mumpitz populi

Nach diesem Zitat habe ich lange in meinem Kopf gesucht, und Sie haben mir's zurückgegeben. Wie schön. Nun lese ich gerade, ein anderer soll's gewesen sein: Genie ist zu zehn Prozent Inspiration und zu neunzig Prozent Transpiration, soll der Technofix Thomas Alva Edison einmal gesagt haben. Aus Nikolaus Harnoncourts Mund habe ich es in Ihrer sprachlichen Variante auch schon gehört. Wem auch immer das Copyright zusteht, Harnoncourt und Gulda wären mir lieber gewesen, weil ich mich denen sehr viel näher fühle als diesem alten elektrischen Lichterzeuger.

Selbstverständlich ist das so. Ich hatte ja auch geschrieben und es damit gemeint: «Können ist etwas anderes. Vielleicht das, was man gelernt, geübt und immer wieder geübt hat, was das Talent einst in Fluß gebracht brachte, ohne das Kunst nicht ‹funktioniert›.» Und Sie müssen auch nicht antreten, um Ihre Ehre zu retten. Geäußert hatte es ja Ihr Musikprofessor. Angeprangert hatte ich eben diese landläufige Meinung. Das ist genau dasselbe wie: Deine Bluse oder Hose oder der Fleck auf ihr ist unästhetisch. Das ist mumpitz populi. Da reagiere ich recht algerisch drauf, weil ich es ständig höre. Und deshalb habe ich etwas ausgeholt, aber auch, weil es ja sein könnte, daß andere mitlesen, die mit solchen Gedanken vielleicht nicht so vertraut sind. Da bricht so etwas ähnliches wie die Didaktik aus mir hervor, deren persönlicher Freund ich sicherlich nicht bin, die aber aus Gründen der Notwendigkeit in mir eingelagert ist.

Kunst ohne Vorbildung, das ist ja das Problem, das die Kunst mit vielen hat. Ich hatte das mal angerissen über den Blick nach oben. Da waren Tropfkerze und ich auch bereits in den Himmel geraten, jeder auf seine Weise, ich dabei, wie des öfteren, ein wenig in Rage. Die Kunst wird im Schulischen eindeutig und seit langem als Nebensächlichkeit abgetan. Aber gleichzeitig jagen die Lehrer die Schüler in Ausstellungen wie die über Leonardo da Vinci. Mit Schwerpunkt Technik wohl, der geniale Konstrukteur, Zeichner aber nebenher, völlig außer acht lassend, daß wir uns hierbei bereits wieder bei τέχνη (téchne) befinden. Es gibt nichts zu verstehen, wenn wir uns nicht damit beschäftigen. Wie oft habe ich, gerade unter Jüngeren, Überraschung erlebt und großes Interesse ausgelöst, wenn ich historische Zusammenhänge erklärt habe. Das Grundwissen dazu zu vermitteln, ist Aufgabe der Schulen. Aber dort, in Kunst+Erziehung lernen die Kinnings allenfalls Häuschen und Bäumchen malen und zeichnen, schlimmer noch: jeder freier Gedankengang wird ihnen (zuvor bereits im Kindergarten) wegtrainiert – ein Haus hat nunmal vier- oder rechtecking zu sein, ein Baum hat einen Stamm und eine Krone. So sehen dann auch die Dörfer und Städte und die Auslagen der Kaufhäuser aus. Wie die abgewrackte deutsche Regierung, die vermutlich selber glaubt, sie habe das (Vier-)Rad erfunden.

Die Kirche, vor allem die christliche, wird so gerne und penetrant und indoktrinierend als die große Baumeisterin oder Mäzenatin oder was sonst noch alles zitiert. Meine Güte, früher hatte der Mensch nichts anderes als sie und den lieben Gott. Und deren Stellvertreter auf Erden samt Vasallen hatten nunmal das Sagen und das Geld. Das hat sich mit dem aufkommenden Bürgertum kaum geändert. Einen anderen «göttlichen» Bezug konnte und wollte sich kaum jemand vorstellen, aber er ist nunmal vorhanden, worauf Tropfkerze mit Schopenhauers WWV verweist.

