Kneipenzickzack

Da ich ständig Gastronomieabsonderungen von mir gebe, muß auch der Tatsache Tribut gezollt werden, daß ich nicht unwesentlich zum Erhalt der münchnerischen Trinkfreude beigetragen habe.

Kleiner Bungalow, lieber Hans, der sagt mir nix. War das dort, wo später die Amalienpassage hingebaut wurde? Lange Zeit vor Evis Café gab's noch eine Kneipe, nachdem ich von Murnau in die Tengstraße umgezogen war, deren Name samt Straße mir jetzt nicht einfällt (doch, jetzt habe ich einen Plan: Agnesstraße), wo ich nachmittags meine vorabendlichen Theaterbesuche wegspülte (derentwegen ich das liebliche Voralpenland samt Blauem Reiter schließlich verlassen mußte). Dann das Chez Margot. Das war mein abendliches Wohn-, aber anfänglich durchaus auch Arbeitszimmer, denn dort zimmerte ich 1975 das Gerüst für mein erstes BR-Feature zum Thema Theater und Subvention. Es war auch die erste allabendliche Station von Michael Krüger, dort glühte er mit seinem ersten lektoratssaushäusigen Slivovitz seine Gedichte und literarischen Betrachtungen für Dagens Nyheter vor, bevor er die paar Schritte nach Hause ging, wo er bis in die Frühe dichtete, um nach ein wenig Schlaf wieder zu den Manuskripten der anderen zu schlurfen. Gerne nahm ich auch einen. Oder zwei. Ins Nest trabte ich auch manchmal, aber eben nur sporadisch, da ich's mit der Leopoldstraße nie so hatte, zumal ich Spätzugezogener war und die Krawalle nur aus den Berliner Zeitungen kannte. Mir war die (damals noch nicht so ausgeweitete) alte Maxvorstadt immer lieber, das LMU-Viertel war mein Dorf, auch, als ich ein halbes Jahr vor Tschernobyl an den Rand des Olympiageländes umgesiedelt war. Die Destille war mir aus der Adelheidstraße (?, nee, eher Arcisstraße, neben dem Frauenbuchladen, wo sie eigentlich besser hinpaßte) ins Haus Barer 65 nachgezogen. Das war praktisch, wer wünscht sich nicht die Quelle im Haus. Das Bistrot an der Ecke Barer/Adalbertstraße? Wenn Du das Bistrot in der Adalbert- Höhe Türkenstraße meinst, das war ein (später nochmal aufgenommenes) Intermezzo, mit Dir und einigen anderen, die Zeit nach Deiner Rückkehr aus den USA (wenn ich mich recht erinnere). Viel lieber ging ich ja die Oase in der Amalienpassage, gegründet und erbaut von dem ehemaligen Leopoldstraßenmaler, der sich das Café (und seine Budicke am Hohenzollernplatz) zusammengemalt hatte und der dann samt Einhandsegler (?) irgendwo von einem atlantischen oder pazifischen Bermudaloch verschluckt worden war, beerbt von diesem, na ja, Silberschmied von nebenan, das Café eben, in das ich gern vom ARRI-Kino rüberging und nach der Pressevorführung die ersten Filmnotizen machte für meinen Wochenrückblick und in dem auch Klaus Bädekerl gerne saß nach durchschriebener Nacht und in dem die schöne Uli kellnerte, in die ich so erfolglos verschossen war, die dafür aber immerhin später eine Zeitlang meine wunderbare Ärztin sein sollte, zu der ich eigens nach Augsburg fuhr, wo sie sich in ihrer Praxis liebevoll um die Kranken und Alten sorgte, die bereits in den Neunzigern längst nicht alle dringend notwendigen Medikamente von den Krankenkassen bezahlt bekamen.

Tattersall in der Amalien- eigentlich gar nicht, auch im neuen in der Nordendstraße eher selten, es war nicht unbedingt meine Wellenlänge, hatte ich's doch nie so mit der Rockmusik und schon gar nicht mit der dortigen entsprechenden Lautstärke. Aber die harten Jungs mit ihren Harleys und Pick ups waren in Ordnung, weshalb ich ein rauschendes Fest feierte dort, meinen Vierundvierzigsten, gekoppelt an einen weiteren (familiären) Anlaß, der sogar Überseeische anreisen ließ. Eigentlich müßte es heißen, feierten die anderen bis früh um sechs, denn ich hatte mich völlig in der Dosierung meiner aufregungsabbauenden Seven and Seven vertan, auch in der Trinkgeschwindigkeit. Seven Crowns -Whisky hatte jemand mitgebracht von weither plus Seven up. Das mittlerweile ungewohnte Lieblingsgetränk zu meiner Zeit bei den amerikanischen Freunden hatte mich derart erschüttert, daß ich weit vor Mitternacht ins Bettchen gebracht werden mußte (seither trinke ich dieses braune Zeugs nicht mehr, wie auch keinen Gin, der mich als ganz junger Mensch mal getötet hatte). Am nächsten Tag beim Aufräumen fand ich dann den wunderschönen Sempé-Katalog, den Christoph Stölzl mir in seinem Stadtmuseum eingepackt hatte — unter einer Bank, signiert mit einem vollen Fußabdruck aus dem Schmodder, den die Lust der Nacht ohne mich erzeugt hatte.

Meine Hauptanlaufstation direkt aus der Büroarbeit heraus und manchmal auch zwischendrin war allerdings das et cetera. Das war mein Zimmer von der ersten blauen Stunde an, die Ende der Siebziger eingeläutet worden sein dürfte. Ein klein wenig habe ich daran sogar mitgeplant, als Tommy aus der dunklen Butze ein lichtes Café machte. Alle folgenden Besitzer lebten nicht schlecht davon (bis auf einen, der sich jedoch sicher nicht meinetwegen aufgehängt hat), brachte ich ihnen doch einen ordentlichen Teil meiner Gagen; eine Zeitlang, bis es mir zu teuer wurde in dieser Art leichter Verführbarkeit, soff ich dort sogar auf Monatsrechnung, weil mir die Bezahlerei lästig geworden war. Das war wirklich ganz schön anstrengend manchmal mit diesen ganzen Künstlers, nicht nur den blaubärtigen aus der Kunstakademie, auch die hin- und herhüpfenden Berliner samt Anhang, die immer gerne reinschauten, Goldstein und Zilles selig beispielsweise, und mal eben so einen Brecht-Abend aus dem außerordentlichen DDR-Schauspielrepertoire schüttelten. Und die Nächte im La Bohème, das allerdings lediglich Notbehelf war (wie hieß oder heißt nochmal der Italiener gegenüber, der bis drei Uhr geöffnet hatte? Stop in?), im Alten Simpl, noch zu Tonis Zeiten. Der köstlich durchgeknallte, aber manchmal auch unerträgliche Pole mit seinem weiß durchgefließten Laden neben dem Türkendolch-Kino, der so gerne schnüffelte hinten in seiner Küche, in der zwar weniger gekocht wurde, aber dennoch ungemein was los war. Das nicht nur studentisch verrauchte Aschinger mit dem vielen Bier und den dazugehörigen Obstlern ist auch nicht zu vernachlässigen, wie so einiges mehr, auch außerhalb der Maxvorstadt, beispielsweise das Nachtcafé oder der nächtliche Schuppen in der Brienner Straße, wo's mich ja auch manchmal hintrieb, wenn der Kanal sich einfach nicht füllen wollte, eben die paar Läden, die nächtens länger geöffnet hatten im größten Dorf der Welt. Zentner, Cocorico, ach, das ist ja Civilisation. Und noch so jung! Obwohl's auch schon wieder zwölf und mehr Jahre zurückliegt.

