Geistiges und Restliches Wein wird in der ganzen Provence angebaut und ist bei einem Restaurantbesuch in Marseille quasi unvermeidlich; Wasser gibt's zu jedem Essen kostenlos, es sei denn, man möchte es, entgegen dem landläufigen Geschmack, gazeuse, dann kostet es, und zwar ordentlich. Sehr gerne werden die überwiegend im benachbarten Département Var angebauten Rosé-Weine getrunken. Gut erinnere ich mich an Empfehlungen von Jean-Claude Izzo, mit denen er zwei- oder dreimal über Weine aus der Gegend von Bandol geschrieben hat. Er hat in seinen Polars oder Policiers oder auch anderen Romanen immer wieder mal Kostproben gegeben, und so manches habe ich diesem einheimischen Genießer hinterherprobiert: «Die Qualität der Roséweine aus der Provence begeisterte mich von Jahr zu Jahr mehr. Dieser Wein aus der alten Komturei Bargemone war ein besonders edler Tropfen. Man schmeckte die sonnenüberfluteten, flachen Rebhänge der Gebirgskette Trévaresse förmlich unter der Zunge. Bestens dazu passen Brotscheiben, die man in mit Pfeffer und gehacktem Knoblauch angemachtes Anchovispüree tunkt.» Auch wenn er andere getrunken hat, dieser Marsailler Bulle Fabio Montale, konnte man ihn schmecken, beispielsweise den weißen «mit Vanilleblume» Clos-Cassivet oder Côteaux d'Aix, ein Rotwein aus der Domaine des Béates von 1988: «Dieser Wein war eine kleine Meisterkomposition mit seinem Duft nach Thymian, Rosmarin und Eukalyptus. Wir konnten nicht genug davon kriegen.» Oh ja. Oder auch: Oh weh. Aber auch dort, wo seit langem die mehr oder minder gehobene Touristen(ab)fütterung stattfindet, hinter dem Quai de Rive Neuve, bei Loury: «Ein Restaurant am Carré Thiars in der Nähe des Alten Hafens. Man ißt gut dort, ob es dem Gault Millau nun gefällt oder nicht. Sie haben den besten Vorrat an provenzalischen Weinen. Ich wählte einen Château-Sainte-Roseline. Ohne Frage der edelste Rote aus der Provence. Und der sinnlichste.» (zitiert nach: Unionsverlag) Leider sind die meisten von Izzo empfohlenen Restaurants relativ kurze Zeit nach seinem Tod quasi mit ihm dahingeschieden (die Weine leben allerdings noch beziehungsweise haben Nachwuchs bekommen). Und auch vorher mochte ich wahrlich nicht all seinen Empfehlungen folgen, teilweise waren sie mir und auch anderen rätselhaft, etwa La Samaritaine an der Ecke rue de la République und Quai du Port. Möglicherweise hatte er ein besonderes Verhältnis zum maître de cuisine und erfuhr so eine besondere Bewirtung. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, daß seine Eß-, Trink- und Hörtips nicht (mehr) von ihm persönlich zu verantworten sind, da er bereits im Jahr 2000 über den Alten Hafen gegangen ist. Der Kult um ihn (einschließlich der Webseite) wird von seinem Sohn Sebastian gepflegt, ein durchaus freundlicher, zuvorkommender Mensch, aber eben im Hauptberuf Sohn. Zurück zur Bouillabaisse: Wie die zur einheimischen Küche gehört, geht es in der Stadt (und nicht nur dort) nicht ohne Pastis als Aperitif; zuviel davon, läßt man's folglich mit dem Leiblichen und konzentriert sich gänzlich aufs Geistige, bleibt dann gleich sitzen, etwa hier (im Bild unten links), in der Bar Marengo befindet sich quasi die Magenpforte zur (in Restefisch und Rustikales erwähnten) Touristenabfütterung in und an der rue Saint Saëns. Am meisten dürfte im Süden Pastis 51 getrunken werden, der die Zahl in seiner Bezeichnung deshalb trägt, weil er früher einmal 51 Volumenprozent Alkohol hatte. Er gehört mittlerweile auch zum Pernod-Konzern, da Monsieur Ricard, dem auch der 51er gehörte, alles an den Riesen verkauft hat (und dies auf seiner Webseite dezent versteckt). Vermutlich, weil es sich nicht gut machen würde beim von ihm nicht uneitel großunterstützten jährlichen