Mediales Hoch- und Niederwild

Ich wandle meine Antwort auf ein Widerwort um in einen Leidartikel, um in mein Wort zum Montag, da Kommentare erwiesenermaßen Niederwild sind und damit weitaus weniger Beachtung finden als ein kapitaler Bock.

Die Rede über Richard David Precht war auch hier schonmal. Und sicherlich mit Recht. Ich halte ihn durchaus für wichtig. Auch ich bin der Meinung, das Feuilleton verdiene nicht den schlechten Ruf, der ihm in letzter Zeit entgegenhallt. In letzter Zeit? Uns war das bereits Anfang der Neunziger Anlaß, als noch nicht zu ahnen war, welche Verbreitung das Internet einmal haben und jeder sein eigener Leidartikler und Kommentator werden würde, zum weiterblättern aufzufordern; drei Jahre brauchte es, um wahrgenommen zu werden, und hätte ich nicht beruflich über entsprechende Verbindungen verfügt, vom Blättchen hätte nicht einmal die Nasenspitze des Mäusleins aus dem Loch herausgelugt, der kleine Berg oder auch das Hügelchen, das es dann doch noch gebar, wäre in der Kulturlandschaft nicht zu sehen gewesen. Als die Kommunikation via Zwischennetz aufbrandete, war Ende der Meinungsstange, die als Mischgebilde zusammengefügt worden war aus Jungem und Altem bis sehr weit hinter die Revolution des achtzehnten Jahrhunderts. Zwar ist an der Argumentation von Georg Seeßlen — da das hier noch einmal ein anderer kleiner Hyde-Park ist als der Ihre, verhyperlinke ich seinen Aufschrei gerne noch einmal — einiges dran, aber insgesamt sollten die Deutschen froh über seine Existenz sein, über die von Precht. Ich schließe mich also an, jedoch weiterhin nicht ohne Skepsis, da es an Gegenreden mangelt, also nochmal: Weshalb werden die von ihm und selbstverständlich anderen angeführten, alle angehenden Problematisierungen nicht im breiten Kreis erörtert? Immer nur Rockkonzert ist doch todlangweilig, tödlich. Für die Gesellschaft. Das ist meines Erachtens dasselbe wie die griechisch-türkisch-deutschen Lieder zur Klampfe, wie sie in den Sechzigern und auch noch Siebzigern sozialdemokratisch für den Hinterhof verordnet worden waren. Ich möchte auch das massenhaft diskutiert lesen. Zur besten, wie Enzoo das nennt, Primelzeit gibt es Sendung über Sendung zur Wirtschaftslage der Nation, die über die kulturelle kommt zur nachtschlafenen Zeit, und die dann auch noch gekürzt zugunsten der anderen Löcher, in die eine Gesellschaft zu fallen scheint und die sich in ihnen endlos suhlt, als ob's nicht anderes gäbe als diese Sauerei Geld.

Mir fällt nicht erst seit gestern auf, wie ausgeprägt hierzulande immer die Bemühungen waren, zu trennen zwischen Feuilleton — Seeßlen weist nicht zuletzt berechtigterweise auf den Ursprung hin — und Kultur. Das macht die unterschiedlichen Auffassungen deutlich. Die einen verstehen Kultur im Sinn von Hochkultur, also als etwas von oben Verordnetes, und nennen das dann mehr oder minder verächtlich Feuilleton, die anderen, zum Beispiel das ganz neue elektronische Blatt NEOpresse, schaffen den Begriff Kultur gleich ganz ab, wohl in der Meinung, das sei alles völlig veraltet. Mein Verständnis von Kultur war immer näher an der Definition meines ollen Brockhaus, der da in etwa meint, es sei die Gesamtheit der Lebensäußerungen eines Volkes. Darin geht auch meine Auffassung von Ästhetik auf, die mit Schönheit im Sinn eines Ideals, welchem auch immer, ich höre und lese das neuerdings wieder häufiger, im besonderen klang das über Sportler an, als ob man den winckelmannschen Blick, besser vielleicht den seiner nicht aussterben wollenden ewigen Schüler des Mißverständnisses von außen schön, innen hohl, renaissancieren möchte. Mir drängt sich dabei die Schönheit von Lina Wertmüller auf.

