Berufung

Ich mochte Parties noch nie, ich saß schon immer lieber gemütlich in schwätzender Runde. Nun ja, das hier war keine gewöhnliche Party, sondern, wie man mir nachdrücklich versicherte, eine Premierenfeier. Aber es ging in der Theaterkantine trotzdem zu wie in der großen Küche einer studentischen Wohngemeinschaft. Gut, man trank anderes als in London, wo ich die letzte Zeit verbummelt hatte. Aber das Gekreische unterschied sich nicht unbedingt. Der Spirit in der Flasche macht eben keine Unterschiede zwischen bier- und schnapstütteligen, mehr oder minder fortgeschrittenen Lehrlingen aus den tiefen Bergwerken des Geistes und der Champagner- oder Weinseligkeit gestandener Koryphäen sekundärer Künste. Daß sie nahezu alle herumhüpften wie nach der sechsten Limonade auf einem Kindergeburtstag, hatte sicherlich damit zun tun, daß sie es gelernt hatten. Man bewegt sich eben anders, wenn man sich jahrelang an der Stange die Füße samt anhängender Gliedmaßen verbogen hat, auch die späteren alltäglichen Bewegungsabläufe verändern sich dabei. Sowohl die Damen als auch die Herren schweben eher als daß sie gehen, und immer mit leicht ausgestellten Füßen. So klischeehaft das klingen mag, aber ich hatte es so immer wieder beobachtet. Man mußte sich in der Gewandung nicht unterscheiden beispielsweise vom Vernissagepublikum, das einige Zeit später sogar Uniformen tragen würde wie die europaweit von den fünf Schneidern produzierten, die sich der enormen Nachfrage wegen genötigt sahen, ihre sich daraus zwangsläufig ergebende Massenproduktion in exclusive kleine Geschäfte in bester Lage auszulagern. Aber damals war eines wie heute: Der Mensch des Musiktheaters wird alleine an seiner Haltung erkannt. Nicht nur der vom Ballett. Auch der Sopran und sein Tenor haben Gefallen an diesen Wirkungen gefunden, die sie auf Außenstehende machen. Lediglich Baß und Bühnenarbeiter stehen und gehen häufig nicht ganz so leichtfüßig. Es ist eben alles eine Frage der (Aus-)Bildung.

Die Grazien, denen ich am Vortag in einem Café in die Arme gelaufen war und die mich mit verführerisch blitzenden Augen in dieses musikalische Posttheater eingeführt hatten, tanzten, gestikulierten und brüllten mit. Hin und wieder schauten sie zu mir herüber, einmal wurde ein Winken angedeutet, ein andermal kam es zu einer leichten Hebung des Glases. Das war allerdings leer, das wievielte Mal wußte ich nicht. Auch mir war anfänglich Champagner gereicht worden, vermutlich der auf den Erfolg, dann gab's passablen Wein. Eine Flasche hatte ich für mich auf den nahen Tisch gestellt, an den ich mich dann auch setzte. Dort sah und hörte ich auch nicht weniger als mit erhobenem Haupt. Ich gehörte eben, entgegen den Verlautbarungen der Damen, doch nicht dazu. Das war hier nicht anders als anderswo. Aber vielleicht änderte sich das nach ein paar ausgiebigen Schlucken mehr. Ich schluckte. Nein, ich goß. Zumindest den Inhalt des einen Ballons und auch den eines zweiten. Möglicherweise würde das eine der Elevinnen aus ihrem Plauderpülkchen herauslösen und in meine Richtung hin bewegen. Die waren selbstverständlich ebenfalls eingeladen, auch wenn sie ebenso irgendwie nicht dazugehörten, zu den Erwachsenen oder auch Arrivierten. Doch von deren Seite aus schien für mich noch weniger Hoffnung auf die Befriedigung meiner Bedürfnisse aufzukeimen. Aber so ganz sprach- oder auch fleischlos wollte ich mich dann doch nicht von der Festtafel erheben.

