«Berlin ist [single]

die Stadt der Einsamen, die ständig steigende Zahl der Single- und Einpersonenhaushalte macht einen selbst dann einsam, wenn man es gar nicht ist». Aléa Torik schreibt das in Der Salon Sucre, der Überschrift eines Romankapitels, dem eine Aufzählung folgt, die Nähe zum Thema und darin wiederum Abstand zu einer mehr oder minder freiwilligen neueren Lebensform assoziiert: «Eheanbahnungsinstitute und Partnervermittlungen, Standesämter, Hochzeitskleider und Brautmoden, Kutschen, Babyausstatter, Eheberatung, Scheidungsanwälte, Wahrsager und Teufelsaustreiber, Inkassobüros und Gerichtsvollzieher [...]».

Irgendwann kam die Wende, womit nicht diese sogenannte gemeint ist, die die Wolke janz Balin gen Westen treiben ließ. Die hier gemeinte setzte früher ein, bereits in den frühen Siebzigern, also zu einer Zeit, als kaum jemand auch nur annähernd ahnte, daß diese Insel im Osten, auf die sich sich soviele aus dem Westen absetzen sollten, nicht zuletzt, weil man das Eiland am Leben erhalten wollte und deshalb nach der rosinenenbombastischen Vielfliegerei, der ein von Berliner Schnauze getiteltes Denkmal namens Hungerkralle gesetzt wurde, ungeheure Summen an Subventionen hineinpumpte. Das waren nicht nur vor dem Wehrdienst Flüchtende oder — ohnehin eine Gelegenheit des Reisens nutzende? — Schwaben. Von überall her kamen sie, das Angebot der Steuervergünstigung nutzend und den bezahlten Umzug aus Hessisch Sibirien oder Ostwestfalen sowie äußerst zinsgünstige Kredite mitnehmend. Zwar kamen im ersten Schub der Sechziger noch Ehepaare, aber im zweiten dann überwiegend Einzelpersonen. Zwar strebten auch die zunächst noch die Partnerschaft in gemeinsamer Wohnung an, die zu finden in Berlin trotz der noch existierenden Kuppelei- oder anderer Moralparagraphen offensichtlich leichter möglich war als in anderen Städten, in denen das Eherne Recht strikter oder auch rigider überwacht wurde. Aber die Sehnsüchte nach Erfüllung des Glücks in gesellschaftlich gesegneter, vor allem staatlich abgestempelter Zweisamkeit begannen, rückläufig zu werden.

Das Lotterleben hatte schließlich Tradition in der einstmaligen europäischen Metropole der zwanziger Jahre, als, wie heute, die Kleinen nichts zu beißen hatten und die freiheitlich Denkenden fast pariserisch die Fröhlichkeit auslebten; auch wenn man in den Sechzigern am Tropf des Bonner Chefanästhesisten mit dessen Rhöndorfer Rosengeist hing. Man ging erst um Mitternacht aus dem Haus, um im Keller des Gebäudes, in das später die Schaubühne vom Halleschen Ufer her umziehen sollte, eine Partie Bowling zu spielen, auch wenn einen das weniger interessierte, aber die US-amerikanische Kultur hatte, alleine des höheren soldatischen Soldes wegen, gewaltiger als irgendeine andere der vier mächtigen, den Stadtstaat bereits überrollt. Otto Schily war noch Rechtsanwalt mit Wilmersdorfer Kanzlei, die zu diesem Zeitpunkt wie er selbst noch nicht weiter von Bedeutung war, erwähnenswert allerdings insofern, als sich direkt nebenan ein Club befand, in dem man, allerdings erst etwa ab 1970 nach Einführung einer Sperrstunde, die angeblich benötigt wurde, um auch mal putzen zu können, gebeten wurde, früh um sechs seinen Rock'n'Roll zu unterbrechen, es gehe ja bald weiter. Überall hatte man seine Plätzchen, wo Whiskey auf Trinkvorrat angelegt wurde, die Regionalpatrioten bevorzugten Wodka Gorbatschow, auch wenn der mittlerweile ebenfalls aus Westdeutschland kam oder gerade deswegen und nicht etwa, weil der sowjetische Freiheitsgeber vorweggenommen werden wollte. Auf jeden Fall bekam jeder und jede was ab zu dieser Uhrzeit in einem der unzähligen, oftmals musikinstrumental bespielten Tanzlokale. Eine Wohnung benötigte man eigentlich nicht, hatte doch der oder die meistens eine. Es herrschte Überfluß.