Precht gehört sicherlich der Fraktion dieses allgemeinen Kulturverständnisses an. Dafür schätze ich ihn allein. Ins Feuilleton, Sie merken es an, gerät er zwangsläufig. Und weshalb nicht Feuilleton?! Das ist ebenso, auch Kultur. Robert Menasse meinte kürzlich: Wir retten spanische Banken, weshalb sollen wir nicht auch einen Rettungsschirm über italienische Opern aufspannen? Man müsse in diesen Zusammenhängen endlich ebenfalls europäisch zu denken lernen. Es sei ein großes Problem, daß dies immer noch Ländersache sei. Ich füge hinzu: Im föderalen System der Deutschen entscheiden darüber auch noch bundesländerische Hinterbänkler, ob ein oder mehrere Theater zugunsten der letztendlich europäischen Schuldenfinanzierung geschlossen werden müsse. Nochmal Menasse: Weshalb sollen wir über unsere Verhältnisse gelebt haben? Es seien Verhältnisse, die von der Gemeinschaft, für die Politiker stehen, geschaffen wurden. Weshalb solle es in einer Zeit des geradezu überbordenden Wohlstands nicht mehr möglich sein, was vor Jahrzehnten, als weitaus weniger Geld zur Verfügung stand, ohne wenn und aber problemlos funktionierte.

Es ist eben alles Kultur, die regulierte wie die kon- oder dekonstruktive, dazu gehört auch ein Buch, ein Gespräch über die Kunst, kein Egoist zu sein. Ich schätze Precht so ein, daß er das alles ebenfalls im kulturellen, also gesamten Zusammenhang sieht. Immer wieder scheint mir das Elternhaus durchzublitzen. Das sehe ich positiv, zumal ein eigenes Gedankengebäude, das der jüngeren, der nachfolgenden Generation hinzugekommen ist, das eine unabhängige Architektur darstellt, die über die Postmoderne hinaus- oder vielleicht auch wieder ein wenig zurückweist auf das unvollendete Projekt, durchaus im Sinne Habermas', Gemeinschaft. So gesehen stimme ich Ihnen, seiner Existenzberechtigung innerhalb der Medien vorbehaltlos zu. Meine Befürchtung geht allerdings dahin, daß es nicht unbedingt weiterführen muß, da «kein Diskursbedarf zu bestehen scheint», weil hierzulande eben getrennt wird zwischen Hoch- und Niederkultur, zwischen E und U. Dieses Land will nicht hinaus aus seinen alten, festgefügten Strukturen, man hat keine revolutionäre Tradition. Möge alles beim Gestern bleiben: das Niederwild dem Kleinadel, die kapitalen Böcke dem Hochadel. Dazwischen nichts. Das ist das Leben. Da wird auch ein populärer Precht nicht weiterhelfen. Aber vielleicht irre ich mich. Das wäre dann gut.
 
Mo, 20.08.2012 |  link | (2273) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Mediales


kopfschuetteln   (20.08.12, 21:15)   (link)  
herr stubenzweig, vielen dank für ihre ausführungen.
ich muß aber, wie soll ich sagen, intervenieren.
das verstehe ich nicht richtig: wer interpretiert das feuilleton als hochkultur? die leser, das feuilleton selbst?

und, daß kein Diskursbedarf zu bestehen scheint liegt nicht nur an der strikten trennung zwischen u und e. ich würde sagen, es besteht offensichtlich kein interesse an einem interdisziplinär geführten gesellschaftlichen diskurs, oder meinten sie das?
ingo schulze schrieb mal: "Die Intellektuellen schweigen. Aus den Universitäten hört man nichts, von den sogenannten Vordenkern nichts, hier und da gibt es einzelnes kurzes Aufflackern, dann wieder Dunkel." nun ja, wie das so ist, mit den verallgemeinerungen. allerdings ist das schweigen ja deutlich hörbar, wegen einer trennung zwischen u und e? dazu gehörte wohl auch ökonomische(!) und institutionelle abhängigkeiten zu erwähnen.