Mit einem leichten Ächzen nahm jemand neben mir Platz, nickte zunächst vor sich hin und schaute mich dann direkt an. Dieses etwas robuste Gesicht entsprach nun nicht unbedingt meinen Vorstellungen von einer nahen Zukunft auf dem Bettrand feinfühliger Deklamation rostandscher Poesie, bei der ich mich schmachten hörte Dir dank ich's, Dir allein, daß durch mein Leben gestreift ist eines Frauenkleides Saum. Aber der Wein hatte mich längst eingekerkert, so daß meine zunehmende Einsamkeit auch einen solchen Zellengenossen nicht ganz freudlos begrüßte. Ich nickte dem vierschrötigen Mann mit der umfangreichen Nase zu, die ihre Färbung nicht alleine am heutigen Abend angenommen haben dürfte. Ob man auch ihn alleingelassen, ja aussortiert habe aus dieser Gesellschaft der feinen Damen und Herren da hinten, lautete seine Antwort auf meine Kopfbewegung. Und daß er mich noch nie gesehen habe, demzufolge ich Außenstehender, also Gast hier sei oder neu. Wobei letzteres ausscheide, denn neuen Kollegen gegenüber sei man sogar innnerhalb der hiesigen wilden Musiktruppe hier eigentlich recht nahbar. Aber wer nicht dazu gehöre, wie er von einer anderen Baustelle, der werde zwar aus Gründen der Höflichkeit immer wieder aufs neue eingeladen, doch jeweils alsbald auf die Insel des glückseligmachenden Alkohols verbannt. Weit ausholend lieferte er seine Philosophie des Einzelnen in einer solidarischen Gemeinschaft wie dem Theater ab, die ihm allerdings vorkomme wie die Gewerkschaft, in der die unterschiedlichen Gruppierungen jeweils einzeln die vornapoleonische Auszeichung anstrebe, die historischen Zinnen als erste erklommen zu haben. So, wie er sprach, war er vermutlich doch kein Bühnenarbeiter, wie ich ihn anfänglich eingeschätzt hatte, wobei die leicht angeschmuddelte Latzhose diesen Eindruck noch verstärkte. Eine doch etwas gehobenere Syntax samt einem recht umfangreichen, von Witz unterlegtem Wortschatz sowie die von Schmunzeln begleitete Lakonik verwischte diese Vermutung zudem. Als ich dann zu Wort kam, fiel mir nicht besseres ein, als meinen Nachbarn zu fragen, was er denn hier mache, zumal er, nach eigenen Worten, nicht dazugehöre. Anstatt eine Antwort auf meine überflüssige und durchaus auch ein klein wenig peinliche Frage zu bekommen, rief mein Gesprächspartner fast begeistert aus: Ein Schwede unter uns? Nur unter größtem Bemühen gelang es mir, zu erklären, es handele sich um einen Irrtum, ein Phänomen, das mir zwar bekannt sei, ich aber trotz alledem nicht wisse, woher ich diesen Akzent hätte. Das sei auch egal, meinte er knapp und setzte interessiert mit der Frage nach, was ich denn nun hier treibe beziehungsweise was ich beruflich mache.

Schon immer sprach ich ungern über mich, und schon gar nicht über das, was gemeinhin Beruf genannt wird. Mir fiel dazu nichts ein, da ich es selbst nicht wußte. Das sagte ich ihm auch auch. Irgendetwas werde ich doch wohl gelernt haben, tanzen ja wohl kaum, denn sonst säße ich nicht hier, am Ende sei ich gar Kritiker, wenn auch vermutlich in der Anfangsphase. Um der Gefahr zu entgehen, völlig falsch eingeordnet zu werden, erzählte ich dann doch in knappen Zügen von meinem Studium, das mich in alle möglichen Bereiche zweier zu vergleichender Kulturen geführt, mir jedoch nie ein Ziel genannt hätte. In alle erdenklichen Bereichen hätte ich hineingeschnuppert, Literatur, Musik, das Theater, die Künste, und ach! Philosophie. Nun käme ich mir vor wie des allergrößten deutschen Dichters bekanntester Held mit dessen ratloser Klug- und Torheit. Sogar nach einem passablen Abschluß habe man mir nicht sagen können, was ich damit anfangen solle. Es sei eben so gewesen, man habe gelernt um des Lernens willen, quasi den Weg zum Ziel erklärt, und das würde jetzt vermutlich zwangsläufig so weitergehen. Die Gastronomie wäre nicht schlecht, von einem kleinen Restaurant hätte ich schon immer ein wenig geträumt. Aber ausgerechnet dazu fehle mir vermutlich das erforderliche Wissen.

