Ein Dorf in Aufruhr. Feuerwehr enteignet. Es kann nicht mehr gelöscht werden. Es sei denn, den Kaffeedurst. Des Dorfes Frauen haben, da hat sich wohl etwas von den matriarchalischen Umtrieben der Antike oder anderer hinterwäldlerischer Lebensweisen aus dem Busch herangeschlichen, sich der Männerlust bemächtigt. Flohmarkt ist in der Gemeinde mit ihren zugestandenermaßen nicht einmal zweihundert Seelen. Diese fast ostseeischen aber sind, trotz mediteraner Temperaturen, die buschigen rücken erst heute heimlich in der Dunkelheit oder morgen heran, lebendig wie eben am Mittelmeer. Man schlurft durchs Kaff. Hier hinein kommt ohnehin kein Fremder, da er befürchten muß, mit seiner Ruckikawazacki am Rand des Dörfchens im Acker zu landen. Nur Esoteriker wie ich sind in der Lage, sich entenreifenläufig da hinauszupendeln. Der Busfhrer beherrscht das zwar auch noch. Aber der kommt und fährt nur, wenn ein bißchen Schule stattfindet. Und in Schleswig-Holstein sind immer irgendwie Ferien. Das ist fast wie in Frankreich, weshalb ich mich hier auch so wohlfühle, auch wenn ich zur Zeit immer noch behindert bin, weil der Fuß nicht so läuft, wie ich gerne möchte, und auch das kreisunläufige Gehirn nicht, das vermutlich lieber am Alten Hafen die Beine baumeln lassen würde. Aber das Wetter schafft eine ähnliche Atmosphäre. Auch die Jüngeren haben Kuchen und Torte gebacken, ein paar von Ihnen umtanzen allerdings lieber kultisch die Dorflinde mit dem Findling, auf dem (hier leider nicht, weil der Markt nunmal alles im Griff hat) zu lesen ist, seit wievielen Jahrhunderten der Ort bereits existiert. Wir sind so etwas wie Mittelalter. Das sind auch diejenigen, die über das Privileg verfügen, es eben zu können, zumindest das Backen. Eigentlich wollte ich zum sonntäglich geöffneten Bäcker mit Anschluß an den Geflügelhof und eigener Herstellung sensationeller geräucherter Leberwurst fahren. Doch da stand ich vor Madame Lucette, die doch tatsächlich ihren eigenen Kuchen kaufte. Das war mir Qualitätswertung genug, nun bin ich versorgt. Ich fürchte nur, nicht allzulange. Dann muß ich eben wieder los. Ein Anlaß wird sich finden, etwa der eines Briefes. Den dafür erforderlichen Standpunkt gibt es nämlich auch in der Dorfmitte, gleich neben der Feuerwehr, die mich sonnabends immer pünktlich um zwölf Uhr per Sirene aus meinen antiken Visionen weckt, die ich von Charylla und Charibdis habe. Hier hat die Post nämlich noch nicht modern gebaut, wenn andere das auch versucht haben. Hier gibt es noch einen Briefkasten, und auch die DSL-Leitung ist von einer Geschwindigkeit, vergleichbar mit der Zeit vor der Revolution, als alle königlichen Botschaften per Pferd tranportiert wurden. Deshalb suchen die vermutlich immer noch die Revolutionskate, in der ich Türmer bin. Und wie weiland Rilke lange Briefe schreibe.
