Vom Siechtum der Wirtschaft



Zu einem großen Teil der Erhaltung einheimischer Wirtschaft habe ich mit Sicherheit entscheidend beigetragen. Nicht nur, daß ich, seit meine Denkapparatur zu funktionieren begonnen hat, bevorzugt bei denen eingekauft habe, die am Ort oder zumindest in der jeweiligen Region produzieren — hier wäre der mich nach wie vor seltsam, zuweilen gar komisch anmutende, aus dem Bergbau stammende Begriff vor Ort tatsächlich einmal richtig eingesetzt —, ich also nie auf die Idee gekommen wäre, etwas ins Reisegefährt zu packen, das ich an den jeweiligen Fahrtzielen nicht auch erhalten hätte. Bei meinen nicht eben seltenen Abfahrten ward immer nur das Notwendigste in den Kofferraum gelegt, das mich bis zur nächsten Grenzüberschreitung überleben ließ. Beispielsweise im meiner Natur, sprich mütterlicher Erbmasse gemäß überwiegend angesteuerten Frankreich sowie romanischen Anschlüssen hatte und hat, zumindest im städtischen Bereich, immer ein meist zentral gelegenes Lädchen geöffnet, überwiegend betrieben von Nordafrikanern, häufig bis später nicht mehr so gerne übernommen von deren Kindern, den dann im Land geborenen Beur.

Die Kölner nähern sich dieser Angebots- und Mentalitätscharakteristik mit dem Kiosk an, wobei hier die Araber gegen Türken auszutauschen wären, die allerdings eine höhere Bereitschaft zur Grenzaufhebung zu zeigen scheinen, doch hier wie dort übernehmen zunehmend aus dem asiatischen sowie indischen Raum Stammende die Ladengeschäfte. Nach meinen überwiegend positiven Erfahrungen bekommt der spät ankommende Darbende alles, was sein Kreislauf nach längerer Fahrt begehrt. In Köln-Süd kann es geschmacklich auch schon mal in die Magengrube gehen, aber in Marseille habe ich selbst in der schlichtest sortierten Épicerie, der kleinen Gemischtwarenhandlung, in Canada sinnigerweise Dépanneur genannt, den man in Frankreich ruft, wenn man mal eine Panne mit der Ente aus Charleston haben sollte, noch immer eine Flasche Rot oder Weiß bekommen, deren Inhalt nicht nur schmeckte, sondern auch nicht sehr viel teurer war als eine des von mir bevorzugten Badoit oder ein anderes Eau gazeuse an der Hotelbar, die man allerdings kaum aufsuchen wird, hat man hoch oben heimelige Résidence in der Stadt. In der Regel erhält man dort auch Zahnbürste oder Rasierseife, zumindest -schaum, und wenn tatsächlich nicht, dann befindet sich meistens ein Barbier in der Nähe, der solches im Sortiment hat und bei dem man sich, oft bis Mitternacht, gleich noch den Kopf waschen oder rasieren lassen kann. Bei der Gelegenheit erfährt man auch noch den neuesten Tratsch, man muß es also nicht seinem Friseur erzählen, sondern der macht die ohnehin überflüssigen Medien überflüssig, währenddessen man sich auf höchst preiswerte Art und in aller Ruhe althergebrachter, ins Deutsche übersetzt Wellness, körperlicher Wohltat unterzieht. Arbeitnehmerfeindlich ist es auch nicht, da es nahezu durchweg Arbeitgeber sind, und seien es die für die eigene Familie. Niemand von denen würde sich diese Freiheit nehmen lassen wollen. Auch ich bevorzugte eher das «Schicksal» eines rund um die Uhr bereiten, wennauch meist dürftig bezahlten Dienstleisters als die letztlich weit über tariflich bestimmte, also über sie hinausgehende Zeit, wenn solch ein Vertrag überhaupt vorhanden ist, durchweg noch miserabler entlohnte Arbeit eines Erntehelfers oder Regaleeinräumers oder am Ende der Karriereleiter angelangten Kontrolleurs in einem Grande Magasin.

