Dienstleister mit Hang

Eine gute Bekannte hatte ich, zu einer Zeit, da gab's noch keine virtuelle Gesichtserkennung via Zwischennetz, nach der wäre sie eine Freundin gewesen. Wir kannten uns von einem Stammtisch und debattierten unter dem Einfluß von Piccolo und einer Halben oder auch drei über Sozialismus und Voegelin und so; die Nouveau Philosophes, da wären Pascal Bruckner, André Glucksmann und Bernhard-Henri Lévy, waren außerhalb Frankreichs noch nicht auf die antimarxistischen Barrikaden gestiegen. Ihr sagten einige Menschen, heute würde man sie wohl Neider nennen, einen gewissen Hang zum sozialen Unten nach. Sie war gerade dabei, die jüngste Professorin der Bundesrepublik Deutschland zu werden und ließ sich gerne hofieren von Männern, die man in Bayern Tandler und teilweise unterschiedslos auch Sandler nannte und wohl auch noch nennt.

Da ich diesem Land vor längerer Zeit entflohen bin, weiß ich nicht, wie sich dort die Sprache entwickelt hat und sie möglicherweise mittlerweile alle in die Berufsgruppe der wohnsitzlosen Antiquitätenhändler emporgestiegen sind. Auf jeden Fall waren das allesamt patente Kerle, mit denen angenehm zu plaudern war und mit denen auch ich durchweg gerne zusammensaß. Manchmal kaufte ich ihnen etwas ab, zum Beispiel Tische und Stühle, die sich bis heute zwar noch in meinem Besitz befinden, also nach wie vor völlig intakt sind, aber durchweg die Räume anderer schmücken, weil der bürgerliche Thonet seit längerem schon keine Einheit mehr mit meinen Geschmacksvorstellungen bildet, ich aber zu denen gehöre, die seit je einfach nichts wegschmeißen können oder auch wollen. Einige von ihnen hatten nach dem achtzehnten oder dreiunddreißigsten Semester der Universität den Rücken gekehrt, weil die ihnen anscheinend nichts mehr beibringen konnte oder zu der Zeit etwa die Berufsaussichten für Sinologen ungünstig waren. Da Taxifahren oder das Ausliefern coffeinhaltiger Limonade nicht jedermanns Lösung war, trödelten sie eben, nicht unbedingt durchs Leben, aber ein bißchen schon.

Über welche Qualitäten die Herren darüber hinaus verfügten, etwa im Sinn oder der Sinnlichkeit meiner Bekannten, das blieb mir verborgen. Aber auf jeden Fall waren sie mir nahezu alle sympathisch. Das lag in erster Linie daran, daß sie in der Regel nicht ein solches Gewese um sich machten, obwohl sie nahezu durchweg über einen Bildungsgrad verfügten, den man heutzutage vermutlich nicht einmal per Dissertation erreicht, weil bereits das erste Semester, wenn nicht gar die letzten gymnasialen Jahre, an den Vorschulkindergarten mag ich gar nicht denken, derart zielgesteuert ist, daß gar keine Zeit bleibt, sich zu bilden. Sie hatten sich eben eingerichtet in ihrem Leben und lebten vom Handel, mit dem, was andere nicht mehr brauchten. Second hand war zu dieser Zeit noch kein Begriff für diejenigen, die zwar exquisit modisch sein wollten, aber das Geld dafür nicht hatten. Sie waren überwiegend ordentlich bestallt, legten jedoch keinerlei Wert auf Statussymbole und kamen, nenne ich's mal so, recht léger gewandet daher, was sowohl mit leicht als auch mit gewagt zu übersetzen wäre. Sie verfügten sicherlich nicht über Vermögen, die man heutzutage einem Banker zuschreibt.

Einer von ihnen, ein beinahe abgerissen daherkommender ehemaliger Leutnant der Bundeswehr, korrigierte mich einmal, als ich sorglos oder sprachlich vorwärtsgerichtet von einem Militär daherplapperte. Ein Militär, meinte er, sei nicht das, in dessen Zusammenhang ich den Begriff gebrauchte, also ein schlichter Soldat, sondern ein innerhalb der Hierarchie des militärischen Systems weiter oben angesiedelter Offizier eines Stabes. Heute nennt sich jeder sogenannte Schütze Arsch eines ebenso sogenannten Geldinstituts Banker, früher war das ein Bankangetellter, viele sprachen gar ehrfurchtsvoll vom Bankbeamten. Das muß daran liegen, daß der heutige, eine erweiternde Variante, Bankster seinen zwar althergebrachten, aber neuinterpretatorisch eltern-zielgesteuerten Weg des erstmal was Anständiges genommen hat, vermutlich in der Form des Erlernens des Wirtschaftschinesischen im Mutterleib mit dem Abschluß Bachelor.

