Widerstand «sensible Geister und empfindsame Köpfe», schrieb Prieditis zur Äußerung von Paula Jacques in Sensible Männer, «sind bereits in den zwanziger Jahren auf offener Straße niedergeknüppelt und gemeuchelt worden. Insofern stimme ich dem Zitat nicht zu ....». Ich erklärte dazu bereits etwas, will das jedoch außerhalb des Erzählerischen nochmal aufgreifen. Es war zwar immer wieder Thema bei mir, allerdings oft nur am Rand erwähnt. Mir scheint es an der Zeit, mich auch ohne den Gewandschutz des Kardinalsmantels Erzählung dazu mal äußern zu müssen. Denn zum einen sind da die beiden Länder, die ich im Jahrzehnteblick habe und die mit Motivation für meine Bloggerei sind, wie ich das kürzlich jugendlich öffentlich-rechtlich kundgetan habe. Und zum anderen gibt es aktuelle beziehungsweise sich anbahnende Ereignisse. Völlig im klaren bin ich mir darüber, daß es zu allen Zeiten irgendwie Widerstand gegeben hat — gerade eben wegen der sensiblen Köpfe, die dies oder das haben kommen sehen. Ich habe den einen oder anderen persönlich kennengelernt, der innerhalb der nicht mehr so ganz jungen Geschichte manch einen Knüppel auf den Kopf bekam oder auch richtig schlimme Dresche oder auch sehr viel mehr einsteckte. Der eine hat's überwunden, der andere seinen Schmerz in einer bestimmten Sprache auf ewig schweigend mit ins (mittlerweile eigene) Grab genommen, nicht nur in einem Teil der Levante; letzteres habe ich in Familienbesuch mal zu erklären versucht. Ich selber will auch keineswegs für mich in Anspruch nehmen, ich hätte mich eventuell heldenhaft den Braun- und Schwarzhemden oder auch einfach geistig und schlicht Uniformierten entgegengestellt. Eher wohl hätte ich versucht, mich in das winzigste verfügbare Loch zu verkriechen. Aber eine starke Gemeinschaft, das kann ich mir vorstellen, hätte meine nicht nur pazifistisch bedingte Feigheit vor dem Feind besiegen helfen können. Als Beispiel seien die aktuellen (oder auch zurückliegenden) Ereignisse in Frankreich genannt. Eben diese kämpferische Gemeinschaft gegen die Machenschaften von unfähigen oder auch schlicht unwilligen Konzernführungen hat es ermöglicht, Werksangehörigen wenigstens einige zehntausend Euro Abfindung für teilweise jahrzehntelange harte Arbeit zukommen zu lassen (im Vergleich zu den Millionen, die diejenigen zugesteckt bekamen, die das Unheil mit angerichtet haben). Wer sich dem nicht (so resolut) entgegenstellte, indem er Manager in deren Büro festsetzte oder gar mit der Exekution der ehemaligen und hinfällg gewordenen Existenzgrundlage drohte, ging leer aus. Die etwas Älteren kennen das aus der bundesrepublikanischen Zeit, als man innerhalb der Bannmeile noch festgenommen wurde, wenn man nicht dem hohen Haus entsprechend gewandet war, einem Oppositionsredner und späteren Innenminister das Wort entzogen wurde, weil er dieses Geschehen lautstark beklagte, als ein späterer Außenminister und Vizekanzler senatsunwürdiger Reden wegen des Plenumsaals verwiesen wurde, was ihn zu der vielzitierten mehr oder minder leidigen Äußerung verleitete: «Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.» — «Wer sich nicht wehrt», hieß es dann, als auch auf der rechten Seite des Rheins, nicht nur nahe des friedlichen Rosengärtchens sich Auflehnung abzuzeichnen begann, «lebt verkehrt.» Das ist es, was ich unter anderem auch meinte mit den Wurzeln in der Geschichte. Wobei hier nicht unerwähnt bleiben darf, daß der rechtsrheinisch so herbeigesehnte Elite-Gedanke in kaum einem anderen Land so ausgeprägt sein dürfte wie im linksrheinischen der Égalité. Diese Gleichheit aus dem revolutionären Liberté, Égalité, Fraternité meint allerdings, das wissen einige nicht (mehr), nicht etwa, alle Menschen hätten einander zu gleichen wie das eine Ei dem andern, sondern es bezieht sich auf das Recht, vor dem alle gleich zu behandeln seien. Vor diesem Hintergrund wird es etwas heller, wenn es dem Deutschen den Geist vor soviel Gewalt verdunkelt, es ihm unverständlich wird, daß hier die Staatsgewalt nicht zurückschlägt. Die hält sich in Frankreich aktuell schon alleine deshalb zurück, um nicht noch mehr davon zu erzeugen. Denn ein paar Rudimente aus dem Grundschulunterricht sind noch vorhanden in den Hirnwindungen der an bestimmten Hochschulen einzig für Führungsaufgaben ausgebildeten Politikern und Konzerndirektoren. So geschieht dann im Geburtsland der Revolution durchaus hin und wieder etwas, das im Land der Staatsraison undenkbar wäre: Ein Gericht stellt ein einmal angestrengtes Verfahren wegen — nennen wir's mal Haus- oder Landfriedensbruch — ein. Man