Hemden oder Schuhe kaufe ich nicht in einem solchen Tante-Emma-Laden, aber auch nicht in den bei der mir nebenan gelegenen Galeries Lafayette, so gerne ich dort hindurchbummele auf dem Weg zum Alten Hafen, durchaus Station mache bei der in jeder Hinsicht außergewöhnlich gut bestückten FNAC, auch wenn es mittlerweile längst ein beinahe durchglobalisiertes Unternehmen ist. Auch fürs äußere Leibeswohl suche ich kleinere Läden auf, ob im Süden oder in nördlicher gelegenen Städten oder Regionen, etwa als Begleiter zum Schuhkauf in Besançon oder beim sommerlichen, ich gestehe es ein, eigentlich irgendwie immerwährenden Soldes, dem Schlußverkauf, beispielsweise in Seitenstraßen von Lyon, wo ich feine, auf jeden Fall im Land gefertigte baumwollene Hemden erstehe, die es allenfalls in Italien oder, wenn überhaupt, in Deutschland lediglich bei gehobenen, sogenannten Herrenausstattern gibt, deren Mieten der entspechend bevorzugten Einkaufstraßen der Welthandelsunternehmen angepaßt sind.

Eigentlich wollte ich ja, wie die obige, als Themaeröffner vorgesehene Photographie zeigt, über das Gaststättensterben schreiben. Doch ich belasse es zunächst einmal bei der dem Schwafelkopp wie üblich leicht über die Ufer getretenen kleinen Einführung von fünftausend Zeichen und widme mich der Thematik auf den nächsten, vermutlich fünfzigtausendfünfhundertfünzig umfassenden knappen Problematikerörterung, um mich und andere nicht zu überanstrengen. So kann nur einer drohen, der nichts Anständiges gelernt hat und sich in einer solchen Hängematte auch noch pausenlos ausruhen muß, solch ein maßloser Apo-Opa, der in einer mittlerweile als ewiggestrig geltenden Vergangenheit lebt:
Es gibt viel zu tun. Warten wir's ab.


Im von mir nicht minder geschätzten, ebenfalls von alten Romanen kulturell vorgeprägten Westen heißt das mañana, was wiederum nicht das deutsche morgen meint, also sofort oder neuerdeutsch zeitnah, sondern:
Komm' ich heut' nich, komm ich morgen.

 
Fr, 22.06.2012 |  link | (3628) | 11 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Wirtschaftliches


prieditis   (23.06.12, 14:53)   (link)  
Die Bude
dazu habe ich mich auch einmal...

(c) eric prieditis

Hier gibt es ein Büdchen, da mache ich gerne Besorgungen, obwohl der gegenüberliegende Vollsortimenter bis 24.oo Uhr geöffnet hat.

Mal ganz abgesehen vom Nachbarort, in dem das Büdchen auch andere Sachen anbietet:



Ich hoffe, die Bilderflut ist Ihnen nicht unangenehm.


jean stubenzweig   (24.06.12, 12:53)   (link)  
Aber nicht doch!
Für Illustration sind ohnehin Sie zuständig, meine Fähigkeiten sind da eher begrenzt. Ich schließe mich allerdings an und zeige einmal mehr das, was andere bemalen. Am Berliner Savigyplatz, meinem alten Kiez, der mittlerweile auch von denen beansprucht wird, die über die Jeunesse von Mitte hinaus ein bißchen mehr verdienen. Deshalb hat man dort wohl die drei Nutten verscheucht, die über Jahrzehnte friedlich unter denen lebten, die nicht so hohe Mieten zahlen konnten. Die Neusiedler können sich die direkt nebenan befindliche Bedürfnisanstalt leisten, die im Altzustand auch eine recht frequentierte Klappe war. Ich nehme an, daß die Aufgemalten des Häuschens sich in Wartestellung der Notdurft befinden.



Auch mit einem Büdchen am Platz kann ich aufwarten. Dort gab's mal eine ordentliche Currywurst, zu Zeiten, als ich noch lebendig war. Dort habe ich sogar den Toskana-Kulinariker Klaus Wagenbach gesichtet, der meines Wissens seit Ewigkeiten, als Berlin noch eine Insel war, am Savigny lebt. Allerdings war die Bude früher noch nicht ganz so US-limonadig zugestellt. (Mir ist klar: Diese Photographie gehört eigentlich auf Ihre Seite der Frittenschmieden. )



Sehe ich das richtig: Die mit Werbung für diesen Allerweltschampagner beklebte Budicke steht im Nachbarort Düsseldorf? Ich meine jedenfalls schonmal dort gewesen zu sein.


prieditis   (24.06.12, 15:02)   (link)  
linksrheinisch
befindet sich die Schampusbude. In der Verbundgemeinde Verona Feldbusch Meerbusch.

Die hiesige, von mir besuchte Bude wird übrigens von einem ehemaligen Manager geführt, der "schon seit Kindertagen" einen Kiosk haben wollte.