Würde ich alles aufzählen an Münchner Bars, Cafés oder Kneipen und Wirtshäusern, wo ich den einen oder anderen Heller oder Batzen gelassen habe, ohne was gegessen zu haben, es würde den Block sprengen. Am Ende gar noch die Restaurants, überhaupt die Gastronomie der anderen Städte und Dörfer allüberall noch dazuzählen, nein, ich tu's lieber nicht. Ich könnte auf dumme Gedanken kommen. Schön war's, durchaus. Aber es ist vorbei. Jedenfalls mit München.
 
Mo, 17.11.2008 |  link | (6250) | 10 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Zeit ist Freiheit

«Die Gegenwart aber, die in der Mitte liegt, ist so kurz und unfaßlich, daß sie keine Länge annimmt und nicht mehr zu sein scheint als die Verbindung des Vergangenen und Künftigen und außerdem auch so unbeständig, daß sie nie am selben Ort ist; und alles, was sie durchläuft, nimmt sie von der Zukunft weg und legt es der Vergangenheit zu.» (Zeit und Freiheit)

Ich bin immer zu früh. Weil ich nicht hetzen mag. Und man verpaßt keinen Zug, keinen Flieger, kann gemütlich im Stau stehen, während andere lediglich frei einer Leitung telephonpanisch ihre Verspätung in ihre drei Mobiles hineindippeln oder -stammeln, kann auch das vierunddreißigste Mal mal um den Pudding fahren auf der Suche nach einem Parkplatz. Und ist immer noch zu früh. Dieses ständige Zufrühsein hat also nicht nur Nachteile, auch nicht im kalten Herbst. Man sieht was von der Welt. Weil man Zeit hat.

So lungerte ich denn vor einigen Tagen vor einem Restaurant herum, wo mich eine Einladung erwartete. Viel zu schnell hatte ich einen Parkplatz gefunden. Auf Anhieb. Um die Ecke. So ist das, wenn man Zeit hat. Nicht einmal hab ich rummüssen. Die ganz Eiligen hasten hochdrehzahlmäßig viele, viele Male um den Block. Wie Monte Carlo in Uhlenhorst. Um nicht den Eindruck zu erwecken, ich hätte ein spezielles Tafel-Abonnement auf die gestrigen Überbleibsel und würde deshalb vor der Tür warten, bis man mir mein Restepaket mit den Schnuddeligkeiten vom Vortag durchreicht, gab ich den Flâneur. Was nicht ganz leicht war, da ich mich etwas ländlich gewandet hatte. Doch glücklicherweise hatte ich einen Photoapparat dabei, mit dem ich später für das Familienalbum das Ergebnis fröhlicher Multiplikationsversuche festhalten wollte. So lichtete ich eben erstmal die Behausung ab, in der ich mich später so dickfuttern sollte, wie es mein Bildobjekt bereits war. Dann bummelte ich nichtstuend weiter. Worauf mich einmal mehr die Erinnerung einholte.

Es war wie vor gut zehn Jahren, als ich auch viel zu früh war und Zeit hatte vor dem Gespräch im Literaturhaus. Da war ich ebenfalls herumgestreunt, stand schließlich vor einem Weinladen, und wie andere Menschen vom Inneren irgendwelcher Parfumerien angezogen werden, geht mir das eben so mit Buch- und Weinhandlungen. In beiden stöbere ich nur zu gerne. Und so befanden sich mit einem Mal auf Augenhöhe ein paar Flaschen Rotwein, auch noch eines Jahrgangs, den ich seit langem suchte, weil er mir außerordentlich gut geschmeckt hatte, aber nirgendwo angeboten wurde. Mal eben in ein domaine viticole hineinsurfen, das ging damals ja noch nicht. Zu dieser Zeit bauten sie noch Wein im Bordelais und keine Webseiten.

Aus einem unvergessenen und unvergeßlichen Cave in La Rochelle, wo wie in Filmen vergangener Jahrhunderte der Pedell neben dem Bauern und dem Gymnasiasten und dessen Professeur soff, hatte ich ihn mal mitgebracht, ihn noch ein ganzes langes Weilchen ausruhen, ihn sich akklimatisieren lassen an die Stadt, in der der Einwohner sich italienischer fühlt als jeder Italiener und französische Weine demnach unter die Welschenklausel fallen. Geärgert hatte ich mich anschließend, nach dem Genuß, alle fünf bis zehn Minuten ein anderer Geschmack, nach der erstgenommenen Kirsche jedesmal eine neue Beere, sehr geärgert hatte ich mich, nicht die anderen Flaschen auch mitgenommen zu haben, zumal sie in einem Preis belassen worden waren, der aus der Zeit der Geburt dieses Weines zu stammen schien. Das Kellermeisterehepaar wußte vermutlich nicht einmal, was es da für Schätze lagerte, zumal die Stammsäufer den 80-Centimes-Wein bevorzugten und ein Fremder, noch dazu einer, der lieber die etwas feineren Sorten mochte und auch noch über die aktuellen Bordeaux-Preise informiert war, der traute sich in diesen weinmuffeligen Schuppen, der eher den Eindruck einer Absinth-Höhle des ausgehenden 19. Jahrhunderts machte, ohnehin nicht rein. Und exakt dieser Wein, dieser Jahrgang stand da nun. In Uhlenhorst, wo der Hofweg noch Papenhuder Straße heißt. Sechs Flaschen habe er noch, sagte der angenehme, durch und durch hanseatische Händler, weitab der ansonsten servilen Freundlichkeit dieses Gewerbes. Doch da kam tiefe Trauer über mich, die ich dem Herrn auch mitteilte: Ich sei mit dem Flugzeug unterwegs, und schließlich hätte ich noch Gepäck, Koffer, so unsinniges Zeugs wie Bücher, Computer und ... Gerne würde er mir den Wein auch nachreisen lassen, hellte er meine Stimmung auf. Einige Tage später kam mein 85er vom Heiligen Julian aus dem Bordelais, ein sogenannter Zweitwein, im Büro an. Das Büro ist mittlerweile geschlossen und der Wein via Zungenrezeptoren mit einem Ausflug über die Riechsensoren durch die Gurgel in den Magen geplätschert und hat die angenehmen Stunden noch fröhlicher gemacht (nie feineren Wein bei schlechter Stimmung, die zieht ihn runter!). Dann mußte ich umziehen innerhalb des Bordelais, nach St Emilion. Der Hamburger Weinhändler hatte mir dabei geholfen. Von dem 95er habe ich sogar noch ein Fläschchen (siehe oben).

