Steinbrüche der Formen Fortsetzung der Ursachenforschung zu Bau- und anderen Häuslern Das Prinzip Hoffnung nannte Ernst Bloch das mal. Dort hinein hat er unter anderem geschrieben: «Architektur insgesamt ist und bleibt ein Produktionsversuch menschlicher Heimat.» Zwischen 1938 und 1947 schrieb er das. Alle dahingefahrene Hoffnung scheint ein guter Nährboden zu sein. Erst kamen die Trümmerfrauen, dann wurde auf-, wurde neu gebaut. Und wie! Die Architekten und deren Helferlein rasterten sich die Finger wund. Bis in die siebziger Jahre. Doch bereits zehn, fünfzehn Jahre zuvor hatte die Kritik eingesetzt. Karl Pawek, damals Chefredakteur der angesehenen Zeitschrift magnum, schrieb von der absolut vertanen Chance, ein menschenwürdiges neues Deutschland entstehen zu lassen. Einhellig waren einige der Meinung, Architekten, Bauherren aller Art und die Bauindustrie hätten eine Tristesse ohnegleichen geschaffen. Auch der selbsternannte «Schwätzer» hatte in die Diskussion eingegriffen. Bazon Brock, später Professor für Ästhetik und Kunstvermittlung in Wuppertal und mittlerweile emeritiert, fragte laut und vernehmlich: «Wie kommt es zu dieser Kaninchenstallarchitektur, zu der Legebatterienarchitektur oder, wie ich damals geschrieben habe [wenn ich mich recht erinnere in einer Schrift der Gesamthochschule Kassel], zu dieser Pissoirhausarchitektur, sprich München-Perlach, sprich Nordweststadt Frankfurt, sprich Gropiusstadt in Berlin et cetera.» Ich fragte ihn, wie es seiner Meinung nach dazu kommen konnte. Er kam zu einer, wie er meinte, «einfachen» Antwort: «Es kommt zu einer solchen desastreusen Architektur, weil die Architekten tatsächlich das bauten, was sie für modern hielten. Des Rätsels Lösung hieß schon damals für uns: Diese Leute haben ein falsches Verständnis des Verhältnisses von Plan und Realisierung Das sind alles KZ-Bauplaner, nämlich deckungsgleiche Umsetzung von Plänen in die Wirklichkeit. Sie sind nur am Plan orientiert, sie verfertigen das Ganze auf dem Reißbrett wie ein Schreibtischtäter, und die hundertprozentige Umsetzung in die Wirklichkeit muß selbst dann zu einem KZ führen, wenn der Täter am Reißbrett der liebe Gott persönlich gewesen wäre.» Dieser Schelte gegen selbsternannte Architekten der Moderne pflichtete einer bei, wenn auch um Moderation bemüht. Sicher, sagte Winfried Nerdinger mir vor längerer Zeit, «die Architektenschaft hat beim Wirtschaftswunder kräftig mitgemacht und stand da an führender Stelle. Es wurden einzelne Elemente des Neuen Bauens, der modernen Architektur, formale Elemente, Oberflächenstrukturen übernommen, Glasfassaden, Skelettstrukturen und ähnliches. Die Inhalte, die dahinter steckten, die finden sich allerdings in dieser Architektur fast nicht.» Diese Architekten haben die Prinzipien der Moderne schamlos ausgeschlachtet. Der auch soziale, gesellschaftserneuernde Gedanke des Neuen Bauens, dem das Bauhaus zuzuordnen ist, blieb völlig unbeachtet, man bediente sich lediglich der technischen Möglichkeiten wie beispielsweise kostengünstiger Teilevorfertigung. Es ging also um Kostenreduktion, sprich Profit, und weniger um Heimat. Nicht vergessen werden darf: Die Berufsbezeichnung Architekt war nicht geschützt. Wer einen Bleistift halten und damit Linien ziehen konnte, der tat es auch. Ich hatte das Glück, zu denen gehören zu dürfen, dessen Architekten behutsamer mit den Menschen umgegangen, denen Inhalte vorrangig waren. Jahrelang war ich auf dem Weg zur im Münchner Olympiagelände lebenden Freundin an einem Haus vorbeigefahren, dessen Fassade ich als derart abscheulich empfand, daß ich jedesmal laut ausrief, in ein solches Gebäude würde ich nie einziehen. Einige Zeit später tat ich es dann doch. Ich war aus meiner fündundvierzig Quadratmeter kleinen Behausung in der Maxvorstadt ausgewiesen worden, und die Gefährtin hatte die etwas mehr als doppelt so große am Rand des geschätzten Olympiaparks aufgetan. Bereits beim Eintreten in den Hausflur nahm ich alle meine Flüche zurück. Ein via Glasdach lichtdurchflutetes Treppenhaus, in das problemlos pro Etage noch einmal jeweils zwei Wohnungen Platz gefunden hätten, hatte sie getilgt. Ganz oben unterm hervorragend isolierten Flachdach in der geradezu «raffiniert» geschnittenen Wohnung verhielt es sich ebenso. Überall Licht. Die Küche, das Bad waren kleiner gehalten, aber dorthin gelangte man, wie in alle anderen Räume, über einen zentralen Flur, der viele Male als Austragungsort von Bacchanalien dienen sollte. Nach draußen blickte man durch fassadenweite Doppel-, sogenannte Kastenfenster, die nicht nur für eine äußerst angenehme Klimatisierung sorgten, sondern obendrein als Zuchtstation für alle erdenklichen Nutzpflanzen dienten, die bei entsprechender Witterung in der etwa acht Meter langen Südloggia Platz fanden: Kartoffeln, Kürbisse, Tomaten und andere mehr, mein Kleingarten. In dieser Wohnung saß alles am richtigen Platz, auch eine Kleider- oder Vorratskammer war vorhanden, nirgendwo mußte ein Schrank hingestellt werden. Für vorübergehend Verzichtbares gab es einen Keller neben der Tiefgarage, in den ich mit dem Fahrstuhl fahren durfte. Müll mußte ich keinen hinuntertragen, nicht, weil ich keinen produziert hätte, sondern weil es dafür einen Schlucker gab. Das Haus war, das hatte ich innerhalb kürzester Zeit festgestellt, perfekt durchgeplant und Anfang der sechziger Jahre ebenso gebaut. Der Architekt hatte exakt die Vorgaben des Neuen Bauens erfüllt. Bald zwanzig Jahre war ich dort Mieter zu günstigen Konditionen, und ich wäre es noch, hätten mich die Schicksale nicht in alle Winde zerstreut. Die Architekten des Neuen Bauens wollten ihren Teil zu einem neuen gesellschaftlichen Bewußtsein beitragen. Es ging «danach» schließlich auch darum, das sogenannte Dritte Reich und dessen Wegbereitung vergessen zu machen. Das sollte nicht immer gelingen, viele Gebäude aus der Zeit des Übergangs zur Nazi-Architektur haben sich unter den Bomben weggeduckt, und manch eine dieser «gemütlichen» Kleinteiligkeiten wurde fortgesetzt. Die Bauherren der späteren Nachkriegszeit, Wohnungsbaugesellschaften und dann Versicherungsunternehmen, hatten ohnehin nur Sinn für die Immobilien des Mehrwerts. Nicht vergessen werden darf dabei, daß es die Volksvertreter in den Rathäusern waren, die Bebauungspläne verabschiedeten und Genehmigungen erteilten. Oft genug saßen sie in Juries, die über das architektonische Wohlbefinden der gesamten Bevölkerung entschieden. Der Leverkusener Architekt Ulrich von Altenstadt erzählte mir einmal von seiner Nebentätigkeit: «Ich bin häufig in Preisgerichten, wo ja immer die Fachpreisrichter, die Fachleute, mit den Laienpreisrichtern, das sind dann meistens die Vertreter