Durchs wilde Werbsurdistan

Bereits Mitte der Achtziger setzte bei mir der Ärger ein. In den Neunzigern schien es für jemanden wie mich dann vollends unmöglich, ein Polohemd oder eine Hose ohne aufgenähtes oder aufgedrucktes Emblem zu erstehen. Wollte ich dennoch unbedingt ein Produkt bestimmter Fertigungsqualität haben, war es die Regel, daß ich oder besser eine weitaus geduldigere Freundin das Adelskennzeichen einer bestimmten Marke in fieseliger Arbeit vom Werkstück entfernen mußten. Es war zum Behufe der heutzutage so geschätzten Anonymität erforderlich, meist kleine Ladengeschäfte aufzusuchen, deren Produkte dann durchweg sehr viel teurer bezahlt werden mußten. Wollte das auf diese Weise oberflächliche Individuum unerkannt in der Masse verschwinden, hatte es dafür eben seine Gebühr zu entrichten. Doch selbst das scheint heute kaum mehr möglich zu sein, allenfalls ein paar Inselchen läßt die globale Klimaerwärmung noch aus dem angestiegenen Mehr des immer massigeren Geschmacks hervorlugen. Ähnlich den passiv Kreativen des Zuschauens beim Kochen dürfte heutzutage kaum noch jemand über Bekannte oder, wie das heute auf Globaldeutsch heißt: Friends verfügen, die beispielsweise einem wie mir einst eine Breitcordhose auf den Leib zu schneidern vermögen. Gebannt schauen sie im TiWie oder eher noch im worldwide Net in der Tube den alten Meistern dabei zu, wie die Schuhe klöppeln, die einem zwanzig und mehr Jahre an den Füßen bleiben, um dann in den Laden einer zumindest europaweit vertretenen Kette zu entschwinden und sich ein paar dieser Treter zuzulegen, in denen stehend einst ein Minister der Partei gekürt wurde, die einmal fürs Selberhäkeln und -stricken im heimischen Gärtchen stand und die für mich nicht erst seit heute als Synonym für eine weltläufige Pseudoindividualität steht, quasi als Vorbild für eine einzige politische Glaubensrichtung, die sich quer durch alle Parteien ausgedehnt hat, also ein einheitliches Bild nicht nur deutscher, sondern durchaus auch europäischer, ach was, euroglobaler Gemeinschaft herstellt.