Gastartikel Eine Londoner Agentur, die Digitales im Schilde führt, schrieb mich und vermutlich einige mehr an mit der Frage, ob ich «Gastartikel akzeptieren» würde. Die freundliche Dame meint damit vermutlich mein kleines elektrisches Tagebuch. Ich muß annehmen, daß es sich dabei um den Versuch handelt, mit völlig neuen Methoden Werbung einzuschleichen, wie wir aus Alters- ergo Zipperleinsgründen Kenntnisreiche in der Medizin das flapsig umbenennen, zumal der Begriff SEO leicht, aber unübersehbar zwischen den Zeilen hervorlugt. Oder haben die nur das Reizwort aus den digitalen, quasi für jeden einigermaßen Versierten sichtbaren Akten herausgeschnüffelt: Verlag? Lernt man im Marketing nicht, die entsprechenden Seiten seines Gehirns effektiv oder gar effizient einzusetzen? Mit ein wenig Gefühl für die Sachlage müßte einem doch beispielsweise auffallen, daß in meinem Brauser nahezu alles, wie es auf Neudeutsch heißt, deaktiviert ist beziehungsweise nur zum Einsatz kommt, wenn es gar nicht anders geht, ich also gezwungen werde, ansonsten keine Cookies, kein Javascript et cetera lassen die Netzüblichkeiten hinein in mein gemütliches Plauderstübchen. Das wäre doch zumindest ein Anhalts- oder Inhaltspunkt. Doch es wäre sicherlich auch zuviel verlangt, erwartete man von den einen anschreibenden Verantwortlichen, sie schauten bei mir hinein und stellten mit ein wenig Aufmerksamkeit fest, daß ich möglicherweise nicht der ideale Kunde sein könnte, der eben obendrein, da wären wir allerdings bereits einen Schritt weiter, bei dem des ein bißchen genaueren Hinkuckens, sprich Lesens, immer wieder gegen diesen ganzen Konsumrummelplatz donnerwettert. Oder sind mittlerweile diese Gehirnfunktionen völlig außer kraft gesetzt, etwa die, daß sich jüngere und mittlerweile auch mittelalte Menschen ohne diese kleinen kleinrechnerverzierenden Apps und sonstigen elektrischen Navigationshilfen gar nicht mehr frei bewegen können? Hat Manfred Spitzer damit recht, entscheidungstreffende Körperteile könnten, trotz ständigen Muckibuden- und Stöcketrainings der Muskulaturen auch in der freien Natur Schaden nehmen? Apps, das ist die Kurzform eines Begriffes, den ich näher kennenlernte, als eine der Hauptdarstellerinnen des Schauspiels Das Opfer Helena, eine hochgewachsene feine Frau wie vom Hofe eines Sonnenkönigs der Nachkriegszeit, von Strass-Applikationen redete, also nicht von der aktuellen und akuten Volkskrankheit Stress, sondern von billigen Klunkern, die Ersatz sind für Diamanten, die die Damen lieber trügen, die sie aber auf Geheiß ihrer ihnen gebietenden Gatten nicht tragen dürften, da sie Gefahr liefen, geklaut zu werden, die Edelsteine, wie man sie auch kennt von Jeans oder den Hundehalsbändern, die heutzutage die Millowitsch-Töchter der Nation schmücken. Die Landlordgattin, deren einzige Besucherin und ich sprachen während unseres sitzenden Austausches im Rahmen des Golfballs über das Reisen. Meinte diese eine, später dann weglaufende zu mir, ich kennte mich anscheinend recht gut aus in der Welt. Sicher, meinte ich, denn ich sei grundsätzlich auf Nebenstrecken unterwegs gewesen, und zwar ziellos, allenfalls einen Kompaß zuhilfe nehmend. Sagt mir doch, hier muß ich mich korrigieren, was meine Bemerkung zur weiblichen Zurschaubesetzung des Golfturniers betrifft, die aus der unmittelbaren Nachbarschaft beisitzende, noch lange nicht an die Dreißig hinreichende, recht gütlich erbende Tochter von Madame und Gutsherrn, die nichts zu tun hat, als ihrem Gatten abends das Essen hinzusetzen und hin und wieder ihren zwei über die Koppeln hoppelnden Kindern einen Blick nachzuwerfen, die jungen Menschen hätten aber auch heutzutage nicht die Zeit wie die Alten. Sind mittlerweile eigentlich alle junge Menschen so reduziert auf das Wesentliche, das keinen Blick mehr nach dem Prinzip der rechts- oder linksdrehenden Gedanken zuläßt? Funktionieren die alle nur noch mit den Krücken der Navigation? Ist längst alles in dieser unsäglichen Masse unter-gegangen, die selbst dem schlichtesten Denken Fremdbestimmtheit zuweist? Oder haben die einfach tatsächlich nur keine Zeit? Welche Zukunftsvisionen. Hatte der ehemalige deutsche Bundeskanzler damit recht, als er sagte: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen?