Diese Weinhandlung gab's also noch. Dabei hatte mein aktuelles Vermögen Glück, daß ich mal wieder viel zu früh dran war. Sie sollte erst um zwölf Uhr öffnen. Um zwölf war ich jedoch zum Mittagessen verabredet (mit zunehmendem Alter bittet die senile Bettflucht zunehmend früher zu Tisch). Also bummelte ich noch ein paar Schritte, überquerte die ruhige Straße, ging etwas weiter nach oben in dieser ruhigen Straße mit ihren Jugendstilhäusern, die allesamt touristenfrei bewohnt sein dürften. Dann sah ich, was ich ebenfalls sehr gerne sehe: diese typisch hamburgischen kleinen Läden, in die man ein paar Stufen hinuntergehen muß, um in sie zu gelangen und in denen in den etwas feineren Gegenden kaum noch anderes angeboten wird als Kleidung für Damen und solche, die mal werdende Mütter werden sollten, wenn sie denn wollten. Mit Bier und Korn zum Beispiel oder Fisch, so habe ich sie noch kennengelernt. Das war hier zwar nicht der Fall, dennoch ging ich die drei Treppen hinunter und hinein in die kleine Buchhandlung. Auch hier wieder: stöbern. Das sagte ich dem freundlichen Buchhändler, ebenso angenehm wie sein Kollege vom Wein, er nickte lächelnd und verschwand wieder in seinem Kabuff, wie ein Antiquar in seinem tausendjährigen Wissen.

Und was der Märchenonkel dort gefunden, was er nicht gesucht hat, erzählt er morgen. Oder übermorgen. Wir haben ja Zeit. Viel Zeit.
 
Sa, 15.11.2008 |  link | (4131) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Kaffeepause

Eigentlich müßte hier ja irgendwas mit Bahn stehen, da nicht nur der Herr über Mumien, Analphabeten und Diebe so angetan ist vom obigen Banner, sondern auch andere sich auf seltsame Weise quasi angezogen fühlen, ich mich also deshalb verpflichtet sehe, gegen die ansonsten geübte Praxis des Bilderwechsels den Bahnhof noch ein Weilchen im Dorf zu lassen. Oder das Thema vielleicht so herum angehen? Die Assoziation Kaffee = Deutsche Bahn AG verbitte ich mir vorsichtshalber ausdrücklich! Bei der bekommt man, wenn sie denn überhaupt noch einen ihrer Intercity-Züge zur Verfügung hat, nämlich sogar den Espresso aus der «Hosentasche des Kochs»*.

Nachdem Herr Nnier auf einen meiner Kommentare mit einem amusanten und offenherzigen und ausführlichen Einblick in sein (Kaffee-)Leben reagiert hat, gebe ich's ihm auf die gleiche Weise zurück: hier bei mir zuhause.

Gesetzt den Fall, in meiner (Nachkriegs-)Kindheit hätte es aufgrund weltpolitischer Mängel nichts Eßbares im Haus gegeben (was glücklicherweise nicht vorkam, da wir uns im Jenseits von Gut und Böse aufhielten), für Kaffee hätte meine Mutter immer gesorgt. Sie hätte dafür getötet. Sie hat das stärkste Gebräu fabriziert, das es je gegeben haben dürfte. Und sie hat es in unvorstellbaren Mengen zu sich genommen. Alt ist sie trotzdem geworden. Sehr. Wie mein Vater, der versucht hat, sich mit Zigaretten ein Ende zu machen, was ihm bis zu seinem Neunzigsten nicht gelang. — Mal sehen, wie es mir gehen wird mit diesem elterlichen Erbe.

Aber Instantkaffee? Nie. Oder so: Einmal Bordbistrot bei der Deutschen Bahn reicht. Und diesen guten deutschen Filterkaffee lehnen nicht nur meine Geschmacksnerven ab, auch mein Magen geht säureüberproduzierend in Abwehrstellung.

Aber nun kommt's: Das mit dem Rotationsprinzip praktiziere ich seit etwa fünfzehn Jahren. Länger? Muß wohl, denn diese Geräte halten sehr lange. Weshalb die Firma, die mehr Damenunterwäsche und Haushaltgeräte verkauft als Kaffee (und vermutlich demnächst auch preiswertes Benzin in kleinen Dosen), sie vermutlich vom Markt genommen hat. Alle drei bis vier Jahre kaufte ich eine neue, früher für etwa achtzig Mark, später für rund hundert. Auf dem angenehmen Flohmarkt an der Grander Mühle erstand ich vor vier Jahren für Büddenwarder eine der ersten der Serie, unbenutzt, für fünf Euro. Fürs Büro hat die Büddenwarderin mir bereits die zweite Maschine besorgt, bei ihrem Lieblingszwischenhändler des Internets (dem sie ohnehin hörig zu sein scheint). Ich horte diese Espressoschleudern sozusagen, nutze sie, wie bei einem autofriedhofsgeeigneten deux cheveau, als Ersatzteillager. Das Problem sind die extrem empfindlichen Trommeln. Mit denen gehe ich fast noch sorgsamer um als mit meinen Messern. Ein Messer kann ich wieder kaufen, dieses Rotationsutensil kaum. Es werden zwar welche (für teuer Geld) angeboten, aber das ist wie mit Bank-Zertifikaten handeln, von denen man auch nicht weiß, ob sie was wert sind. Ein unsichtbarer Haarriß, und aus ist's mit dem Espresso und seiner Crema. Viele wissen das nicht und denken sich nichts dabei, wenn so ein Ding mal runterfällt. Auch ich gehörte zu diesen Nichtwissenden. Bis mich Mitte der Neunziger mal ein Piccoesoteriker einweihte. Seitdem gehöre ich zum erlauchten Kreis dieser Geheimnisträger.

Dieser Espresso schmeckt mir besser als jeder andere, von dem im zeitnahen Hamburger Levantehaus vielleicht abgesehen. Das hat natürlich mit der Kaffeesorte zu tun, auf die ich nach jahrelangen Tests gekommen bin. Selbst die edelsten haben's nicht gebracht, nicht mal einer von Herrn Illy, den ich nun wirklich sehr schätze, aber eben nur aushäusig. Ein italienischer Massenlieferant wurde Testsieger, und was anderes trinke ich zuhause nicht, das kommt mir nicht in die Trommel. Aber eben eine ganz bestimmte Mischung (die's früher unter anderem Namen nur für die Gastronomie gab): Crema und Gusto. Entscheidend dabei ist allerdings die äußerst sorgsame Zubereitung. Genau bemessene Pulvermenge, mit einem eigens dafür hergestellten halbrunden Portionierlöffel, diesen auch zum festen Andrücken des Kaffees verwenden, eine Prise Kakao obendrauf, den Trommelrand exakt von Rückständen säubern, den Deckel festziehen, erst das Wasser erhitzen, danach einsetzen und den Schleudergang einschalten.