Phom hat ein überzeugendes Bild gemalt. Es ist geradezu dreidimensional. Es ist derart plastisch, daß ich an die Lehre erinnert werde: Man habe, um alle Nuancierungen zu erkennen, um die Skulptur, um die Plastik herumgehen. Oder diese Variante: Das Kind hebt das Gemälde von der Wand weg an, um dahinterzuschauen, in der Wißbegier, was sich dahinter verbergen könnte. Ursprünglich wollte ich bei Phom lediglich einen Kommentar abgeben. Ich habe ihn hierher verlagert, da es auch mein Gedankenbild ist. Das mag man Piraterie nennen, doch eher tendiere ich zu der hier bereits mehrfach markierten These von Kurt Tucholsky: Es gibt keinen Neuschnee. Ein wenig erhoffe ich mir auch, auf diese Art des Kopierens den Betrachterkreis (s)eines Gedankengemäldes zu erweitern. Am liebsten würde ich komplett abschreiben. Aber dann käme ich mir vor wie ein allzu vom Urheberrecht befreiter Herr, vielleicht auch wie der Zuschauer einer Kochsendung, in der die Zubereitung feinster Meeresfrüchte zelebriert wird, der dann aber in den Supermarkt geht, um eine Packung mit Markenfischstäbchen zu kaufen. So getraue ich mich lediglich, ein Amuse-gueule zu servieren, das zudem meine Sichtweise hervorhebt:
Man ahnt gar nicht, wie sehr Menschen heute bestrebt sind, zu Werbeträgern zu »avancieren«. Schüler tragen Y-Rucksäcke und Z-Schuhe, ein junger Herr trägt eine dieser Jacken mit dem bekannten Pfotenabdruck, ein anderer macht Werbung für den Kilimandscharo (nein, nicht das Bergmassiv!) und eine junge Frau wirbt für einen berühmten Handtaschenfabrikanten. Ein mittelalterlicher Herr wiederum schickt sich an, für das Unternehmen, dessen Name auf seiner Mütze steht, zu werben. In Anbetracht des Zustands dieser Mütze praktiziert er das auch schon eine ganze Weile. Unentgeltlich, vermutlich. Ein gewisser Landsmann stellt das wesentlich geschickter an — er könnte alleine durch das Tragen seiner Mütze das finanzielle Auslangen finden. Und dabei müsste er noch nicht einmal auf Gänsestopfleber oder Kaviar verzichten. In besagter Tram wird derweil ein nicht mehr ganz so junger Herr mit grau meliertem Haar nach der Uhrzeit gefragt. Er zieht einen Ärmel seines Sakkos hoch und legt damit eine Uhr offen, der deutlich ein Markenname eingraviert ist. Zur selben Zeit zeigen andere Leute draußen im Regen »Flagge«, indem sie ihre Schirme aufspannen, von denen etwa jeder zweite einen Werbeaufkleber trägt.
Werbung im Alltag: In der Höhle des Löwen
Daß es Märkte geben muß, auf daß der heute beschönigend und irrwegführend zugleich Verbraucher genannte Konsument über das Angebot informiert werde, daran besteht auch für mich partiellen Verweigerer kein Zweifel. Ohne Propaganda wäre viel durchaus Nützliches noch immer nicht angekommen. Daß jemand wie ich bereits vor dreißig Jahren auch ohne Internet zu der Erkenntnis gelangt ist, daß ein Gurkenhobel aus Holz mit darin gebetteten Messern aus kohlenstoffhaltigerem Eisen nicht nur nachhaltiger, sondern auch wirkungsvoller ist als ein modernster aus erdöligem Kunstoff mit Wegwerfstahl, das mag am untergegangenen Bedürfnis nach tatsächlicher Information liegen. Es ist zur Randbemerkung verkommen. Aber daß es in der immer wiß-, richtiger: neugierigen Gesellschaft soweit kommen mußte, daß das ständig um Individualität bemühte Individuum derart die Orientierung verliert, bietet schon wieder eine Neuorientierung. In Phoms Heimatland heißt eine Religionssendung des Fernsehens bezeichnenderweise Orientierung.

Interessanterweise ignorieren diese sich über Marken definierenden Individualisten die Tatsache, daß letztlich nahezu alles erforderliche Zubehör aus einem riesigen Lager des Ostens kommt. Aber dort wird bekanntlich das Licht angeknipst, dort geht die Sonne auf, die die Gemeinsamkeit im Guten und Großen voranbringt. Und die hat ihren Preis. Alles muß billiger werden. Da trägt man dazu bei, auch noch als kostenloser Werbeträger für die Senkung der Kosten zu sorgen. Das macht zwar ein paar wenige reich, aber die Masse arm. Doch wer gehört schon zur Masse? Wir sind allesamt Individualisten.

Mein heutiger Kommentar möge bitte lediglich als erweiternde Reklamation eines mittlerweile endgültig ungläubig Staunenden gelesen werden. Allerdings belegt diese aus anzunehmenderweise jüngerer Perspektive geschilderte Werbung im Alltag, daß ich noch nicht ganz so abgeschrieben bin wie mittlerweile der größte Teil der Gesellschaft.
 
Do, 19.04.2012 |  link | (1753) | 12 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele


nnier   (19.04.12, 22:55)   (link)  
Absurderweise geht es ja gerade nicht ums bezahlte Reklamelaufen. Es geht um das einzige, das den einen Turnschuh noch vom anderen unterscheidet, um das Irgendwie-Spirituelle, Irgendwie-Aufgeladene, denn dass die alle in denselben Sweatshops produziert werden, daraus machen nicht mal mehr die Anbieter einen Hehl. Man markiert diese Artikel mit dem Glamour derjenigen, die sie gegen Bezahlung tragen, mal ist es Madonna, mal ein Sportler, und der Kunde kauft diese Markierung, keinen Schuh.