Das höre sich gut an an, meinte der Nachbar. Genau so jemanden könne er gebrauchen. Nun gut, dachte ich mir, zwar wollte ich weiter hinunter in den Süden, schließlich hatte ich nur Halt gemacht, um mir die Altstadt anzuschauen, wobei ich den beiden Entzückenden in die Arme gelaufen war, die mich sofort adoptiert hatten, aber warum nicht hier, ganz hier in der Nähe ist schließlich Bocuse zuhause, das könnte doch etwas werden. Vielleicht ließen sich auf diese Weise doch noch die Sterne ergreifen. Kurz darauf entschuldigte sich der Vierschrötige, reichte mir die Hand, nannte seinen Namen, der seiner normannischen Statur gleichkam, und meinte mit einem leicht wiehernden Lachen, genau, er als Maître benötige dringend einen Gehilfen, der ihm nicht nur die Grobheiten beseitigen helfe, sondern auch die Feinheiten zu verfeinern in der Lage wäre. Das brauche sicher seine Zeit, aber das werde schon werden. Wir vereinbarten für den nächsten Nachmittag einen Termin, zu dem ich meinen Vertrag abholen könne, wenn ich denn einen wolle, es ginge zwar auch ohne, aber ein klein wenig Sicherheit möge schon sein. Dann schrieb er mir die Adresse seines Büros auf, erhob und verabschiedete sich und ging.

Als ich am nächsten Tag am Haus der notierten Anschrift stand, kam mir das bekannt vor. Mir war, als sei ich am Tag zuvor bereits durch dieses Tor gegangen. Und als ich wieder hinausging, hielt ich drei Stückverträge des hiesigen Sprechtheaters in der zittrigen Hand, unterzeichnet vom Intendanten und gegengezeichnet von mir. Nun hatte ich einen Beruf. Produktionsdramaturg war ich geworden. Nächsten Monat würde es losgehen mit Armer Mörder.
 
Mi, 06.01.2010 |  link | (4364) | 13 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Seltsamkeiten


nnier   (06.01.10, 20:53)   (link)  
Seufz.


jean stubenzweig   (07.01.10, 01:13)   (link)  
Berühmt-berüchtigt
bin ich ich zwar für mein Lesen (und Schreiben) zwischen den Zeilen. Aber bei einem einzeiligen Seufzer muß auch ich passen. Ich vermag ihn nicht zu deuten.

Im Nachhinein: Ich muß annehmen, der Elevinnen wegen ...


nnier   (07.01.10, 10:29)   (link)  
"Wenn das Hemd, das T-Shirt, die Bluse nach oben rutschte, sah man den Nabel, die braungebrannte Bauchdecke, sah die glatte Haut, so wie man in ihrem Rücken, wenn sie sich auf einen Gartenstuhl setzte, auch zwischen der Hose, die den Blick auf den Bund ihres Slips freigab, die Sprossen des Rückgrats sah, das Rückgrat und den Ansatz ihrer Arschfalte." Wer schreib das wohl?

Zwischen der Hose und eben auch zwischen einer Zeile ist in der Tat nicht so einfach zu lesen. Nein, nicht die Damsels waren gemeint, auch wenn es sich tatsächlich um einen sehnsuchtsvollen Seufzer handelt. "Nun hatte ich einen Beruf", darum ging es, und um die Umstände der Berufung.


jean stubenzweig   (07.01.10, 11:56)   (link)  
Ich gestehe,
ein bißchen in diese Richtung geahnt zu haben (die Elevinnen konnte ich mir einfach nicht verkneifen). Aber hätte ich dann einen so vielzeiligen und -sagenden wundervollen Nachtrag erhalten? – Der Großkritiker als Vorschreiber von Alterselegien*, alleine dafür hat sich mein Nachhaken gelohnt.