Solche Sorgfalt gilt übrigens auch für 50.000-Euro-Espresso-Ferrari, die von den meisten studentischen Hilfskräften mit Käfer-Führerschein in deutschen Cafés nicht beherrscht werden: Weil ihnen das alles nicht schnell genug geht, schrauben sie gerne am Mahlwerk herum, pressen das Kaffeepulver nicht ausreichend oder verändern gar die Wassertemperatur. Und gucken dann mit tortigem Blick aus ihrem knappen Hemdchen mit der Aufschrift Freunde der italienischen Oper, wenn der wunderbare bolognesische Sänger das Täßchen fünfmal zurückgehen läßt, weil er nunmal eine andere Vorstellung von seinem Nationalgetränk hat. Aber ach! So manch ein Italiener ist derartig in sein Gastarbeiterland integriert, daß er sich längst dessen Qualitätskriterien unterworfen hat, die da lauten: möglichst viel. Allzu oft hat er sich anhören müssen, für das bißchen Kaffee im Täßchen sei der Preis ja wohl unordentlich zu hoch. Deshalb: randvoll die Tassen! Und Crema? Wozu? Aber wehe, beim Bier fehlt sie.

Für letzteres bin ich allerdings nicht zuständig.

* Aus der «Hosentasche des Kochs» wird in in der einschlägigen Branche alles genannt, was zu Instant pulverisiert wurde und (auch) gerne als feine «hausgemachte» Sauce serviert wird.
 
Sa, 25.10.2008 |  link | (4497) | 18 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Küchenkulturoptimismus

Herr Mark schrieb auf seiner dunklen Seite:

«Mag sein, dass ich als Stadtkind weite Wege habe zu dem, was Großmutter noch wusste. Meine nicht mangel-, kriegs- und inflationsgeprägte Logik sagt mir, dass so ein klassisches Suppenhuhn, das im Leben tausende Eier gelegt hat, im Zweifelsfall wesentlich ausgemergelter und verausgabter sein wird als so ein junger Hahn, der in Saft und Kraft steht. Und damit dürfte klar sein, von welcher Variante ich mir eine kräftigendere Brühe erwarte. Wenn ich damit falsch liegen sollte, dann bitte ich darum, mit Argumenten widerlegt zu werden und nicht mit diffusen nostalgischen Anwandlungen und Küchenkulturpessimismus. ;-)»

Zugestanden, meine Äußerungen waren etwas kryptisch. Deshalb muß ich etwas ausholen und verlege aus diesem Grund die Widerlegung auf meine helle, hoffentlich erhellende Seite, da ich ihm mit meinen allzu üppigen Zutaten nicht alle Zu- und Ausgänge verstopfen will.

Mit Küchenkulturpessimus hat das eher weniger zu tun. Sondern mit Geschmack. Und der Hoffnung, es möge selbiger nicht mit einer Nostalgie in einen Topf geworfen werden, die nichts anderes bedeutet als «Verklärung der Erinnerung» (Wolfgang Ruppert). Die ist tatsächlich saft- und kraftlos. Das ist wie der Erwerb von Oma's Kochbuch, das dann direkt im Regal landet oder weiterverschenkt wird. Nennen wir's einfach Althergebrachtes, Überliefertes, das als natürliches — nicht naturnahes! — Aroma mit hineinsoll.

Gerne gebe ich mich als jemand zu erkennen, der Frösche oder Hühner oder anderes Viehzeugs nicht nur gerne ißt, sondern allesamt auch seit Jahrzehnten zu jagen und zu zerlegen und zuzubereiten in der Lage war und ist: ein maître de cuisine auf dem Lande hat's mir mal beigebracht. Nicht neue Küche, sondern ländliche, des Südens. In dieser Gegend (und anderen des Landes, aber durchaus auch anderswo) wird auch heute noch so gekocht. Durchaus auch in Städten. Und sehr häufig stehen in den Küchen Mütter oder Schwiegermütter, die's wiederum von den ihren haben. Und auch Töchter gibt's, die von der Tradition überzeugt sind. Und nicht unbedingt, wie das bei Söhnen häufig der Fall ist, zum Kochen eine Kamera sowie viele Zuschauer benötigen, denen sie anschließend noch ihr elftes Druckwerk verkaufen können. Gerne denke ich an Aufenthalte in badischen oder pfälzischen Gasthöfen, auf jeden Fall in eher südwestlicher Geographie, wo mir das eine ums andere Mal sozusagen Überliefertes vorgesetzt wurde. Während der Mann anderswo geackert hat, und sei's in der Wirtsstube.

Der junge Hahn, in unserem Fall: das Hähnchen ist in der Regel eines, das fürs offene Feuer, in technischer Weiterentwicklung Grill genannt, auch fürs zum Rohr mutierten Erdloch und allenfalls in der Brustpartie für die Pfanne gezüchtet ist, und zwar in der Fabrik, meinetwegen auch in einer freilaufenden, auf jedenfall in Massen. Ansonsten wird er ja für längere Zeit benötigt, um die Hennen auf dem Hof nicht nur zu betören. Hat er lange genug rumgehühnert, landet auch er im Topf. Er ist, wenn er nicht ohnehin für den rascheren Verzehr herangezogen wurde, sich also länger im Amt befand, burned out, ausgelaugt aufgrund seiner ständigen revierausrufenden und sexuellen Aktivitäten, die ihm viel von der geschmacklichen Substanz genommen haben — im Vergleich zum trägen vor sich hinpickenden Huhn. Das hingegen, auch fette Henne genannt und erst nach dem Nachlassen der sogenannten Legeleistung fürs Lebensende bestimmt, hat für die Brühe und die sich ergebenden folgenden Mahlzeiten wesentlich mehr Fleisch und eben auch Fett, das dem Hahn aus den genannten Gründen abgeht. Fett ist das, was jeder guten Küche unabträglich ist: es ist Geschmacksträger (und wird vom Körper sehr viel besser abgebaut, als uns die Lebensmittelindustrie das aus umsatztechnischen Gründen permanent vorbetet). Zusammen mit dem vielen, im Idealfall langsam gewachsenen festen Fleisch, mit vielerlei Gemüsen, Kräutern, Knoblauch, behutsam eingesetzten Gewürzen und weißem Wein – alles je nach Gusto – und lange genug, also gerne Stunden, auf dem Herd, ergibt es jene kräftige und schmackhafte Brühe, die sich auch als Fond verwenden läßt, beispielweise für ein Coq au vin (ich mache das jedenfalls so: feine, fleischige Hähnchenschenkel marinieren, mindestens zwölf Stunden ziehen lassen, anbraten und dann hinein in den köchelnden Sud, bis sie rosig bis weiß gegart sind).