des Bauherrn, ob's nun Ratsmitglieder sind, Mitglieder des Vorstands einer Industrie oder was auch immer, sich zusammensetzen, um nun eine Auswahl unter einem Angebot von Architekturplänen zu treffen. Und ich muß regelmäßig feststellen, daß über Fragen von Architekturqualität oder Baukunst bei den Laien sehr viel weniger Kenntnisse vorhanden sind wie über den letzten Tabellenstand der Fußballauseinandersetzungen oder sonstige Dinge.» Doch die fachliche Qualifikation von Ratsherren und Vorstandsmitgliedern ist es nicht allein, die mit beigetragen hat zu Beschlüssen, über deren Verwirklichung seit Jahrzehnten geklagt wird. Es gibt diese unselige Verquickung von Architektur und Geld, die einen ganz erheblichen Anteil an dem so beklagten Dilemma hat. Der ehemalige Wiesbadener Stadtbaurat Paulgerd Jesberg verriet mir zu Lebzeiten: «Die Wettbewerbe sind ja zuallererst und meistens immer von der öffentlichen Hand, von den Kommunen, in der Nachkriegszeit meistens auch von den Kirchen ausgeschrieben worden. Nun ist es aber so: Die Gemeinde als Hoheitsträger oder der Bauherr, welcher auch immer, ist anderen Einflüssen ausgesetzt als denjenigen Entscheidungen des Preisgerichts. Und dann wird es sicherlich den vierten Preisträger oder den Ankauf bevorzugen, weil der gerade in seinem Ort ansässig ist, alle Fäden zu den ansässigen Bauunternehmern besitzt und deshalb mit Sicherheit auch den Preis dann zugespielt bekommt durch irgendwelche Entscheidungen, die die Gemeindeverwaltung dahingehend zu treffen hat. Daraus möchte ich auch entnehmen, daß von dieser Seite aus sehr viel Einfluß auf die Architektur, auf die Qualität von Architektur und vor allen Dingen auf die ästhetische Qualität von Architektur genommen worden ist.» Nach dem Wiederaufbau mit allen seinen Monströsitäten, die zweifelsohne Ideologien geschuldet sind, die keine Differenzierungen zuließen, kam die Postmoderne, dieser «Steinbruch der Formen», wie der Stuttgarter Architekturlehrer Jürgen Joedicke diesen Versuch der Verschlimmbesserung genannt hat. Die Postmoderne, das hieß nicht, wie ein von mir hochgeschätzter ehemaliger Kollege einmal köstlich witzelte, daß die Post nun modern baut. Es ist ein ursprünglich aus der US-amerikanischen Literaturwissenschaft kommender Begriff aus den sechziger Jahren, geprägt vom Bruder des Publizisten Charles Jencks, der ihn später in seine Branche überführte. Damit sollte, in der hier stark vereinfachten Erklärung, signalisiert werden: Es muß ein Ende haben mit diesem phrasenhaften Gedresche von gesellschaftlichen Neuerungen, die den besseren Mensch hervorbringen solle, am Ende gar mit einer neuen Formensprache (um die es hier geht, alles andere ist alles andere). Endlich sollte wieder alles möglich sein. Alles ist machbar, Herr Nachbar, so übersetzte des Volkes Mund das anything goes, bekannter geworden durch Andy Warhol. So durfte, wie eingangs erwähnt, auch die Architektur wieder Kunst sein, präziser: endlich flügges Einzelkind der Kunst werden, weg vom Rockzipfel der «Mutter aller Künste» (Vitruv), herausgelöst aus gesellschaftlichem Anspruch auch der Bauhäusler, den Begriff l'art pour l'art ganz im postmodernen Sinn aus dem Steinbruch der Geschichte nehmend und in das neue Weltbild hineinklebend. Ein gigantischer Rummel setzte ein, den Charon treffend als «das Phänomen der ‹stararchitecture›» charakterisierte. Es war der Beginn einer Verpackungsarchitektur, die auf Inhalte keinerlei Wert mehr legte. Neben- oder Abfallprodukt waren dubiose «Phantasien», etwa die Künstlerei eines Hundertwasser, der selbst zehn Jahre nach seinem Tod von da oben herunter noch durch Städtchen und Städte eiterpickelt, nicht nur der wirtschaftlichen Gesundung, sondern auch der der lieben Kleinen dienend; und lange wird's nicht dauern, bis ein holsteinischer oder niederrheinischer oder badischer Dorfbürgermeister auf die Idee eines Gedenkbrunnens kommen wird. Schließlich hat auch Keith Haring die Schulen erobert, wie mittlerweile die Kunst die Märkte der Freiheit von jedem tieferen historischen Bezug. Wer mag denn daran noch denken, wie Charon gestern anmerkte, daß die Bauhaus-Siedlungen wie beispielweise die in Frankurt am Main «ursprünglich einmal als sozialer Wohnungsbau konzipiert worden waren, dann aber rasch von der kreativen Klasse übernommen wurden»? Die Martensteins dürften ihr nicht zuzurechnen sein, es sei denn, die monetäre Gestaltungsfreiheit der Postpostmoderne machte die Tore weit(er). Immerhin begann am «gestalterischen» Rand der geradezu ausufernden Diskussion, während der Jürgen Habermas vom (mittlerweile längst wieder vergessenen) unvollendeten Projekt Moderne schrieb, auch der Laie sich ein wenig für das zu interessieren, das ihn die vierundzwanzig Stunden eines Tages umschließt, Und er stellte fest, daß er wieder mehr liebens- und lebenswerte Architektur haben möchte, in der er sich zuhause fühlen, in der er wieder flanieren kann. Man begann wieder Passagen, Arkaden und Galerien zu bauen, entwarf wieder Plätze, die dem Miteinander dienen sollten. Doch man braucht sich nur die Prosa der Immobilienhändler anzuschauen, um zu wissen, was mit dieser «galanten» und «noblen» Architektur gemeint ist: Wohnen in der Welt des Shoppings. Daran hatten bereits kurz nach dem letzten Krieg einige Städteplaner gedacht, als sie das planten, allerdings eher im Sinn des Produktionsversuchs menschlicher Heimat. Dafür konnte Winfried Nerdinger «ganz konkret den sogenannten Abel-Plan nennen. Adolf Abel war Nachfolger Theodor Fischers auf dem Lehrstuhl für Städtebau an der Technischen Universität München und war in den zwanziger Jahren der Architekt Konrad Adenauers für den Aufbau eines neuen Köln. Er hat im Auftrag des Oberbürgermeisters in München eine Planung entwickelt für den Wiederaufbau, der von einer konsequenten Trennung von Fahrverkehr und Fußgängern ausgeht. Und zwar wollte er die ganzen oder zumindest Teile der Wohnblöcke im Innern öffnen und Fußgängerzonen durch diese geöffneten Wohnblöcke hindurchführen. Und diese Fußgängerzonen, dafür hatte er ein ganzes sternförmiges System entwickelt, von einer neuen Stadtmitte aus, die hätten nun nach seinen Vorstellungen die Möglichkeit zu einer enormen architektonischen und urbanen Vielfalt geboten, mit Passagen, Durchgängen, Ladenzonen, mit Bereichen für Straßentheater, Straßencafes usw., all das, was man eben heute wieder künstlich versucht zu bauen.» Daß der Abel-Plan nicht realisiert wurde, erscheint fast logisch. Denn dann, so Nerdinger, hätte man «natürlich in die Besitzverhältnisse eingreifen müssen. Man hätte eben die Blöcke aufbrechen und den Blockinnenraum gleichsam verstaatlichen müssen. Und davor ist man eben