Freiheit wurde seinerzeit gedanklich eher im kommunalen Sinn skizziert. Dabei spielte nicht unbedingt die Vorstellung amtierender Politiker von Gemeinschaft eine Rolle, sondern eine eher zukunftsweisende: Wer einmal mit derselben pennt, gehört zum Establisment. Die Welt war zweifelsohne patriarchalisch geprägt. Die Langhansens hatten die Theorie von der Kommune auf ihre Weise in die Praxis umgesetzt. Dabei stand allerdings weniger oder nicht einmal ansatzweise der kibbuzale Effekt im Sinn von Sammlung oder Versammlung im Vordergrund, wie er sich — auch das sind die USA! — von Berkeley aus abzuzeichnen begonnen hatte, sondern eine andere Form von Familie. — Bei rechtem Licht betrachtet scheint sich des Altkommunarden These vierzig Jahre danach durchzusetzen, zwar nicht in der, heute würde man sagen «angedachten», Stringenz des lustvollen Durcheinanders, sondern eher im Sinn der Tugend, die der Not unterworfen wurde. Aber bereits Mitte der Neunziger durfte ich am münchnerischen Nebentisch mehrfach den Klagen der Sexualrevolutionäre lauschen über deren Söhne und Töchter, die sich wieder nach Verlobung et cetera sehnten. Und heute haben die Haremsdamen längst wieder eigene Wohnungen. Während die anderen Rentner das Feld von der neubürgerlichen Seite her aufrollen, indem sie Wohngemeinschaften im Reihen- oder Stadthausstil bauen, manchmal gar subventioniert von den Kommunen, also den anderen. Als ich vor rund zwanzig Jahren, ebenfalls ohne sexuelle Hintergedanken, die Idee vom Generationenheim vorbrachte, scheiterte ich noch jämmerlich. Heute sitzen sie, sofern deren Pension oder Rente es hergibt, in der WG mit jederzeit erreichbarem Pflegedienst und surfen suchend im Netz nach dem Lebens(abschnitts)gefährten, und sei es der letzte. Sie unterscheiden sich also kaum von den Jungen, lediglich im Zeitangebot sowie in der reduzierteren Wohnform. Aber Platz für eine Single-Börse ist in der kleinsten Hütte.

Eigentlich wollte ich lediglich eine kurze Notiz zum Einzelwesen hinterlassen. Aber wie das eben so ist: Ich kann nicht kurz. Mich überkommt jedesmal so ein Assoziationsschwall, im konkreten Fall war das eben «die ständig steigende Zahl» der Singles, die einen selbst dann einsam macht, «wenn man es gar nicht ist». Hier also der Ausgangspunkt: Single, das bedeutete einmal, bevor es den Yuppie gab oder gleichzeitig, so genau weiß ich das gar nicht mehr, irgendwann in den Achtzigern, bewußt alleine leben zu wollen. Heute heißt es fast immer Einsamkeit und wird von Alleinsein nicht mehr unterschieden, vermutlich auch, weil es einen (reduktionsbedingten?) Sprachverfall gibt, von dem viele Fachleute behaupten, es gebe ihn nicht. Aber was sagt bloß heute der Mensch, der lieber für sich bleibt, nicht in einer temporären Zweierbeziehung oder Ehe oder auch nicht in dieser extrem abgeleiteten Form der Kommune 1 leben möchte, aus welchem Grund auch immer? Gibt er an, er sei Single, deutet er mittlerweile unter Umständen unwillentlich etwas an, das eine gewünschte Statusveränderung signalisiert. Ich habe hier lediglich anekdotisch plaudernd ein paar Andeutungen gesetzt. Aber seit langem beschäftigt sich beispielsweise die Single-Generation damit, hier mal angetippt mit dem Buch von Jutta Stich.