jean stubenzweig   (20.04.12, 12:42)   (link)  
Irgendwie spirituell,
das ist es, was ich mit Orientierung meinte. Okzidental programmiertes Programm der Suche nach dem Licht. Das ist das eine. Das andere ist mein fortgesetzt ungläubiges Staunen darüber, wie weit ein sogenanntes Gemeinschafts- oder Gemeinsamkeitsgefühl diese perfiden Züge annehmen konnte. Mit dem Herdentrieb kann ich mich gerade noch abfinden, muß ich, weil es wohl in der Natur des Menschen liegt, weil es einen weniger friert, wenn man in der Masse versucht, in die Mitte zu rücken. Das mag von Fall zu Fall sein Gutes haben in dieser orientierungslosen Zeit. Aber daß es dazu derart illuminierte Vorbilder benötigt, will mir partout nicht einleuchten. Das scheinen mir synthetische Räusche zu sein. Was wiederum in die Zeit paßte, in der die meisten sich, ihr Ich gedanken- und hemmungslos aufzugeben bereit sind: weitaus mehr Style als Life. Wir sind ja alle sowas von kreativ. Aber ohne jede eigene Idee. Vermutlich senkt das den Energieaufwand.


g.   (20.04.12, 07:01)   (link)  
Wenn man schon nicht (mehr) weiß, wer man ist, kann man wenigstens an den Aufschriften ablesen, wie oder wer man gerne sein möchte.


jean stubenzweig   (20.04.12, 14:43)   (link)  
Glaube oder Nichtglaube,
scheint mir die Umkehrung oder auch gänzliche Tilgung der Frage nach dem Sein. Die einen lassen sich von violetten oder auch lilalenen Tüchern umschlingen, die anderen von Klamotten, die jeder trägt. Ich bin wie du. Normal eben.


enzoo   (20.04.12, 10:25)   (link)  
vor einigen jahren
klebte die autowerkstatt, in der ich meine karre servicieren lasse, also nicht so eine kleine garage in einer nebenstrasse, sondern der grosse autofachhändler, in der ich das gefährt allerdings nicht, weil gebraucht, gekauft hatte, einen ca. 10 mal 50 cm grossen plastikaufkleber mit dem Markennamen (als ob der nciht ohnehin rundum am auto ablesebar wäre) und dem eigenen händlernamen auf die heckscheibe, nicht sichtbehindernd, das ding ist ja gross genug. ich sagte nichts, schickte dem händler nach einem halben jahr allerdings eine rechnung über einen nicht mehr ganz geringen betrag, wobei ich mir die mühe gemacht hatte zu recherchieren, wie hoch der werbewert denn nun wirklich war, gemessen an den aufenthaltszeiten des autos ausserhalb der garage und der grösse des aufklebers. ich bezog mich als juristischer nicht-mal-halblaie auf schlüssiges verhalten, worin ich sein applizieren seiner werbebotschaft auf meinem auto als vertragsabschluss interpretierte. danach folgten (von seiner seite) aufgeregte telefonate. es sei eben üblich dass er das mache, alle machten das, und nicht üblich dass er dafür bezahle. ich verwies ihn auf meinen rechtschutz, er möge das mir ihr ausmachen, und ich bliebe bei meiner forderung.

leider habe ich die juristische realität (von der ich annehme, dass sie gegen mich gewesen wäre) nicht herausgefunden, denn er bot mir von sich aus an, das nächste service kostenlos zu machen. das fand ich dann zu verlockend um es nicht annehmen zu können. dass der aufkleber nach diesem service nicht mehr an der heckscheibe klebte, muss nicht erwähnt werden. ausserdem erzählte mir der geschäftsführer später, er frage jetzt jeden kunden, ob er etwas dagegen habe, einen aufkleber mit seinem firmennamen auf seinem auto appliziert zu bekommen. seither brauche er nur mehr die hälfte davon.


jean stubenzweig   (20.04.12, 16:10)   (link)  
Wegweisend
scheint mir diese Methode: Weg von dem mittlerweile nicht mehr ganz neuen Weg. Sie erinnert mich an Zeiten, es gab noch lange kein Internet, über das man seinen Ärger beispielsweise über Sammelaufrufe in Blogs kundtun konnte, als ein Bekannter alles, was an unverlangten Werbebotschaften in seinem Briefkasten landete, obwohl er das per gut sichtbarer Aufschrift ausdrücklich untersagte, für den Absender kostenpflichtig an diesen zurücksandte. Das schien Wirkung zu zeigen, konnte er die Werbeflut tatsächlich eindämmen. Kostet es was, vor allem das eigene Geld, werden die Botschafter weitaus weniger mitteilungsbedürftig. Das hat seine Gültigkeit behalten, wie Ihr zur Nachahmung empfohlenes Beispiel zeigt.

