In die Burlesque gefallene Sünde Ein mich burlesque oder auch schlicht possenhaft anmutendes altes Spielchen versuchte man mir vor ein paar Wochen als neu zu verkaufen. Nun gut, von Spielereien verstehe ich eigentlich nichts, schon gar nichts von dem, unter dem sie firmieren, weshalb ich vielleicht besser einfach den finnischen Interpretator der höheren Philosophie singen lassen sollte, der mir das Schweigen anempfiehlt. Doch da ich mir mittlerweile vorkomme wie ein Lachs auf seine alten Tage, der nur noch ejakulieren will und dann sterben, sich aber in einem zusehends enger werdenden und ansteigenden Bachlauf befindet und nicht mehr weiterkommt, schreie ich in meiner solipsistischen Hilflosigkeit die Welt an: Ist das (die) Liebe? In meiner dualistisch schlichten, aber deshalb wohl auch immer ein wenig verruchten kleinen Welt war es bereits verkündet worden. Den faltenberockten Töchtern scheint das Musical auf der anderen Seite der Elbe kein ausreichendes Plaisir mehr zu sein. Unweit der Davidswache und dennoch gänzlich ohne Verhüter ist die Lust nämlich jetzt geschützt. Diese überraschende Erkenntnis brühte mir nun auch noch mein deutsch-französisch rabattiertes Blütensternengärtchen neu auf. Die «neue» Mode des Rüschenstriptease im Touristentrakt von Sankt Pauli habe indirekt etwas mit Frühaufklärung zu tun: Das Pin-up als solches sei ein Symbol für aufkommende sexuelle Freiheit. Man hat dabei wohl ein wenig auch an höfische Bekleidungsrituale des Kinos gedacht, die im Ansatz Befreiung zeigten. Überhaupt muß das Thema in seiner sittlichen Aufbereitung in strasbourgischen Hirnwindungen entstanden sein. Denn im Elsaß und auch noch in Lothringen wird, im Gegensatz zum zwar katholischen, aber laizistischen Restfrankreich, der Pfarrer immer noch vom Staat bezuschußt. Das haben wir dem korsischen klammheimlichen Vorbild des nachkommenden Europaverwüsters aus dem grenzenlosen Braunau zu verdanken, diesem anderen kleinen Gernegroß, der das höfische Leben rasch wiederbelebte, nachdem er sich zum Kaiser gekrönt hat. Und im Land der Rüschen, der Spitzen und Spalten und Fischgratkostümierungen als Folge der Aufklärung kenne ich mich schließlich ein wenig aus, lernte ich doch bereits in früher Kindheit durch mütterliche Präsentation die Attraktivität einschnürender Maßnahmen als Bestandteil dessen kennen, das heutzutage anderswo als typisch französische Romantik verkauft wird. Das fantasiaische Vor-Bild US-amerikanisch-französischer Freundschaft namens Josephine Baker gehörte zu den Ikonen meiner Frau Maman, und auch Maria Callas meine ich seinerzeit in einem recht luftigen Corsage abgelichtet in einem schmucken Bilderrahmen gesehen zu haben. Und möglicherweise hat die einheimische Industrie Lingerie einen aktiven Beitrag unterhalb der Gürtellinie zu dieser Produktion geleistet, nicht zuletzt, nachdem Monsieur Gaultier feststellte, daß sich das Korsett auch ganz gut auch als Oberbekleidung verkaufen läßt. Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die neue Mode geradewegs aus Alben kolonialistischer Altherrenphantasien heraus raubkopiert wird. Nun ja, Mode eben. Aber die als Insignie neuer sexueller Freiheit? Das Verhüllen von Brustwarzen mittels besagter Pasties, die besser vielleicht Selbstklebefolie (feuille autocollante) genannt werden sollten? Soweit ich mich erinnere, war genau das ein Zeichen jener US-amerikanischen Prüderie, die das allzu offenherzige Vorführen höchstens angesiedelter sekundärer Geschlechtsmerkmale vermieden haben wollte. Aber nach der weltlich sowie im «Fernsehanstalt gewordenen» Zen-Buddhismus angezeigten medialen Proklamation ist diese Art von Befreiung von störender Oberbekleidung ein Akt neuzeitlicher Emanzipation. Man läßt den Sündenfall Sexualität einfach zur Erotik konvertieren. Bei diesen reinen Herzen spielt dann nicht einmal mehr das sogenannte Idealgewicht eine Rolle. Irgendwie scheine ich in einer Revue der zwanziger Jahre gelandet zu sein. Eigentlich müßte dabei nicht einmal mehr etwas politisch korrigiert werden. Denn nicht nur die Modemacher, auch die Interpretatoren gesellschaftlicher Phänomene scheinen keine Argumente mehr zu benötigen. Und abseits des Luxus und der Moden ist ohnehin eine weitere Vermutung zulässig. Im Zusammenhang mit anderen Medienereignissen zog vor ein paar Tagen kurzzeitig der alte Calvin als Untermieter in mein Hirnstübchen ein und zeigte Bilder von den vorhanglosen Fenstern der Häuser protestierender Niederländer: Bei der zeitgenössisch-fortschrittlichen Nacktheit, ob in New Jersey oder im züchtig und vielleicht deshalb rot gewordenen Hamburg, da gibt's keine Sünde nicht. Die Dame als solche verbirgt nur ein klein wenig, also ist sie (erotisch) im Sinn von Sein. «Genf», schrieb der olle Most (danke Einemaria), «hatte [...] kaum das savoyische Joch abgeschüttelt und stand eben im Begriffe, sich recht demokratisch zu entwickeln, als jener finstere Pfaff erschien und nicht eher rastete, als bis eine Muckergesellschaft installiert war.»
Zimmlich verfickte Geschichte
das hier. Nein, das hat mit Liebe nichts zu tun! Holographie ist das vielleicht. Suchbild hast Du's mal genannt. Nichts Wirkliches. Auf jeden Fall anders.Der Holographie-Vergleich
hat was, der geht fast ins Metaphorische. Immer wieder ist man versucht, zu ergreifen, was sich wie im richtigen Leben dreidimensional vor einem auftut. Doch man ist gezwungen, still auf seinem Standpunkt zu verharren, darf sich nicht auf das Objekt zubewegen, da eine Veränderung der Perspektive es verschwinden läßt. Genau: Suchbild. Aber das ist der Stand der achtziger Jahre.Ich bin nicht auf dem aktuellen Stand der Holographie-Forschung. Als ich mich mit dessen künstlerischer Abteilung beschäftigte, konnte man dem Eindruck erliegen, es würde nicht mehr lange dauern, bis man sich dem Objekt seiner Begierde zumindest scheinbar auf den Schoß setzen könnte. Ich denke dabei beispielsweise an faszinierende Hologramme wie ei.n von Harald Mike Mielke, das die Unendlichkeit greifbar zu machen schien (und das nun unbeachtet irgendwo bei mir herumliegt). Zu einer Weiterentwicklung scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Ich lese immer nur von deren technischen Nutzung im Bereich der Gewinnmaximierung. Andererseits hat das auch wieder mit Illusion zu tun. – Ich gehe bei Gelegenheit mal auf die Suche und schaue, ob ich was aus dem Internetz gefischt kriege, ob an der Artistik des Scheinbaren seither überhaupt weitergeforscht wurde. Das habe ich nun getan.