zurückgeschreckt.» Die Grundvoraussetzungen für solche Vorhaben wurden in den Länderparlamenten später verabschiedet — bis auf das bayerische, dort schaltete man sich schon damals aus dem gemeinsamen Programm aus. Doch das entsprechende Gesetzesinstrumentarium, das weniger auto- und dafür mehr menschenfreundliche Innenstädte hätte schaffen können, wurde nicht genutzt. Die Wiederaufbaugesetze vergilbten in den Schubladen der Ministerien, ohne das man je Gebrauch davon gemacht hätte. Stuttgart, Köln, Hamburg, Hannover, Frankfurt am Main, aber auch kleinere Städte machen deutlich, wie man in der Nachkriegszeit und noch viele Jahre danach die gute Stube einzurichten gedachte. Ein falsches Festhalten am Eigentumsbegriff hatte städtebauliche und architektonische Häßlichkeiten entstehen lassen, die die Menschen in die Randzonen getrieben haben. Und selbst dort, in dieser «desastreusen Architektur», wie Bazon Brock die Satellitenstädte genannt hat, mußten sie dann irgendwann Mieten zahlen, die den innerstädtischen nahe kamen, ohne jedoch die Vorteile urbaner Vielfalt genießen zu können. In der Mietpreisentwicklung bundesweit ganz vorne steht seit langem München, früher gerne selbsternannte «heimliche Hauptstadt» oder als «größtes Dorf der Welt» bewitzelt. Dort zwackt heute, auch in Randbereichen, eine Dreizimmerwohnung vierzig Prozent und mehr eines Durchschnittseinkommens ab. Im Norden der Republik sieht es nicht anders aus. Selbst im Speckgürtel Hamburgs kommt man, je nach Lage, etwa in Lütjensee, wo die besserverdienende SUV-Gesellschaft einen Trutzberg bewohnt und deshalb alle anderen auch tiefer ins Portemonnaie greifen müssen, teilweise an Chefredakturs-Mieten heran, an die der Isestraße; etwas günstiger wird es in der Verlängerung über den Eppendorfer Baum, die dann Misestraße genannt wird. Speckgürtel, das heißt auch: mit dem Auto hinein nach Hamburg. Denn wer monatlich fünfzig Euro Miete weniger zahlen möchte oder wegen der hohen Mietkosten auf dem Land ein Kind, einen Baum, Sie wissen schon, in welcher Reihenfolge auch immer, dann der biblischen Diktion auch des Hausbaus gefolgt ist, der ist in der Regel abgehängt. Die S-Bahn fährt nicht bis ins Dorf, auch nicht der Bus aus oder in die nächste Kleinstadt, denn wenn Schulferien sind, geht gar nichts mehr, nicht einmal die vier Verbindungen täglich. Aber jetzt befinden wir uns bereits auf dem Dorf, von dem viele Städter sich gesagt haben: Bei solchen Mieten schaffe ich mir doch lieber Eigentum — und zersiedele ein bißchen Land. Was auch die alteingesessenen Dörfler tun, «denn in so einen alten Kasten», wie Dieter Wieland das einmal beschrieben hat, «würde sie nicht hineinheiraten». Und das ist ein Thema für sich. Das sollte ich besser gesondert behandeln. So sich überhaupt jemand dafür interessiert ...
Fluchtmöglichkeiten
Was aber bleibet, stiften Architekten nur vordergründig. Beziehungen lassen sich nach den Strukturen der Architektur nicht aufbauen, auch wenn die ideale Raumhöhe (nach Le Corbusier) so hoch ist wie der ausgestreckte Arm eines Mannes reicht. Peter Stamm zeigt es in seinem neuesten Roman „Sieben Jahre“: Vieles ist und bleibt brüchig.Was ließe sich daraus folgern? 1. Nicht für die Ewigkeit bauen wollen. Eine Verfallzeit von 50 Jahren genügt. Entsprechende Baustoffe sind vorhanden und zudem lassen sich austauschbare Bauwerke auf Räder und Schienen stellen. Wohnmobile? „Escape Vehicles“, antwortet Andrea Zittel, „das Leben in einem Wohnwagen ist viel einfacher als das Leben in einem Haus. Schauen sie 100, 200 Jahre zurück - das Heim der Menschen zeigte immer nur, wie viel sie verdient haben oder was sie machten, aber ihr Innenleben wurde nicht abgebildet.“ 2. Die Architektur braucht eine sexuelle Revolution. Ist Paris eine männliche Stadt und Florenz weiblich oder umgekehrt? Und was ist Rom? Oder sind wir schon soweit, dass uns diese Frage überhaupt nicht mehr interessiert? Möglicherweise mißverstehe
ich Sie. Oder (in Teilen) überhaupt nicht. Vielleicht liegt es daran, daß ich den von Ihnen erwähnten Roman nicht kenne und Sie hier daraus ein paar Bezüge einstreuen. Wie auch immer.Oben reicht Ihnen «der ausgestreckte Arm eines Mannes» (Germane?) nicht aus, einen Absatz weiter unten verweisen Sie auf die Wohnwagen der Andrea Zittel. Vielleicht sollte darauf hingewiesen werden, daß diese (Installation-)Künstlerin und US-Amerikanerin mit einer ausgeprägten «Tendenz, zu vereinfachen und zu stilisieren» (Thomas Kahler) ist, die in den neunziger Jahren, als sie darüber philosophierte, wohl noch nicht ahnte, wieviele ihrer Landsleute in ein solches Lebensgefühl gezwungen würden, da ihnen jene Banken diesen Traum unter den Hintern wegpfändeten, die kurz zuvor für eine exorbitante Überschuldung gesorgt hatten; ein Traum übrigens, der diametral zur Hippie-Kultur des Hauses aus Bierdosen oder auch der Wohnwagen steht, der Großes suggeriert, auch wenn er bereits die «Verfallzeit von fünfzig» Jahren beinhaltet (wovon Jahrzehnte in der Abbezahlung von Krediten entschwinden). Entscheidend aber dürfte Zittels Aussage sein: «Meine Gedanken über Individualität und Gemeinschaft in bezug auf Territorium sind ausgesprochen amerikanisch in der Hinsicht, daß Amerikaner viel spezifischer für körperliche als kulturelle Grenzen sensibilisiert sind. Der amerikanische Pioniergeist hat in uns einen realen Trieb nach Besitz und Schutz von definierbarem Territorium geweckt. Dieses Territorium kann an einem grünen Rasen und einer Kette als Zaun, an unserem Bedürfis, in der Isolation unserer eigenen, privaten Fahrzeuge zur Arbeit zu fahren, oder an unserem Widerwillen, einen Tisch im Restaurant mit Fremden zu teilen, festgemacht werden.» (Skulptur.Projekte in Münster, 1997) Ich habe bewußt eingangs Ernst Blochs Hinweis ausgewählt, der eine europäische, wenn nicht gar deutsche Perspektive aufzeigt. Und so betrachtet vermag meines Erachtens Architektur durchaus Beziehungen aufbauen. Es kommt darauf an, was man daraus macht. Darauf wurde via Neues Bauen immer wieder hingewiesen. Dazu gehörte eben, vielleicht habe ich das nicht deutlich genug gemacht, aber wer den deshalb gesetzten und hier nun wiederholten Hinweis anklickt, kann es nachlesen: Innenleben, sowohl das des Menschen als auch dessen Bezug zur gestalteten Umgebung, spielte darin eine durchaus wesentliche Rolle. Der Besitzer und Benutzer eines Living Unit von Andrea Zittel, Peter Norton, meinte: «Jemand, der die Abgeschiedenheit sucht, Buße tun will oder sich von den Komplikationen des Lebens befreien will.» (Jan Avgikos: Andrea Zittel at Andrea Rosen; in: Artforum, Januar 1994) Nicht dazugehören dürften die Sehnsüchte ihrer Landsleute nach den prächtigen Bauten der Renaissance-Fürsten oder der alten Römer et cetera, die sich die davon recht eigenwillig begeisterten US-Amerikaner ohnehin aus Europa ins Land holen. Europa tickt schon ein wenig anders. Das beginnt bereits im Abgleich historischer Fakten (da habe ich so meine ganz persönlichen, an Seltsamkeiten reiche Erinnerungen). «Der amerikanische Pioniergeist» hat hier nicht unbedingt den Vergleichswert, der nach einer Gegenüberstellung ruft. Wer hierzulande in einen Wohnwagen einzieht, der ist entweder dazu gezwungen (die einzige eventuelle Parallele), weil wir uns inmitten einer neuen «industriellen Revolution» zu befinden scheinen, oder weil er sich im Sommer, manch einer auch im Winter darin wohler fühlt als in dem, was vom «Produktionsversuch menschlicher Heimat» geblieben ist. Auch ließe sich behaupten, daß längst nicht mehr «für die Ewigkeit» gebaut wird. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir US-amerikanische Verhältnisse in der Bauausführung – mit einer «Verfallzeit von fünfzig Jahren» – haben werden; wenn sie nicht längst praktiziert wird, nicht nur, weil den Häuslebauern das Geld fehlt, sondern vor allem, weil die Billigheimer der Zersiedlungsgesellschaft das ihre machen wollen. Wer etwas genauer hinschaut, erkennt das sehr rasch. Das gilt teilweise durchaus auch für städtische Bebauung. Man schaue nach Spanien. Dort werden von rüden Bauunternehmen oder Wohnungsbaugesellschaften rotte Siedlungen ohne jede Infrastruktur hochgezogen, weil die Einheimischen, wie vor noch gar nicht allzu langer Zeit, nicht mehr bis zum vierzigsten Lebensjahr bei Mama und Papa leben, sondern sich bereits kurz nach oder auch schon während der Ausbildung eine Wohnung kaufen, zu Konditionen, die ihnen oft genug gerademal zweihundert Euro im Monat zum leben lassen, wenn's reicht. Und im ländlichen Bereich nimmt das anderswo längst ebenfalls solche Züge an. Über die Gründe darf ebenfalls spekuliert werden. Ich halte diese These «Nicht für die Ewigkeit» ohnehin für die perfide Methode, die jungen Menschen auf die von der Wirtschaft geforderte «Flexibilität» vorzubereiten. Wem alleine mit dieser Mobilität gedient ist, das muß wohl kaum erörtert werden. Wer ständig den Ort wechseln wollte (oder sollte), der konnte das auch früher. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wovon die Rede ist. Die Regel ist: Der Mensch möchte sich eine Heimat schaffen. Hatte er als Einwanderer aus Afrika einmal eine noch nicht von Neandertalern besetzte Höhle gefunden, blieb er darin. Sogar den früheren Europäern, die rübergemacht sind, aus welchen Gründen auch immer, und zu US-Amerikanern wurden, hatten nichts anderes im Sinn als diesen einen Ort, wo sie auf Dauer nach getaner Arbeit ihr müdes Haupt geschützt niederlegen konnten. Den Nicht-Ort überläßt der Mensch gerne Visionären (denen ich im Gegensatz zu Politikern nicht unbedingt grundsätzlich den Gang zum Arzt empfehle). Daran hat sich nichts geändert. Alles andere halte ich für manipulatives Gerede. Zu den beiden Texten schrieb mir ein junger Mann, der noch im vom Vater entworfenen Haus lebt, aber wie so viele andere seit langem vom eigenen Häuschen träumt und aus dessen Zeilen ich hier (ich bitte um Entschuldigung) zitiere, da ich sie für symptomatisch halte: «Ich weiß immer noch nicht, wie ich einst bauen soll. Aber eines weiß ich – das Haus meines Vaters, das ich viel und oft geschmäht habe, gefällt mir immer besser. Und es hilft mir, meinen Vater zu verstehen.» Wenn das mal kein Beleg dafür ist, daß Architektur durchaus Beziehungen zu schaffen in der Lage ist . Punkt 2 kann ich nicht folgen. Ich fürchte, dazu reicht meine Phantasie nicht aus. Ich entschuldige mich...
... aber wenn in kulturkritischen Rückblicken manche architektonischen Auswüchse beklagt werden (einschließlich der Haltbarkeit von Beton) darf doch nach der Verfallzeit des Materials gefragt werden. Hätte man da die entsprechende Lösung bereits gefunden, gefiele uns heute beispielsweise Stuttgarts Innenstadt bedeutend besser und mancher Betonklotz dort wäre wieder in das zurückgewandert, was durch ihn entstanden ist: Baggerseen. Tatsache ist jedenfalls, dass viele Gebäude oftmals länger Bestand haben als Menschen an ihnen Gefallen finden.Zwischen „Ach müsste das schön sein ein Häuschen mit Garten“ und dem „mobilen Wohnen“ muss es doch Denkmodelle geben, die in die Zukunft weisen und nicht gleich an spießiges Bürgertum, Rentnerträume und Raubtierkapitalismus erinnern. Überlegungen von Philosophen sind dabei natürlich sehr hilfreich. Der von Ihnen zitierte Ernst Bloch hilft mir aber zu wenig („Architektur = Produktionsversuch menschlicher Heimat“) bzw. lässt mich nachfragen. Was meint er mit „Heimat“ und was verstehen wir darunter? Etwa „Mein Haus, mein Boot, meine Frau“ – oder eben auch „Fluchtmöglichkeiten“, womit wir wieder bei Andrea Zittel wären: „Das Heim der Menschen zeigte immer nur, wie viel sie verdient haben oder was sie machten, aber ihr Innenleben wurde nicht abgebildet.“ Die Escape Vehicles der Andrea Zittel sollte man auch nicht mit deutschen oder amerikanischen Wohnmobiles verwechseln. Sie sollten nur Anstoß für ein Weiterdenken sein. Andrea Zittel will ich übrigens gar nicht hochstilisieren, auch wenn sie noch 2008 im Basler Schaulager hitzige Diskussionen entfachte, was ich gut finde. Die Architektur braucht eine sexuelle Revolution. So ein Satz provoziert natürlich wie Make Love not War! Alles schon mal dagewesen. Und doch, ernsthaft, glauben Sie nicht, dass sich patriarchalische Strukturen der Gesellschaft auch in der Bauweise zeigen? Das mag man verstehen oder auch nicht.
um mal das wolkenkuckucksheim zu erden: ein problem der hier angesprochenen konsumarchitektur dürfte die langfristige finanzierung und wertschöpfung sein. die containerwohnparks sind der zeit die einzige mir gekannte wohnform, wo am ende von dreißig jahren nichts mehr von der ursprungsinvestition übrigbleibt, während etwas solidere immobilie - natürlich abhängig von lage, lage und lage - sogar im wert zulegen können.
"jeder städtebewohner weiß, dass die architektur, im gegensatz zur poesie, eine terroristische kunst ist." * ist jetzt allerdings auch keine ganz nagelneue erkentnis. ich bin bereit zu folgen, was HERRschaftsarchitektur angeht, aber darüber hinaus wird's hakeliger. das was mrs hadid abliefert ist ja wohl nicht weniger macho als das meiste andere auch. und "weiblichem" essentiell andere bedürfnisse und ausdrucksformen zuzusprechen widerstrebt mir mit poststrukturalistischer gründlcihkeit - und wäre darüber hinaus: ziemlich männlich. (das mit der deckenhöhe, das geht so nicht! darüber müssen wir dringend noch einmal reden!;-) Entschuldigen? Wofür?
