Alles im Fluß ...

«Warum ist es notwendig, den Geräuschen von Messer und Gabel Beachtung zu schenken? Weil Erik Satie es sagt. Er hat recht. Denn sonst müßte sich die Musik Mauern zu ihrer Verteidigung zulegen, die nicht nur ständig reparaturbedürftig wären, sondern durch die man gehen müßte, um auch nur einen Schluck Wasser zu trinken.»
John Cage
«Der Vater von Fluxus ist Cage, seine Großväter sind Duchamp und Satie.»
Ben Vautier
«Ich lernte von meiner Schwester, wie ein Klavier geöffnet wird. Ich lernte von Addi Køpcke, wie ein Klavier geschlossen wird.»
Nam June Paik
«So dachte ich daran, Dinge in Einklang mit bestimmten Kriterien des Augenblicks zu messen. Zum Beispiel, meine Länge beträgt sechzig verschiedene Tomaten, und ich bin einhundertelftausendzweihundert-fünfundzwanzig Eisenbahnfahrten Kopenhagen-Paris alt.»
Robert Filliou
«Das Wichtigste an Fluxus ist, daß niemand weiß, was es ist. Es soll wenigstens etwas geben, das die Experten nicht verstehen. Ich sehe Fluxus, wo ich auch hingehe.»
Robert Watts
«Die Dinge, die aus der Kunst verschwinden müssen, sind wohl gerade die, die die Kunst ausmachen.»
Tomas Schmit
«Ich signiere alles.»
Ben Vautier
Tu etwas anderes

Leuchtende Vorbilder


Eine Weigerung, sich von der selbsternannten Rasse der Spezialisten für Malerei, Bildhauerei, Poesie, Musik und so weiter kulturell kolonisieren zu lassen, das meint die «Revolte der Mittelmäßigen». Diese Revolte hat bis jetzt wunderbare Resultate in der modernen Kunst hervorgebracht. Morgen könnte jeder revoltieren? Aber wie? Untersuche es.
Was tust du?
Was denkst du?
Worauf die Antwort immer lautet:
Tu etwas anderes
Denk etwas anderes

Robert Filliou

Laubacher Feuilleton 1.1992

Die Gemeinschaft der Künstler und Gemeinschaftsarbeiten in den Künsten.
 
So, 08.05.2011 |  link | (3665) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Artiges



 

... und ihre Folgen

Drei Jahre später durfte ich's nun sehen. Die Mainzer fingen damit an, von dem die meisten meinen, damit habe es angefangen (obwohl der Sommer der Liebe woanders und viel früher wurzelt): Der (Polizei-)Staatsbesuch von 1967, quasi eine sehr frühe Übung für den Heiligen Damm vierzig Jahre später (hier samt entourage présidentielle). Der Besetzer eines Pfauenthrons und Geburtshelfer der iranischen Kulturrevolution besuchte den geschätzten Vorsitzenden Heinrich in dessen Brühler Einfamilienhäuschen und gab damit seinerzeit den Hauptstatisten der Generalprobe für spätere Wasserwerferspiele, da geistig verwirrte Jungakademiker in spe etwas robust die Abschaffung auch des ausländischen Adels forderten.

Roman Brodmann als Berichterstatter hätte für seine Kommentare zu dieser geradezu abstrusen Machtdemonstration durchaus einen Kabarett-Preis nach älteren oder anderen Humorkriterien als den heute allgemein bevorzugten verdient gehabt. Anschließend gaben Klaus Harprecht und Waldemar Besson einen Rückblick auf Ein Jahr der Revolutionen. Es war für einen wie mich, der zwar lieber Steine übers Wasser hüpfen ließ und läßt als sie in Kaufhausschaufenster zu schmeißen, aber dennoch faustschwingend mitgegangen ist sowie für das BRD-weite Fortkommen der Nichtmotorisierten einen gut sichtbaren roten Punkt an der Frontscheibe seines Autos kleben hatte (ich trieb 1969 Studien in Heidelberg), faszinierend, ungemein spannend, diese Bilder aus Bonn, Chicago, Paris, Prag, Rothenburg ob der Tauber et cetera allesamt noch einmal zu sehen, sie auf die eigene frühere Wahrnehmung hin zu prüfen, ob und wenn ja welche Perspektivenverschiebungen stattgefunden haben. Rückblick war das auf und Reflexion über die Zeit Zwischen Nierentisch und Bettvorleger, eine Dokumentation von Peter Schneider, in der es beispielsweise heißt: «Über unsere Mütter als KZ-Aufseherinnen, Mitwisserinnen oder auch nur Mitläuferinnen wußten wir noch weniger als über die Verstrickungen unserer Väter.» Oder in der Folge deutlicher: «Sie versuchten, sich mit Knigge und Benimmkursen vom Herrenrassedünkel zu verabschieden. Doch geholfen hat es wenig, denn während sie uns Anstand predigten, schwiegen sie wieder angesichts des Massakers an vietnamesischen Zivilisten in My Lai.» Das ruft Bilder ab, nach denen man nachdenklich in sich sinken möchte und sich abschließend durchaus wundern darf, daß Galileis Behauptung von der sich drehenden Erde immer noch gilt.

