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Jobs (nicht Steve) ![]() Weshalb spricht und schreibt im Deutschen eigentlich nahezu jeder nur noch vom Job, auch dann, wenn er die Arbeit meint? Ich verbinde damit das Ausüben eines erlernten Berufs, nicht unbedingt eine Berufung, die traumhaft über einen hereinbricht, sondern etwas Anständiges wie die Brot- oder Kuchenbäckerei (was jetzt wirklich keine Anspielung auf Niegesagtes von Königsgattinnen sein soll, auch wenn es, vermutlich weil es schön und vielleicht heilsbringend ist, leicht neben der Wirklichkeit zu liegen, sich beharrlich behauptet). Liegt es daran, daß kaum noch jemand eine Arbeit, also etwas Erlerntes im Griff hat, wiewohl kaum ein Bäcker mehr Brot backt, sondern nur noch per Knopfdruck Mischungen in den Fabrikofen schieben läßt, kaum ein Kraftfahrzeugmechaniker mehr ein Automobil repariert, sondern robotergleich an ihm nur noch Computerteile austauscht? (Bereits vor Jahren ist es mir — in Frankreich! — passiert, daß ich in einer Citroën-Werkstatt abge- beziehungsweise auf einen Dorfschmied verwiesen wurde, da selbst der [offenbar zu junge] Meister sich in den Innereien eines Döschwoh nicht auskannte. Und in Deutschland unternehme ich erst gar keinen solch abwegigen Versuch mehr, in einem Fachbetrieb etwas reparieren zu lassen, sondern rufe gleich den Entendoktor an, der dann auch schonmal einen Hausbesuch macht, wenn das Gestell nicht mehr so recht will.) Nun gut, im allgemeinen wird heutzutage ja äußerst berufliche Flexibilität verlangt, gerne von denen, die niemals etwas anderes tun würden als beharrlich die Forderung nach Lohn- oder Gehaltssenkung auszusitzen und niemals auch nur annähernd bereit wären, eine neue Stellung (dazu) einzunehmen. Wer einmal den fixen Standpunkt eines Arbeitsplatzretters und -gestalters eingenommen hat, der beharrt gerne in dieser Position, gleich welchen, auch jugendlichen Alters. Das schafft schließlich jede Menge neue Jobs. In einer solchen, wirkungsvoll erscheinenden Inszenierung spielt es weiter keine Rolle, daß anderen die heimische Wirtschaft verschlossen bleibt. Man muß ja mittlerweile alles können. Anything goes. Auch wenn es manchmal beinahe tödlich ausgeht. Ist das eine meiner üblichen, für mich typischen Nörgeleien? Oder ist das nicht doch eine dieser nicht nur sprachlichen Schönfärbereien, die allüberall alles übertünchen? Mir geht es wie weiland Rainer Candidus: Ich gucke da nicht mehr durch. Wahrscheinlich, weil ich mich bereits auf dem Abstellgleis des Lebens befinde und ohnehin politikuntauglich bin.
In Künstlers Lande gehen Horst Janssen war zweifelsohne ein großartiger Zeichner, den ich überaus schätzte und dessen Kunst ich nach wie vor schätze. Die Anmerkung, deren weiter Kunsthorizont gerne bei den Landlieblichkeiten von Horst Janssen beginnt und sogleich endet, bezieht sich alleine auf die Tatsache, daß es allzuviele Betrachter gibt, die nichts anderes sehen als die formale Schönheit. Die in vielen seiner Bilder steckende grandiose Garstigkeit sowie sein phänomenal umgesetztes Denken und Wissen wird oftmals, besser meistens und sehr gerne ausgeblendet. Ersichtlich wird das, beobachtet man die Menschen, die vor seinen Arbeiten stehen, ob in seinem Museum in Oldenburg oder in seinem Abteil in der Hamburger Kunsthalle: Immerzu assoziiere ich dabei ein Lustiges Cabinett, in dem beziehungsweise indem sich sogar Kunsthistoriker (auftragsgemäß?) nicht entblöden, die Bedeutung beispielsweise des Stillebens mit einer populistischen Volksguck-Lasur zu überdunkeln, die dann Nicht- oder Mißverstehen entstehen läßt, etwa das von l'art pour l'art, das eben nicht die reine Schönheit ohne inhaltliche Tiefe der Nicht-Nachdenklichen von Winckelmann meint, sondern daß sie romantisch als Kunst sich selbst genügt. — Ich meinte also vor allem den hanseatischen oder auch hamburgischen Pfeffersack, dem dabei, vielleicht von der mehr das Kunsthandwerk als ihn liebenden Gattin geimpft, nichts anderes vorschwebt als der Schönheitssinn, die Dekoration. Glücklicherweise hat es immer Janssen-Freunde, Sammler und auch Verleger gegeben, die genauer hingeschaut haben. «Ich gehe in die Landschaft.Horst Janssen. Zeichnungen, Graph. Sammlung Albertina, Wien, hrsg v. Walter Koschatsky, München 1982 Ich habe mal notiert (Sie locken meine uralten Notizen aus den Katakomben; das entbehrt nicht einer gewissen Komik): Der Erfolg Janssens, seine ‹Breitenwirkung›: «Der naive Leser», «sprachlicher und außersprachlicher Kontext»; der «Modell-Leser» bei Eco, paraphrasiert: der Modell-Betrachter; bei Eco überprüfen und an zwei Bildbeispielen festmachen, aber eventuell auch auf Textbeispiele von Janssen eingehen: «sprachlicher und außersprachlicher Kontext», hier bildlicher und außerbildlicher Kontext; aber auch: «Theorie der Codes und der enzyklopädischen Kompetenz, derzufolge eine Sprache [...] es erlauben müßte, ihre möglichen