Eine Wohnung kriegt der Solipsist auch nicht (mehr), weil die alle von den Einsamen belegt sind, die er selbstverständlich nicht kennt, da es sie nicht gibt, und auf deren «Nachhaltigkeit» die Hausbesitzer in ihren Vorstellungen von Wirklichkeit gleich Wachstum dennoch setzen. Nicht nur in Berlin.
 
Mo, 17.05.2010 |  link | (4862) | 26 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ansichten


vert   (17.05.10, 18:27)   (link)  
mit "einsamkeit und freiheit" hat helmut schelsky das leitbild der nachkriegsuniversität gezeichnet. welchen niederschlag das auf die gesellschaftliche realität akademischer prägung im privaten hatte, dürfte von klügeren als mir beantwortet werden.

hauptsache, man lässt sich nicht mit klimpergeld aus der singlebörse abspeisen!


jean stubenzweig   (18.05.10, 06:46)   (link)  
Freiheit winkt aus Bielefeld?
Das Münsterland nicht zu vergessen? (Sie wissen, meine Scherzchen sind nicht immer die besten.)

Freiheit hieß in Schelskys Sinn wohl, vor der Errichtung des schiefen Turms von Bologna, die er nicht ahnen konnte: Jeder darf lehren und studieren, was er will, Hauptsache, er kann. Meinen Sie, daß daraus die heutige Einsamkeit entstanden sein könnte, die das Private an die Spielautomaten zerrt, die vor jedem Casinoeingang stehen und das suggerieren, was die Welt heute Hoffnung nennt?

Aber Sie haben ja geschrieben, es gebe Klügere, das zu beantworten. Ich gehöre nicht zu ihnen. Doch wo sind sie? Gerne wüßte ich das nämlich.


vert   (18.05.10, 12:04)   (link)  
das war nur so hinassoziiert. ich bezweifle nämlich, dass eremiten wie karl-heinz bohrer (nur als beispiel, er bezog sich zumindest öfter darauf) ansprechende propheten für schelskys konzept waren - und nur mäßig fähig, das alles zu vermittteln.
denen in die einsamkeit und freiheit entlassenen schnürte es darob höchstens die kehle zu - abgesehen von all den anderen dingen, die man nicht verstanden hatte...

aber mit berlin hat das natürlich alles nix zu tun - auch wenn es mir manchmal scheint, als gebe es enge bindungen zwischen der ostwestfälischen pampa und der großen stadt. aber das schrieben sie ja schon.


jean stubenzweig   (18.05.10, 20:00)   (link)  
Wie's in der Pampa
Ostwestfäliens zugeht, kann ich nicht wirklich beurteilen, da ich dort zu selten war, und das ist obendrein ziemlich lange her. Aber an Berlin erinnere ich mich noch einigermaßen und habe dort schließlich manchmal Besuche zu machen, die mich keineswegs nur auf den Friedhof führen.

Provinz war es als Inselstaat, und ich werde das Gefühl nicht los, daß es mittlerweile als Synonym dafür stehen könnte, nachdem alles Wasser abgepumpt wurde: Wüstenei. So fühle ich mich jedenfalls des öfteren dort, wie im Sandsturm – viel Getöse eben. Auch ließe sich sagen: Was Wunder, schließlich ist es ein ungemeiner Anziehungspunkt für die Provinz. Aber möglicherweise geziemt es sich nicht für einen mit dem Renterblick, solches zu äußern. Was will so einer, der das wirkliche Leben der Stadt nicht kennt, schon von junger urbaner Vielfalt verstehen?

