Antwort für Enzoo

(nicht zu verwechseln mit meiner geliebten und verehrten Enzo Enzo, sondern Fragesteller in Sachen Glauben drüben im Wahrnehmungsfenster der Seemuse. Da es eher zu meinen Innereien gehört, stelle ich es leicht abgeschirmt hier ein.

Weggesperrt war ich nicht. Aber in einer Art Elfenbeinturm oder besser mehr oder minder gepanzertem Glashaus befand ich mich durchaus. Als Schutz gegen die bösen Psalmen- oder Surenschmeißer et cetera dieser Welt galt der freie Blick auf sämtliche Horizonte, und jede Frag(würdigkeit) wurde auch dem Kind gegenüber (auf-)geklärt. Diesem patriarchischem Gebot hat sich sogar meine ansonsten sehr selbstbewußte und eher dominante Mutter unterworfen, selbst bei Abwesenheit meines Vaters, was überwiegend der Fall war. Hinzu kommt, daß wir während meiner gesamten frühen Kindheit beinahe jährlich in ein anderes Land zogen, so daß es kaum zu vertiefbaren Kontakten mit anderen Menschen kommen konnte. Erst zu Beginn meiner frühen Jugend kam ich (auf meinen Wunsch hin) in ein Internat, in dem sich ausnahmslos ebenfalls Kinder von solchen Weltreisenden aufhielten, bei denen Glaubensfragen so gut wie nie zur Sprache kamen. Man mag diesen merkwürdigen Sozialisierungsprozeß beurteilen, wie man mag, und zweifelsohne hat er zu einer nicht ganz unproblematischen Bindungs(un)fähigkeit geführt, die unter anderem dazu führte, daß ich mich im Alter von fünfundzwanzig Jahren (da war mein bereits neunzigjähriger, also wahrlich alter Herr des Jahrgangs 1875 bereits fünf Jahre tot) von aller Blutsverwandschaft getrennt habe. Glaubensfragen spielten dabei durchaus eine, wenn auch nebensächliche Rolle. Auslöser war dabei mit eine nicht ganz schmerzfreie Zeit der Suche – aber eben die nach (geistiger) Freiheit. Sie verbindet mich bis heute gedanklich tief mit meinem Vater.
 
Mo, 18.10.2010 |  link | (2558) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Inneres


enzoo   (18.10.10, 15:08)   (link)  
oh.
ich wollte durchaus nicht persönlich werden, allein schon, weil ich eine bejahende antwort auf meine unbedacht geäusserte erste frage nach kaspar hauser wegen ihrer ungeheuerlichkeit ausgeschlossen und ich sie vermutlich nur rhetorisch gemeint habe. entschuldigen sie, so war das nicht beabsichtigt. umso mehr freue ich mich über ihre offene antwort und gehe das nächste wagnis von missbilligung ein indem ich behaupte: auch ihr lebensweg hat durchaus "das zeug" für eine literarische vorlage - und vielleicht blamiere ich mich in völliger unkenntnis ihres blogs nun endgültig bis auf die knochen, weil sie darin möglicherweise die entstehung ihrer autobiographie umfassend abgehandelt haben. ich werde mich daher an den ratschlag halten den man irrlichternden schustern gibt und zu meinen leisten zurückkehren.

aber danke nochmals für die erhellenden worte!


jean stubenzweig   (18.10.10, 15:52)   (link)  
Entschuldigen müssen
Sie sich dafür nun wirklich nicht. Solche (berechtigte) Fragen werden schließlich immer wieder gestellt werden. «Personalisiert» habe ich es in erster Linie, da ich Seemuse nicht ihr Wahrnehmungsfenster verdunkeln wollte mit Anmerkungen, die eben allenfalls in mein Logbuch gehören. Und der Kaspar Hauser, der hat mich eher belustigt. Mein gar nicht beschwertes und auch nicht absonderlich, sondern lediglich ein klein wenig anders verlaufenes Leben (ich kenne da ganz andere, wirklich interessante Biographien!), das sich ohnehin im zarten Alter von etwa fünfundzwanzig Jahren dramatisch normalisierte, hat mir gleichwohl durchaus etwas Gelassenheit mitgegeben, mir gegen übermäßige Empfindlichkeit einen leichten Glashauspanzer verpaßt.

Fragen Sie das Leben nur weiter. Wenn Sie immer nur bei den Leisten bleiben, tun Ihnen zwar nie die Füße weh, aber Sie bekommen auch nie Antworten, die Ihnen über Grenzen hinweghelfen.


enzoo   (18.10.10, 19:25)   (link)  
natürlich
frage ich weiter, das leben und was ich sonst noch so vorfinde. aber fragen muss wohlüberlegt sein, und das war wohl nicht der fall.

aber - neugierig geworden habe ich ihre fotos gesichtet und gesehen, dass sie die gleiche ausgabe von zettels traum haben wie ich. das hat mich gefreut - so oft sieht man den bücherziegel dann ja auch wieder nicht!
















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