Sonderlich ergiebig ist das nicht. Die regenwaldschützerische Suchmaschine ist (wie bei anderen Themen auch) ganz dünn bewaldet, das von mir nur in Notfällen benutzte Datenkrakenmonster gibt etwas mehr her, und am meisten findet sich noch bei exalead, die ich mittlerweile ohnehin bevorzuge, nicht nur als alter Europäer wider die Burgerkultur. Aber auch dort ist eine überwiegend technische und gleichermaßen wissenschaftlichezu Nutzung oder in solchen Technopipifaxereien zu erkennen, deren Faszination wohl die meisten unterliegen. Die bildende Kunst als Hologramm scheint steckengeblieben zu sein. Was da vorgeführt wird, gehört wohl nicht unbedingt zu den erkentnisbahnbrechenden Neuerungen. Das ist fast schon wieder beruhigend, denn ich war von diesen künstlerischen Technospielereien tatsächlich nur in ihren Anfängen gebannt. Teilweise schlägt sogar Verächtliches zu Buche, wenn auch aus vermutlich nicht eben künstlerisch beseeltem, sondern eher rein naturwissenschaftlichem Geist: Müder Abklatsch des Auges.Aber ein zum Thema passendes objet trouvé soll nicht unterschlagen werden: Die Dinge verändern sich, je nachdem aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet.» >> kommentieren Zur Vorgeschichte
von Exalead.Ja, Front gegen Guckle. –cabü >> kommentieren Nur das Verborgene ist erotisch, heißt es. Von daher haben die "Tassels" die bei der Burlesque-Show getragen werden, einen reizvollen Sinn. Es geht ja mehr um die Ironie und die nostalgische Anspielung - vor allem im Gegensatz zum Aerobic-Turnen an der Stange in den bekannteren Läden der Reeperbahn. Ich war damals bei der Eröffnung da und seither immer mal wieder. Ein fast touristenfreier, großer Spaß mit fast ganz normalen Leuten vom Kiez, die heute hinterm Tresen und morgen auf der kleinen Bühne stehen. Ein Sesam öffnet sich
mir dennoch nicht. Aber ich fühle mich im okzidental kulturverwesten, hier als Romantik angenommenen Orient auch nicht unbedingt geborgen, schon gar nicht verstehe ich sinnentleerte und damit falsch angewandte gunstgewerbliche Ornamente. Da wird's mir zu schwül. Vermutlich bin aus der puristischen Moderne nicht herausgekommen. Und zu sehr hallt mir die Aussage der Filmautorin im Ohr, das Verborgene durch die selbstklebenden «Pasties» oder schwersamtenen Troddeln weise auf sexuelle Freizügigkeit hin. Als aufrechter Befürworter des Reinen und Echten nenne ich das Geschichtsklitterung. Vielleicht liegt's daran, daß mir Striptease, ob am Reck, auf dem Schwebebalken oder in Strapsen, in welcher Form auch immer, immer fremd waren und es auch geblieben sind. Ich gerate dabei einfach nicht in Wallung. Aber ich bin schließlich kein Wegweiser. Möge ein jeder sein Glück irgendwo in der Geographie finden. >> kommentieren Kalt...
oder erregt? Ich bin keine Frau (leider? Zum Glück?) Die Prüderie besagter US- Kulturimperialisten mag aber vielen von IHNEN sympathischer sein als solche Fragen. Wir Männer haben da leicht reden...Moral und Toleranz
werden häufig in Einklang gebracht und gerne verbunden mit von Kerzenlicht erhellten Vorstellungen, wie sie gerne auch über Seifenoper und Werbung transportiert werden. Das ist sicherlich teilweise durch Männer erdacht, die ernsthaft der Meinung sind, alle Frauen wären nunmal so. Aber es ändert nichts an der Tatsache, daß es (Irr-)Glauben und verlogen ist. Eine sich nicht an schlichten, religiös umwatteten dualistischen Stickereien beteiligende Frau sieht das ebenfalls so. Es gibt sie glücklicherweise auch, diese Frauen, die sich nicht an diesem Mißverständnis beteiligen. Denn, um es mal wieder den wahrlich klugen Jochen Gerz sagen zu lassen, die Romantik ist eher ein politisches Phänomen und keine Candlelight-Party in moralisch einwandfreiem rosa Plüsch.Mir fällt dabei noch die junge Frau ein, die alleine deshalb heiraten will, um ein weißes Kleid mit Schleier tragen zu können. Ach nee. Da fehlt mir nur noch die internettige Hieroglyphe fürs Lächeln, diese dürftige, «eindimensional» grinsige Darstellung eines Mondgesichts. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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