*Hier wollte ich eigentlich etwas verlinken mit Bezug zum großen deutschen Dichter, das sich so liest: «Aber da zwischen den weich und nachgiebig werden wollenden Lenden, sein Geschlechtsteil, das ein Leben lang den Ehrgeiz hatte, das Ganze zu sein. […] Er sollte nur noch wünschen und tun, was dieses Teil wollte.» Aber nach Wiederlektüre des Appendix', an dem Sie mitoperiert hatten, lasse ich's lieber in den Kartons auf dem Dachboden.


jean stubenzweig   (07.01.10, 15:51)   (link)  
«zwischen der Hose»,
lese ich gerade, «wo in Gottes Namen mag das wohl sein?» Zwischen den Zeilen auf jeden Fall nicht.

Ein wenig erinnert mich der Verriß daran, daß der (Literatur-)Kritiker besser keinen Roman schreiben soll(te), und schon gar nicht solche, in denen sowas steht: «... das medizinische Gruselkabinett des Marquis de Sade».

Aber ein großer Autor findet immer einen großen Verlag. Wobei ich vielleicht hinzufügen sollte, daß Springer, wenn ich mich recht erinnere, kurz nach Erscheinen denselben verkauft hat. Und die Lektoren waren vermutlich allesamt zuvor bereits entlassen worden.

Danke für diesen hübschen Hinweis. (Wie sind Sie denn ausgerechnet darauf gekommen?)


nnier   (07.01.10, 17:26)   (link)  
"Zwischen einer Zeile", so wollte ich eigentlich beginnen, könnten dann auch Sie nur noch schwerlich lesen. Und da es so ein hübscher Verriss ist und mich die seltsame Formulierung beschäftigt hatte, sie echote sozusagen tagelang im Karasek-Idiom durch mein Hirn, klingelte sie nun auch zuverlässig wieder an. Der Rest war Suchmaschine.


pastiz   (07.01.10, 23:59)   (link)  
In einigen (aber nur in einigen) Dingen...
ist es mir ähnlich ergangen, mit dem Studium, das ausser einem unverständlichen Titel nicht viel mehr hergegeben hat, aber doch interessant war. Diesem Umstand zum Trotz arbeite ich seit meinem Abschluss als irgendetwas, das keinen richtigen Namen hat, weshalb mir Formulare die Auskunft über meinen "Beruf" erheischen seit je her zuwider sind. Erstaunlicherweise bin ich als lic. phil I seit beinahe 20 Jahren ausschliesslich unter Ingenieuren tätig, vielleicht auch deshalb, weil ich weder Grazien noch Elevinnen oder Intendanten je begegnet bin.


jean stubenzweig   (08.01.10, 04:47)   (link)  
Der bzw. das lic. phil
sagt mir zumindest, daß Sie wahrscheinlich Schweizer sind, zumindest in der Schweiz Geisteswissenschaftliches studiert haben. Das ist doch eine nicht ganz geringe Orientierungshilfe. Ob's weiterhilft, steht auf einem anderen Blatt. Oder heißt das heute Navi? Egal, irgendwie verfährt man sich doch immer gerne mal, kommt ganz woanders heraus. Wo es auch schön ist.

Am Ende vielleicht bei den Ingenieuren. Manch einer aus meinem nicht ganz so kleinen Bekanntenkreis hat anderes gelernt als das, was er später ausüben sollte. Mir sind persönlich leitende Redakteure von Theater- oder anderen Hochkulturzeitschriften begegnet, deren Doktortitel von juristischen oder ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten stammen. Kein Aas fragt nach zehn Dienstjahren oder bereits weitaus früher mehr danach. Und so lange ist das ohnehin nicht her, daß das usus war. Karl Kraus zum Beispiel hat Jura studiert, ebenso Novalis, Bergbau kam bei ihm noch hinzu. Mich hat so etwas nicht nur nie gestört, sondern mir früh, also weit vor «Bologna», zur Erkenntnis verholfen, daß es Vergewaltigung bedeutet, einem Menschen in jungen Jahren ein Korsett (namens Beruf) anzulegen. Das Herumschnuppern, die sogenannte Orientierung (im Osten geht die Sonne auf) dürfte allerdings nach heutigen Studienbedingungen schwierig werden; konkret: nicht mehr möglich sein. Ich empfinde es als ungeheuerlich, was man jungen Menschen da antut, nur weil die Wirtschaft immer rascher wachsen soll, meinetwegen will – und sie nur noch hetzt, bis sie Mitte vierzig, oft genug früher, vom Hocker fallen. Auch früher haben Studenten sich beeilen dürfen, wenn sie schneller fertig und Unternehmer werden wollten.