Aktualisierungen im Diskurs (de te fabula , Seite 15); vielleicht: «Also: ich gehe nicht in die Landschaft, ich gehe ein in die Landschaft und die Bilder, die ich aus der Landschaft ziehe, Sepia und Wasser — ich ziehe sie absichtslos, genüßlich sanft schlürfend ein und — zurück wieder in meiner Burg zieht die Landschaft durch den Schlaf.» Ich lese anderswo, nickend: «Horst Janssen hat in seine Blätter, in seine Blumen, seine Landschaften, seine Selbstbildnisse seine Verzweiflung hineingezeichnet, und dabei alles darangesetzt, sie aussehen zu lassen, als beschrieben sie das reinste Vergnügen, und er hat seine Vergnügungen gezeichnet mit einem dunklen Unterton, und alle Lust in seinen Zeichnungen wird umfaßt vom Trauerrand der Vergänglichkeit.»Wieland Schmied. Horst Janssen. Ich bin nur ganz Auge, St. Gertrude 1996
Kultur(an)schaffende Kulturwirtschaft. Sollte es sich dabei um jenes Etablissement handeln, in das Monsieur Salis im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts die kleinen Künste holte und das fortan Cabaret genannt werden sollte — wenn also die Kultur in die Wirtschaft (ins Wirtshaus, den Gasthof) geht? Nein. Mir scheint es eher eine dieser Kuriositäten zu sein, die die ökonomische Entwicklung seit den neunziger Jahren in Umlauf brachte und der durchaus eine kabarettreife Nuance anhängt. Da die wirtschaftlichen Nöte des Bundes der Kunst in Ländern und Kommunen Luft und Licht nehmen, müssen ausgerechnet diejenigen das Büßergewand anlegen, denen die Mißwirtschaft eher nicht anzulasten ist, und in die obersten Etagen der Wohlstandskathedralen pilgern, auf daß deren Päpste der Kultur finanziellen Odem einhauchen. — Es hat schon etwas Demütigendes, wenn, wie einstmals, Uwe M. Schneede als Museumsdirektor der Stadt mit dem höchsten europäischen Steueraufkommen sich das Geld für Heizung und Personalkosten seines Neubaus gegenüber dem Jungfernstieg — laut Journalisten-Prosa «Louvre des Nordens» — nicht ohne Mühe bei jenen Pfeffersäcken zusammenschnorren muß, deren weiter Kunsthorizont gerne bei Horst Janssens Landlieblichkeiten beginnt und sogleich endet.Drastisch hat dieses allfällige Problem Eduard Beaucamp in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seinerzeit beschrieben: Die Kulturpolitiker verstießen ihre «Lieblingskinder», die riesigen neuen Museumspaläste, und schickten sie auf «die Straße zum ‹Anschaffen›». Da bleibt nur zu hoffen, daß die «privaten» Gelder, die die Fundamente der neuen Pinakotheken der Moderne und ähnlicher Architekturen bilden, auch dann weiter fließen, wenn Kunst und Kultur Einzug gehalten haben. Denn sonst dürfte Isar-Athen, quasi als geographischer Gegenpol zum hanseatischen, bald über den südlichsten hohlen BRD-Zahn der Kunst verfügen. Nun liegt es aber auch in der Natur der Sache, wenn Handel und Industrie erwirtschaftete Gelder wieder in den Kultur-Kreislauf bringen. Das zielt nicht unbedingt auf die Milliarden, nein: Billionen Mark, die in Stiftungen geflossen sind und fließen werden. Mit ihrer Hilfe ist seit Jahrzehnten so manches Kleinod gerettet, so manches kulturelle Projekt auf den Weg gebracht worden. Und Sponsoring hat bisweilen auch außerhalb der Sport-Arenen Wirkung gezeigt, und sei es, daß der Künstler mal wieder die rückständige Miete hatte überweisen können. Das ist schließlich entscheidend: die Künste als Wirtschaftsfaktor. Galerien, Museen wollen geplant, gebaut, mit den ihr eigenen Inhalten ausgestattet werden. Hier verdient die Architektin, der Handwerker, die Künstlerin, der Spediteur, der Rahmenhändler, die Messegesellschaft, der Kritiker, die Graphikerin, die Werbeagentur, der Zeitschriften- ebenso wie der Kunst- und der Getränkehandel. Und wer Geld verdient, zahlt Steuern. Eben diese Tatsache darf den Fiskus nicht aus der Pflicht entlassen, die nach dem bundesrepublikanischen politischen System und dessen Gesetzesgrundlage Verantwortung oder auch Verpflichtung heißt (in anderen «vorbildlichen» Staaten überläßt man solches gerne denen, die stärker als der Staat sind). Denn je mehr die Wirtschaft sich solistisch oder auch dirigistisch ins finanzielle Kulturgeschirr legen darf, um so drastischer steigt die Gefahr, daß sie alleine zum Zugochsen wird — der dann immerfort auf das ewig alte Scheunentor zusteuert. «In der Kultur», schrieb Eduard Beaucamp, «dürfen Marktregeln, Wachstumsgesetze, Konkurrenzen nie die Oberhand gewinnen. Sonst zerstören sie — die Politiker — zwangsläufig das, was sie pflegen wollen: die Kunst.» Eine ältere Randbemerkung, von 1998, dem Jahr, nach dem die Löhne sinken sollten, erschienen in einer Kunstzeitschrift, hier jedoch leicht verändert. Den alten Beutel neu aufzugießen, darauf hat mich der längst zur Instititution gewordene Olaf gebracht, der mir endlich korrigierend erklärt, weshalb aus der Kultur eine Wirtschaft geworden ist. Photographie: frankartculinary CC
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