Stuttgarts Innenstadt oder auch die von Frankfurt am Main und einigen anderen zwiefach plattgemachten deutschen Städten mehr sind das Ergebnis fehlgeleiteter oder teilweise bewußt falsch, häufig nach dem Rosinenpickprinzip eingesetzter Erkenntnisse. Einige Zeit später sollte sich das in den Satellitenstädten wiederholen. Aber das ist hier ja bereits hinreichend erörtert, auch die Verfallzeit (nicht nur) von Beton. Auch darauf wurde mehrfach hingewiesen: Es kommt nicht nur darauf an, was man daraus macht, sondern auch, wie man es zu pflegen bereit ist. Aber Pflege kostet Geld, und das auszugeben ist man in der Regel nicht bereit; diese größeren Gebäude sind oft genug bereits mehrfach gewinnbringend verkauft, und die Investitionen ins Bewahren gehören nicht unbedingt zu den hohen. Jeder Häuslebauer weiß das: Wer seinem schönen Holzhaus nicht alle paar Jahre einen fachgerechten Anstrich verpaßt, wird bald nur noch Häßliches und die Hütte irgendwann verfallen sehen. Ernst Bloch in «Mein Haus, mein Boot, meine Frau» einzureihen, ist – na gut, buche ich es unter «leichte Polemik». «Heimat» ist Blochs Gegenbegriff zu dem der «Entfremdung». Die Symptome der Entfremdung führt Adolf Max Vogt in seinem Buch Architektur 1940 – 1980 auf die in steigendem Maße veränderte Arbeit durch den Industriekapitalismus mit der Folge der Umweltbedrohung zurück. Dadurch, daß der Arbeiter, vor allem der Fließbandarbeiter nichts Ganzes mehr herstelle, sondern nur noch endlos wiederholte Teile, trete eine Sinnentleerung ein: Arbeitsentfremdung. «Die Techniken», so der Kunsthistoriker und Emeritus der ETH Zürich Vogt (*1920), «verhalten sich zur Umwelt aggressiv – sie irritieren und unterbrechen die zyklischen Abläufe: Umweltentfremdung.» Bauen müsse deshalb sein oder endlich werden – und damit greift er Blochs Begriff auf – «ein Produktionsversuch menschlicher Heimat». – Hier geht es primär um die Ursachen fehlgesteuerter Entwicklungen. Und die kleben fest. Auch wenn es bald keine Fließbandarbeiter mehr geben wird, gebaut wird am Fließband. Seit langem schon auch auf dem Dorf. Aber das ist nochmal ein Thema für sich. Auf Andrea Zittels Äußerungen bin ich ja bereits eingegangen – unter anderem darauf, daß sie nicht vergleichbar sind mit den hiesigen Gegebenheiten. Und sicher doch, das sind keine herkömmliche Wohnwagen aus den USA, das sind Installationen, Kunstwerke, die als solche gekauft werden. Zittel selbst meint: «Natürlich führt das zu der Ironie, daß diese Sammler beispielsweise ein Escape Vehicle kaufen, in das sie sich vor ihrem geschäftig-vollgestopften Leben flüchten ...» Ironie? – Aber nichts spricht dagegen, daß Künstler hitzige Diskussionen auslösen. Wenngleich ich hierbei mit dem von mir sehr geschätzten «Schwellenintellektuellen» mit «Werkstatt für metaphysische Daseinsforschung» Hannes Wurst zu bedenken geben möchte: «Kunst ist ein Akt der Kommunikation, der Informationen vermittelt, die anders nicht oder nur schwierig vermittelt werden können.» Und was die sexuelle Revolution in der Architektur betrifft, da schließe ich mich zunächst Vert an: «HERRschaftsarchitektur», zweifelsohne. Aber eben auch durch Damen. Wenn das auch unter Umständen daran liegen mag, daß von ihnen gefordert wird, was Herren vorgeben. Es mag durchaus sein, daß Frauen zumindest in der Alltagsarchitektur das anders angehen, wie etwa bei der Beurteilung von Automobilen, bei denen eine Reduktion formaler Aggressivität gefordert sein soll. Mir sind allerdings keine Beispiele für gravierende architektonische Unterschiede bekannt, und das, obwohl ich doch einige planende und bauende Damen kenne. Was wiederum seine Ursachen darin haben mag, daß sie nicht so dürfen, wie sie wollen (oder auch nicht). Aber vielleicht schaue ich auch nicht genau genug hin (oder immer wieder dorthin, wohin ich nicht schauen soll). Es gibt zwar beispielweise die feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen FOPA, aber viel sehe ich nicht, wenn ich Aktuelle Projekte anklicke. Möglicherweise gibt es (noch) zu wenige Vergleichsmöglichkeiten. Wie früher in der bildenden Kunst. An diesem Punkt mag ich Ihnen (aus der Warteposition heraus) rechtgeben. Bester Vert: Sie wissen doch, auch ich habe ein Stückchen Kathedralenhöhe. (Weil ich Alt und Neu gerne kombiniert sehe? Befruchtung?) Dabei bleiben unten die Füße kühl, während's weiter oben in der Galerie heiß hergeht. Und die originale Deckenhöhe von Le Corbusier gibt's ohnehin nur noch im Denkmal. Wobei dessen philosophische Höhe auch im nachfolgenden Neubau nur unwesentlich überschritten wurde. Geschimpft wurde und wird trotzdem. Nun geht der Baumeister des Neuen pragmatisch-energetisch (Frauen!) energisch wieder nach unten, manch einer bezeichnet's gar als seine Erfindung. Vielleicht glaubt er's ja selber. Das wäre dann wieder einmal Kutte Tucholsky: Es gibt keinen Neuschnee. Ich könnte es aber auch, den Inhalt Ihrer Worte leicht abwandelnd, mangelndes historisches Wissen nennen. Da wohnen Architekten und Ärzte, die ganzen Martensteins eben, allesamt unter einem Dach. Jaja...
...erzählen Sie mir nie wieder was von gelöschten Beiträgen, okay? Danke.Was auch immer
Sie hier mit «gelöschten Beiträgen» meinen sollten – ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, Sie sind, aus welchem Grund auch immer, auf Krawall aus. Lassen Sie das, jedenfalls hier. Toben Sie sich zuhause aus.>> kommentieren Sie wissen es - dennoch: Ich lausche weiter interessiert! Ihr Interesse in Ehren.
Das weiß ich zu schätzen (das der anderen nicht zu vergessen). Dennoch werde ich mit dieser Thematik zunächst einmal pausieren. Ich habe nämlich keine Lust auf Arbeit. Das wird es aber, aus der Erinnerung, früher mit solchem gegen Gummiwände angeschrieben zu haben. Möglicherweise wird es mich wieder überkommen, irgendwann, wenn irgendwo mal wieder ein Auslöser auftaucht und ich mich richtig aufregen muß (es darf ja gerne bei Ihnen passieren, das Auslösen).>> kommentieren ich empfehle die spannende, tiefe einblicke gewaehrende und auf ihre weise sehr unterhaltsame dokumentation "die schoepfer der einkaufswelten" von harun farocki. dort wird das system "shopping mall", betrieben von investoren, developern, lokalen baugroessen, mediokren architekten & planern, lokalen stadtmafiosi, marketingexperten etc. "entlarvt", einfach indem kommentarlos die kamera daraufgehalten wird. immer wieder erstaunlich finde ich, wie offen diese leute sprechen, wohl weil sie ihr tun als selbstverstaendlichkeit erachten. anstelle "shopping mall" koennte man nahezu jedes andere investorenprojekt setzen, die mitspieler sind diesselben, und die strategien und methoden auch. Dunkel erinnere ich
mich jetzt, daß da mal was war. Aber gesehen habe ich die Dokumentation von Farocki nie. Das werde ich nun sicher nachholen. Dank für den Hinweis.
... ist ja ein eher negatives Resuemee, wenn ich es recht verstehe. Gaebe es denn ein oder zwei Beispiele von Gegenwartsarchitektur, mit denen Sie sich identifizieren und von denen Sie sagen koennten: Hier wurde das Prinzip Hoffnung nicht enttaeuscht, hier kann man gut leben (Musik machen, Theater spielen, Kunstwerke ausstellen etc.) und sieht obendrein gut aus?