Was an Hühnern für Brühen et cetera in den Supermärkten angeboten wird, ist meist zu jung, es fehlt ihnen an langsam gewachsenem Fleisch. Klar, so viele alte Hennen kann es gar nicht geben, und es will ja umgesetzt werden, weshalb die Viecher in der Regel einer Schnellwachsprozedur unterzogen werden. Aber ein halbes Jahr sollte so ein Huhn mindestens auf den Rippen haben, ein ganzes gäbe bereits mehr her. Wer die Möglichkeit hat, sollte für eine kräftigende Brühe auf jeden Fall Suppenhühner von einem Bauern- oder zumindest Geflügelhof kaufen, und da es die in der Stadt eher seltener gibt, in einem Fachgeschäft. Auch wenn's ein bißchen mehr kostet. Aber man hat länger davon, denn das macht in der Geschmackserinnerung als Glücklichmacher fest.

Selbstverständlich wird man im nächsten Dorf schon wieder anderer Meinung sein als in dem, in dem man mich das lehrte. Das aber macht die Vielfalt der Küchensprache aus: Es gibt unendlich viele Dialekte. Und die sind in der Regel nur mündlich überliefert.
 
Fr, 17.10.2008 |  link | (2262) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Geistiges und Restliches

Wein wird in der ganzen Provence angebaut und ist bei einem Restaurantbesuch in Marseille quasi unvermeidlich; Wasser gibt's zu jedem Essen kostenlos, es sei denn, man möchte es, entgegen dem landläufigen Geschmack, gazeuse, dann kostet es, und zwar ordentlich. Sehr gerne werden die überwiegend im benachbarten Département Var angebauten Rosé-Weine getrunken. Gut erinnere ich mich an Empfehlungen von Jean-Claude Izzo, mit denen er zwei- oder dreimal über Weine aus der Gegend von Bandol geschrieben hat. Er hat in seinen Polars oder Policiers oder auch anderen Romanen immer wieder mal Kostproben gegeben, und so manches habe ich diesem einheimischen Genießer hinterherprobiert:

«Die Qualität der Roséweine aus der Provence begeisterte mich von Jahr zu Jahr mehr. Dieser Wein aus der alten Komturei Bargemone war ein besonders edler Tropfen. Man schmeckte die sonnenüberfluteten, flachen Rebhänge der Gebirgskette Trévaresse förmlich unter der Zunge. Bestens dazu passen Brotscheiben, die man in mit Pfeffer und gehacktem Knoblauch angemachtes Anchovispüree tunkt.» Auch wenn er andere getrunken hat, dieser Marsailler Bulle Fabio Montale, konnte man ihn schmecken, beispielsweise den weißen «mit Vanilleblume» Clos-Cassivet oder Côteaux d'Aix, ein Rotwein aus der Domaine des Béates von 1988: «Dieser Wein war eine kleine Meisterkomposition mit seinem Duft nach Thymian, Rosmarin und Eukalyptus. Wir konnten nicht genug davon kriegen.» Oh ja. Oder auch: Oh weh. Aber auch dort, wo seit langem die mehr oder minder gehobene Touristen(ab)fütterung stattfindet, hinter dem Quai de Rive Neuve, bei Loury: «Ein Restaurant am Carré Thiars in der Nähe des Alten Hafens. Man ißt gut dort, ob es dem Gault Millau nun gefällt oder nicht. Sie haben den besten Vorrat an provenzalischen Weinen. Ich wählte einen Château-Sainte-Roseline. Ohne Frage der edelste Rote aus der Provence. Und der sinnlichste.» (zitiert nach: Unionsverlag)

Leider sind die meisten von Izzo empfohlenen Restaurants relativ kurze Zeit nach seinem Tod quasi mit ihm dahingeschieden (die Weine leben allerdings noch beziehungsweise haben Nachwuchs bekommen). Und auch vorher mochte ich wahrlich nicht all seinen Empfehlungen folgen, teilweise waren sie mir und auch anderen rätselhaft, etwa La Samaritaine an der Ecke rue de la République und Quai du Port. Möglicherweise hatte er ein besonderes Verhältnis zum maître de cuisine und erfuhr so eine besondere Bewirtung. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, daß seine Eß-, Trink- und Hörtips nicht (mehr) von ihm persönlich zu verantworten sind, da er bereits im Jahr 2000 über den Alten Hafen gegangen ist. Der Kult um ihn (einschließlich der Webseite) wird von seinem Sohn Sebastian gepflegt, ein durchaus freundlicher, zuvorkommender Mensch, aber eben im Hauptberuf Sohn.

Zurück zur Bouillabaisse: Wie die zur einheimischen Küche gehört, geht es in der Stadt (und nicht nur dort) nicht ohne Pastis als Aperitif; zuviel davon, läßt man's folglich mit dem Leiblichen und konzentriert sich gänzlich aufs Geistige, bleibt dann gleich sitzen, etwa hier (im Bild unten links), in der Bar Marengo befindet sich quasi die Magenpforte zur (in Restefisch und Rustikales erwähnten) Touristenabfütterung in und an der rue Saint Saëns. Am meisten dürfte im Süden Pastis 51 getrunken werden, der die Zahl in seiner Bezeichnung deshalb trägt, weil er früher einmal 51 Volumenprozent Alkohol hatte. Er gehört mittlerweile auch zum Pernod-Konzern, da Monsieur Ricard, dem auch der 51er gehörte, alles an den Riesen verkauft hat (und dies auf seiner Webseite dezent versteckt). Vermutlich, weil es sich nicht gut machen würde beim von ihm nicht uneitel großunterstützten jährlichen Pétanque-Spektakel mit über zehntausend aus aller Welt angereisten Boule-Spielern, bei dem es zugeht, als ob das filmschaffende Cannes exiliert worden wäre und dessen Finales immer direkt am Alten Hafen ausgetragen werden, dieses seltsame, offenbar für deutsche Paris-Touristen erfundene Gebräu sozusagen in einem Schluck nehmen zu müssen. Ricard und Pernod auf einer Seite, das geht. Aber Pastis 51 ist quasi das geheiligte Manna der boulistes und damit unantastbar (vielleicht aber auch, so ein bißchen der Apple der Anistrinker, immer schnieker, jedoch im Gegensatz zu Macintosh keineswegs billiger werdend).

