Unpassende Rahmenhandlung Den mich hier und nicht im Logbuch der Tagebücher der Kurz- und Knappwissenden Verfolgenden dürfte bekannt sein, daß die Kunst(mund)räuberin hin und wieder in meinem in der Revolutionskate gelagerten Nordbüro auftaucht, um mich von den Sorgen zu befreien, die sich im Lauf der Jahre angesammelt und einen stillen Ort dort gefunden haben, in dem normalerweise Damen vor einer Fülle stehen, die sie verzweifelt ausrufen lassen: Ich habe nichts anzuziehen. In Hotels der gehobeneren (Preis-)Klasse zahlt man in der Regel für eine solche räumliche Opulenz das Doppelte der Tagesmiete von etwa zweihundert Euro aufwärts, in meiner Miete ist das enthalten, da mein Büro ursprünglich für eine Tochter entworfen und auch gebaut wurde, die mal für einen richtigen Beruf vorgesehen war und diesen in Hamburg auch drei Monate ausübte, bevor sie sich für eine weniger anstrengende, zudem reinere Karriere als Mutter entschied und in einen Flachdachbungalow am Rand des Familiengrundstücks zog, das damit die Latifundie ex francia erweiterte. Auch der zehn Quadratmeter große, ursprünglich als Vorratskammer vorgesehene Raum neben der zweckentfremdendeten Jungfrauenwohnung wurde von der damals selbigen nicht genutzt, da Frau Maman kocht wie die ardennische Großmutter, mit der ich, so wir uns in Klein-Versaille begegnen, immer nur über eins rede, weil es unter Landsleuten eben nur eines gibt, über das man stundenlang und nicht nur während eines vielgängigen Mahls reden kann: Essen und Trinken. Kunst kommt dabei nie zur Sprache, auch über die sogenannte des Kochens wird nicht gesprochen. Denn das ist keine, wie mir Madame Lucette bestätigt, das sei Handwerk, so wie das, mit dem sie einige regionale Maurer versucht hat zu beschäftigen, die in die Fassade eines holsteinischen Schweinestalls filigrane, maurisch anmutende Intarsien aus gebranntem Ton integrieren sollten. Auch die Tatsache, daß zur letzten Documenta ein <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Ferran_Adri%C3%A0">nordspanischer Koch eingeladen worden war, der sich immerzu in der Alchimie versucht, aus Luft künstlerischen Marktwert zu molekularisieren, ändert daran nichts. Aber es mag am Niedergang handarbeitlicher Fähigkeiten liegen, durch den sie zusehends in die Nähe einst hehrer Tätigkeiten zurückgerückt wird, die sie mal waren, als ein Maecenas nicht nur namens König Kirche noch sein Portefeuille offenhielt für die kunsthandwerkliche Verherrlichung und dabei viele Arbeitsplätze schuf, zum Beispiel für Köche, die mitrühren durften; was auch die gegenwärtige Nähe von Kunst und Küche erklären könnte. Frau Braggelmann war also mal wieder eingebrochen in mein zur Rumpelkammer zweckentfremdetes Ankleidezimmer; Beutekunstzüge nennt sie das. Es ist mir ein Rätsel, wie sie das schafft, jedes Mal aufs neue mir von der Herkunft zunächst völlig unbekannte Werke hervorzukramen. Aber immerhin füllt sie, auf diese fine Art sozusagen, auch meine mittelfristige Langzeiterinnerung ein wenig auf. So köchelte aus dem spätsommerlich-frühherbstlich aufsteigenden Nebel meiner früheren konsumistischen Aktivitäten und beruflichen Tätigkeiten die Ursuppe ein wenig auf, weshalb dieses gerahmte Rechteck dazu beigetragen haben könnte, den Zugang zu überlebensnotwendigen Utensilien zu verdunkeln wie den völlig in Vergessenheit geratenen Geist in der Flasche aus dem Bordelais, den ich 1990 als Neunjährigen zur Einlagerung für meinen neunundneunzigen Geburtstag ausgerechnet dort erstanden hatte, wo etwas weiter südlich ansonsten ausnahmslos dieses quasi von Urgroßvater Cognac gezeugte, im fortgeschrittenen Stadium Pineau des Charantes genannte Manna entsteht. Aber von einem Dänen stammte das kleine Aquarell, Aquavit wäre in der Assoziation also näher drangewesen, aber dann fiel mir ein, wie französisch dieser Bildschöpfer geworden war in seinen Pariser Jahren als Akademielehrer und daß er zu Lebzeiten einer der besten Kreateure von Fischsuppe war, die einer wie ich sich vorstellen kann. Ich ginge schon arg nachlässig und ungebührlich mit meinem früheren Leben um, meinte die Kunstarchäologin, die ihre Ausgrabungen durchweg