Aber es gibt außer mir ja noch ein paar mehr aus jungdynamischem Wissen Ausrangierte, die auch schonmal woanders waren. Der in Berlin lebende Wolfgang Menge hat zu dieser «Provinz-Problematik» gemeint: «Wieso werde ich immer gefragt, was ich gegen Berlin habe! Versteht sich so eine Metropole? Meinen Sie, in Paris oder London würde jemand danach fragen? Die haben aber auch keine Geranienkörbe auf dem Kudamm.» (unten, der Link Rolf Eden)

Bei Geranien fällt mir ein, was Aléa Torik geschrieben hat, die noch recht lange braucht, bis sie dreißig wird; es ist einfach zu schön, weshalb ich mir erlaube, das neben dem oben bereits Zitierten (ich weiß, es gibt nicht wenige Klickverweigerer) leihweise hierher zu heben: «… das Berghain, der, wie man in Berlin sagt, beste Technoklub der Welt, der Laden über dem Berghain, die Panoramabar, und der Laden unter dem Berghain, in dem Klamotten nicht erlaubt sind, nicht einmal ein Stringtanga, nur Socken, denn die Füße will man sich gerade nicht dreckig machen, ansonsten aber alles, und je dreckiger, desto besser; der Pfefferberg, Der stille Don, Zur fetten Ecke, die Naunynritze, der Salon Sucre am Görlitzer Park [...]» Und sie geht dort so weiter, diese köstliche Schilderung von Provinz! Wie vor vierzig Jahren. Nur anders diseint, möglicherweise auch musikalisch, jedenfalls teilweise.


jean stubenzweig   (09.09.10, 19:03)   (link)  
Bei meiner Kultur-Skizze
hätte ich einen völlig vergessen, der für die Sechziger ff. von außerordentlicher Bedeutung war: Rolf Eden (hier mit Wolfgang Menge). Er fuhr regelmäßig in den Abend- und vor allem Nachtstunden seine Damen in einem Rolls Royce auf dem Idiotenrundkurs Ku'damm spazieren. Wir (na ja, fast) alle machten das, der Liter Sprit kostete damals maximal eine halbe Mark (der Hin- und Rückflug nach Hannover-Langenhagen unter fünfzig – für diejenigen, denen es am Wochenende zu sehr stank in Charlottenburg und den angrenzenden Gebieten). Wenn ich mich recht erinnere, befand sich einer seiner Gärten Eden dort, wo später Peter Stein mit der Gegenkultur Schaubühne einzog: über der Bowlingbahn.


mifasola   (18.05.10, 19:32)   (link)  
Wenn ich so den Blick über die Fensterfront gegenüber oder auch den Straßenzug runter schweifen lasse, sehe ich viele Singles. Allerdings keine aus der Werbung oder der Klischeekiste: Bei den meisten ist das (Ehe-)Gespons inzwischen tot und der Rest der Family ausgeflogen. Also mehr statistische Singles bzw. Singlehaushalte. Und ich bin steuerrechtlich Single und in realiter eher nicht. Oder so ähnlich. Sehr verwirrend das. Zumal ich den Zusammenhang zwischen Singletum und Freiheit noch nie so ganz verstanden habe...
Tante Edit ergänzt: Dieses Posting bitte nicht als Wunsch zur Statusveränderung verstehen!


jean stubenzweig   (19.05.10, 14:05)   (link)  
Ihr Fensterblick,
gibt Ihnen sicherlich recht (wobei allerdings meine ausgeliehene und für mich nach wie vor gültige Definition von Single nicht berücksichtigt sein dürfte). Zwar gehören Statistiken nicht zu meiner bevorzugten Lektüre, aber ich meine, auszugsweise Einblick bekommen zu haben in solche, die nachweisen, daß die Zahl der alleinlebenden Menschen definitiv zugenommen hat. Und das dürfte nicht alleine in der Ursache begründet liegen, daß «das (Ehe-)Gespons inzwischen tot», eher schon daran, daß der Rest der Familie ausgeflogen und auf der mehr oder minder verzweifelten, aber erfolglosen Suche ist nach familiarer Neugründung; die inzwischen gebrochenen Schwüre «bis daß der Tod» und so weiter dürften ebenfalls zur höheren Nachfrage am Markt für Kleinraumwohnungen beigetragen haben. Das sagt nicht nur mein Berlin-Blick, sondern auch der in andere (nicht ganz so mittlere) Punkte Europas; ich denke da beispielsweise an Bielefeld (das hier schließlich auch ins Gespräch kam). Sogar an anderen, eher noch von fremderem Zusammenhalt geprägte «Städte» dürfte dürfte dieser Zeitgeistzahn mittlerweile genagt haben (ohne statistischen Beleg, reine Vermutung).