Sittlichkeiten. Nackedeierei zwei. Als Folge der Nackichtmachung und damit zugleich eine Antwort auf Nniers Kommentar. Das zwanghafte Gerede. Ich hatte nie den Eindruck, als ob dabei etwas, nenne ich's mal so, Vernünftiges herausgekommen wäre. Es blieb, wie auch immer das Gespräch ingang gekommen war, im Dunklen. Entweder, es war Stammtisch oder Männerwitz und damit quasi ein- und daselbe, oder es wurde in einer Weise problematisiert, bei der nicht minder das Lächerliche im Sinn von Hilflosigkeit zutage trat. Und bis heute hat dieser mein Eindruck sich nicht geändert, Zufällig switchte ich gestern abend in Frau-TV hinein, wo man die immerfrische und allzeit locker-gelöste, als wäre sie Moderatorin beim privaten oder öffentlich-rechtlichen, doch das ist längst ein- und dasselbe, Frühstücksfernsehen, Frau Lisa feststellte, in fünfundfünfzig Jahren WDR hätte man noch nie einen Beitrag zu Länge und Breite und Höhe des Penis' veröffentlicht, aber sie täten(n) das jetzt, sie und Frau-TV. Ganz wie nebenbei erwähnte sie noch löblich den, in etwa, einzigen Mann, der ohne Frauenzwang freiwillig regelmäßig diese Sendung genieße, und er dann, ja, mit dieser Lebenshilfe sei man in der Lage, sich in die Denkweisen der Frauen an sich einzufühlen. Bei alldem kuckt die Verklemmtheit aus allen erdenklichen Löchern. Da kommt das Gefühl in mir auf, Oswald Kolle könnte wesentlich fortschrittlicher gewesen sein in seiner Herangehensweise, die im übrigen seinerzeit eindeutig als Pornographie deklariert worden war, und zwar von jener breiten Öffentlichkeit, die heute kichernd über Schwanzformate redet, also nicht etwa spricht, ist doch kein kommunikativer Austausch zu erkennen, an deren Haltung also sich meines Erachtens nichts wesentliches geändert hat. Sexualität ist und bleibt ein Tabu. Daß Jugendliche oder gar Kinder heutzutage auf diese Weise «aufgeklärt» werden, wird daran auch nichts ändern. Meine Vermutung geht dahin: Es wird sie nicht entklemmen, eher noch mehr verunsichern. Pornographie ist eine andere Welt, die der sogenannten Erwachsenen, wer immer das sein mag, nach welchen Kriterien und von wem auch immer die Pflicht- sowie auch die Kürbewertung für diesen gesellschaftlichen Eiskunsttanz aufestellt werden. In diesen Stand gelangt nämlich nur, wer Erfahrungen macht, die niemandem anerzogen werden können. Ein Besteck richtig und dabei den Rücken gerade halten zu können, das mag man bei den selbsternannten Erben Knigges lernen. Was der alte, wahrhaftige Freiherr mit Haltung gemeint hat, ist eine andere Art von Benimm, das sich erst mit den Zeiten heranbildet, dessen Abstraktion Kinder noch nicht nachvollziehen können, auch die nicht, die ihnen der Norm gemäß ihre Lehren erteilen Jedenfalls sind das meine, meine guten Erfahrungen, die ihren Anfang in der Dunkelheit einer vom freien Leben nicht eben erhellten Frau ihren Anfang nahm. Es ergibt sich im Lauf der Zeit, daß ein Licht aufgeht, daß einem gegebenenfalls ganze Kronleuchter aufgehen. Denn nicht diese Art Aufklärung wird die Menschen freier machen, darüber zu sprechen, sondern das Freilassen des Geistes. Ich habe dabei nicht die Absicht, Psychologen in die Arbeitslosigkeit entsenden zu wollen. Doch ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, sie zerredeten im Rahmen der ihnen vorgegebenen