vor mir ins eigene Depot rettet und deshalb wohl in Bälde bei der Gemeinde Büddenwarder eine (An-)Baugenehmigung für ihr Dorfmuseum beantragen wird (das ist gewissermaßen verständlich, hat heutzutage doch jedes vom Fremdenverkehr berührte Kaff eine volksbildende (Konfweekend) Institution dieser Art, vor allem dann, wenn der langjährige Dorfpfarrer einen Künstler kannte und nach seinem Tod seine Sammlung biblischer Bilder in eine Stiftung hineintestamentierte). Allerdings meinte die Ausgräberin in diesem Fall den unpassenden Rahmen für das Kunstwerk, also nicht nur das Lager als solches, sondern die spezielle, allzu popelige Einfassung. Die habe professioneller ausgeführt zu werden, sprach die Kunstfachfrau, außerdem sei die Gefahr außerordentlich, daß das derart gerahmte Gemälde zu rasch altere und damit verblasse, weshalb es neu, also licht- und staubsicher, vor allem aber würdiger eingefaßt werden müsse, am besten von einer ihr bekannten Handwerkerin des Rahmens, die ohnehin alle meine Desinteressen an meiner Vergangenheit bereits gesichert habe. Zwei Tage später schreckte mich gegen elf Uhr das Telephon aus meiner nachhaltigen, höchst ungern gestörten Altersruhe. Die Rahmenwerkerin weise alle Schuld von sich, erklärte aufgeregt die völlig aufgelöste Auftraggeberin auch der Formalästhetisierung von Kunst. Auf der Vorderseite des Originals befinde sich eine quasi zusätzliche Rahmung in Form eines Rechtecks, zustandegekommen durch einen nicht einmal weichen Bleistift. Das müsse schon ein übler Stümper gewesen sein, der das zuwege gebracht habe, als er die ohnehin bereits minderwertige Umgebung installierte. Mit Mühe erinnerte ich mich des damaligen Rahmenkunsthandwerkers. Doch auch der wies ebenfalls und sehr entrüstet alle Schuld von sich und schalt mich einen Ignoranten seines Verständnisses der Konservativisierung von Werten. Ich warf meine Erinnerungsmaschinerie an, und so langsam, etwa zwei weitere schläfrige Tage dauerte es, da riß der Nebel endlich auf. Der Künstler selbst hatte seinerzeit ein Passepartou vorgeschlagen, das meinen Formatwunsch berücksichtigen sollte. Er würde das in Auftrag geben. Nachdem ich die Arbeit in meinen Händen hielt, hatte ich als sogenannter Erwachsener vertrauensselig auf die kindliche Praxis verzichtet, auch die Rückseite eines Bildes zu ergründen; auf diese verschüttgegangene Möglichkeit der Wahrnehmungserweiterung (Picasso vor Kinderzeichnungen: Dazu habe ich dreißig Jahre gebraucht!) hatte mich mal ei.n auch künstlerisch tätiger Holograph hingewiesen. (Die sich daraus wiederum ergebende Nähe zur heisenbergschen Unschärferelation vermittelte mir der wegen seiner bisweilen kirchenselbstironischen Dialoge (ob der Hauptdarsteller als niederbayrisch-katholische Eiche da mitschreibt?) durchaus geschätzte Pfarrer Braun, der als didaktischer Schildchenmaler seiner haushaltsführenden und rasend einen zum Erbe gehörenden SUVlenkenden Roßhaupterin eingehend erläuterte, wie unterschiedlich ein- und dasselbe Bild wahrgenommen werden könne, und als sie begriffsstutzig reagierte, er ihr und damit mir verständlich machte: Wenn sie den Backofen öffnen, um nachzuschauen, wie der Soufflé wird, bricht er zusammen.) Kurzum, ich als geistig Restkreativer bastelte mir eine Erklärung zusammen: Künstler haben auch heute noch Assistenten, die, wie weiland bei Rembrandt und anderen, nach den Ideen ihrer Meister die Künste umsetzen. Allerdings sind die heutigen offensichtlich nicht mehr alle so kunsthandwerklich begabt wie zu Zeiten, als bereits die Leonardos, Michelangelos e Collega ihre Hilfskräfte zur Verschönerung der himmlischen Welt in Lohn und Arbeit brachten (von Mindestlohn soll jetzt mal nicht die Rede sein). So wird der hier auftragsgemäß Ausführende Schwierigkeiten dabei gehabt haben, das Passepartout passergenau über dem Blatt zu fixieren. Da nahm er den stabilen Bleistift, mit dessen Hilfe er zuvor noch seine zu tätigenden Einkäufe für die Fischsuppe fixiert hatte, und versuchte, ein das Maß leicht erweiterndes Rechteck um das Original zu zeichnen, sozusagen zur Vorstellung eines Rahmens. — So kommt die Kunst zurück zum Können.