Thanks im voraus und freundliche Gruesse G. Schoenbauer Gewachsene Strukturen
sind es wohl am ehesten, in denen ich mich (von jeher) wohlfühle; wobei ich immer der Meinung war, daß alte und neue Architektur sehr wohl miteinander harmonieren können, wenn die Paarung nicht dem Moloch Gewinn unterworfen ist. Aber ich wüßte auch nicht, daß es irgendwo gelungen wäre, die Theorien des Neuen Bauens annähernd umzusetzen. Wie auch? Wirkliches Interesse dürfte daran nie wirklich bestanden haben bzw. allenfalls an (wirtschaftlich vorteilhaften) Einzelheiten. Oder aber es ist, dort, wo es eventuell möglich gewesen wäre, undurchdacht, also nicht ernsthaft längerfristig – wozu eben auch finanziell abgestützte Erhaltungs- und Veränderungsmaßnahmen gehören – geplant worden. Kurzum, mir fällt momentan kein rundum positives Beispiel ein.Erwähnen möchte ich im Bereich Wohnungsbau eines, das manch einen architektonisch vielleicht nicht unbedingt anspringt oder gar abschreckt, aber in einem Teilbereich zumindest funktioniert hat; wie es heutzutage dort aussieht, kann ich allerdings nicht beurteilen, da ich über zehn Jahre nicht dort war. Ins Münchner Olympiagelände von 1972, das von vornherein, nach Beendigung der Spiele, als Wohnarreal geplant war, haben sich während der anfänglich rigorosen Ablehnungsphase durch die Bevölkerung einige Menschen eingekauft oder auch -gemietet, sicherlich nicht zuletzt wegen der seinerzeit günstigen Preise, die eine ungemein angenehme Atmosphäre schufen. Wer dort, wie ich eine Zeitlang zwischen den achtziger und neunziger Jahren, ein- und ausging, konnte sich durchaus fühlen, als ob er in eine über viele Generationen gewachsene Gemeinschaft hineingeraten wäre. Trotz und auch entgegen aller – baulichen sowie infrastrukturellen – Mängel hatte sich zwischen Eigentümern und Mietern, zwischen Hoch- und kleineren Häusern (wofür ich, mal wieder, kaum eine alltagstaugliche Photographie finde, immer nur sogenannte Glanzlichter: Bild-Abfall eben), bei weitem nicht nur im Bereich der vermutlich bekannteren Studentenstadt, sondern auch unter denjenigen, die bereits darüber hinaus waren (oder noch dorthin kommen wollten); wenn ich mich recht erinnere, hatte sogar Alt-Bürgermeister Jochen Vogel in einem der vielen riesigen Kästen eine Wohnung. Wer sich «hineingetraute» (viele, unter ihnen anfänglich auch ich, scheuten den Weg ins offenbar zu abgelegene und scheinbar hermetisch abgeriegelte «Olympiadorf»), der durfte erleben, was der Moderne – Günter Behnisch dürfte wohl in dieser Nähe anzusiedeln sein, auf jeden Fall einer «demokratischen Architektur» verpflichtet – zuzuordende städtische Wohnarchitektur zu leisten vermag. In den seltensten Fällen habe ich erlebt, daß jemand sich gegen die lichte, freie architektonische Struktur aufgelehnt hätte, etwa in Behnischs Sinn: «Wenn jemand Gemütlichkeit braucht, soll er sich eine Katze anschaffen. Ich habe zwei Katzen zuhause, das ist gemütlich.» Bei den Bauhaus-Siedlungen ist mir solches immer wieder begegnet, was aber hauptsächlich damit zu tun haben dürfte, daß die Bewohner mit den klaren Linien nicht klarkamen, sich ihre Gemütlichkeit einrichteten, indem sie bunte Glasbausteine und seinerzeit aufkommende «kunstschmiedeeiserne» Türen et cetera einsetzten. Die Münchner Bewohner des Olympiadorfes, die ich kennenglernt hatte, waren wohl bereits anders geschult. Unter anderem mag es daran gelegen haben, daß es eine überwiegend besser ausgebildete, häufig mittelständische Bevölkerung war, die diese, wie ich meine, geradezu intakte Gemeinschaft bildete. Mit großem Engagement stand man sich nicht nur zur Seite, sondern pflegte auch untereinander einen quasi kleinstädtischen Austausch, dem ich anderswo nie wieder begegnen sollte, auch nicht in einem größeren Dorf Südfrankreichs. – Mit großer Freude erinnere ich mich an die zwei riesigen Fêtes über zwei olympische Dorfstraßen samt Festsaal hinweg, die damals unter der nahezu ausnahmslos deutschen Bevölkerung stattfanden, nachdem François Mitterrand 1981 die Wahlen gewonnen hatte bzw. ins Amt eingeführt wurde. Aber vielleicht fällt mir ja irgendwann doch noch ein weiteres Beispiel ein.
das bedauerliche an gewachsenen strukturen ist, dass sie oftmals ideologisch vereinnahmt sind.
ich finde zum beispiel finde organische architektur sehr interessant und erfreue mich an der kreativität der formen, die dem althergebrachten entwachsen können; auf den gelegentlich damit einher gehenden strunzreaktionären nationalismus hingegen könnte ich gut verzichten. Wo Sie so hindenken
immer wieder mal ... Ich für meinen Teil denke bei gewachsenen Strukturen nicht unbedingt an Ideologie. Und schon gar nicht an Nationalismus oder ähnlich geartetes Unangenehmes mehr. Aber recht geben muß ich Ihnen durchaus, was eine gewisse Vereinnahmung betrifft; da existieren schlimme Peinlichkeiten. Die sind bei mir allerdings grundsätzlich auszublenden.Ich mache mich auf die Suche nach einem Bildchen, das meine Vorstellungen in etwa darstellen könnte; wenigstens in der Architektur.
mein interesse galt bisher speziell organischer architektur in ungarn, wo ich aufgrund der im alltagsleben sehr präsenten nationalen legenden, die zudem somit fester bestandteil auch akademischen diskurses sind, eine hohe kontinuität sehe.
von ödön lechners ("der gaudí ungarns" [naja]) indisch-magyarischen jugendstilfantasien bis zu györgy csetes verbauter nationalmystik ergibt sich ein werk, das von der formgebung beispiellos wie von der intention zum teil fragwürdig ist. die argumente für die schlussendliche umsetzung, die endgültige errichtung fußen fast alle auf dem bezug zu nationalen und eben auch nationalistischen mythen. ich find's schade. das hat eigentlich alles eine solche kraft und ausdrucksfreude, in der ich (aus der außenperspektive) keinen ursprünglich chauvinistischen impetus lesen kann. Das muß ich
mir erstmal erkuckeln. Ich komme dann darauf zurück. Aber nicht sogleich. Jetzt zunächst Nickerchen.Ein Architekturklassiker,
das ist mir soeben eingefallen, im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen alt und neu (heute heißt so etwas vermutlich Dialog), die bei aller Eigenständigkeit Harmonie zulassen kann, ist Eichstätt. Hier hat vor allem Karljosef Schattner Spuren hinterlassen. Die Seite der Altmühlstädter gibt eine Ahnung von dem, was er dort geleistet hat. Daß man sich nicht verkneifen konnte, den Begriff «Stararchitekt», hier ausgerechnet im Zusammenhang mit dem von mir erwähnten Günter Behnisch, ins Gefecht zu führen, läßt vermuten, daß man ohne diese Medienfoskel nicht mehr auszukommen scheint; der auch noch falsch geschriebene Name gibt tiefen Einblick in die zeitgenössische Dokumentationspraxis dieses «modernistischen Mikrokosmos».Zur ungarischen Gaudi komme ich noch. Bin gerade erst zur Tür hinein. >> kommentieren Münchner Olympiadorf
Die weitere Sucherei hat sich doch gelohnt. Der mir nicht bekannte, aber offensichtliche Alt-Dörfler Harald Häusler hat die Stimmung der Anfangsachtziger recht anschaulich und durchaus charakteristisch eingefangen.Recht hübsch ist ist hier zwischen größer und kleiner zu unterscheiden. ...arigato gozaimasu