Pétanque-Spektakel mit über zehntausend aus aller Welt angereisten Boule-Spielern, bei dem es zugeht, als ob das filmschaffende Cannes exiliert worden wäre und dessen Finales immer direkt am Alten Hafen ausgetragen werden, dieses seltsame, offenbar für deutsche Paris-Touristen erfundene Gebräu sozusagen in einem Schluck nehmen zu müssen. Ricard und Pernod auf einer Seite, das geht. Aber Pastis 51 ist quasi das geheiligte Manna der boulistes und damit unantastbar (vielleicht aber auch, so ein bißchen der Apple der Anistrinker, immer schnieker, jedoch im Gegensatz zu Macintosh keineswegs billiger werdend). Die Marseillais essen gerne und gemächlich außerhalb, das liegt sozusagen in ihrer und an der Natur. Doch zunehmend breitet sich sich dieser Globalisierungsvirus aus; wie einst die Ratten die Pest in die Länder brachten, ist es hier der TGV, der innerhalb von drei Stunden massenhaft Pariser aus der achthundert Kilometer entfernten Metropole heranschießt. Und da man in gewissen Kreisen ebenfalls Metropolist sein möchte und deshalb begonnen hat, keine Zeit mehr für eine solche Überflüssigkeit wie ein ausgiebiges Mittagsmahl zu haben, zu dem früher im Büro Anrufbeantworter ein- und Telefaxgeräte ausgeschaltet wurden, ist man infiziert: Die Straßen sind daher voll mit Imbissen aus allen möglichen Nationalschnellstküchen. Wikitravel erzählt in etwa: In den 13 (welch eine Zahl! Stand 10. Januar 2007) in Marseille ansässigen Mac Dingens (einer schrecklicherweise im linken Blickwinkel einer meiner beiden persönlichen Cafés am Alten Hafen!) findet man fast ausnahmslos Touristen. Junge Einheimische bevorzugen (abnehmend) die französische Hamburgerkette Quick. Gegen den Fastfoodhunger (ich meine: für diejenigen, die sich partout den Magen verderben wollen) liegt an jeder Ecke ein Stück Pizza oder ein Sandwich herum (daß es dort keine Bratwurst gibt, hat die Büddenwarderin bereits mehrfach beklagt). Döner gibt es in Marseille, wie in Frankreich üblich, wahlweise im Fladenbrot oder im Baguette. Rasch geht's auch in den immer zahlreicher werdenden vor allem arabischen und asiatischen Schnellwiederher-stellungsstationen. In den typischen und, wie überall im Land, weniger werdenden Brasserien und Bistrots bietet man dem rasenden Finanzjongleur zwischen Gewinnmaxi- und Minimierung oder dem etwas sensibleren Touristen zwischen zwei Griechenklos auch das landesübliche Sandwich: zwischen Baguettehälften gelagerte Schinken, Terrines (Pasteten) oder Käse, dazu Tomatenscheiben und/oder Salatblätter. Oder aber, wie erwähnt, am Cours Saint-Louis eine andere Art (zu genießende) Zwischenmahlzeit: eine Portion fruits de mer. Gerne sei auf den Bericht von Matthias Brunner verwiesen, auch wenn in ihm einiges leicht aus dem Ruder läuft, da er Eindrücke vom Markt an der rue Longue des Capucins im Quartier de Noailles und dem tatsächlich vogelwilden oben hinter der Porte d'Aix miteinander vermischt. Es gibt auch an ersterem zwar wunderliche Gerüche, aber Altöl dürfte dort eher weniger fließen. So in etwa. Aber die Schilderungen an sich sind schlüssig und durchaus charakteristisch. Bei dem obigen Text handelt es sich nicht um einen aus Wikipedia abgeschriebenen, sondern um den zweiten Teil dessen, der am 24. Mai 2007 um 11 Uhr 06 im gesamten von mir dort hineingestellt wurde (ich will gar nicht wissen, wie er jetzt aussieht), allerdings für die andere, demnächst zu schließende Seite [weshalb der Beitrag jetzt hier ‹gesichert› wird]), mit mittlerweile erheblichen Änderungen und Ergänzungen versehen. Deshalb gilt für die vorliegende Version selbstverständlich nicht das Wikipedia-, sondern das Urheberrecht. Teil 1 dieses Textes: Restefisch und Rustikales
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