Normenvorgaben mehr, als daß sie Probleme lösten. Wenn man darüber sprechen möchte, dann sollte es auf eine Weise geschehen geschehen können, als ob man übers Essen spräche, nicht wie mit dem Nachbarn übern Gartenzaun übers Wetter, doch durchaus leicht, aber eben über Inhalte des Lebens und dessen Mittel. Aber wer nicht die Möglichkeit fand, einen Geschmack heranzubilden, weil ihm dazu nie Gelegenheit gegeben wurde, der wird über Geschmack nicht einmal reden können, der wird immer auf der unteren Ebene bleiben, etwa der der ansonsten zu sich genommenen Nahrung etwa vom Discounter, bei dem die Nahrung lediglich einen Wert für die Gewinnzone der Anbieter hat. Da verhält es sich meines Erachtens nicht anders als mit der anderen Aufklärung. Wer in der bibila pauperum «liest», dazu gezwungen ist, gleich dem Anschauen einfacher Bilder, der wird nie im Siècle des Lumières ankommen. Zwar wird der eine oder andere sich als moderner Mensch bezeichnen, aber erleuchtet ist er von Energiesparlampen, die schlechtes Licht abgeben und zudem hochgiftig sind. Die Faktoren sind ihm zwar allesamt bekannt, dennoch bleibt er brav im Laufstall und gedenkt nicht aus dem auszubrechen, dessen Regeln er durch seine Kreuze unterschrieben hat und die er immer wieder an die gleiche Stelle setzen wird. Als von oben Gebildeter wird er bis an sein Ende seufzen: Welchen anderen Gang soll ich denn nehmen? Das ist schließlich mein Kreuzweg. Von welchem Belang das Thema ist und welche andere Faktoren damit hineinspielen, zeigt die für meine Seitenverhältnisse ungewöhnlich hohe Einschaltquote. Das mag auch mit an dem Titel liegen, der unzweifelhaft auf Eindeutiges hindeutet, aber ich als Wallenstein kenne meine Pappenheimer so gut, um zu wissen, was beinahe ein jeder so mit sich herumschleppt in seinen Gedanken. Ich führe das zu großen Teilen darauf zurück, das sich gestern am frühen Abend nach unseren Gesprächen über Golf und die Welt in den Worten der einzigen anwesenden Frau äußerte: Sie sei von Geburt an evangelisch. Da bin ich dran an dem von mir immer wieder angeführten wesentlichen Punkt. Es wird erst gar nicht angezweifelt, wohin man gehört. Und in dieser Familie gleich Gemeinde ist man von Anfang an Regeln, sprich Geboten unterworfen, die keine andere Sichtweisen zulassen. Ich mag als zwar kultiges, aber immerhin fröhliches Beispiel die Bacchanten anführen, in dem dem freien Spiel der Liebe und allen Bei- und Zugaben gefrönt wurde, das nicht nur mit Einführung sittenhafteren Benehmens durch die Römer aufgelöst, sondern das später durch einen einzigen Gottesbefehl ausgelöscht wurde. Wir sprechen heutzutage beispielsweise über Hetero- und Homosexualität, als ob das ein Problem wäre, das erst mit der Moderne eingeführt worden sei. Gleich den Künsten der Ärzte in der Antike, Jahrhunderte war deren Wissen verschwunden, aus welchem Grund auch immer, die weitaus mehr wußten und demgemäß handelten beziehungsweise behandelten, als viele unter uns auch nur erahnen, ging all das unter in einem Geist der absoluten Reduktion, das einem Nichtwissen gleichkommt. Es spiegelt sich vortrefflich im derzeit so überbeanspruchten Begriff der sogenannten Sparsamkeit, geboren nicht etwa aus materieller Armut, sondern ist hervorgegangen aus einer in diesem Zusammenhang fast schon strahlend zu nennenden Opulenz