jean stubenzweig   (21.08.12, 22:17)   (link)  
Ihr Revier wollen
die einen für sich behalten, sie wollen die Klasse(n) erhalten, und beharren dabei auf dem Status quo. Der aber ist tot, da sich meines Erachtens mit dem Internet auch die Kultur des Lesens und damit des Nachdenkens erheblich verändert hat. Ziehe ich einen Vergleich, fällt mir die zunehmende Bereitschaft ein, sich nahrungsmitteltechnisch und auch ansonsten vergiften zu lassen von einer Industrie, die nur noch auf die Masse zielt, die alles mit sich machen läßt, weil sie der Meinung ist, man könne sowieso nichts ändern. Dabei ist die Information über alle diese Machenschaften vorhanden, doch es interessieren sich die wenigsten dafür. Sie schauen sich diese Sendungen nicht an, amüsieren sich lieber im Privatfernsehen. Zur Zeitung greifen, wenn sie es überhaupt je getan haben, kaum noch Menschen, sondern allenfalls nach dem, was sich genauso nennt. Kein Wunder, daß bald alle Bäckereien aufgegeben haben werden, da der geile Geiz Qualität ausschließt. Und so eine Reportage über die alles plattmachenden Discounter, sei es die über Urlaube in der Türkei oder sonstwo, wo alle Bediensteten quasi für lau oder gar nichts arbeiten, weil die Völker mit den immer reicher werdenden Billigheimern reisen, sei es die über die Arbeitsbedingungen derer, die uns den allergünstigsten Flachbildschirm oder das ebensolche smarte Phone und so weiter herstellen, das ist ja alles sowas von langweilig oder gar nervtötend, das tun sie sich nicht an. Wie ich bereits geschrieben hatte, jeder darf seit spätestens Mitte des ersten Jahrtausenddezenniums sein eigenener Leidartikler und Kommentator sein. Kultur ist für viele nach wie vor in Verbindung mit hoch oben verbunden. Und hoch oben weiß man das sehr wohl, will jedoch nicht, daß, um Sturmfraus Äußerung leicht zu mißbrauchen, «Horden von Trampeltieren im heimischen Garten» herumtrampeln».

Ich merke gerade, daß ich Gefahr laufe, auf einen Trampelpfad zu geraten, der in Vermassung und Kulturverfall enden könnte. Das will ich dann doch vermeiden und lieber erst einmal das Gehirn einschalten und mehr Differenzierung herstellen, bevor ich Horden von Trampeltieren im heimischen Garten habe, wenigstens gedanklich, denn die kommentieren und leidartikeln doch lieber unter sich. Ich gehe also besser erstmal in mich. Am Abend hellt es ohnehin nicht mehr so recht auf in meiner Synapsenkrypta. Ich Mumie begebe mich besser dorthin, wo ich hingehöre: in den Ruhestand. Morgen wieder.


jean stubenzweig   (22.08.12, 14:52)   (link)  
Irgendwie unpäßlich
scheine ich zu sein, mir ist so komisch zumute, ich ahne und vermute, es liegt was in der Luft, jemand muß mir meine Windungen begradigt haben, im Geradeausbachlauf fließt mein inwendiges Denkflüßlein nicht. Ich kriege keinen krummen Gedanken hin heute. Dabei gibt's doch gar keinen Föhn in Holstein, wo sollten denn da die Berge stehen für die Fallwinde. Ein bißchen lesen zum Thema habe ich gerade noch gekurvt bekommen.