Aber solche Sinniererei erfordert lange Weile. Dafür kucken wir nicht TeVau. So hatten die Mainzer einiges draufgepackt auch für die nativen Nutzer. Für deren «totale und gleichzeitige Verfügbarkeit von allem» hatten die wissenden 3satler schließlich auch noch andere Unterhaltung draufgepackt — Film, Musik, Musik und Film —, auf daß es ihnen nicht zu fade werde, den Jungen oder noch nicht ganz so Alten oder den ewig Gestrigen, die allesamt ihre Information gerne gleichzeitig über die flotteren Bewegungsmedien beziehen, Hauptsache nicht so trocken wie auf totem Holz (daß das Verarbeiten mehrerer Funktionen, neudeutsch Multitasking, zur gleichen Zeit hirnphysiologisch gar nicht möglich ist, das kommt ihnen erst überhaupt nicht in den Hippocampus; der steigert gleichwohl zum Nachweis seiner Existenz bereits die Geschwindigkeitsfrequenz der Kurzmitteilungsfinger). Vierundzwanzig Stunden jüngere Historie wurden recht lebhaft aus der ansonsten eher betulichen Pfalz gesendet, und auch noch frei von knoppschem Geschichtsverständnis.

Aber ach. Wen interessiert das denn (noch)? Wir kennen das doch alles, sind längst gefestigt in unserer Meinung, daß es eine Frauenquote nicht braucht, weil Arbeit sich allemale lohnt, wenn man nur genug Individuum und selbständig ist. Emanzipation ist doch nun wirklich ein alter Hut, der allenfalls noch bei gestrigen königlichen Hochzeiten getragen wird. Denn sie ist mittlerweile schließlich grenzenlos, die Freiheit. Man sieht's doch überall alleine an den vielen fröhlichen Kindern, denen keinerlei Fußfesseln mehr angelegt werden und die deshalb durch nichts mehr zu bremsen sind.

À propos Freiheit. Hintergründe zu Easy Rider gab arte vor ein paar Tagen (wird am 11. Mai für Frühaufsteher um fünf Uhr wiederholt!). Nur zu gut erinnere ich mich noch daran, als ich 1969 völlig fertig aus dem Kino kam, weil da so ein junger Patriot aus einem Kleinlastwagen heraus erst Dennis Hopper von seiner Harley schoß und anschließend auch noch den hilfesuchend davorasenden Peter Fonda liquidierte. Gut gelaunt bestätigte letzterer, der im Gegensatz zu mir seit den Dreharbeiten zu Peppermint Frieden (Schmuddelkinder-Problem) nicht älter geworden zu sein scheint, dem Erstgenannten mittlerweile selig, daß sich an dieser US-amerikanischen Geisteshaltung samt Handlungsbereitschaft nicht ein Jota geändert habe. Das scheint sich dieser Tage bestätigt zu haben. Allerdings, meinten die beiden ehemaligen Hippieheroen, hätte sich das Äußere sowie der Status der Piloten ein wenig gewandelt. Es ginge wieder patriotischer zu, und mehr Dentisten, Schönheitschirurgen und Rechtsanwälte (kein gutes Vorbild?) bildeten heutzutage Rudelgemeinschaften auf ihren Harleys. Man kennt das auch im nahen Osten, gezeigt in einer anderen Reportage über die Besserverdienenden von Kairo. Aber schließlich kommt das Gute ohnehin meistens aus dem Westen. Dazu gehört, im Gegensatz zu den früheren, eher individualistsch und unideolgisch geprägten freigeistigen Reitern, mittlerweile auch der Dienst an Gott, auch MoGo genannt, mit anschließendem Konvoi. Sicher ist sicher. Ein Gebet kann nie schaden, solange man noch nicht weiß, was mit seinem Körper geschehen wird.*


* Seebestattung, gerne. Darüber bin ich mit mir seit langem einig, daß ich mich den Fischen zurückgebe, in die ich mein Leben lang mit Lust meine Zähne geschlagen habe. Wäre ich ein gläubiger Mensch, äße ich damit auch noch reiner als einer, der während er Meterbratwurst in sich hineinmümmelt, gebetsmühlenhaft vor sich hinmurmelt: Denk ich mir, es wär a Fisch. Auf die Suche gerate ich bei dem Gedanken allerdings nach der Sure im Koran, die belegt, daß das unislamisch sei. Auch Muslime fuhren und fahren doch nicht eben selten zur See. Ob mich jemand aufklären kann?


Fundstücke (aus meinem Festplattenaufzeichnungsgerät)
 
Fr, 06.05.2011 |  link | (6282) | 12 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau



 

Eine Revolte ...

Ich erinnere mich. Von wegen. Jetzt fällt's mir wieder ein — ich wollte das damals sehen. Wollte. Aber auf StudiVZ mußten zum wiederholten Mal die Bilder von der vorletzten Party angeschaut werden, das Vokabeltraining für den anstehenden Gummispringseilaufenthalt in Neuseeland wollte repetiert, ein kindergeburtstägliches Gesellschaftsspiel erneut in Augenschein und zwischendrin noch ein Blick auf lustige T-Shirts genommen werden. Ich nahm zwischendrin mal einen kurzen Blick auf prügelnde Polizisten oder Soldaten in Berlin, Bonn, Chicago, Paris, Warschau und Panzer in Prag und Bomben in Vietnam, das war die action, die bei mir momentan Priorität hatte. Aber der Begriff Familienunterhaltung erfährt bisweilen unterschiedliche Auslegungen. Kurz vorm Platzen meiner zum Denken führenden und ohnehin leicht verengten Halsschlagader zog ich mich zurück in die von einem Zweitfernseher beheizte Kemenade. Der Tag, der Abend, die Nacht sollte diesem voluminösen Erinnerungsmenü auf 3sat gehören. Doch es wurde nichts daraus. Zum Zweck des Mensch-ärgere-dich-nicht wurde der Raum meines Abseits' evakuiert. Tagelang hatte 3sat den Thementag Traum von '68 angekündigt. Ich war irgendwie auf anderes heiß als auf Backfischträume.
 
Do, 05.05.2011 |  link | (2202) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau



 







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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6339 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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