Aber mir legt das die Stirn ohnehin nicht unbedingt in Sorgenfalten. Es gibt schließlich, das habe ich angerissen, auch andere Lebensformen. Auf das Durchstrichene darf ich ja offensichtlich nicht eingehen, sonst wäre es nicht getilgt; zumal die Definitionsfrage nicht geklärt ist.


prieditis   (19.05.10, 15:26)   (link)  
ich nehme mir mal die Freiheit und mutmaße, daß es einen Zusammenhang zwischen "Single" und "unverbindlich" gibt. Das merkt man auch am Mitgliederschwund in anderen sozialen Netzwerken (früher schlicht "Verein" genannt).


jean stubenzweig   (19.05.10, 19:16)   (link)  
Freiheit gleich unverbindlich?
Und diese Vereine verzeichnen Mitgliederschwund, während die Single-Börsen von einer Hausse in die nächste fiebern? Dagegen muß sofort ein Solipsisten-Verein gegründet werden!


prieditis   (19.05.10, 20:34)   (link)  
Nee, unverbindlich statt Freiheit...
zu: Solipsisten-Verein
hm, dann wäre das Leben ein immer währender "Flashmob"...


jean stubenzweig   (20.05.10, 11:56)   (link)  
Die Freiheit geht
also dahin, geht auf in einer zwar verständlichen, aber dann doch nicht zu bildungsfernen «Philosophie» der Unverbindlichkeit?

Ich stelle mir das mit der Freiheit so vor: Man liest sich reclamartig frei mit «Ich bin einzig» in Max Stirners Der Einzige und sein Eigentum, übergeht dabei verständlicherweise dessen ziemlich lange Rede von der Freiheit und meint, Marx, die Aufklärung und diesen ganzen lästigen Sozialkram eigentümlich frei gleich mit überwunden zu haben. Und entscheidet sich dann aber doch der Einfachheit halber lieber für einen ein bißchen friedlicheren und damit allgemein verständlicheren, aber unterm Strich doch radikalen Hedonismus zwischen Einzimmerwohnung und Berghain. Um danach ein Kind zu zeigen, anschließend einen Baum zu pflanzen und ein Haus zu bauen oder zumindest eine größere Wohnung zu kaufen – bis der Gerichtsvollzieher kommt.


prieditis   (20.05.10, 12:10)   (link)  
so ähnlich
Nur keine Kinder zeugen. Das bringt zuviel Bindung und Verantwortung. Und in der "mobilen Gesellschaft", da passt das auch gar nicht in den Kram die Zeit. Togetherness, die findet man auch im Swinger-Club.


jean stubenzweig   (20.05.10, 14:18)   (link)  
Den Freischwingerclub,
den habe ich nicht vergessen, ist er doch bei Aléa Torik nachzulesen: die Nackten auf Socken. Aber wichtig ist der durchaus. Andererseits – sind da nicht ausschließlich Paare zugelassen? (Mir fehlt es einfach an Bildung.)

Das mit den Kindern, das ist so eine Sache. Viele zeugen dann doch welche, in der Ruhephase nach dem Austoben. Bis ihnen die Ruhe zu langweilig wird. Dann ziehen sie wieder los. Am liebsten in eine andere Stadt oder gar ein anderes Land. Und dann geht die Zerrerei los. An den Kindern. Schließlich hat man Besitz gezeugt.

Na gut, es gibt auch Fälle, in denen man sich einigt. Über die Kinderköpfe hinweg. Und oft genug kommt es dabei zu dramatischen Kämpfen. Da bin ich dann doch eher für die Lebensform des Flickenteppichs, unter Ausschaltung eines Teils ehemaliger Zeugungskraft.


prieditis   (20.05.10, 14:21)   (link)  
Tränen gelacht! Freischwinger... ich werde ein Abzeichen kreieren, zum Aufnähen (auf die Socken)...


jean stubenzweig   (20.05.10, 14:23)   (link)  
Aber wirklich!
Solche Socken möchte ich sehen.


prieditis   (20.05.10, 17:57)   (link)  
die Socken in "altweiß"?


jean stubenzweig   (20.05.10, 20:53)   (link)  
Altweiß wäre wohl günstig.
Weil man dann den Dreck nicht so sieht (siehe Der Salon Sucre), aber oben herum immer noch Ihr Emblème de cercle d'amis échangiste.