Ich praktiziere das in ähnlicher Weise. Ich drohe mit kostenpflichtigen juristischen Maßnahmen, auch im scheinbar zu vernachlässigenden Minimalfall, wenn trotz Verbots mal wieder ein Werbeblättchen in meinem Briefkasten landet. Da ich das seit etwa zwanzig Jahren in jeder Hinsicht konsequent handhabe, bleibe ich im wesentlichen unbehelligt.

Allerdings frage ich mich und alle anderen: Weshalb tun das nicht mehr Menschen? Solche Versuche gegen Unternehmungen wie die Reklamemaßnahme des vierbuchstabigen Fischblatts, das das eigene unwürdige sechzigjährige Bestehen zum Anlaß nimmt, den selbstproduzierten geistigen Müll noch zu steigern, indem es ihn auch seinem letzten Gegner in den Briefkasten stopft, sind doch aktionistische, die kaum etwas am Status quo verändern dürften. Doch an dem zu rütteln, das dürfte ohnehin nicht beabsichtigt sein. Denn den meisten scheint die schöne Werbewelt samt der dazugehörenden Marken endgültig abgesegnet, sprich geheiligt. Ich denke dabei an Angela Merkels Aussage «marktkonforme Demokratie», von der ich zuletzt bei der Kopfschüttlerin in einem anderen Zusammenhang gelesen habe.


seemuse   (20.04.12, 13:09)   (link)  
eine kleine geschichte
habe ich auch dazu: ich habe meiner tochter (pflichtschulalter) die kleider selber genäht. weil ich es konnte, weil es kostengünstiger war und, vor allem, weil sie es mochte. es hat ihr getaugt, anders angezogen zu sein als alle anderen. und zugegebenermaßen: wir waren sehr kreativ darin. und dann kam eines tages eine vorladung der schuldirektion, die dann meinte, ich solle mein kind nicht so ausgefallen kleiden, die (modelabel-uniformierten) mitschüler könnte das stören.


jean stubenzweig   (21.04.12, 13:22)   (link)  
Unglaublich!
möchte ich ausrufen. Doch dann besinne ich mich auf meine Erfahrung, die mir sagt: Bloß nicht wundern, das ist die Wirklichkeit. Fast bin ich Gegner der Gleichkleidung versucht, die Schuluniform zu fordern. Doch dieser Forderung bedarf es gar nicht, hat die neue Gesellschaft sie sich doch längst freiwillig überziehen lassen: «modelabel-uniformiert». Ein Hoch auf die vielzitierte Kreativität — des Marktes der Marken.

Es gab einmal eine Zeit, da ärgerte man sich über diejenigen, die anderen Kindern das Leben erschwerten, weil deren Eltern sie mit Klamotten zur Schule schickten, die sich beziehungsweise deren Klientel durch eine bestimmte Emblematik «auszeichneten». Aber schließlich soll in einer sozialen Gesellschaft jeder alles haben dürfen. So scheint mir dies eine Form von «direkter» Demokratie zu sein, lege ich, wie oben bereits erwähnt, die «marktkonforme Demokratie» zugrunde. Die Macht der Masse, die alles billiger macht. So sieht's jedenfalls aus. Auch auf diese Weise vermag sie gleich werden. Früher war's der Parka aus Restbeständen des Militärs, heute ist's das apfelgetüpfelte Rosettchen aus der Volksrepublik.


jagothello   (20.04.12, 21:09)   (link)  
Angst vor dem Neuschnee
habe ich seit frühkindlichen Tagen, in denen ich noch der Spiritualität fähig war und Zwiesprache hielt mit Gott. Dachte ich einmal Unerhörtes (was durchaus vorkam), hielt ich das für gefährlich, denn es erschien mir schlüssig, dass dies zum einen IHM nicht verborgen bleiben werde und zum anderen, dass es für meinen Schöpfer keinen geeigneteren Zeitpunkt geben könne, mich abzurufen. Ein blasphemischer Affekt, bei dem ich mich noch heute ertappe. Und doch; dieser Pakt hätte etwas: Bleib weltlich, bis dir mal etwas Originelles einfällt. Dann erst ist deine Schuldigkeit getan.
Für Sie hoffe ich, dass das nichts weiter als kindliche Suggestionen sind oder wenigstens nicht für Sie gilt, denn Ihre Werbe-Gesellschafts-Schelte, die ist schon... originell. Vielleicht Neuschnee.


