel – wobei man es einem solchen Ententier kaum anmerkt, wenn es platt ist; ein bißchen ins Schwimmen gerät es, aber das ist ja eine der Ureigenschaften dieser Species.

Für den Fall einer erheblicheren Schwierigkeit als lediglich die einer lahmenden oder sich entleerten Batterie. Da tut man sich dann auf dem Dorf wirklich leichter, indem man seinen ganz persönlichen Automobillandarzt anruft. Das kann zwar dauern, bis er sich freigemacht oder jemand anderen gefunden hat. Aber er wird einen keinesfalls im Regen oder in der Sonne stehen lassen. Und er wird's immer noch günstiger machen als irgendein Verein, in dem man nichtmal Herr über die Kasse sein möchte (man = ich).

Über diesen besagten, den viele Deutsche für die Regierungspartei halten, sind wir uns offensichtlich einig. Ich gehörte ihm nie an, sondern dem einstmals (?) gewerkschaftseigenen. Aber ich bin eben aufgrund der genannten Gründe ausgetreten. Zumal es in Frankreich vorteilhafter ist, einen älteren Dorfschmied zu konsultieren, da alle, die jünger sind als fünfundfünfzig, fassungs- und ahnungslos vor dieser Technik stehen.

@ nnier: Schön, daß Izzo Ihnen gefällt. Herr Strunk liegt wartend auf einem Stapel. Immerhin obenauf.















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