Vergessen Sie's ©-Zeichen nicht! Das wird bestimmt ein Renner. Der Freundeskreis des Schwingens hat sicherlich beachtliche Ausmaße.


prieditis   (20.05.10, 22:53)   (link)  
ein Renner?
Ich bin mir nicht sicher. Die meinen dann sicherlich, ich nähme sie auf die Schippe...


alea torik   (21.05.10, 01:09)   (link)  
Die Farbe der Socken,
ich kann, was die Farbe der Socken angeht, leider auch nicht weiterhelfen. Ich kenne den Laden nur aus den Erzählungen und habe die Angelegenheit, um sie poetisch zu erhöhen vielleicht ein bisschen erniedrigt: ich weiß (weis?) nur, dass man nichts anhaben soll. Ob die Leute da wirklich nur Socken anhaben ... ich werds nicht ausprobieren.
Aléa


jean stubenzweig   (21.05.10, 08:27)   (link)  
Solche poetischen Erhöhungen
gefallen mir ausgesprochen gut – verwischen Sie, liebe Aléa Torik, bloß nicht die farbliche Vertiefung der Thematik. Es würde diese weltweit hochgepriesene Kulturation von menschlicher Freiheit verflachen. Auch ich werde es nicht ausprobieren, alleine deshalb, um die aufgebaute und wunderschöne Illusion von den Socken nicht zu zerstören.

Wie können Sie, lieber Prieditis, so etwas nur annehmen? Die Besucher dieser Clubs der Freischwingerei, so wird doch ständig vermittelt, sollen doch von Toleranz nur so strotzen

Nachtrag: Und schon trudeln der ersten Suchanfragen ein bei mir, die in etwa so lauten: «Wie mache ich einen Gast [eine Frau] glücklich.» Es funktioniert also.


vert   (21.05.10, 16:25)   (link)  
die frage ist: wurde auch der wissensdrang befriedigt?

ich finde das clubmodell ganz amüsant - gerade vollständig nackte menschen in socken erheitern mich meistens sehr.
was mich jetzt in diesem zusammenhang noch interessiert: ist man dort sicher vor fußfetischisten?

(spätestens ab jetzt gehn die suchanfragen durch die decke.)


alea torik   (21.05.10, 21:08)   (link)  
Die Hoffnung
all jener, die diesen Laden frequentieren, ist ja möglicherweise, dass, wenn man nichts anhat, einem auch niemand was anhaben kann. Und diese Hoffnung empfinde ich als nicht unberechtigt.
Aléa Torik


prieditis   (22.05.10, 17:10)   (link)  
Wie können Sie so etwas nur annehmen?
Na, ich hab doch auch ein Recht auf Phantasie!?! Da ist vieles möglich. Und was Toleranz betrifft, so endet diese doch nur all zu häufig am eigenen Horizont.


prieditis   (24.05.10, 19:06)   (link)  
Freischwinger Abzeichen
(c) eric prieditis
"Freischwinger - Verein für Fission und Fusion"

Für auf die Unterbuxe. Auf die Socken habe ich verzichtet, ich hatte keine altweißen zur Verfügung.

Der Bonobo schien mir als obligatorische Tierdarstellung adäquat.


jean stubenzweig   (19.05.10, 19:39)   (link)  
Ich bin eine Erklärung
für meinen wiederholten Exkurs ins Einzelwesenhafte schuldig. Es gab verwirrte und verwirrende Anfragen per Elektropost. Ich erleichtere mich in die Öffentlichkeit.