Das untere Häuschen finde ich sehr pittoresk!
So ähnlich schauen auch zwei nebeneinander stehende Buden im belgischen Einstein-Badeort De Haan aus. Eine für Eis am Stiel, die andere als Frituur.


jean stubenzweig   (24.06.12, 16:32)   (link)  
Ehemaliger Manager?
Nicht doch dieser Ricky, den die Herzbrüchige mal sozusagen herzblütig despektierlich angehimmelt hat? Andererseits kann das wohl nicht sein, da dessen Kiosk «noch nie geöffnet» war. Dann wird's wohl doch einer von diesen Aussteigern sein, die ich jedoch nahezu ausnahmslos von denen kenne, die in den Kunsthandel geflüchtet sind. Aber bestimmt gibt's mittlerweile auch den Kunstkiosk. Den Imbiß mit Currywurst an Champagner gibt's sicherlich längst. Jedenfalls hat einer aus der Masse der erstklassigen Fernsehköche mal zumindest eine dahingehende Rezeptur verlauten lassen.

Das ist mir übrigens auch bei dem von mir abgelichteten aufgefallen: Wann auch immer ich tagsüber am Savignyplatz herumschlich, er war geschlossen. Aber auch an Abenden, wenn ich von der Weinstube von Yves Risachér in den nächtlichen Zwiebelfisch hinüberhüpfte, jedenfalls, als mein Geläuf noch einer Feder gleich leicht ging, habe ich keine Eröffnung in Erinnerung. Es mag allerdings auch sein, daß mein Sehvermögen dann bereits vom Riesling oder Moulis getrübt oder zumindest der nächtliche Blickwinkel so weit eingeengt war, daß ich ihn als eine zu ignorierende Randlage erachtete.

Zum Zwiebelfisch beziehungsweise dem Savignplatz erzähle ich später noch ein bißchen was. Jetzt muß ich zunächst ein wenig ruhen, da ich noch immer ein wenig malad bin. Wenn ich fürs Sofa auch nicht unbedingt eine Maladerie benötige, da die Horizontale inzwischen meine bevorzugte Haltung ist.


vert   (26.06.12, 13:18)   (link)  
gibt es da in düsseldorf etwa wieder diesen "fahrrad-vor-schampus-büdchen-contest"?


jean stubenzweig   (26.06.12, 19:16)   (link)  
Alles Einbildung?
Meinerseits? Ich hätte geschworen, dort schonmal einen Magnum-Frühstücks-Schoppen genommen zu haben, mit meinen Freunden von der italienischen Oper, der Kunst-Mafia. Die virtuelle Welt ist irgendwie irreführend.


prieditis   (27.06.12, 12:21)   (link)  
Nein, nicht der Behelfs- und Signierkiosk des Barden. Der hat geschlossen und spielt jetzt wieder in den Einkaufspassagen dieser Welt.

Die Personengruppe habe ich in Italien mal in Natura gesehen. Auf eine Fähre wartend, am Pipi-Häuschen. Ammoniak oder Sonne - da fiel die Wahl nicht schwer.

ad vert: Schulklassen, sage ich nur dazu.


jean stubenzweig   (27.06.12, 13:01)   (link)  
Meinen Sie
die Gruppe des Savigny-Häuschens? Oder die vorm Schampus-Kiosk? Pipi müssen beide.


prieditis   (27.06.12, 13:06)   (link)  
Achso... haha, ganz vergessen, es zu erwähnen, im Überschwang.
Das Savigny-Häusken


mark793   (27.06.12, 19:02)   (link)  
Von der anderen Seite gesehen
prangt am linksrheinischen Nobelbüdchen übrigens die Verheißung "Kaviar", muss ich bei Gelegenheit auch mal ablichten.

Habe bei einem Blog hier in der Nachbarschaft gelernt, dass das Hannoversche Pendant zu unserer schönen Verbundgemeinde nahe der Landeshauptstadt Großburgwedel heißt.


jean stubenzweig   (02.07.12, 14:15)   (link)  
schaue ich auch manchmal rein, sogar abonniert habe ich seinen elektrischen Boten. Auf ihn aufmerksam wurde ich über seinen Titel, als ich etwas mehr wissen wollte über die volksnahen Architekturvisionen niedersächsischer Potentaten.

Zu Kaviar an Meerbusch äußere ich mich gesondert. Das ist viel zu fruchtig, als daß mir nicht ein wenig Schaum vors Maul geriete.















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