Der wiederum hat einen leichten Hang nach oben. Das entnehme ich jedenfalls einer Sendung jener Anstalt, die wir einst Häßlicher Rundfunk nannten, woran sich nicht nur nichts geändert hat, sondern es gar sehr viel schlimmer geworden ist mit deren volksmundiger Einschaltquotenqualität und die gerne ständig von Wir (in) Hessen daherreden läßt. Sie zeigt mit dem Brustton des Stol(t)zes, in guten alten Zeiten so etwas wie der Nationaldichter der Stadt, un es will merr net in mein Kopp enei, wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!, Bilder aus dem Frankfurter Banken-viertel, aus dem auch schonmal Okkupanten evakuiert werden nach dem Prinzip des einstigen Ministerpräsidenten mit der Dachlatte. Dort lassen sich besagte Bankangestellten für zwölf Euro pro Durchgang die Schuhe putzen, darunter wohl auch Dienstleister der unteren Etage, schließlich wird man dort gesehen, sogar das Fernsehen kommt vorbei. Bei einem Schuhputzer, von dem der Reporter meinte, er sei der bestangezogene überhaupt; um ein Haar hätte ich bestangezogenste geschrieben, wie keinstigstenfalls. Deutschlands! Derselben Meinung muß ich nicht unbedingt sein angesichts des Anblicks eines Operettengigolos, als der er wohl in den fünfziger Jahren in der Stadt angehimmelt worden wäre, als sie noch völlig äppelwoiselig in sich ruhte und allenfalls von einer Furt über den Main und noch nicht so sehr vom Anhängsel Bank gesprochen wurde, als noch die Fraa Rauscher aus de Klappergass regierte, die e Beul am Ei hatte. Überhaupt sei die Mainmetropole das Zentrum der Dienstleistung schlechthin. Da schwingt große Achtung vor solchen Leistungen mit. Ich frage mich allerdings, was er wohl gelernt haben mag. Sinologisches vermutlich eher nicht. Denn dann säße er wohl nicht, wie es in dem Bericht hieß, «untertänig» vor seinen Kunden, die geradezu herrschaftlich über ihm im «Eschenholzthron» residieren, sondern etwas weiter oben in einem dieser Geldbunker. So herausgeputzt, wie er sich präsentiert, hätte er als Dienstleister anzunehmenderweise keine Chance bei meiner ehemaligen guten Bekannten mit ihrem sozialen Hang nach unten. Dazu wäre er dann doch nicht léger gewandet genug. Aber solch ein Gockel ist vermutlich genau das richtige Ab-Bild einer Stadt, die es offenbar noch immer nicht überwunden hat, nicht Hauptstadt geworden zu sein, oder auch einer ständischen Geldgesellschaft, in der das Äußere als Nachweis für Seriosität gilt, und sei das Innere noch so hohl und/oder bestünde aus aufgeschäumter Latte, dem Nationalgetränk derer, die's neuerdings mit der gehobenen Dienstleistung haben.
 
Sa, 25.08.2012 |  link | (1931) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau


enzoo   (27.08.12, 09:53)   (link)  
noch nicht mal langweilig
ist frankfurt/main, oder? städtebaulich erinnerte es mich, der ich in früheren berufsjahren oft jeden zweiten montag dorthin und freitags wieder nach hause geflogen bin, an die lego-bausteine meiner kinder: wenn sie sie mit wonne und unter grosser geräuschentwicklung aus der kiste schütteten und wahllos über den fussboden verteilten, dann sah das hernach aus wie frankfurt: eine grosse fläche mit viel flachem kleinen, auf der ohne konzept und rein zufällig verteilt irgendwelche steine auf der schmalseite aufrecht stehen geblieben waren. ein downtown, das keines war. nach mehrfachen versuchen, in frankfurt abends einen zufluchtsort ausserhalb des hotels zu finden, der mir zusagte, und ich bin so wählerisch gar nicht, gab ich es auf und legte mich jeden abend um 10 uhr ins bett. traurigere einsame hotelnächte als in frankfurt habe ich nirgendwo erlebt. nicht mal lesen freute mich da mehr. und die andern gäste an der hotelbar, die freudlos ihr schlafbier nuckelten, sahen vermutlich so drein wie ich.