Im letzten Absatz oben heißt es: «Eine Wohnung kriegt der Solipsist auch nicht (mehr), weil die alle von den Einsamen belegt sind ...» Ausgelöst hatte das die Erinnerung an einen guten Bekannten, dem ich freundschaftlich verbunden war, ihn aber in den späten Neunzigern aus den Augen verlor, da es mich vom bayerischen Süden weg in den feindlichen Südwesten der Froschfresser zog. Er betrieb in den Achtzigern zusammen mit seiner Frau ein für das sündhaft teure München einmaliges Wirtshaus. Auf französischem Niveau nachrevolutionärer Zeiten, auch annähernd bei diesen Preisen, gab es täglich ein Menu samt Wein, eine Restauration wie in der Ärmerenspeisung. Nun ja, die Armen machen nicht reich. So besann er sich anderer Kreativ-Qualitäten und wurde Autor und Übersetzer (nein, der verschmitzt lachende Herr auf der Hauptseite rechts von «Donnerstag, 29. Januar» und unterhalb von Olivier Guez, dem Autor von La Chute du Mur/Mauerfall, ist nicht Oskar Lafontaine, sondern der Übersetzer). Einen pfiffigen Krimi schrieb Helmut Reuter damals, ganz im Sinn seiner früheren Tätigkeit: Crème Bavaroise. Aber da ist vor allem diese Erzählung, die meines Wissens leider nie veröffentlicht wurde und in der es heißt:

«Die Erleuchteten der Kulturtempel schienen das Ereignis mit einiger Energie, ja geradezu aktiv zu ignorieren; Bauers telephonische Nachfrage bei all den Redaktionen, wo man Solipsismus nicht zuerst einmal für ein exotisches Fruchtmark halten würde, erntete durchweg schnippische Antworten. Man beschimpfte ihn: ‹Witzbold› war noch das wohlwollendste, dessen er sich erinnerte, und ‹Arschloch› hätte er dem Kritikerpapst, dessen Elaborate oft noch kunstvoller ziseliert waren als die von ihm besprochenen Musikdarbietungen, wirklich nicht zugetraut; nicht einmal auf Lateinisch oder Griechisch.»

Der Titel dieser Geschichte, die ich nach rund fünfzehn Jahren mit quasi nachhaltigem Vergnügen wiedergelesen habe, lautet: Der Solipsistenkongreß.

«[...] ‹Solipsist› war entstanden im Vernakular der Mönche und Scholaren, als Spottname für die neumodischen Jesuiten, die kaum im Konvent wirken, sondern allein, ‹solus›; ‹ipse› bedeutet im Spätlateinischen ‹er›, nicht ‹selbst›. ‹Solipsist› bezeichnete dann einen Einzelgänger überhaupt [...]» (Oswald Riedel, Wittgensteins «streng durchgeführter» Solipsismus; pdf)

Daraus entstand in den Folgejahren in sehr freier Interpretation auch schon mal einer, der nur sich selbst und sonst nichts wahrnahm, sich nicht gespiegelt sah, «nicht, weil er keine Augen hätte, sondern weil es keinen Spiegel gibt». (Karl-Josef Durwen)

«Was es gewesen war, erfuhr er nicht. Irgendwann wurde ihm bewußt, daß er allein vor einem schalen Bier saß, und als die Bedienung abkassiert hatte – ‹Polizeistunde!›, sagte sie harsch –, gab er sich einen Ruck und ging. Der Ordnung halber. Denn auch in einem selbstausgedachten Universum sollte doch alles seine Ordnung haben. Wo käme er denn sonst hin ...»

In der sich zeitlich in Richtung Berghain bewegenden Philosophie, also noch um einiges vor dem Feuilleton-Fräulein bzw. dessen unfreiwilligem Originalton-Lieferanten, las sich das dann so: «Solipsistisch zu sein bedeutet, das Ego und den Alptraum absoluter Selbstbezogenheit vollständig zu akzeptieren.» (Henry Rollins, 1998)


aubertin   (20.05.10, 17:19)   (link)  
Die Dimension
von einem Garten voller wild wuchendem Gemüse aus Philosophie und Gesellschaft nimmt das an hier. Sehr komisch bunt ist das.

Bises

Anne (et Yves)















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