Die Marseillais essen gerne und gemächlich außerhalb, das liegt sozusagen in ihrer und an der Natur. Doch zunehmend breitet sich sich dieser Globalisierungsvirus aus; wie einst die Ratten die Pest in die Länder brachten, ist es hier der TGV, der innerhalb von drei Stunden massenhaft Pariser aus der achthundert Kilometer entfernten Metropole heranschießt. Und da man in gewissen Kreisen ebenfalls Metropolist sein möchte und deshalb begonnen hat, keine Zeit mehr für eine solche Überflüssigkeit wie ein ausgiebiges Mittagsmahl zu haben, zu dem früher im Büro Anrufbeantworter ein- und Telefaxgeräte ausgeschaltet wurden, ist man infiziert: Die Straßen sind daher voll mit Imbissen aus allen möglichen Nationalschnellstküchen. Wikitravel erzählt in etwa: In den 13 (welch eine Zahl! Stand 10. Januar 2007) in Marseille ansässigen Mac Dingens (einer schrecklicherweise im linken Blickwinkel einer meiner beiden persönlichen Cafés am Alten Hafen!) findet man fast ausnahmslos Touristen. Junge Einheimische bevorzugen (abnehmend) die französische Hamburgerkette Quick. Gegen den Fastfoodhunger (ich meine: für diejenigen, die sich partout den Magen verderben wollen) liegt an jeder Ecke ein Stück Pizza oder ein Sandwich herum (daß es dort keine Bratwurst gibt, hat die Büddenwarderin bereits mehrfach beklagt). Döner gibt es in Marseille, wie in Frankreich üblich, wahlweise im Fladenbrot oder im Baguette. Rasch geht's auch in den immer zahlreicher werdenden vor allem arabischen und asiatischen Schnellwiederher-stellungsstationen. In den typischen und, wie überall im Land, weniger werdenden Brasserien und Bistrots bietet man dem rasenden Finanzjongleur zwischen Gewinnmaxi- und Minimierung oder dem etwas sensibleren Touristen zwischen zwei Griechenklos auch das landesübliche Sandwich: zwischen Baguettehälften gelagerte Schinken, Terrines (Pasteten) oder Käse, dazu Tomatenscheiben und/oder Salatblätter.

Oder aber, wie erwähnt, am Cours Saint-Louis eine andere Art (zu genießende) Zwischenmahlzeit: eine Portion fruits de mer.

Gerne sei auf den Bericht von Matthias Brunner verwiesen, auch wenn in ihm einiges leicht aus dem Ruder läuft, da er Eindrücke vom Markt an der rue Longue des Capucins im Quartier de Noailles und dem tatsächlich vogelwilden oben hinter der Porte d'Aix miteinander vermischt. Es gibt auch an ersterem zwar wunderliche Gerüche, aber Altöl dürfte dort eher weniger fließen. So in etwa. Aber die Schilderungen an sich sind schlüssig und durchaus charakteristisch.

Bei dem obigen Text handelt es sich nicht um einen aus Wikipedia abgeschriebenen, sondern um den zweiten Teil dessen, der am 24. Mai 2007 um 11 Uhr 06 im gesamten von mir dort hineingestellt wurde (ich will gar nicht wissen, wie er jetzt aussieht), allerdings für die andere, demnächst zu schließende Seite [weshalb der Beitrag jetzt hier ‹gesichert› wird]), mit mittlerweile erheblichen Änderungen und Ergänzungen versehen. Deshalb gilt für die vorliegende Version selbstverständlich nicht das Wikipedia-, sondern das Urheberrecht.

Teil 1 dieses Textes: Restefisch und Rustikales

 
Fr, 10.10.2008 |  link | (4294) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Restefisch und Rustikales

Die Küche von Marseille ist zwar in erster Linie provençalisch beeinflußt, klar, denn die Stadt ist nunmal das Zentrum der Provence, jedoch auch der gesamte Mittelmeerraum schwimmt in den Töpfen und liegt auf den Tellern. (Jean-Claude Izzo: «Bei uns essen alle gefüllte Weinblätter.») Dazu zählen selbstverständlich auch arabische Einflüsse, da ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung von dort her — zum Beispiel aus den ehemaligen Kolonien — eingewandert ist und weiterhin einwandern möchte (was immer schwieriger wird; erst haben wir sie ausgeraubt, und nun lassen wir sie nicht rein, weil sie ein bißchen was von dem abhaben wollen, das ihnen gehört). Dabei gilt allerdings zu beachten, daß hier ebenso italienisch, korsisch, spanisch, jüdisch-sephardisch oder armenisch, nicht zuletzt griechisch gekocht wird, denn aus diesen Ländern kommen überwiegend die Vorfahren der Einwohner von Marseille.

Erwähnenswert ist sicherlich die Bouillabaisse, ein aus Marseille stammendes Gericht, das längst in ganz Frankreich, mittlerweile über das Land hinaus äußerst beliebt ist und auch anderenorts angeboten wird (wenn es sich dabei allerdings allzu häufig um irgendeine Fischsuppe handelt, die auf den Namen Bouillabaisse getauft wird). Doch es ist sehr selten, daß dabei die Qualität der von einheimischen Köchen (oder gar die der Fischersfrauen) zubereitete Bouillabaisse erreicht wird. In den Restaurants von Marseille gehört diese — ursprünglich, das hat sich geändert — von Fischern aus nicht verkauften Fischen, Crevetten und Muscheln — also Restbeständen (so haben's alle Fischer, eben nicht nur die ganz armen, vernünftigerweise praktiziert) — gekochte Suppe zum Standard. Selbst in überwiegend touristisch frequentierten Gaststätten wird sie (vermutlich) schmecken, da man sich bei diesem sogenannten Nationalgericht von Marseille möglichst keine Blöße geben wird. Doch am besten bedient wird man sein, wo Alteingesessene die Bouillabaisse (oder andere Gerichte) genießen (etwa in diesem dunklen Loch in Cassis, lediglich erhellt von der Suppe und den beglückten Gesichtern).

In Wikitravel heißt es im (ohnehin nicht so recht zutreffenden; Stand: Mai 2007) Text zu Marseille zwar: «Meiden Sie die scheinbar einladenden Restaurants und Bistros direkt am Vieux Port! Hier findet eine regelrechte kulinarische Massenabfertigung von Touristen statt. Es ist zu empfehlen, sich vom Hafen und der Canebière weg zu orientieren und in den schmalen Gässchen nach einem passenden Restaurant zu suchen. Auch wenn es oft nicht den Anschein hat, die kleinen, unauffälligen Lokale bieten meist die mit Abstand beste Küche.»

Zuzustimmen ist an dem Punkt: Besser nicht direkt am Vieux Port mit Aussicht auf die Schiffe et cetera, auch wenn sich dort am Abend durchaus sehr viele (überwiegend junge) Einheimische aufhalten. Ihnen geht es um das vielzitierte sehen und gesehen werden. (Es gibt, wie beispielsweise auf der Münchner Leopoldstraße oder dem Berliner Kudamm — ach, wer will denn da noch hin ...? —, am Quai des Belges nicht einmal für einen faltbaren Smart einen Parkplatz, so daß das schwarze BMW-Cabriolet irgendwo auf einem Trottoir einer Seitengasse aufgebahrt werden muß. Dafür wird am Oval des Quai des Belges permanent Rundstreckenrennen gefahren.) Hier, in diesen scheibenlosen Schaufenstern (wie nahezu überall in Hafenstädten) kann man einen Café, eine Limonade oder auch ein Glas Wein oder einen Pastis trinken, aber essen sollte man dort nicht.