das war in den ach-zigern. seit 1999 war ich nicht mehr in der stadt (daher habe ich noch 70 DM in einer lade meines schreibtisches). heute mag es natürlich ganz anders sein. die internationale latteria verspricht mir aber allerdings auch kein rechter gewinn zu sein. aber vom jetzigen frankfurt kenne ich nur den flughafen für die durchreise.


jean stubenzweig   (27.08.12, 13:18)   (link)  
Die Stadt an sich
hat sicherlich, wie andere Städte auch, ihre Reize. Wenn man die wohl auch suchen muß mittlerweile. Gemocht habe ich sie sogar einmal. Aber sie ist meines Erachtens wie kaum eine andere verkommen, heruntergekommen wie alles, das einzig vom Geld regiert zu sein scheint, und das war Frankfurt, seit ich es kenne, also seit den Sechzigern, als ich dort wohnte, nicht lange, aber eben doch immerhin wohnte und nicht nur tageweise kurz sah. Ich war Bürger Frankfurts, weil auch ich dort einmal Karriere machen wollte, wenigstens als Sportler, der im Waldstation defensiv den Puck vorantrieb, woraus dann doch nichts so recht wurde und ich daraufhin zunächst im gemütlichen Heidelberg mich der Liebe widmete, mich nebenbei angehende Mediziner die Langzeiterinnerung lehrten, bevor ich wieder nach Berlin zurückkehrte, um nicht nur neben der Kanzlei von Otto Schili Rock'n'Roll zu tanzen. Aus allen erdenklichen Gründen trieb es mich ich immer wieder hin, ob es alljährlich die Buchmesse war oder eines dieser Kunst-Events, mit denen man sich mehr als je zuvor schmückt, seit sie endgültig pfeffersäckisch bieder geworden ist, wie das Beispiel des ebenso schlichten Fernsehsenders und dem stolz präsentierten operettenhaften Schuhputzer zeigt. Da ich seit je ein nicht so rastloser Mensch bin, der immer nur einen Tag irgendwo hektisch mit An- und Abreise verbringt, habe ich mir auch diesen Ort immer über längere Zeit hin angeschaut, habe meiner Weltanschauungssicht gemäß die Nebenpfade gesucht, bin auch in die unbekannteren Ecken gefahren und gegangen.

Was mir früher noch rechte Sympathie entlockte, etwa Bornheim, wo ich wohnte, mit seiner Berger Straße bis hin nach Seckbach, ist zu einer spezifischen Art lattegrün geworden wie das einst neue Kreuzberg oder, besser noch, der Raum Mitte um den Käthe-Kollwitz-Platz mit seinen Andersneumittelständischen, oder ist, in der Verlängerung besagter Berger Straße ein gar erschütterndes Touristenzentrum geworden, weinselig wie alle Rüdesheimer dieser Welt, hier nur eben besoffen vom Äbbelwoi. À propos: Sachenhausen mochte ich auch einmal recht gerne, zumal dort Freunde und Bekannte beharrlich sitzen, um dem Zuzug der besserverdienenden Kapitalproduzenten und deren Zuträgern standzuhalten, was nicht viel nutzt, wie man weiß. Wo früher noch Menschen wohnten, sieht man nur noch schicke flotte Automobile.

Einmal bin ich an einen Taxifahrer geraten, der nicht nur herumkutschen konnte, sondern auch etwas über die Geschichte Frankfurts, aber eben nicht nur der Paulskirche zu erzählen wußte, auf die ein jeder stolz ist, ohne oftmals zu wissen, was dort stattfand. Von dem ließ ich mich herumgondeln. So gelangte ich beispielsweise in den Stadtteil Preungesheim. Dort existierte eine Siedlung des Neuen Bauens, nun ja, noch steht sie dort, aber von der grandiosen Art dieser Architektur ist nichts mehr zu sehen. Sie ist kaputtverschönt von Anwohnern, die diese zauberhafte Schlichtheit der Bauhäusler einfach nicht ertragen haben und deshalb vom Glasbaustein bis zur erweiterten Modernisierung der Moderne alles an schauerlicher Sekundärarchitektur dranklebten, das der Baumarkt im Angebot hat, der sich auch noch Bauhaus nennen mag. Das scheint mir beispielhaft für die Mentalität der Einwohner der gesamten Stadt zu sein: sehr, sehr kleinbürgerlich und keineswegs so offen für Neuerungen, wie Frankfurt sich häufig präsentiert, vor einigen Jahren gerne auch Mekka der Postmoderne genannt. Dazu gehört sicherlich auch die Umgebung der Kunsthalle Schirn, die architektonisch auf alt zurückgestuft wurde, allesamt auf Fachwerk getrimmter Beton, der eine traditionsreiche alte Stadt suggerieren soll. Man wollte damit wohl einen Gegenpol zu Glas und Stahl setzen, die das Zentrum im besten Sinn des Wortes beherrschen. Nahezu alle aus meinem engeren Bekannten- und Freundeskreis, die es aus beruflichen Gründen in die Stadt verschlagen hat, haben sie ihrer eigentlichen Muffigkeit wegen wieder verlassen. Ein Freund, den es dorthin vertrieben hatte, um dem niedergegangenen Rat für Formgebung neuen Sinn zu geben, schimpfte gar schrecklich über dieses Dorf, das sich als Metropole gerierte, es bestünde nur aus Mief. Ich könnte einige mehr nennen, die es vertrieb, beispielsweise Rochus Kowallek, der als Korrespondent dort lange seinen Sitz hatte. Aber ich will's nicht walken wie einen zähen Teig aus Geschichte. Man, suchen Sie sich Zutreffendes aus, hat der Stadt eben tatsächlich ziemlich übel mitgespielt, in jeder Hinsicht. Man hat ein liebes, nettes Kaff zum Geldzentrum Europas aufgeblasen.