jean stubenzweig   (22.04.12, 13:02)   (link)  
In frühkindlichen Tagen
hatten Sie solche Anwandlungen, Anrufungen des Geistes? Ich habe allenfalls gespielt. Mit Puppen. Allerdings hat mir in jüngsten bis jungen Jahren auch niemand etwas von einem Schöpfer erzählt, jedenfalls nichts in der Weise, daß das nachhaltige Auswirkungen auf meine geistige Entwicklung gehabt haben konnte. So ereilte mich eine gewisse Spiritualität erst dann, als ich mithilfe von diversen Rauschstoffen das Jenseits zu erkunden versuchte. Aber auch das ist schon wieder sehr lange her, deshalb: Langzeiterinnerung.

Daß meine Werbe-Gesellschafts-Schelte originell, vielleicht gar Neuschnee sein soll, das überrascht mich doch ein wenig. Ich bin doch lediglich ein Ruferlein im vermutlich nicht ganz so geringen Mehr derer, die auf diesem riesigen Rummelplatz des Marktgeschreis dagegen anrufen. Doch es mag durchaus sein, daß das allesamt silbergelockte Antiisten sind, die die Wirklichkeit einfach nicht wahrhaben, die partout nicht erwachsen werden wollen: Kindsköpfe eben.


phom   (20.04.12, 22:58)   (link)  
Ach, Herr Stubenzweig. Ich muss Ihnen wieder einmal danken für Ihre wertvolle Ergänzung zu meiner bescheidenen Betrachtung. Dabei habe ich selbst ja lediglich ein Bild gemalt oder – wie man es nennen könnte – in Worten einen Teil meiner Realität beschrieben. Vielleicht nicht gänzlich ohne den Schatten einer Kritik zwischen den Zeilen, aber diese hat ja mitunter auch ihre Berechtigung.

Zwar habe ich selbst noch keine Veranlassung dazu gesehen, meine Anwältin gegen gleichsam unliebsame wie aufdringliche Werber ins Feld zu schicken, aber ich kann es Ihnen nicht verdenken. Es scheint dies immerhin die einzige Sprache zu sein, die manche Leute verstehen. Wo Robinsonlisten nicht mehr weiterhelfen, kann ein bisschen Säbelrasseln ja vielleicht ganz nützlich sein. Oftmals sind jene, die erst groß die Werbetrommel gerührt und ihre Lakaien ausgeschickt haben, mit einem Mal sehr kleinlaut, wenn sich manch ein Verbraucher anschickt, die Krot eben einmal nicht bereitwillig zu schlucken. Solche Vorgehensweisen sollten vielleicht verstören, aber nicht verwundern. Werbung im Allgemeinen muss zwangsläufig penetranter werden, um in der Masse der Reklame und der Propaganda überhaupt noch aufzufallen.

Was Kleidung betrifft, so kann ich sagen, dass es hierzulande mitunter ein Unterfangen ist, ein Stück Stoff zu finden, das gänzlich ohne Embleme und Logos auskommt. Ich bin in dieser Hinsicht vielleicht etwas eigen und bevorzuge Klamotten, in denen ich nicht den Eindruck erwecke, als Mitarbeiter jenes Unternehmens, dessen Logo ich auf der Brust trage, in Erscheinung zu treten. Glücklicherweise verfüge ich über einige Kleidungsstücke, die ich im Ausland habe schneidern lassen – da erübrigt sich die Frage nach Markenlabels ohnehin. Ich würde mir diese Sachen ja wie Frau Seemuse es praktiziert, liebend gerne selbst fertigen, wenn ich könnte. Bedauerlicherweise reichen meine Fertigkeiten diesbezüglich nicht zu viel mehr als zu simplen Ausbesserungsarbeiten...