... bedanke mich fuer Ihre ausfuehrliche Antwort. Also das Olympiadorf, da bin ich frueher auch ab und zu hingefahren, nur um mich umzuschauen und spazierzugehen. Eichstaett kenne ich nur zu gut, weil ich im dortigen Landkreis aufgewachsen bin, und wahrscheinlich haben Sie recht, obgleich es mir nicht leicht faellt, das zuzugeben - die Kirche, die CSU ..., ich hoffe, Sie verstehen. Geht mir mit Blick auf Regensburg, wo ich einen Teil meines Studiums absolvierte, so aehnlich, wobei hier noch der Thurn & Taxis-Clan als negative Groesse dazukam, zu meiner Zeit, inzwischen hat sich ja wohl einiges geaendert, ob zum Guten oder Schlechten, lasse ich mal dahingestellt (Gab ja vor rund 40 Jahren einen Staedteverbund zur Altstadtsanierung, dem neben Regensburg und Bamberg auch Luebeck angehoerte, wenn ich mich recht entsinne.)Hatte bei meiner Ausgangsfragestellung vor allem Stadtviertel in italienischen Staedten im Auge, in Verona, Padua, ... auch in Rom. Gruss G. Schoenbauer Etwas ähnliches
habe ich mir Ihres Namens wegen bereits gedacht: Bayern (Österreich wäre eventuell wohl noch infrage gekommen?). Auf jeden Fall wird deutlich: Ein japanischer Saupreiß sind Sie nicht.Erwähnt habe ich Eichstätt alleine aus Gründen des Zusammenspiels aus alt und neu, das ohne jeden Zweifel großartig ist. Die Kirche, die CSU, all das ist mir nicht minder fremd. Es muß dabei allerdings berücksichtigt werden, ohne Nennung ersterer wäre über altes Bauen nur schwierig zu reden; durchaus auch im negativen Sinn, was Pracht mit Macht et cetera betrifft. Das alles jedoch bei jeder Bewertung zu berücksichtigen, ließe es uferlos werden. Das Problem bei diesen ganzen Altstadtsanierungen dieser Zeit scheint mir, daß in den seltensten Fällen tatsächlich qualitätvolle zeitgenössische Architektur zugelassen wurde. Was da in Baulücken hineinoperiert wurde, halte ich aus der grobflächigen Erinnerung größtenteils für mehr als fragwürdig. Vergessen darf ich dabei jedoch nicht, daß ich sowohl in Bamberg als auch in Regensburg lange nicht mehr war (wie ich in Sachen Architektur überhaupt seit längerem nicht mehr gezielt unterwegs bin). Vielleicht hat sich mittlerweile dort ja was getan – allein, es fehlt mir der Glaube. Von Lübeck weiß ich definitiv nichts Attraktives zu berichten. Auch von Padua, Rom und Verona nicht. Das liegt aber daran, daß ich das Land nicht gut genug kenne, um Beispiele nennen zu können. Mit dem mir durchaus sympathischen Italien geht es mir derart, wie ich es gerne Deutschen im Zusammenhang mit Frankreich vorhalte: sie nutzen das Land nur zur Durchreise (nach Spanien). Präziser: Ich kenne zwar Orte und Städte, reise jedoch immer nur gezielt nach dem Prinzip von A nach B hin, schaue mich aber nie so genau um, wie es die Gegebenheiten mit Sicherheit verdient hätten. Meine Metapher für Süden liegt geographisch weiter westlich. Dort habe ich Römisches ohne Ende. Aber selbst dort wüßte ich jetzt auf Anhieb kein gelungenes Ensemble zu nennen; wohl aber negative, oftmals ausgelöst durch teilweise geradezu brutale zentralistische Maßnahmen. Einzelfälle gelungener Architektur gibt es zuhauf. Das liegt jedoch sicherlich in erster Linie an der Tatsache, daß dort «Gestaltungssatzungen» nicht zur derart rigiden Anwendung kommen wie in Deutschland, sprich alles vereinheitlichende Traufhöhen et cetera. Seine Ursachen dürfte das jedoch im Kuddelmuddel des Wiederaufbaus haben. Ausnahmen scheint es da nur bei der Solitärarchitektur zu geben. Wobei ich allerdings den Eindruck habe, es änderte sich in letzter Zeit leicht zum Positiven hin, jedenfalls in Städten – und nie in den Dörfern, jedenfalls nicht in Norddeutschland, wo die Tristesse vorherrscht. In Süddeutschland ist man wohl um einiges experimentierfreudiger, da habe ich recht angenehme Erinnerungen, wenn auch wiederum nur an Einzelfälle. Zum Thema Bauen mit Beton bin ich auf alte Unterlagen gestoßen. Bei Gelegenheit will ich versuchen, sie etwas aufzubereiten. Als Anregung. Insgesamt bin ich aus der Thematik ja ziemlich heraus.
... bin mal in mich gegangen u. habe herausgefunden, dass mir vor allem schoen bebaute Plaetze, auch Marktplaetze, mit einem Brunnen oder einer Statue in der Mitte besonders gut gefallen, wo man im Freien sitzen u. eine Kaffee schluerfen kann: Von Rom, von Trastevere, habe ich so etwas in Erinnerung, der Domplatz in Verona, der Haidplatz in Regensburg; auch in Wismar oder Cesky Krumlow (Krummau), wo mein Vater vor vielen Jahzehnten aufs Gymnasium ging, habe ich solche Plaetze gesehen..
Wohne ja in Japan, auf Kyushu, (wo die Liebe hinfaellt) u. bin diesbezueglich nicht verwoehnt: Wenn man von Fertigbau- und Wohnblocksiedlungen absieht, herrscht hier ein ziemliches Durcheinander: grosse und kleine, alte und neue Haeuser in allen moeglichen Farben, dazwischen oder daneben Tankstellen, Kleinfriedhoefe, Shintoschreine, Kinderspielplaetze, Reisfelder, Pachinko-Parlours usw.usf. Gruss G.Schoenbauer Einigkeit herrscht hier.
Das ist es, was ich mit Vielfalt meine, in der wir uns wohlfühlen. Bei Exportabel steht über Bunzlau geschrieben:«Wenn serielle Häuser millimetergenau zueinander passen, weil die Fertigung dann angeblich günstiger ist, nützen auch absichtliche Changierungen nichts, weil auch die wieder komplett geplant sind. Das Unfertige, das sich Entwickelnde, das Lebendige, der Zufall haben keinen Platz mehr.» Diese Vielfalt ist auch auch in der Mischung aus altem und neuem Bauen möglich. Deshalb habe ich Eichstätt ausgewählt, wo die Ästhetik im besten, im richtigen Sinne tonangebend war. Mir ging es in der Suche in meiner Erinnerung um Ensembles, da ich Ihre Frage so verstanden hatte. Einzelbeispiele gibt es sicherlich einige, allüberall. Es sei denn, der Profit hat Vorrang. Dann gibt's nur noch Formalästhetik – denn wie's da drinnen ausschaut, geht niemanden 'was an. Aber den meisten ist's ohnehin wurscht. Was ihnen aber, zumindest teilweise, irgendwie auch nicht zu verdenken ist, da sie zwar 333 Issos Keilerei (auswendig) gelernt haben (wenn überhaupt), den historischen Zusammenhang aber schon nicht mehr. Für so'n überflüssigen Kram haben wir keine Zeit. Die ist nämlich Geld. Und diese Priorität ist in letzter Zeit derart übel herangezüchtet worden, daß selbst der willigste Mensch nicht auf Anhieb ohne weiteres von alleine darauf kommt, es könnte noch andere Sinn- und Seinsfragen geben. Aber hin und wieder reicht, das ist mir glücklicherweise beschert, ein leichter Denkschubser. >> kommentieren Es war nicht alles schlecht