In der FAZ erzählt mir Jürgen Kaube:

«Wie bekommt man, fragt er, die Kommentarkultur „wieder in den Griff“? Wahrscheinlich, so schreibt er, liege die Lösung in einer Kombination seiner Wünsche. „Na hören Sie“, sagte der Leser aufgeräumt, „eine kontrollierte Kommentarkultur, Sie sind aber ganz schön anspruchsvoll! Aber ich hab da gerade etwas gesehen, das wäre vielleicht etwas. Nicht, dass es jeden Anspruch erfüllt, aber den auf Repression des gedankenlosesten Geschwätzes und der ärgerlichsten Redundanzen schon. Beleidigungen werden auch geprüft, die Autoren beobachten sich wechselseitig, die schlimmsten Nervensägen laufen Gefahr, öffentlich benannt zu werden. Das könnte Ihnen eigentlich gefallen. Die Hersteller nennen es Zeitung.“» Feuilleton.


Erasmus von Meppen rückt dem Kulturbegriff näher:

«Man traut dem heutigen Publikum nicht zu, einem klassischen Werk konzentriert zu folgen, und deshalb muss das Werk von vornherein depotenziert und als "Event" dargeboten werden. Ohne kulturindustrielle Knallchargen, die zum "Näherbringen" engagiert werden, geht offenbar gar nichts mehr. Adornos Satz "Musik im Fernsehen ist Brimborium" wird von den verantwortlichen Kulturredakteuren heute offensichtlich nicht mehr als Kritik, sondern als Aufforderung verstanden, solange keine Ruhe zu geben, bis der Kretinismus der Privatsender endgültig unterboten ist.»

Ich begebe mich wieder zurück in den horizontalen Ruhestand.


charon   (21.08.12, 02:11)   (link)  
Von Zeit zu Zeit
les' ich den Alten gern.

Es gibt viele Gründe zu erklären, warum ich mich zuletzt derart rar gemacht habe. Doch keiner will so recht hierher passen. Letztlich siegt doch die Neugier, die nicht enttäuscht wird. Romantiker, Nackte und Fernsehphilosophen machen die hitzelange Nacht kurzweilig! Schön Sie wieder zu lesen!

Die Chose von hinten herum besehen:

Ich bin wieder motorisiert. Das macht mich immun gegen Ausfälle von Klima- und sonstigen Anlagen und es hilft mir, auch bahnhofsferne Gegenden zu bereisen. Der September soll ja ein schöner Monat sein, selbst da oben auf der Landkarte.

Hätte ich die Wahl, wünschte ich zu einem Teil als Friedrich Schlegel, dem Theoretiker, nicht dem Poeten, in meiner Zeit wieder geboren zu werden. Cum grano salis mal daher geredet, hat die deutsche Romantik außer Jean Paul, E.T.A. Hoffmann und ein paar Gedichte (Eichendorff ausdrücklich ausgenommen) nicht viel hervorgebracht, was ich in meinem persönlichen Barbarastollen auf Dauer aufbewahren würde. Aber eine theoretische Ahnung von vergangenen wie kommenden Dingen hatten sie (als noch jung waren, da lag Heine schon ganz richtig). Mit dem Katholizismus ging leider auch die Ironie in die Binsen. Auf meine frühen Romantiker lasse ich trotzdem nichts kommen, so viel geist und so viel Witz gepaart mit Klugheit und ebenso großer Frechheit. Das wünscht man sich und kriegt es nicht.