jean stubenzweig   (22.04.12, 15:03)   (link)  
Diese Robinsonaden
habe ich vor einigen Jahren bereits aufgegeben, da es immer nur die Guten sind, die diese Einsiedler auf den Inseln der Glückseligen unbehelligt lassen. Die Bösen des Kapitalismus also scheren sich ihren Teufel darum, ob sich da jemand brav in eine Liste einträgt. Ich habe das rasch nach meinem Eintrag bemerkt, worauf ich bald direkte Drohungen ausstieß, und so gab es bereits zu Zeiten der Anfänge der Elektropost manch einen teilweise heftigen Kampf um mein Recht, darüber zu bestimmen, wer mir seine Botschaft senden darf. Wehret den Anfängen. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Es dürfte sich gelohnt haben, sich so früh erwehrt zu haben, habe ich heutzutage doch im wesentlichen meine Ruhe, sogar vor solchen, die irgendwo in der Karibik sitzen und versuchen, den Leutchen ihre seltsamen, absolut wertfreien Produkte anzudrehen. Allerdings laufen bereits diejenigen gewaltig bei mir auf, die bei mir anklingeln.

Dennoch kommt es immer wieder mal zu Unannehmlichkeiten. Vor einigen Jahren hatte mal eine sogenannte Wirtschaftsauskunftei meine Telephonnummer veröffentlicht, worauf es immer wieder zu Anrufen kam, meist von Firmen, die mir Weich- oder sonstige Finanzwaren verkaufen wollten. Seit ich zivilrechtlich die Tilgung durchsetzte, ist Frieden, denn auch allen anderen Dienstleistern ist es untersagt, mich anzurufen beziehungsweise meine Daten weiterzugeben. Ob sie sich an letzere Weisung halten, darf bezweifelt werden. Aber ich vermute, daß die Werbehorden selbst über Listen verfügen, in denen besonders hartnäckige Fälle verzeichnet sind. Und vor Ärger, wir wissen es, schrecken selbst die übelsten Drücker zurück, wenn es an ihr Geld geht, beispielsweise durch für sie teure Verfahren.

Wer permanent an irgendwelchen Gewinn- oder sonstigen Spielchen teilnimmt, wie zumindest in den öffentlich-rechtlichen Medien immer wieder beklagt wird, also andauernd seine Daten preisgibt, der darf sich nicht über ständige Belästigungen oder gar sogenannte Abzockereien wundern. Doch der heutige Mensch kann sich offensichtlich kaum mehr vorstellen, als daß es auch ohne diese perfiden Werbemaßnahmen ginge, daß man sie nämlich abschalten oder wegdrücken kann oder erst gar nicht an sich heranlassen muß. In einer Gesellschaft, die sich Informationen hingibt oder denen gar unterwirft, die nahezu ausnahmslos vom Mehrwert für die anderen geprägt sind, ist das offensichtlich unausweichlich. Ich habe beispielsweise immerhin noch den Unterschied zwischen Mäzenatentum und Sponsoring kennengelernt. Der scheint vollends dahingeschieden. Wenn er überhaupt genauer bekannt war vor, meinem Empfinden nach, etwa 1990, als die kapitale Flut alles und endgültig zu überschwemmen, zu ersäufen begann. Das müssen die Warnvorläufer zur Klimaveränderung gewesen sein, mit der landunter prognostiziert wurde. Ich sitze nun in meinem insularen, elfenbeinernen Ausguckturm und sehe, wie alles ums Leben schwimmt oder auf den Überresten der Vernunft gen ein Land rudert, das nicht mehr zu sehen ist, da es nur noch submarin existiert. Es mag allerdings auch sein, daß mich bald keine Nahrung mehr erreicht, die ich als solche anerkenne, also keine mehr, die nicht vom synthetischen Mehrtwertgedanken verseucht ist, weil kein Schiff mehr kommen wird.

Und was die Kleidung betrifft, da bin ich glücklicherweise auf Quellen gestoßen, die nach wie vor Produkte ohne diese monströs-dümmliche Emblematik anbietet, qualitativ hochwertig und damit auch langlebig und dennoch nicht sehr viel teurer als dieser hochgejubelte Massenmist ist. Das gibt es, und nicht nur, wennauch überwiegend auf dem Land. Allerdings bin ich insofern im Vorteil, als ich bereits in jungen Jahren, also spätestens Mitte zwanzig alles Modische zu verweigern begann, auch weil es mir peinlich geworden war, mich wegen solchen Unwürdigkeiten an anderen zu orientieren.















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