Ein paar Anmerkungen zu diesem gelungenen Text:Die Nachkriegswohnungsbauten haben heute einen schlechten Stand, stimmt. Aber ganz so schlecht sind sie auch nicht. Man darf nicht vergessen, dass nach dem Krieg schnell und preiswert viel Wohnraum geschaffen werden musste, und das hat ja auch geklappt. Wenn man sich die Gropiusstadt oder das Märkische Viertel in Berlin ansieht, stellt man fest, dass es dort gar nicht so übel ist, jedenfalls wesentlich besser als sein Ruf. Das sind keine sozialen Brennpunkte, die liegen - zumindest in Berlin - schon länger wieder in den Altbauvierteln. Das Märkische Viertel ist im Sommer richtig belebt, es gibt eine Art Stadtmitte, die Häuser sind natürlich sehr hoch, das ist nicht jedermanns Sache, aber man muss doch sehen, was davor war. Davor hatte man in Berlin eine riesige Mietskasernenstadt, die wir heute toll finden, die in vielen Details aber Mist ist. Viele Hinterhofwohnungen mit wenig Licht, geräuschanfällig, miserable akustische und Wärmedämmungseigenschaften, oft grauenhafte Grundrisse. Darüber sieht man heute gerne hinweg, Hauptsache es hängt außen Stuck dran. Würde man an die Altbauten dieselben strengen, objektiven Maßstäbe legen wie an die Nachkriegsbauten, es sähe nicht gut aus für erstere. Ich rede jetzt nicht von luxussanierten Altbauten, sondern von den ganz gewöhnlichen Berliner Hinterhöfen. Insofern hat das Neue Bauen schon ein wenig hinübergerettet in die Nachkriegszeit, wenn man die schlechten finanziellen Bedingungen bedenkt. Städtebaulich hatte man in den Sechzigern noch andere Vorstellungen als heute, damals geprägt von den vorkriegszeitlichen engen Wohnquartieren, von denen man weg wollte, gepaart mit der aufkommenden automobilen Gesellschaft. Ich würde das heute nicht diskredittieren, sondern anders machen. Schließlich: Bauen sollte billiger werden, stimmt, und das ist wichtig gewesen. Dass die Profite die Hauseigentümer einsacken konnten, liegt nicht an den Häusern, sondern an den gesellschaftlichen Bedingungen, die Nerdinger ja ganz richtig anmerkt. Das nur als eine erste, flotte Einschätzung. Das Thema Arbeitersiedlung
der letzten und vorletzten Nachkriegszeit hatte ich unter anderem ja bereits in Von Bau- und anderen Häuslern angerissen (Sie wissen es, andere möglicherweise nicht).In keiner dieser «Kaninchenstallarchitekturen» war ich seit längerem; Berlin, Frankfurt, München et cetera habe ich vor allem aus den Achtzigern in Erinnerung, teilweise auch noch aus den Neunzigern. An der Bochumer Uni war ich in letzter Zeit öfter mal, da überkam mich schon das Grausen; das ist aber, wie erwähnt, der mangelhaften Pflege des Baustoffs Beton geschuldet, woran die politischen Planer vermutlich nicht denken wollten, weil das ohnehin von der nächsten Wahlperiode überholt würde. Ein persönlich positives Beispiel der Gefolgschaft Neuen Bauens habe ich ebenfalls erwähnt, und auch von den von Ihnen erwähnten sogenannten Satellitenstädten ist mir sekundär zu Ohren und Augen gekommen, man habe sich darum bemüht. Sie bestätigen es, was das Märkische Viertel betrifft – soziale Brennpunkte finden sich anderswo. Die Hinterhöfe der heute so renommierten Altbauviertel Berlins habe ich in weiten Teilen im Urzustand, richtiger: im Zustand der sehr späten Nachkriegs- oder auch Neuzeit gesehen. Dort scheinen sich ja mittlerweile wieder Kriegsschauplätze zu befinden, wenn auch welche anderer Art. Für mich sind das irgendwie verbotene Zonen, ich ertrage diese ganzen neuen gelb-blau oder blau-gelb eingefärbten Grünen nicht, da setze ich mich lieber in die Tram und schaue mir an, was aus dem Rest-Berlin geworden ist. (Wird aus Blau und Geld nicht ohnehin Grün? Über die richtige Bestimmung wird ja, auch in dieser Weise, heftig diskutiert; mir wurde das als nicht ganz so jungdynamischer Vater eher auf diese Art vermittelt*). Einig sind wir uns ohnehin in den Punkten, in denen es darum geht, wo das Neue Bauen «schon ein wenig hinübergerettet» hat; ein selbsterlebtes Beispiel kam ja zur Schreibe. Und gehen wir davon aus, daß einige das heute anders machen würden, nicht nur mit der «automobilen Gesellschaft». Aber die Gesellschaft an sich, auch hier Einigkeit, die ist das Problem. * Einst sagte Mama Blau: Mein Kind, Bleib hier! Ich kaufe ein geschwind. Doch schlich das kleine Blau verstohlen Hinaus das kleine Gelb zu holen. Jedoch das Haus vom Gelb war leer. Das kleine Blau lief hin und her Und kreuz und quer und quer und krumm In der gesamten Stadt herum. Bis es um eine Ecke rannte Und dort das kleine Gelb erkannte. Da bist du ja! Ich suchte dich. Sie lachten und umarmten sich. Da wurden sie durch diesen Spaß Bei der Umarmung grün wie Gras. >> kommentieren Chronistenpflicht
Meine leichte Verwunderung soll hier auch mal zu Wort kommen. Hatte ich anfänglich, nun ja, ein wenig im Trüben nach Widerspruch fischend, von drei zu erwarteten Lesern geschrieben, so wurde die Zahl nach einer kurzen zwischenzeitlichen Verzögerung doch sehr gut dreistellig – innerhalb dreier Tage. Das haben nur ganz wenige Texte aus meinem bescheidenen Haus geschafft. Gestern war sogar das Hamburger Großmagazin zu Besuch (es fehlen nur noch die Wochen- und Tageszeitungen der Martensteins; aber die schreiben sowas ohnehin nicht ab).Abbitte habe ich also zu leisten, auch Dank auszusprechen für das für meine Verhältnisse sehr große Interesse – das mich unterm Strich tatsächlich überrascht hat. Es zeigt mir aber auch, daß es möglicherweise anderswo zu selten zur Sprache kommt (womit Genova wahrhaftig nicht gemeint ist, der sich ja ständig um die Thematik bemüht). Und ermutigend ist es auch. Ich werde also weiterhin in meinem Dachboden der Erinnerung kramen, um ein wenig von dem zutage zu fördern, das offensichtlich doch einige mehr interessiert, als ich zunächst annahm. Sie sind da offenbar erfolgreicher als ich,
Herr Stubenzweig. Meine Architekturartikel finden nur begrenzte Resonanz. Dagegen empfiehlt es sich, zu einem aktuellen Thema, das in Blogs bereits tausendfach erschöpft behandelt wurde, einen weiteren Artikel anzufügen - auch der wird dann gelesen wie wild.Aus dem Aktuellen
habe ich mich ohnehin seit langem verabschiedet; das hatte ich lange genug. Sicher, ich schaue hierhin und dorthin, nicke auch oder auch nicht, doch eher selten äußere ich mich dazu. Und zu dem, wie Sie das anführen, habe ich nun wirklich keine Lust. Ein wenig assoziiert das die Vorstellung vom Bild, vom Buch, vom Film et cetera, über die zunächst nahezu komplett die Sekundärliteratur bewältigt wird, um dann mitzudiskutieren, ohne das Original zu kennen. Aber über Second Hand schimpfen – bei der Klamotte bevorzugen wir selbstverständlich das Original, und immer das allerneueste. Woher nur, frage ich, kommt das nur? Interessiert die Menschen das, aus dem alles hervorgeht, nur noch in der Zweitverwertung?Über das mit dem Erfolg, darüber wäre auch noch zu sinnieren. Zugestanden, ich bin ein wenig überrascht. Aber ob's was ändert, daran habe ich meine Zweifel, genährt von den Jahrzehnten der Erfahrung. Wobei ich meine kleinen Freuden darüber gerne zugestehe, daß das eine oder andere wenigstens zur Kenntnis genommen wird (und vielleicht doch etwas haften bleibt bei dem einen oder anderen). Denn das Prinzip Hoffnung hat sich irgendwann unauslöschlich eingebrannt. Das Neueste München-Olympiadorf
Das Neueste aus 1989 in bewegten Bildernhttp://www.haeusler-info.de/harald/galerie---gallery/80er-jahre---80s/31121989-muenchen---munich---video-1.php Harald >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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