Bei den Nackten weiß ich nicht, wie ich es halten soll. Einem schönen Arsch schaue ich schon gern hintendrein. Nur leider werden zumeist die hässlichen zur Schau getragen. Als pubertierender mochte ich das örtliche Waldschwimmbad und später auch den See sehr gern, weil man eben etwas zu sehen bekam, was es weder im Fernsehen noch in der guten Stube gab. Abgesehen davon, wurde dort auch zwanglos geknutscht, um zu sehen, was und wie das ist. Ich meine mich zu erinnern, dass es ganz toll war. Ist ja auch schon eine gute Weile her. Die Vertreibung aus diesem Paradies setze ich - ohne eine konkrete Erinnerung zu haben - mit dem Betrachten des ersten Pornofilms an. Anders ausgedrückt, mit dem Moment, an dem Nacktheit, Geschlecht und Sex als Ware in mein Leben trat. Das ist der Stand der Dinge und er ist nicht schön, aber was sind die Alternativen? Die Prüderien, die jenseits des Atlantiks (der Porno-Gesellschaft schlechthin) Menschen mit dem Gesetz in Konflikt bringt, wenn sie sich (oder ihre Kinder) an öffentlichen Badeorten beim Umkleiden sekundenlang nackt zeigen? Die Tollheiten der frühen Freikörperaktivisten, wie etwa der Aristokratischen Nudo-Natio-Allianz (=komplett Verrückte), die mit und ohne Bärenfell der Zivilisation entfliehen und auf der Grundlage ihrer geschönten Körper eine neue organische Gemeinschaft aufzubauen trachteten? Oder doch Poona? Das mir übrigens als Fünfzehnjährigem von einem Altersweisen mit dem geflügelten Wort "Da kannst Du ficken, wie Du willst!" als Zufluchtsort nahegelegt worden war. Ich habe diesen Weg nicht verfolgt, verstehe weder die eine noch die andere Alternative und ärgere mich nur, dass mein Geschäftssinn nur schwach ausgeprägt ist und ich kein Imperium der Tätowierungsentfernungsstudios aufgebaut habe. denn auf diesem Gebiet liegt die Zukunft! Wahrscheinlicher ist, dass die Tätowierer selbst für die Entfernung der Tätowierungen Sorge tragen werden. Das alte Kruppsche System, die Arbeiter unter und über der Erde malochen lassen und vor die Fabrik ein Büdchen aufstellen, damit der Wochenlohn anteilig in die heimatliche Kasse zurückfließt. Nur nicht zynisch werden.

Und schließlich das Feuilleton. Ich lese es gerne (so lange die Feuilletonisten sich nicht einander morden, denn das ist tieflangweilig) , auch wenn es in meinen alten Kreisen keinen guten Ruf hat. Denn das ist ja der Witz, was den einen als hochkulturelle Sparte der da Oben gilt, ist den Anderen Ausdruck von ungebildetem Massengeschmack. Wahrscheinlich ist bei derart konträren Bewertungen (Zivilisation vs. Kultur raunt es da im Hintergrund) nicht alles falsch daran. Es soll bleiben, soll so bleiben. Und wer es genau liest, wird sehen, dass eigentlich gar nicht so viel darin fehlt (was nicht heisst, dass alles gut ist). Andernorts bilden eine blankgezogene weibliche Brust an einem karibischen Strand oder die Verkaufszahlen der letzten Versteigerung bei Christie's tagtägliche Hauptnachrichten im Kulturteil.

Ich möchte mich für das Gequassel entschuldigen, aber das ist der Fluch der nicht mehr vorhandenen eigenen Seite und des langen selbst auferlegten Schweigens. Man kommt nicht zur Ruhe, denn es könnte das letzte Mal sein. Aber Sie sind ja auch ein ruheloser Geist.

P.S.: Aber eines muss ich kritisieren, werter Gastgeber. Sie mäkelten einstmals an der Schriftgrösse meiner real nicht mehr existierenden Seite herum, zurecht, wie ich damals fand. Und heute machen Sie dem Leser das Leben schwer, indem Sie Ihre Schriftgröße auf mikroskopische "Größe" reduziert haben. Aber vielleicht haben Sie auch hier Recht, weiser Mann. Lesen und Denken soll anstrengen! Doch man wird, selbst wenn man jünger ist, trotzdem nicht jünger. Also, entweder Sie vergrößern die Schrift oder ich schaffe mir endlich eine Lesebrille an oder: Ich strenge mich wieder und weiter an. À bientôt.




jean stubenzweig   (21.08.12, 13:21)   (link)  
Um Vergebung bitte ich die anderen, daß ich den (Vor)Letzten zuerst drannehme. Er ist mir aber auch zu sehr abgegangen. Seine URL-Verbindung trotz in den Orcus gestoßener Heimatseite funktioniert zwar noch, wenn sie auch im Nichts landet, aber er ist offensichtlich virtuell doch noch anwesend, und das muß ich, ihn muß ich begrüßen.