jener Biederkeit, die in einem schwäbisch-uckermärkischen oder auch schwedischen oder andersähnlichen Pietismus wurzelt, der myzellisch, also unterirdisch die Gesellschaft durchwächst und deren Leben bestimmt. Homosexualität beispielsweise drückt sich innerhalb unseres aufgeklärten Bemühens beispielsweise im Recht auf Gleichstellung christlich normierter Paarbildung aus. Alle anderen sexuellen Neigungen laufen hingegen Gefahr, als Straftatbestand verfolgt zu werden. Bereits Bisexuelle gelten als pervers, auf jeden Fall als nicht «normal». Letztendlich werden sie diskriminiert. Greift dort das gerade mal sechs Jahre junge Gesetz, geschaffen von Erwachsenen mit dem Recht, über andere zu urteilen? Man könnte meinen, ich sei gestern in den Zuber voller Weingeist gefallen. Nein, ich bin bei vollem Bewußtsein. Ich setze meine Überlegungen zum Thema, zum Aufgehen der Sexualität im Kapitalismus morgen fort, oder aber übermorgen oder überübermorgen, denn es sind Temperaturen abgekündigt mit einer Schwüle, bildhaft darstellbar mit der allenthalben so beliebten, aber dennoch geistigen Regularien unterworfener Verklemmtheit, bei der mir jede Lust vergeht. Da werde ich allenfalls dem köstlichen Laster des Baumelns der Beine am Bach frönen.
Der Tod ist nicht mehr als ein gutes Ende Exact zu der Stunde, als ich gestern begann, über Golf und die Welt zu sprechen, fuhr ein Mann in die Grube, den ich alleine deshalb achtete, da er gemeinsam mit seiner Gattin wunderbare Menschen, im besonderen eine großartige Menschin unter die Menschheit brachte. Die Worte der Trauerkarte entsprechen ihm meines Erachtens genau und sind beispielhaft. Ich weiß nur Gutes von ihm zu erzählen. Ein freier Geist. Selten am Wasser gebaut, muß ich nun trotzdem weinen. Verspätet ein letzter Gruß also von mir, von hier aus an ihn und alle anderen.
Golf ist ein verlorener Standpunkt Frei nach Tucholsky, der damit den verkorksten Spaziergang meinte. Sozusagen aus thematischen, also geschmacklichen Gründen verlagere ich meine Antwort an Sturmfrau hierher. In der anderen Abteilung geht es zwar auch um das Immergleiche, aber es ist schließlich dann doch nicht das Selbe. Zunächst die alte Anmoderation: Ich muß meine Suada, meine sanfte Kunst der Überzeugung vom Sein des Anderserleuchteten jetzt leider unterbrechen. Der Herr, ich glaube, er ist noch ein paar Jahre jünger als ich, aber er wird mit zunehmendem Alter mir immer ähnlicher, nämlich albern, hat von unten her gerufen. Was kann alberner sein, als hier auf dem Landlord-Gelände ein Golfturnier mit Mittelständlern der Region zu veranstalten. Aber das muß ich nun ankucken. Hab' ich ein Glück, daß ich altersbedingt nicht nur geistig, sondern auch körperlich behindert bin. Mit solch einem Handicap fällt einem vieles leichter. Ein wenig kommt mir das vor wie das Pétanque-Spiel. Das begann auch damit, daß da unten im Süden, in der Nähe von Cassis jemand nicht mehr stehen konnte und er sich daraufhin setzen durfte, um zu spielen. Das macht den Sport an sich gemütlicher. An die erwähnte Bourguignonne bin ich nicht herangekommen, überhaupt nicht an den Inhalt der Flaschen, darunter eine, die aus Nuit-Saint-Georges, der Gegend um Beaune, die sich wohlig in meinen von Liebe getränkten Gedanken räkelt, mit der ich sogar einen Bund fürs Leben eingehen