Ich bin auch nicht im Theater-«Beruf» geblieben; vermutlich, als ich festgestellt hatte, daß es anderswo auch so etwas wie Elevinnen und Grazien gibt. Und würde ich heute nach einem Beruf gefragt, ich wüßte tatsächlich nicht, was genau ich antworten sollte. Als Arzt oder Apotheker oder Rechtsanwalt passiert einem das nicht. Standen wir bei Ausstellungseröffnungen oder nach Premieren neben ihnen in ihren abendlich sehnsuchtsvoll wallenden Bohèmien-Gewändern samt breitkrempigen Hüten, haben wir durch den Nebel der Unbestimmheit Wankenden ihnen früher gerne zugeseufzt: Ach, hätte ich doch auch was Anständiges gelernt. Aber dafür sind wir nach der Feier bei längst aufgegangener Sonne erstmal ins Bett, haben unseren Rausch ausgeschlafen und um einiges später das Denken angefangen (das manch einer allerdings nicht für Arbeit hält), während sie frühmorgens ihre Praxis- oder Kanzleipforten zu öffnen hatten.

Fragt mich heute jemand nach meinem Beruf, antworte ich einfach: Privatier. Das ist zwar nur bedingt richtig, aber den meisten ist die Bedeutung des Begriffs nicht geheuer, auch weil sie keine Zeit mehr haben, solches zu lernen, weshalb sie in der Regel nicht weiter danach fragen.


jean stubenzweig   (08.01.10, 11:30)   (link)  
Technisches
Monsieur Pastiz, wenn Sie möchten, daß Ihr Blog durch anklicken auf Ihren Namen aufleuchtet, müssen Sie zuvor Ihre URL eintragen. Nach einigem Herumirren im Hilfe-Labyrinth habe ich schließlich herausgefunden, wo Sie das bewerkstelligen können: hier.


pastiz   (08.01.10, 16:30)   (link)  
Sie haben...
...richtig angenommen, ich bin tatsächlich Schweizer, wenigstens so ein halber, insofern dass ich ein Produkt aus dem kurzen, aber heftigen Zusammentreffen eines Schweizers mit einer Armenierin bin.
Als ein zum Lehramt Ausgebildeter sollte ich mich eigentlich Zeit meines Lebens mit Lernunwilligen herumschlagen, was mir im Lauf des Studiums (Germanistik, Geschichte, etwas Philosophie, Englisch und Französisch) mehr und mehr als ein höchst ungesundes Vorhaben erschien, so dass ich mich im Anschluss an das Studium in fremde Gewässer begeben habe.
Mit dem "ach, hätt' ich doch auch etwas Anständiges gelernt" sprechen Sie mir deshalb aus der Seele, aber die Entwicklung meines Arbeitslebens quasi in einem der Geisteswissenschaft "feindlichen" Umfeld hat auch etwas Gutes, habe ich doch dort eine Informatikerin in der Person Frau Motzles kennengelernt, die seit der Beendigung meines halbherzigen Eheversuchs tapfer an meiner Seite ausharrt.
Das Technische habe ich mir zur Brust genommen, vielen Dank für den Hinweis.
"Privatier" - ist ein sehr guter Ratschlag und übrigens ein fantastisches Wort, das ich bereits als Säugling geliebt habe.


jean stubenzweig   (09.01.10, 04:17)   (link)  
Halber Armenier
sind Sie! Ach, da habe ich schöne Erinnerungen, an halbe Armenierinnen und ganze Armenier und andersrum. In Frankreich, klar, dem kleinen Armenien. Ihnen muß ich das nicht erklären. Aber die Schweiz scheint auch welche abgekriegt zu haben. Nun ja, die «Politik» vor rund hundert Jahren hat sie schließlich in alle Welt zerstreut. Auf jeden Fall verstehe ich Ihre leichten Anspielungen aufs straff Reformierte jetzt besser, auf die kleinen Üppigkeiten, die Ihnen irgendwie zu fehlen scheinen in Ihrer Insel inmitten Europas.