Wo war er, Höllenhund. Dieser Tage habe ich noch darüber sinniert, ihn noch einmal, ein letztes Mal vielleicht noch vor dem Besuch seines Flusses anzuschreiben. Aber gut, er ist ja da. Ja, auch das Land des Nordens wartet auf ihn, vielleicht gar noch, um ihn mit des Nordmanns herausragendster Eigenschaft begrüßen zu können: dem Willen zum Grillen.


Frau Braggelmann meint zwar, der Sommer fände immer nur während einiger Tage im April statt, aber dieses Mal hat er das Land im Sommer heimgesucht, und es steht an zu vermuten, er könnte nochmal wiederkommen. Zur Zeit hat er sich nach einem kurzem Gastspiel hinter ein neuerliches, eigentlich immerwährendes Tief zurückgezogen, was mir auch recht ist, denn wenn ich Hitze will, assoziiere ich ohnehin Méditerranée, wohin zu reisen mich meine zur Zeit mangelnde Fußläufigkeit sowie der Unrhythmus meines Herzeleins hindert. Schließlich habe ich im Norden Station bezogen, um Kühlness zu bewahren. Das einzige noch geöffnete Wirtshaus Am Bach im Nachbarort hat zum Wochenende tatsächlich geöffnet, dort, wo ich hin und wieder als Mittelmeeersatz die Beine baumeln lasse, da gäb's dann Wildschweinsülze, der Hausherr ist, ich sag's doch, man fühlt sich wie in Frankreich, nämlich ein Jagender, auch auf die wilde Sau. Außerdem gibt's hier einen temporären Golfplatz mit ins private Binnengelände verlagertem Dorfteich, in dem sich viele Fischlein tummeln, die badend danach rufen, mit Genuß verspeist zu werden. Das geschieht zwar meist zu der Christen heiligstem Fest, aber vorher werden Sie's vermutlich eh nicht schaffen. Dann aber ist der Ofen an, von oben her, bedacht mit solarer Heizkraft. Das ganze Dorf könnte sich daran erwärmen.


Der Barsch schmeckt besser noch als die von Frau Braggelmann innig geliebte Bratwurst, dem Nationalgericht der ostseenahgeborenen Anrainer, die des einstigen Armeleuteessens Hering bis heute überdrüssig sind, vor allem dann, wenn man den Kabeljau noch mindestens einmal wöchentlich mittels Senfsauce angereichert eingenudelt bekommt.

Und vielleicht räumt Madame Lucette das ohnehin bereits für der Stadt müde Gäste umgerüstete alte Gewerk- und Waschhaus. Für den Fall der Fälle böte sich meine Sommerresidenz an, vor der mein seinerzeit aus der Bourgogne als zwei Zentimeter winzlichst eingeführter und liebevoll geretteter Hibiskus mittlerweile als prächtiger Ahorn gedeiht.


Und auch für das mobile Einsatzkommando dürfte sich ein stilles Verweilplätzchen finden. Ansonsten ist auch so ausreichend Raum auf dem Gelände. Der Winter wird nicht urplötzlich über uns hereinbrechen, jedenfalls nicht im angekündigten September. Das aktuelle Klima dieser Welt wandelt schließlich in Wärme um.


Jetzt muß ich los. Beim Bäcker meines Vertrauens in der fünfzehn Kilometer entfernten kleinen Stadt, kein bioökodynamischer, sondern wie der natürliche Gott des Brotes, gibt's Ciabatta. Es ist das vermutlich einzige in ganz Holstein, das mit italienischem konkurrieren kann, das dessen Qualitätskriterien entspricht. Dafür vergesse ich unerbittlicher Weißbrotesser alles, dafür muß alles andere liegen- und stehenbleiben.