könnte es auch zentralistisch geregelte Politik des inneren Friedens nennen. Auch ein Monsieur le Président ist sich im klaren darüber, daß nicht alles wegzukärchern ist. Denn das ist eine andere Gewalt als die von einigen benachteiligten Randfiguren der Gesellschaft, mit denen man ohnehin von jeher macht, was man will, und sei es, daß man sie einfach ausgrenzt, nicht nur an die Ränder der großen Städte, diese ganzen Andersgearteten, die sowieso nicht ins Land gehören, auch wenn sie (etwa als unglückliches Überbleibsel aus der Zeit der Kolonialisierung) Franzosen sind. Hier lehnt sich nämlich eine Kraft auf, die ein anderes Verständnis von Staat hat. Nicht nur, wir sind (vielleicht) ein Volk. Sondern: Wir sind der Staat. Merken Sie sich das, Herr Präsident. Pathos raus. Wieder hinein ins Nachdenkliche. Nicht sich seinem «Schicksal» ergeben, das einem als Kadavergehorsam offensichtlich in die geistige Wiege gelegt wurde. Nein, ich will hier alles andere tun, als rabiater Gewalt das Wort zu reden; sogenannte autarke Linke beispielsweise sind mir ein Greuel. Sich auflehnen ließe sich theoretisch wahrlich auch auf andere Weise bewältigen. Massenbewegt auf die Straße könnte man gehen. Einen Spaziergang in Massen machen zum Wahllokal. Als ob autofreier Sonntag wäre, wie vor bald vierzig Jahren, als schonmal alles verheizt schien. Doch es wird darauf hinauslaufen: Ach nöh! Wen soll man denn überhaupt noch wählen?! Man kann's ja doch nicht ändern. Das mit der Gewalt zwar durchaus! Aber dafür gibt's doch ein Grundgesetz oder eine Verfassung oder wie das heißt, mit dem man die Kindergewalt verbietet und so. Und außerdem macht sie ihre Sache doch ganz gut. Jeden Tag steht's doch in der Zeitung. Nicht nur, daß sie sich ihrer Umwelt bewußt wäre. Auch daß sie die Weltwirtschaft und damit uns und unsere Arbeitsplätze gerettet hat. Soll sie's doch wieder machen. Es wird uns schon nichts passieren. Gut, Frankreich hat sich in seiner grenzenlosen Fremdenfreundlichkeit einen griechisch-ungarisch-sephardischen recht Kleinadligen zum Präsidenten gewählt, der nach Gutsherrnart politisch zu agieren gedachte. Nun ja, es gibt ja nicht eben wenige im Land, die recht gerne im guten alten Hofstaat eines Sonnenkönigs flanierten und dessen anbetungswürdigem Satz lauschten L'État, c’est moi!. Aber der ist nunmal abgeschafft, und in der späteren Folge sollte das Wir regieren. Er hat sich längst einiger Rezepturen entledigen müssen, der aktuelle Napoléon; diese Lehre hat er offenbar aus seiner Zeit als Innenminister nicht mit hinübergerettet. Und ich bin überzeugt, wären morgen Wahlen, er würde wieder Bürgermeister irgendwo in einem hell leuchtenden Arrondissement, wo man ihm bourgois huldigte. Er hätte wieder mehr Zeit, könnte seiner italienischen Chanteuse de Charme lauschen, der Freund alles Fremdem. Oder anders: Möge sich ein Volk doch endlich mal darauf besinnen, daß man mittels Kraft durch Gemeinsamkeit Änderungen herbeizuführen oder gar drohende Gefahren abzuwenden vermag ... Jetzt kann ich mich ja wieder unter den Schutz des geschützten Kardinals begeben.
Ich schwanke ja andauernd zwischen Optimismus und Pessimismus, ob denn und vor allem wann sich ein Volk darauf besinnt, „daß man mittels Kraft durch Gemeinsamkeit Änderungen herbeizuführen oder gar drohende Gefahren abzuwenden vermag ...“ >> kommentieren Diese Massen wollen erst mal bewältigt sein, Ihr aktueller Artikel und der verlinkte Familienbesuch und dann noch eine ganze Radiosendung. Ich mache mich deshalb mal nützlich und verrate, dass der interessante Teil bei 35:10 beginnt. (Sehr schön!)
richtig. habe gerade beschlossen, dass ich das alles unmöglich während der arbeit lesen kann. die kollegen gucken schon. also wenn man sich gar nicht mehr bewegt...
(zum glück kannte ich den radiobeitrag schon, wenn ich jetzt hier auch noch an der soundkarte rumschraubte...) 35:10?
Vielen Dank. Sie haben mich auf die Idee gebracht, es mal mit der hauseigenen Technik zu versuchen, Zeiten überhaupt zu erkennen – ich wußte gar nicht, was ich alles habe.Eben, Vert, einfach öfter mal bewegen bei der Arbeit ...
ich werde mir einen hübschen hospitalismus zulegen und somit beschäftigung simulieren.
Das wiederum
könnte zu Mißverständnissen führen und sie eines möglichen Hospitalismus wegen in ein geschlossenes Hospital. Dann lieber doch abends den Computer mit ins Bett nehmen. Ich habe gehört, daß viele Menschen das machen. Aber vielleicht fehlt denen ja was.>> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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