Ballett in freiem Stil

Photographie: Stefan Oost (CC)


Auf einem Felsen in mehr als dreitausend Metern Höhe auf dem Dach Europas ruhen drei natürlich gebräunte Skifahrer und deren Schwester. Da taucht auf einem anderen Felsen eine Art Stewardess auf, um ihren von den vielen Höhenflügen der nebenberuflichen Tätigkeiten an der Universität leicht ermattet wirkenden Teint etwas aufzufrischen. Doch bevor die Drei in die Skibindungen springen können, um die noch Unbekannte in den weichen Schnee tief zu betten, hat die Schwester die Bretter zusammengerafft und rauscht damit ab ins Tal. Nur ein paar Ski hat sie zurückgelassen, und auf diesen fahren die drei Brüder. Richtig: zu dritt.

Die geschilderte Szene stellt einen Ausschnitt aus dem Film Familientrophäe annähernd dar. Die Akrobaten des Films: Der eine war schon einmal Weltmeister, der andere ist Europameister, und auch der dritte wird bald einen größeren Pokal ins heimelige Regal aus Zirbelholz stellen. Es sind die Gebrüder Ernst, Franz und, allen voran, Fuzzy Garhammer, und der Backfisch, hinter dem sie den Tiefschnee herfegen, ist deren Schwester Hedy. Sie sind allesamt Weltklasse im Freestyle, dem Skifahren unter erschwerten Bedingungen.

Was die Geschwister Garhammer im Film aufführen, läß dem Sonntagsfahrer das Blut auf Gletschertemperatur sinken. Geschwindigkeiten bis zu sechzig Stundenkilometer auf der Buckelpiste, der Lufttanz auf den Brettern mit Vorwärts- und Rückwärtsüberkreuzungen in Fahrtrichtung (Outrigger) oder das Drehen der Fußdauben um hundertachtzig oder gar dreihundertsechzig Grad (Twisting Manœvres) beim Ballett. Flattert dem wochenendlich den Idiotenhügel bewältigenden Freizeitpiloten schon bei einem Hüpfer über eine Weite von einem Meter das kleine Angstherz, müssen es bei den Freestylern schon Vorwärts-, Rückwärts- und Zweifachsalti sein. Für diese Hochleistungen üben die Skiartisten aus Europa und den USA bereits im Sommer auf dem Trampolin oder springen in voller Montur von der Mattenschanze ins Wasser, das bekanntlich ebenfalls keine Balken hat. Wer als quasi fortgeschrittener Schneetänzer den Umsteigeschwung schon beherrscht, der kann Skiballett und Buckelpistenjagd leicht erlernen, zum Beispiel für vierhundert Mark pro Woche bei den Garhammers, die sommers ihr Lager auf dem Kitzsteinhorn aufschlagen.


Flohmarkt: Savoir-vivre, 1978
 
Di, 28.12.2010 |  link | (2415) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ertuechtigungen


nnier   (28.12.10, 17:55)   (link)  
Gruselgrausen.
Als jemand, der gerne mit dem Schlitten irgendwo hinuntersaust und mit Müh und Not auch ein paar Runden Langlauf schafft, sind mir jedwede Abfahrten auf zwei Brettern schon in der Vorstellung ein Graus. Die Winkel, die Kräfte, die Hebel - nein, da sollen sich andere austoben.


jean stubenzweig   (28.12.10, 20:58)   (link)  
Vor gut dreißig Jahren
war das oben angedeutete ja tatsächlich noch sozusagen innovativ, heute hieße das wohl kreativrevolutionär. Einer wie ich hatte seinerzeit bereits Todesmut unter Beweis zu stellen, dort runterzurutschen, wo andere im Handstand fröhlich talwärts wedelten. Aber heutzutage? Da springen sie längst mit Ski an den Füßen und das Schneebrett zwischen den Zähnen, vermutlich um kurz danach ihren Bioschinken darauf zu schnitzen, vom Hubschrauber auf irgendwelche höheren Kitzsteinhörner und begeben sich anschließend im freien Fall zu Tal in den Après-Ski-Club.

Aber tun Sie doch nicht so ängstlich – ohne Einlaßkarte nach London zu einem Besuch des Heiligen Paul zu fliegen, das belegt doch an sich bereits einen Hang zum extremen Abenteuer.


g.   (29.12.10, 08:35)   (link)  
Skifahren ist gefährlich,
Glühwein auf Weihnachtsmärkten natürlich auch, der sollte unter die Kampfmittelverordnung fallen und Bären sind auch gefährlich. Ich weiß das.
Man sollte im Winter in Cafés sitzen, Sahnetorte essen und dem Treiben aus der Entfernung und im Warmen verwundert zusehen.


jean stubenzweig   (29.12.10, 10:40)   (link)  
Selbst die Skihütten
auf den Almen sollen ja mittlerweile zentralbeheizt sein, und wohlschmeckender Bärentatzenschinken aus polaren Zuchtprogrammen (Erhalt der Arten) soll sich mittlerweile dort im Angebot befinden. Und Glühwein, hochgebirgig auch Jagertee genannt, ja, Kampfmittelverordnung, vor allem, wenn man ihn als (An-)Triebmittel für die Schußfahrt in den hotelischen Abgrund nutzt. Richtig, das alles hatte ich bereits vor gut zwanzig Jahren aufgegeben, als alle Welt meinte, sich genetisch den Garhammers verbunden zu fühlen, worauf europaweit Skiferien eingeführt und somit die Anfahrtswege zwischen Amsterdam und Lübeck, von Kopenhagen bis nach Catanzaro schwergängig wurden wie ab freitags fünfzehn Uhr die Autobahn zwischen München und Salzburg. Die Sahnetorte kam später auch hinzu, etwa zeitgleich mit dem dann verwunderten Zuschauen.

Ich dachte, Sie hätten bis 3. Januar Winterurlaub und lägen bis dahin mit Bärchen oder so auf einem südlichen Hotel-Canapé.















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 5807 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 22.04.2022, 10:42



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