Doch, halt, eines noch auf die Schnelle: die Schriftgröße. Ich bin vermutlich der Einzige, der täglich hier hineinschaut. Das ist wie der Spiegel, dem man nicht auskommt. Ich bin derjenige, der sich das immer wieder aufs neue anschauen muß. Mir muß es gefallen, das ist mein elektrisches Tagebuch, meine Kladde, in die ich hineinschmiere. Vor ihr, vor meinem Geschmack habe ich zu bestehen. Und der lehnt große Buchstaben ab, das kommt meiner Ablehnung von Serifenschriften gleich, die einzuführen mir mal ein Ästhethikexperte vorschlug mit der Begründung, sie seien lesefreundlicher. Das ist mir schlicht wurscht, mit solchen Pragmatismen zur Klickzahlerhöhung möge man mir nicht kommen, sie laufen meiner Vorstellung von Schönheit zuwider, ich bevorzuge das Filigrane, bei Schuhgröße fünfunddreißig schaue ich genüßlicher hin als bei diesen hier gemein verbreiteten germanischen Pömps zehn Nummern größer. Gehe ich an meine andere Rechenmaschine, an den G4, den einzuschalten ich ebenfalls täglich gezwungen bin, da auf diesem hier, dem G5, das eMailprogramm sich mir verweigert, sehe ich zu meinem Leidwesen dieselbe Schrift ohne eigenes Zutun um einiges gewachsen. Diese Dinger machen einfach, was sie wollen, wie die gesamte Technik via Internet eben, fremdgesteuert. Das mißfällt mir zwar außerordentlich, aber es gibt schließlich fürs Grobe die rechnerzusteuernde Brille, bei mir die Tastenkombination Apfel/plus, die muß man nicht einmal mühevoll aufsetzen, es sei denn, um die entsprechenden Tasten zu finden.

Alles weitere — auch die anderen — später. Die Hüterin der Brote ruft. Auch wenn sie trotz mehrfachen Hinweises darauf besteht, es Tschiabatta auszusprechend, so, wie der Deutsche eben, der alles lebt und spricht, wie es geschrieben steht, es sei denn die nordamerikanische Sprachvariation, die bekäme sie nahezu fehlerfrei hin, schließlich tönt sie ihr täglich aus dem Bildungsfernsehen entgegen. Dennoch ist es beinahe wie am Alten Hafen, bei der Bäckerin an der Ecke Rue Beauvais und Rue Bailli de Suffren, durchaus auch deren Tochter, die mir manchmal, bevor sie ins Gymnasium geht, das Schokoladenbrötchen verkauft. Das allerdings weicht ziemlich ab auf dem Land nahe des Mare Balticum, sowohl die Brötchen als auch die Töchter.

Zu guter Letzt: Ich habe die unter mir residierende Ardennaise Madame Lucette angeläutet. Sie erwartet Sie auf ihrer Veranda über dem von ihr angerichteten Klein-Versailles. Es ist zubereitet. Falls Sie es doch nicht schaffen, kann man immer noch eine Partie Golf spielen lassen (das ehemalige Backhaus, in dem neuerdings Gäste gewaschen und gewirkt werden, hat sich ganz rechts versteckt).




enzoo   (21.08.12, 13:45)   (link)  
aber meine herren!
bevor sie da über die kleinigkeit von schriftgrössen diskutieren, anstatt die grossen dinge der welt zu zerlegen, sollten sie nicht vergessen, dass man diese ja auch leichtestens verändern kann: jeder halbwegs moderne netzbrausekopf verfügt über die möglichkeit, die angezeigte größe über strg (links unten) und die + taste gleichzeitig zu vergrößern bzw. mit strg und - zu verkleinern. mit strg 0 (null) wird die ursprüngliche grösse wieder eingestellt. bei einem apfelgerät verwendet man statt strg eben die apfel taste. apfel +, apfel - und apfel 0

freunde der schriftgrösse "fliegenschiss" erfreuen sich daran ebenso wie anhänger von "elefantenfuss".


charon   (21.08.12, 14:55)   (link)  
Erst mal informieren
sollen die frisch Vereinigten gesagt haben als sie vor den Beate-Uhse-Läden Schlange standen, um Bananen ganz anderer Sorte zu erwerben. Aber dieser Hinweis auf Schriftgrößenveränderung funktioniert sogar! Ich bin begeistert und danke dafür. Es geht nichts über einen praktisch Begabten im Haus!