Ihre «Frau Motzle» – die ich namentlich assoziativ ins Schwäbische eingeordnet hatte – erklären Sie mir nun auch: die recht vernunftorienierte Dame, die Ihre leichten gedanklichen Aus- oder vielleicht besser Abschweifungen durch Nichtbeachten unter Kontrolle hält.

Und da Sie nun meine Neugier endgültig geweckt haben: Demnach ist das erwähnte «Kindchen» vermutlich ein(e) Viertelarmenier(in)?

Meine Güte, das gehört eigentlich gar nicht hierher, sondern zu Ihnen dort drüben, quasi nach Afrika. Andererseits haben Sie's ins Rollen gebracht ...

Hier darf die Frage bleiben: «Bereits als Säugling» haben Sie das Wort Privatier geliebt? Das würde ich eine frühe Sprachbegabung nennen. Aber ich überinterpretiere vermutlich. Wahrscheinlich war Ihr Vater einer, und den haben Sie geliebt, weil er Ihnen das Mäulchen stopfte und Zeit hatte, mit Ihnen zu schmusen. Gut, lassen wir das, jetzt wird's nämlich indiskret.


apostasia   (08.01.10, 16:17)   (link)  
"Armer Mörder"
Der Titel taucht heute fast nur noch auf im verzerrenden Zusammenhang des Boulevards. Wurde das Stück damals denn öfter gespielt?


jean stubenzweig   (09.01.10, 01:57)   (link)  
«Verzerrend»?
Am Boulevard? Ich weiß ich es nicht. Es ist ja auch schon ein paar Tage her seit den Siebzigern. Und an die erinnert sich das Internet offensichtlich nicht so gerne (weshalb ich manchmal ein wenig nachzuhelfen versuche). An die großen Häuser hat es das Stück wohl tatsächlich seltener geschafft, und auch dort meist jeweils nur an die Studiobühnen. Wobei ich aus diffuser Erinnerung den Eindruck habe, daß es in Frankreich öfter gespielt worden zu sein scheint als in Deutschland. Ob es an der Qualität gelegen hat, vermag ich heute nicht mehr zu beurteilen. Ich müßte es nochmal lesen. Aber dann käme möglicherweise ohnehin ein anderer Blick zustande.

Damals fand ich es ungemein spannend, nicht zuletzt wohl deshalb, da es alles andere war als, wie es neudeutsch heißt, mainstream. Das mag daran gelegen haben, daß Pavel Kohout das Politische zwischen den Zeilen versteckt gehalten hatte, ansatzweise sicherlich aufgrund des Gegenwinds, der ihm seinerzeit in der (ebenso verblichenen) Tschechoslowakei entgegenblies. Doch den meisten roch es in den Siebzigern vermutlich zu sehr nach l'art pour l'art*, ein böser, weil aus dem «bewußt» Unpolitischen stammender Begriff, der zu dieser Zeit vor den regierenden Volksgerichtshof kam; ein aus der unwilligen Unwissenheit geborenes Mißverständnis, das den Kopf bis heute über Wasser hält.

* Bei Wikipedia fehlt unter anderem der ergänzende Hinweis, daß es auch die Bohèmien waren, die sich damit aus der Abhängigkeit der richtungsweisenden und -bestimmenden Kunstauftraggeber – Fürsten, Kirchen und andere Besserverdienende – lösen wollten. In den Achtzigern überwitzelte den Begriff ein bildender, wenn ich mich recht erinnere, DDR-Künstler mit Kunst kommt von Kunst, eine auf der Mode der «Kunstpostkarte» verbreitete Anspielung auch auf das weit verbreitete und auch vom West-Volk so geliebte Kunst kommt von Können.















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