So wie man eine große Pappe mitnimmt, um durch den rechteckigen Ausschnitt die Grenzen des Motivs zu bestimmen, bevor man die Staffelei aufstellt. Dann muss der Passepartoutmann sich eben dran halten! Immerhin wird das Bild so nicht verkleinert wie diese Rembrandts, die dauernd aus dem Rahmen geschnitten und zusammengerollt weiterverkauft werden. Jetzt würde mich noch interessieren, wie das Bild im Ganzen aussieht, denn beim Fotografieren haben Sie sich offenbar nicht an die bleierne Grenze gehalten. Das Bild im Ganzen
gehört mir zwar, aber ich habe wegen einiger rechtlicher Dissonanzen bislang darauf verzichtet, es komplett zu zeigen – es war mal Bestandteil einer Buchpublikation, und heutzutage meinen ja viele bis fast alle dieser von der BWL (fehl-)gesteuerten Verlagsdirektoren, ihnen gehöre alles ... So es Sie brennend interessieren sollte, sende ich es Ihnen gerne per eMail zu.Ihre Anmerkung zur landläufigen Rembrandt-Rezeptions-Praxis verdient ein großes Publikum zur besten Sendezeit, nicht nur der des Kabaretts. >> kommentieren H & K - Fragen
Lieber Herr Stubenzweig, zwei Fragen.a) Ab wo und wann wird der Handwerker ein Künstler und der Künstler ein Handwerker? b) Waren es nicht die Gebrüder Montgolfier die 1788 als ersten versucht haben aus Gewinnsucht und mit Hilfe von Helium Luft zu molekularisieren? Gruß an Sie und selbstverständlich auch an die Frau Braggelmann, T. Meine ständigen Versuche
der Verhyperlinkung scheinen ins Leere zu laufen wie die Lehre von der Kunst, von der der eine heiße bis kalte Luft erzeugt und der andere über sie, was in der Regel schwerste Gewitterstürme auslöst. Ich schließe mich da zwar nicht aus, habe jedoch einen klaren Standpunkt, den zu festigen ich mich immer wieder mal zu durch applikative sprachliche Unklarheiten bemühe. Aber ich mag es nunmal lieber, die Leutchen durch Irrgärten zu schicken; die oben erwähnte künstlerische Holographie haben wir unter uns mal Suchbildkunst genannt. Und ich gerate in heutzutage Depressiönchen genannte Niedergeschlagenheit, wenn aus meinem selbstkomponierten Romantiknebel sich allzudeutliche Klarheit Bahn bricht; vermutlich: drohender Burn out wegen Altersruhestreß. Aber das ist ja auch das wiederum Schöne an der Ästhetik der postmodernen Wissenschaft, die die geistige genannt wird und im Bloggen die herrlichsten Ausschweifungen genießt Kurzum: Versteckt habe ich's selbstverständlich wieder, und zwar ganz im Schluß, wo's heißt: Können Bitte bedenken: Auch darin sind weitere Erläuterungen versteckt, zum Beispiel in Ein Bild ist ein Bild ist ein Bild. Auf das von mir schief (an)gesehene Bild vom aktuellen, akuten, landläufigen Ästhetikverständnis habe ich auch mehrfach hingewiesen, am deutlichsten wohl in: Das Schöne und dessen Häßlichkeit. Das sind Themata, die bei mir eigentlich fast immer auftauchen (wohl, weil ich eben nichts anständiges gelernt habe). Und da ich zu eitel bin, mich ständig selbst zu zitieren, (ver)linke ich mich eben selbst (aus). In der heißen Luft derer von Montgolfier finde ich mich allerdings überhaupt nicht zurecht. Das ist mir zu hoch. So sehr ich die Naturwissenschaften auch schätze, nicht erst, seit da eine junge Frau forscht, deren Frau Maman für sie den Nobelpreis für Stammzellenkopulation fordert. Frau Braggelmann (die gerade über neue Beutekunst sinniert) habe ich die Grüße telephonisch bereits ausgerichtet. Sichtlich erfreut läßt sie zurückgrüßen. In der Ausgabe 50.2000
der Monographie Romain Finke des Kritischen Lexikons der Gegenwartskunst bin ich soeben auf eine weitere Be- oder Umschreibung von Kunst gestoßen:Etwas haltbar machen in diesem endlosen Ich mag das Launische, Unausgewogene, Lustbezogene dieser Sicht auf die Kunst, der eines Malers, der sich in den Achtzigern von der Figuration löste und nach einiger Zeit auf eigenwillige, nahezu reine Versuche mit Farbfeldern hin bewegte. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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