Doch es kann durchaus ganz in der Nähe der Canebière oder des Quai des Belges, also des Alten Hafens sein. Oftmals sind es nur ein paar Schritte zu einem der «kleinen, unauffälligen Lokale», die «die mit Abstand beste Küche» bieten. Vorsicht geboten ist allerdings in der direkt hinter dem Quai de Rive Neuve gelegenen rue Saint Saëns um die place Thiars: Hier findet tatsächlich besagte «regelrechte kulinarische Massenabfertigung von Touristen statt». Es ist eher anzuraten, etwa die rue Saint Saëns vom Cours Jean Ballard aus in Richtung rue Paradis zu gehen, vorbei an der place Ernest Reyer, dem Opernvorplatz (die putains, die Bordsteinschwalben, die vom frühen Nachmittag an dort flanieren, sind absolut unaufdringlich; man lebt hier, wie überall im Zentrum, sozusagen multikulturell). Dort sind einige der «kleinen, unauffälligen Lokale» zu finden.

Vorteilhafter ist es ohnehin, vom Quai de Rive Neuve aus mit dem bereits von Kurt Tucholsky genutzten Ferry Boat (das allerdings am Abend nicht mehr fährt) zur anderen Seite des Alten Hafens, zum Quai du Port zu fahren — oder eben über den Quai des Belges herum dorthin zu schlendern (wenn man sommerabends überhaupt durchkommt). Hier wird das Restaurant-Leben deutlich angenehmer, was auch daran liegen dürfte, daß diese Gegend von Touristen deutlich weniger besucht wird. Hinzu kommt, daß man nur ein paar Treppen hinaufgehen muß, um ins Panier zu gelangen. Und dort, etwa an der Place du Lenche (mit dem ältesten italienischen Restaurant von Marseille) oder in den Gassen dahinter ist das Angebot weitaus vielfältiger, ist der Wein besser, weil süffiger, steigt insgesamt die (Lebens-)Qualität — nicht zuletzt wegen sinkender Preise.

Das größte Angebot an Meeresfrüchten findet man von morgens sieben bis abends sieben bei Toinou am Cours Saint-Louis, etwa 500 Meter vom Alten Hafen aus direkt an der Canebière beziehungsweise dem Übergang des (mittlerweile zum Gähnen verkehrsberuhigten und — wieder — mit Tram versehenen) Cours Belsunce in die Rue de Rome gelegen. Dort kann man sehr preiswert von der kleinen bis zur großen Platte das haben, was eine Büddenwarderin nie und nimmer runterbringen, ja nicht einmal anfassen, in das die Jungverlegerin sich allerdings am liebsten (nicht nur aus wellness-Gründen) hineinlegen würde: fruits de mer.

In der traditionellen Marseiller Küche wird (wie überall in Frankreich) frisch und mit Zutaten aus der Region gekocht. Fisch und Meeresfrüchte werden bevorzugt, allerdings auch Fleisch und Geflügel sehr gerne gegessen. Frische Gemüse und Kräuter sind dabei unabänderliche Grundsätze. Allein Knoblauch wird beispielsweise dort, wo der Cours Belsunce noch so heißt, in Marktständen, aber auch in containerartigen Büdchen in riesigen Mengen angeboten, doch auch am rechts von der Canebière gelegenen Markt in der rue Longue des Capucins, ein paar Schritte nur vom Cours Saint-Louis entfernt. Dort decken sich überwiegend die arabischstämmigen, aber auch die anderen (aufgeklärteren) Marsaillais mit Grundnahrungsmitteln und durchaus auch mit Delikatessen — etwa den für Europäer gewöhnungsbedürftigen Süßigkeiten — ein.

Gerne sei auf den Bericht von Matthias Brunner verwiesen, auch wenn in ihm einiges leicht aus dem Ruder läuft, da er Eindrücke vom Markt an der rue Longue des Capucins im Quartier de Noailles und dem tatsächlich fischwilden oben hinter der Porte d'Aix miteinander vermischt. Es gibt auch an ersterem zwar wunderliche Gerüche, aber Altöl dürfte dort eher weniger fließen. So in etwa. Aber die Schilderungen an sich sind schlüssig und durchaus charakteristisch.

Bei dem obigen Text handelt es sich nicht um einen aus Wikipedia abgeschriebenen, sondern um den ersten Teil dessen, der am 24. Mai 2007 um 11 Uhr 06 im gesamten von mir dort hineingestellt wurde (ich will gar nicht wissen, wie er jetzt aussieht), allerdings für die andere, demnächst zu schließende Seite (weshalb der Beitrag jetzt hier ‹gesichert› wird), mit Änderungen und Ergänzungen versehen, auch jetzt hier wieder. Deshalb gilt für die vorliegende Version selbstverständlich nicht das Wikipedia-, sondern das Urheberrecht.

Der zweite Teil: Geistiges und Restliches

 
Do, 09.10.2008 |  link | (3471) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Erklär' mir Europa!

Ich stehe in einem nahezu ausnahmslos vom Tourismus genährten Fischerdörfchen. Allenfalls zwei oder drei dieser Schiffchen fahren noch hinaus, um die drei oder vier Fischlein reinzuholen, die da verloren noch herumschwimmen im mer meditteranée. Die letzten größeren sind längst von den großen Fischen abgefischt und unterwegs nach Japan oder in die Konserve. Hat einer viel Glück, bringt er noch einen thon mit, auf den sich sofort die einheimischen Hausfrauen stürzen, um mal wieder diesen im Land sehr beliebten Fisch unverfroren in die Pfanne hauen zu können.

Ein paar Meter weiter verkaufen sie an einem Stand Unmengen von diesem schwimmenden Getier. Frisch aus Paris, der gigantischen Fischumverteilungszentrale für Europas feine oder nicht so feine Schmecker, gefangen von nicht minder riesigen schwimmenden Fabriken, die mit ihren Schleppnetzen nicht nur den letzten Fitzel Seegrasnarbe auf dem Meeresgrund weit draußen abrasieren, dem Laichplatz und der späteren Vorschule für die süßen kleinen Fischlein, sondern deren euroglobalistischen Großkapitaleigner sich darüber hinaus sonstwas darum scheren, was mit den Existenzen an der Nordsee, dem Atlantik oder dem Mittelmeer geschieht. Die verbliebenen multinationalen Billigheimer Europas benötigen 50-Centimes-Konserven und panierte Stäbchen für die Kleinen, die ja bekanntlich keinen Fisch mögen. Und das geht eben nur so.

Nein. Halt. Es geht ihnen eben nicht sonstwo vorbei. Sie betreiben gar den Niedergang der Kleinfischerei. Ausreichend Lobbyisten hocken vor den Brüsseler Amtsstuben, und in denen willfährige, vom Volk entsandte Vertreter, die den Restfischern Steuergelder in die Hand drücken möchten, auf daß sie ihre Böötchen stillegen. Wie den Bauern für ihre eine Zeitlang brachliegenden Äcker — bevor ein paar ganz Findige eurosubventioniertes Getreide darauf anbauen. Aber nicht für Mullers Mühlchen beziehungsweise des (noch mit reinem, noch nicht chemieangereichertem Mehl arbeitenden) Bäckers Backtrog, sondern für ökobiologischdynamischen Sprit. Auf daß die Fischverarbeitungsmonster auf hoher See und deren vorstandsvorsitzenden Besitzer zu Lande umweltfreundlicher fahren.