Dem Mief stimme ich auch nicht vorbehaltlos zu, denn ich weiß, es leben dort auch wunderbare, wunderbar wache und, fast getraue ich mich nicht, den abgegriffenen Begriff zu verwenden, kreative Menschen. Als Beispiel mag Vollrad Kutscher genannt sein. Und von anderen ahne ich es, dafür mag Melusine Barby beispielhaft stehen, deren Elternhaus dort steht. Aber mich zieht's nicht mehr unbedingt hin, ich habe irgendwie abgeschlossen mit Frankfurt am Main. Es sei denn, mir gibt jemand Anlaß, Gast sein zu dürfen im Hessischen Hof gegenüber dem Messegelände. Von außen macht es nicht viel her, kein Aufheben, wie's so schön heißt, fast eher ein tristes, notbeleuchetes Gebäude, nichts da von außen schön und innen hohl. Aber nicht nur das herzliche, warme coole Personal mag ich empfehlen. In diesem Hotel würde ich sogar wohnen, leben wollen. Sollte es sich für Sie mal wieder ergeben, laden Sie sich ein. Sollten wir uns treffen wollen, das wäre die ideale Mitte zwischen Wien und Hamburg, ein bißchen nördlicher zwar, aber gegen den Norden haben Sie ja nichts einzuwenden.


enzoo   (28.08.12, 10:09)   (link)  
natürlich
können sie das besser beurteilen als dort zumindest zeitweise dauerhaft gewohnt und auch andere, verstecktere ecken gesehen habender als ich von-montag-bis-freitag-gast, der einen guten teil seiner zeit in diversen datenbunkern von dec, ibm und anderen dreibuchstabern verbracht hat. aber abgesehen von meinem häufig mit schmackhafter roter grütze mit vanillesauce bekleckerten hemd sind meine erinnerungen an frankfurt von erbssuppengrüner langeweile durchzogen. und wenn ich im album meiner erinnerung an frühere einsatzorte blättere, dann wars sogar im biederen zürich abends lustiger. schlimmer war eigentlich nur noch hannover, ja, cebit natürlich. aber es ist unfair, eine stadt im ausnahmezustand zu beurteilen.


jean stubenzweig   (28.08.12, 12:28)   (link)  
Schiere Unmengen
an Freundlichkeiten hätte ich noch hinzufügen können. Doch sie sind ebennso von der Vergangenheit, wenn bei mir auch glücklichere Kleckse der Erinnerung. Bei der Farbe Grün beispielsweise fällt mir beispielsweise nicht nur Erbsensuppe ein. Bei früherem Kennenlernen hätte ich Ihnen zum Beispiel erzählen können, bei welcher Metzgerei Sie die mit Abstand beste gri Soß der Stadt hätten kaufen können, so gut, daß gar Alteingesessene oder Ureinwohner mir das bestätigten und darauf verzichteten, sie selbst zuzubereiten. Auch eine Quelle feinster Rinds- und auch Gelbworschd hätte ich Ihnen nennen können und dergleichen mehr.