würde. Die ärgste Unverschämtheit dabei war, daß die feinen Edelheiten, bis hin zu einer 65erin aus einem pomerolschen Gestüt, mich nicht beachtend, folglich von mir unberührt beinahe selig so für sich hin in den Regalen lagen. Dabei war ich bereits von ihrem Anblick derart trunken, das Betrunkensein kam später vom tatsächlich getrunkenen Wein, daß ich nicht einmal in der Lage war, romantisch scharf zu stellen. Und der 95er Soutard, meinte Madame Lucette mir gegenüber wie immer freundlich, mittlerweile fast freundschaftlich lächelnd, mit den Franzosen geht das nicht so schnell wie im Portal der Gesichtserkennung, aber ich meinte in ihrem Inneren ein leichtes Feixen zu erkennen, der müsse auch erst nochmal fünfundzwanzig Jahre reifen. Erst im Alter sei man soweit, es zum Höhepunkt kommen lassen zu können. Die Jungen, die vom Essen und Trinken als Sexualität des Alters sprächen (wie ich das immer wieder mal gelesen und an Menschen weitergegeben habe, die mit dem Internet eher weniger anfangen können), könnten das verständlicherweise noch nicht wissen. Ich aß, wie bereits erwähnt, Taboulé aus der Ideenküche des ardennischen Vaters, der eine Weile seines Lebens in Algerien verbrachte, zu der Zeit, als in Frankreich die Welt noch nicht so richtig in Ordnung war wie heute, da der Sozialismus regiert. Erst im nachhinein erfuhr ich, daß das gegrillte Fleisch nicht von der Kuh, sondern von den Nacken handmassierter Schweine eines im Abseits und im Land der norddeutschen und damit härtesten aller Griller (ab acht Grad plus wird er angeworfen, ohne sein Gemüse Fleisch ist der Holsteiner nicht in Bewegung zu bringen) völlig unbekannten Schlachters aus einem nahen Dorf nach althergebrachter, fast ein bißchen französisch geschnitten produziert worden war. Hätte ich das vorher gewußt, ich hätte meine eigentlich im Norden gewachsene Fleischesunlust drangegeben. Ach so, der Sport. Eines der angenehmen Begleiterscheinungen an dieser Veranstaltung war, keiner der geistig Sportiven hat mich zu missionieren getrachtet. Doch es wäre auch ihnen nicht gelungen, bin ich doch, wie wir bereits festgestellt haben, nicht mehr zu retten. Ich hatte ohnehin den überwiegenden Eindruck, den Herren könnte es insgesamt an entsprechender Leidenschaft gefehlt haben. Das mag sich darin ausdrücken, daß kaum einer von ihnen früher als vor fünfzehn, zwanzig Jahren damit angefangen hat, auf die Kugeln einzudreschen anstatt sie sanft und im Sitzen zu schubsen, wie wir Pétanquistes das tun. Sie gehören einer mit mir eher weniger geistig verwandten Mannschaft an, bei der erstmal was angeschafft werden mußte, bevor man sich dem Vergnügen hingab. Es mag aber auch daran gelegen haben, daß die Herren sich diesem Sport hingegeben haben, um zuhause rauszukommen. Das gab jedenfalls die neben der Dame des Hauses einzig anwesende Frau als eventuelle Argumentation zum besten. Männer gehörten dazu, die sich weigerten, Golf zu spielen, sollte die Gattin sie begleiten wollen. Und so war's denn auch wie üblich: ein Teil wurde von seinen Chauffeusen abgeholt. Ja ja, der Wein war gut, auch der schlichtere vom badischen Land, unweit Frankreichs, von ähnlicher Bodenbeschaffenheit des Elsaß', ein sommerfrischer Pinot blanc. Die Rote hat mich ja nicht rangelassen.
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