Werter Stubenzweig, es war mir ein echtes Bedürfnis, mich bei Ihnen mal wieder (zu Wort) zu melden. Auch wenn die Meldung ein wenig Überlänge bekommen hat. Es sei der späten Stund' zugerechnet. Bei Ihnen könnte man ja einen Wohnwagen aufstellen -- oder Golfturniere veranstalten.




jean stubenzweig   (21.08.12, 18:25)   (link)  
Apfelzeit
ist noch nicht. Aber andere Früchtchen liegen überall herum, im Städtchen treiben sie's sogar, ziemlich weit mit Baustellen. Da geht's zu wie in Hamburg zur Stoßzeit, wenn man nordöstlich hinaus will aus der Feierabendenge hinter Alsterdorf. Und dann die Ente. Wenn's ihr zu warm wird, stellt zu einfach ihr Aggregat auf offline. Da macht man eben auch Pause und wartet ein Weilchen. Dann schmeißt sie sich wieder in PS-Geflügelbrust. Unterm Entenhimmel oder auch Autohafen angekommen, da miaut's gar kläglich von nebenan. Ich kenne diesen Ruf, das hat sie schon einmal fertiggebracht, sich einzusperren in den Stall, den der Hüter des Hauses eben manchmal schließt, wahrscheinlich, um Mimi ein paar Mäuslein drinnen zu halten, auf daß sie nicht verhungere. Doch es müssen sehr wenige gewesen sein. Soviel gefressen hat sie noch nie, seit ich sie als Katzenmäuschen 2003 abgeholt habe aus dem Osten. Ja, Mimi ist eine Ossi, auch wenn sie sich bisweilen französisch gebärdet. Jetzt liegt sie hier neben mir mit einem Bauch, als ob sie zehn Junge werfen möchte. Dabei kann sie doch gar nicht mehr. Wenn sie diese Portionen hinausexpedieren möchte, dann ruft sie wieder, dann geht's wieder Gassi.

Apfelzeit. Lieber Enzoo, ich hab's doch oben angedeutet: Tastenkombination Apfel/plus. Aber Sie können das viel besser erklären, als ich. Einem Inscheniör ist eben, wir alle kennen es. Außerdem gibt's schließlich noch die MS-DOSiers. Die vergesse ich so gut wie immer. Das ist eine mir allzu fremde Welt. Ich gehe mal davon aus, daß der werte Höllenhund nach dem Uhse-Prinzip diese Banane geradegebogen gekriegt hat.

Ja, lieber Charon, es ist recht weitläufig hier (sie dürfen hier auf diesem Platz raumumgreifend nächtens dächteln, mich erfreut's). In meinem derzeitigen Zustand bekomme ich das Gelände der Landlords nicht umgangen. Hinterm Teich befindet sich zwar ein Zaun. Aber der steht lediglich deshalb dort, weil bisweilen fremdes Getier das Grundstück zu okkupieren suchte und Madame Lucettes liebevolle miniaturische Erinnerungen an den Park des Königs zertrampelte. Das gesamte Gelände bis hin zu den im Hintergrund der Photographie gerade noch ersichtlichen Häuser, alles Heimatland. Glücklicherweise hat der Hausherr seinem Hirngespinst widerstanden, darauf einen Golfplatz zu errichten.


Die Vermutung meinerseits steht an, die Gattin könnte ihn daran gehindert haben. Einmal im Jahr dieses versammelte Mittelstandsvolk, den Hof voll mit diesen besternten und beringelten Karossen, das reicht ja.


Jetzt brauch' ich erstmal Nickerchen. Der Ruhestand ist die schönste Haltung. So eine Einkaufsreise kann gewaltige körperliche Eindrücke hinterlassen. Aber vorher muß auch mir anderes Gutes tun. Ich habe tonnenweise Kartoffelsalat produziert. Schon wieder frischen. Mit dem Alter scheint man irgendwie nicht ganz frisch in der Birne zu werden.















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