Doch mit abends werde ich bereits schwächer, weil das allzu lange zurückliegt. Ich habe allerdings noch Vergnügungen kennengelernt, die auf der Kaiserstraße nahe Hauptbahnhof stattfanden, als es dort noch sogenannte Clubs gab, in denen ebensogenannte Gruppen aufspielten und dazu wild getanzt wurde, bis in die Anfänge der Neunziger war dort noch was los. Das war eine Zeit, in der die Dresdner Bank, durch deren Kunstsammlung ich in den Achtzigern mehrfach geführt wurde und bei der Gelegenheit man mir von weit oben aus dem dreißigsten Stockwerk umriß, welche Teile dieses Viertels man noch alle hinzuzukaufen gedenke, um es zu beruhigen. Dort lebten einmal Menschen. Der Sohn eines Freundes selig wohnte als Stadtverordneter der Grünen, als die noch grün nicht nur hinter den Ohren waren, in der seinerzeit noch recht grell rot leuchtenden Taunusstraße, in der beziehungsweise in deren Umgebung nicht nur Damen ihre Dienste feilboten sondern auch noch viele Rauchwaren-, also Pelzhändler, das war ebenso deren angestammtes Gebiet. Es wurde ausgemerzt von der Geldindustrie.

Den grünen Junior traf ich ich einige Male in Jimmi's Bar im Hessischen Hof, die ich des öfteren aufsuchte, nicht wegen der mir eher nicht so im Gehör wohlklingenden Barklimperei, sondern wegen der ungemein wohlschmeckend betrunken machenden Cocktails und der sich daraus ergebenden süffisanten Unterhaltung, nicht zuletzt durch den Pächter, einem köstlich (selbst-)ironischen Spanier, der es verstand, auch denen gegenüber den richtigen Ton zu treffen, die seine Sarkasmen zu ihm, dem typischen, sozusagen originären Hotelpublikum, nicht begriffen.

Das war häufig zu Zeiten der Buchmessen, während der der überwiegende Teil sich auf den abendlichen Veranstaltungen der Verlage vergnügten. Ich hatte dabei nicht unbedingt den Spaß. Mir lag es mehr, mich in den Kreis derer einzureihen, die, auch als Verlags-, aber mehr als Buch- und nicht so sehr Geschäftsmenschen, in Sachsenhausen zum Bembeln gingen, in einer recht abgelegenen, nicht so sehr dem Bild von der bevorzugten sachsenhäuserischen Gemütlichkeit entsprechenden Gaststätte, in der einem eher schon einmal eine Küchenschabe auf den Teller fiel, betrieben von Nordafrikanern, es können aber auch Balkanesen gewesen sein, so genau erinnere ich mich nicht, auf jeden Fall frisches Blut bringende Einwanderer, die das Frankfurter Nationalgericht Grie Soß ebenso zuzubereiten wußten, und all das bei nicht ganz so dem Messeniveau angeglichenen Preisen.

Ach, nun ist es gut.

Hannover will ich jedoch nicht vergessen. Es ist vermutlich noch trister. Oft war ich dort. Ein Freund war aus dem katholischen Bonn dorthin gezogen und hatte der verschlafenen Stadt Kunst zugeführt. Es gipfelte bei meinem ersten Besuch in einer recht heiteren und gelösten Veranstaltung, in der zum Ende hin eine aus Hamburg angereiste soulige Chanteuse namens Inga Rumpf für mich bis heute unvergeßlich It's a man's world röhrte. Sie endete als Gospelerin, also als Vorsängerin christlicher Leitlinien, wie sie etwa ein ehemaliger bundesrepublikanischer Präsident sehr deutlich propagiert, woran auch seine nach übereuropäisch-moralisch rechtschaffender Vox populi klingende Äußerung zu den Muslimen nichts ändert. Aber zu dieser Zeit fuhr ich dann doch des öfteren hin, da gewisse höhere Herren begonnen hatten, sich für eine andere Artistik als der in den Herrenhäuser Gärten zu interessieren. Gerhard Schöder war noch Ministerpräsident Niedersachsens, und auf seine Anregung hin war die Kunst der Stadt aufbelebt worden. Da fanden zwar immer wieder Veranstaltungen statt, die durchaus als besuchenswert bezeichnet werden konnten. Aber ansonsten waren meine Bemühungen um Abwechslung eher von leidvoller Erfahrung geprägt, und das, obwohl ich sogar eine ureinwohnrige Freundin dort hatte. Man konnte meinen, die toten Hosen kämen von dort. Mangels sonstiger, für mich interessanter Vergnügungsangebote machte ich entweder Hausbesuche oder ließ es mit Fernsehabenden im Hotel ausklingen. Kontakte zu den laut Pressemeldungen die Stadt beherrschenden höllischen Engeln hatte ich keine. Dann wäre vermutlich sogar die Post modern geworden.















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