Womit wir wieder am Anfang wären.

Über das Risiko der Beschneidung staatlicher Kulturförderung ein andermal — ich bin heute irgendwie gar nicht so gut beisammen (wahrscheinlich muß ich bereits wieder an die mir morgen bevorstehende kirchliche Veranstaltung denken). Aber Sie, Frau Damenwahl und ich, dürften da ohnehin ziemlich einer Meinung sein. Was uns nicht hindern soll, am Thema zu bleiben; wozu selbstverständlich auch das Theater gehört (dem ich vor langer, langer Zeit mal als [Produktions-]Dramaturg angehörte, was aber eigentlich erst im nächsten Kapitel zum belgischen Adel zur Sprache kommen sollte — und das steht an, will ich hier doch kein reines Kulturdiskussionsforum betreiben; die Kunst hat mich schließlich lange genug immer nur getrieben).


Soeben Interessantes zum Thema (Kirche) entdeckt: Religionsgeschichte
 
Fr, 24.04.2009 |  link | (1848) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Artiges


apostasia   (24.04.09, 07:58)   (link)  
Für Sie Bildungs-FAZ gelesen
»... warum sollte auch eine Ausstellung über die Kunst der Aufklärung keine aufklärerischen Werte propagieren? Fast scheint es, als fürchte sich der Kulturpolitiker Steinmeier vor der Berührung mit dem rebellischen Kern der Kunst, ihrem alle weltlichen und religiösen Ideologien in Frage stellenden Impuls. ...«

Deutsche Kultur im Ausland, in:
FAZ


»... Die Tradition deutscher Bildung wird vielerorts bewundert, allein in Deutschland scheint sie Teufelszeug zu sein. Leider scheinen die "Bosse" die nach vermeintlich billigen Bachelors rufen zu vergessen, dass allein Bildung nachhaltige Wertschöpfung ermöglicht. Ohne ein fundierte Ausbildung bleibt am Ende ein Gerüst, das bei leichtem Wind einstürzt, Mitarbeiter, die eben nicht mehr wissen wollen warum etwas ist wie es ist. Wenn ich dann lesen muss, dass ein Großteil der Investmentbänker die eigenen Produkte nicht wirklich verstanden haben, dann mag erkennbar werden, dass Bildung vielleicht doch nicht so unwichtig ist. ...«

Bildung hat Mehrwert, Otto Fort, in:
FAZ


»... Und da ist man schnell wieder bei der Religion. Menschen, die in ihrem Glauben wurzeln, danach leben und andere nicht dazu überreden wollen, es ihnen gleichzutun, schätzt König. ›Aber es gibt auch Leute, die sind schwul und katholisch, für die ist der Papst tatsächlich der Heilige Vater, egal, was der von sich gibt. Wenn dann wieder mal aus dem Vatikan gegen die Schwulen gewettert wird und ich frage, was sie denn dazu sagen, kochen die hoch und wehren sich dagegen, die Handlungen und Lehrmeinungen des Papstes erklären zu sollen. Das finde ich erstaunlich. Oder jener evangelische Priester, dem ›Prototyp‹ gut gefiel und den ich gefragt hatte, ob er wirklich an die Schöpfungsgeschichte glaube. Der schrieb mir zurück, er habe da zwar Zweifel, aber die seien Bestandteil seines Glaubens. Das ist nicht nur windelweich, das ist schlimm. Da werden eigene Bedenken einfach ignoriert, Inkonsequenzen nicht erkannt. Da muß man einfach gegenhalten‹. ...«

Ralf König über ›Prototyp‹, in:
FAZ


aubertin   (24.04.09, 17:19)   (link)  
Calme et repos !
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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6036 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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