Helios hat seinen Wagen wieder aus der Garage geschoben, na ja, ein paar Stunden dauert es schon noch, bis Arno Schmidts Sonne wieder aufgeht, wenn sie sich denn überhaupt blicken läßt hier in Kurz-vor-hinter-Sibirien, aber mein etwas konfuser (Bio-)Rhythmus(-wecker) hat eben gesagt: aufstehen, Büro gehen, du solltest auch mal was sagen, hier in deinem kleinen Forum, du hast das schließlich ausgelöst. Andererseits machen die Damen und Herren das hier so fundiert, daß mir kaum etwas zu sagen bleibt, bis vielleicht auf zarten Hinweis, unterm Strich dann doch nicht über eine ganz so undifferenzierte Auffassung zu verfügen, sondern schlicht vereinzelt eine andere Sichtweise zu verfolgen, mir dabei allerdings das eine oder andere Häppchen aufzubewahren für den Fall, daß ich den Mund auch mal wieder aufkriege. Aber wer schläft, der kriegt nix. Im wesentlichen schließe ich mich an, denke hier ähnlich wir der eine, stimme dort der anderen zu oder mit allen überein oder auch nicht, überlasse ihnen das Feld, nur weiter im Symposion, vielleicht treffen wir uns demnächst, eventuell in der Nähe von Witten-Herdecke, Frau Herzbruch, oder rechts der Isar, gerne das UKE, lieber noch in dieser Gegend auf reichlich Nektar und sprechen das buchreif. Ich aber öffne jetzt ein neues Türchen in meinem lustigen Adventskalender. Einen von Mark erwähnten Aspekt will ich herausgreifen: «Werbung sei Kunst.» Davon mal abgesehen, daß ich in den achtziger Jahren die Tatsache an die öffentlich-rechtliche Pforte genagelt habe: die Werbung klaut bei der Kunst, tendiere ich auch heute noch nicht dazu, Michael Schirner rechtzugeben. Sicher, die Zeiten haben sich insofern geändert, als die Werbung sich nicht mehr nur sämtliche Anregungen anderswo herholt, sich also abgenabelt, gar laufen gelernt hat. Die Werber hatten eine Zeitlang Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl; sie wollten irgendwann auch, wie die Architekten der achtziger Jahre wieder, Künstler sein. Vielleicht haben einige auch noch heute kleine Schwierigkeiten mit ihrem Selbstverständnis und befragen sich das eine ums andere Mal nach ihrer Daseinsberechtigung in dieser Gesellschaft, aber die dürften in der Minderzahl sein, da eine Welt ohne Konsum und das nicht endenwollende Getöse um ihn heute nicht mehr vorstellbar ist. Auch sind Berührungsängste kaum noch vorhanden, fließen doch die Kreativkräfte der Künstler seit den Neunzigern häufig direkt ein, die Grenzen sind oftmals nicht nur aufgehoben, sondern sie steigen längst selber ein und partizipieren an diesem Mixed-Media, verdienen sich zwischen zwei Filmen oder Bildern ein paar Tütchen Rosinen dazu. Wie der Journalist, der auch manchmal gerne Künstler sein möchte, etwa dort, wo er sich Kritiker heißt, aber letztlich lebt der davon, wenn er seine Nahrung aus demselben großen Topf bezieht; was man Zeitungsartikeln oder Fernsehbeiträgen oft genug ansieht. Wir sind grenzenlos geworden, nicht nur innerhalb Europas. Alles fließt ineinander, gerne nennt man interdisziplinär, was nichts anderes ist als das Verwischen von Unterscheidungsmerkmalen. Es hat oftmals Unterhaltungscharakter, wenn ein pfiffiges, zudem technisch perfektes Filmchen daherkommt, das nichts anderes sein will und nebenbei auch noch die Intention des Auftraggebers erfüllt, auf ein Produkt aufmerksam zu machen. Dem entziehe auch ich mich nicht, bin ich darauf aufmerksam gemacht worden. Da habe auch ich meinen Spaß, sehe vor allem die Urwurzel dieses Genres: auf die Existenz einer mehr oder minder schlichten Sache hinzuweisen. Das kann künstlerisch auftreten. Aber in der Regel ist es nichts anderes als Kunsthandwerk. Letzteres wird nur zu gerne als Kunst bezeichnet. Da sind wir dann wieder zurück bei dem anderen Problem, dem der Bildungseinrichtung, die zwar den Unterschied lehrt zwischen ein mal eins und Daumen mal Pi, aber andere Nuancen durch den Rost eines etwas an den Rändern liegenden Alltags fallen läßt, der jedoch nicht minder zum Leben gehört. Also: selbst dann, wenn einer so einen Werbefilm perfekt gedengelt hat, mag er sich als Handwerker bewährt haben, aber Kunst ist das noch lange nicht. Und ganz arg wird es dann mit dem Selbstverständnis, wenn der Werber erstmal was Überflüssiges erfinden muß, ein paar augenwischerische (um ärgere Formulierungen zu vermeiden) Ingredienzien untermischt und das dann Kunst nennen mag. Ja doch, der Künstler produziert auch nicht unbedingt Überlebensnotwendiges, aber er tut jedenfalls nicht so, als sei es dieses. Ich mag ja ein etwas altbackenes Verständnis von künstlerischer Intention haben, aber die Formel Werbung ist Kunst löst bei mir nicht unbedingt den Prozeß der Erkenntnisfindung aus. Der eine oder andere hat sich darin vor Jahrzehnten schon an mir versucht. Manch ein Steinbruch wurde da verbal gekloppt; der Granit ist nicht weicher geworden. Und auch dann greift die Losung nicht, wenn sie von einem ehemaligen Papst der Produktplazierungsartisten mit Netz und doppeltem Boden erdacht wurde, der später auch noch mit einem Kunstprofessorentalar behängt wurde, obwohl er nichts anderes gemacht hat als Werbung. Aber letzteres wäre dann schon wieder ein neu zu öffnendes Türchen im froh und glücklich machenden Adventskalender. Falls mal wieder nicht alles gesagt sein sollte — hier ist ja Platz genug.
ja, werbung kann schon nervtötend sein. >> kommentieren Ich würde mal sagen: Werbung ist Propaganda - für Konsumismus/Kapitalismus. Nicht umsonst
heißt der Marktflüsterer vor dem Kaufhaus Propagandist. Aber ich vermute, der Begriff wird gar nicht mehr benutzt. Wahrscheinlich, weil er zu sehr nach Kommunismus klingt.>> kommentieren Als das plötzlich anfing, hip zu werden und ich jung genug war, hielt ich Werbung auch für Kunst. Mittlerweile bin ich älter und wenigstens in der Hinsicht schlauer. Es sind lustige Schraubenmännchen, wie man sie auf Flohmärkten und Kunsthandwerksmessen findet. Denn in der Hinsicht gilt noch immer die alte Definition: All art is perfectly useless. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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