An diesem Verkaufsstand mit seinen Bergen an Fisch, fast wie bei bei Toinou in Marseille, der eben überall, nur nicht in der Nähe eingesammelten Fisch anpreist, hängt ein Schild. Irgendwas mit allemand lese ich. Nicht ungewöhnlich für diese Gegend, die von Deutschen auf der Durchreise nach Spanien gerne für einen kurzen Abstecher in die römischen Ruinen genutzt wird. Die Autoroute führt direkt am Meer entlang. Die Kultur kostet dann nicht allzuviel Zeit. Wißbe- oder auch neugierig, wie ich nunmal bin, schaue dennoch genauer hin, was an Deutschem da feilgeboten wird. «Original Thüringer Bratwurst», das läge nahe. Zumal es die sättigungsbeiliegenden Pommes namens Fritz mittlerweile ja bis in dieses fröschefressende Land geschafft haben. Diese handgeschnitzten dünnen Dinger schmecken zwar nicht so gut wie zuhause die dicken in Erna's Chill out. Aber die verstehen ja sowieso nichts davon, denn die essen das labberige Zeugs ja sogar zu Muscheln. Ich gehe also näher heran an das Schild. Und was steht da?

crevettes allemande. Ist da was vom LKW gefallen? (Leider ist der Photoapparat zu weit weg, und mein Mobile ist so ein unmodernes Gerät, mit dem man nur telephonieren kann und sonst gar nichts.)

An der früher sehr gerne von mir besuchten Nordsee hatte ich nach allerlei einheimischen Hinweisen die Nebenpfade gefunden, an diese entzückenden kleinen Schalentierchen zu kommen, bevor sie in Ameisensäure ersäuft und nach einer geradezu grotesken, jede Vernunft außeracht lassenden LKW-Tour in Marokko oder Tunesien geköpft wurden, um dann nochmals viele tausend Kilometer ans Wattenmeer zurückgekarrt zu werden, um mit billiger Industriemayonnaise aneinandergeklebt in den auf Masse programmierten Schlunden von Menschen zu verschwinden, denen eigentlich Currywurst und rotweiße Pommes lieber gewesen wären, die es aber nunmal nicht gab an der meeresnahen Fischbude. Früher war so etwas Heimarbeit für viele. Zu teuer hieß es, zu hohe Lohnnebenkosten. Für den Preis würden die mittels Handarbeit gepulten Tierchen derart kostenintensiv, daß kein Wanne-Eickeler oder Castrop-Rauxeler mehr nach diesem regionalspezifischen Produkt greifen würde. Nun tut er's also doch (und noch). Aber nur, wenn sich keine Currywurst in der Nähe befindet, und läge sie noch so lange auf dem Rost und stünde die dazugehörige Industrieschmiererei noch so lange in der Plastikflasche herum.

Nun, wenn's denn sein muß, wenn seine Grundbedürfnisse nach Plaste nicht erfüllt werden, fummelt er ein paar von diesen Tierchen aus ihren Panzern, wirft sie ein wie Erdnüsse und das restliche Kilo anschließend den anderen vor. Sie kosten ja kaum was. Über diese (Er-)Kenntnisse verfügen die längst nicht einmal mehr sonderlich überraschten Möwen. Aber sie wissen es wenigstens zu schätzen.

Und das muß man gesehen haben, um zu wissen, weshalb unsereinem die Zunge zusammenziehend sich einrollt wie die eines Minimöpschens: Obwohl das Angebot in der nordrhein-westfälischen Einflugschneise zu den Inseln Norderney oder Juist, an der Noterstversorgungsstätte Norddeich, bei weitem aufs Geringste reduziert ist, so ist es doch Fisch. Frischer zudem. Oftmals tatsächlich aus den küstennäheren Restbeständen. Nun gut, es muß ja nicht unbedingt Knurrhahn sein, dieses feuervogelgesichtige Meeresungeheuer. Aber so eine Scholle zum Beispiel? Nicht ins tausendtagealte Frittenfett geschmissen, wie an den Hamburger Touristenabfütterungsbuden an den Landungsbrücken oder in einem Unternehmen üblich, dem besagte nördliche See den Namen gab, samt monatelang haltbarem Eimerkartoffelsalat. Sondern so, daß die fischbratende Frau Wirtin bei der Bestellung leuchtende Augen bekommt: in Butter gegart. Der Speck dazu ist zu vernachlässigen. Schließlich benötigt der durchschnittliche Wattrandspaziergänger doch etwas weniger Kalorien als der tagelang auf See schippernde und Schwerstarbeit verrichtende Fischer. Scholle und Dorsch schmecken nämlich nicht nur nach Fisch, sondern nach Scholle oder Dorsch.

Gestern hatte Monsieur Alphonse da etwas aus bayrisch-europäischer Sicht thematisiert, das eines meiner Generalthemen ist und das man gar nicht oft genug thematisieren kann. Der nicht minder geschätzte Holger Klein steht da offensichtlich immer wieder genau so atem- und sprachlos da wie unsereiner, weshalb auch er es thematisierte beziehungsweise auf meinen geradezu hilflosen ethischen Imperativ verwies:

Erklär' mir Europa!
Was auch immer das für ein Produkt sein mag — es reiht sich wohl ein in die sehr, sehr lange Liste des Verbotenen und noch zu Verbietenden, vom Bayernland bis an die Waterkant, besser vielleicht: von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt und weit, weit darüber hinaus.

Nur Lug und Trug und (Ver-)Blendung. Da lassen sie regionale (eigenständige!) Sprachen höchster Kulturgüte wie das Okzitanische wieder zu, retten alte Schweine- und Rinder- und Hühnerrassen, aber gleichzeitig wird die mit Essensresten gefütterte Sau im Hinterhof verboten, und nun fangen sie bereits an, den Kleinviehhaltern europaweit ihren zweimal jährlich genossenen Sonntagsbraten zu verbieten («freilaufende Hühner ...»).

Nichts ist mehr sicher vor diesen Menschen, die solche Gesetze und Verordnungen erlassen – und sich dann (klammheimlich?) an irgendeinem runden Slow Food-Tisch zum Ritter des Guten Geschmacks schlagen lassen.

Erklär' mir Europa! Das der Regionen. Das, an das ich Depp einmal geglaubt habe.

José Bové hat das seit rund dreißig Jahren versucht. Jener Bauer, der für seine Attacke gegen eine US-amerikanische Bratklopsbratereifiliale in Südfrankreich in den Kahn gegangen war und der den geistigen Hintergrund für attac mitgeliefert hatte, weil er unter anderem den Weg zur regionalen Versorgung wieder gehen wollte, der wollte, daß die Bauern von ihrer Arbeit leben können und der seinen Mitmenschen etwas Ordentliches zu essen gönnte und nicht diese Malbouffe, diesen Drecksfraß. Ich habe vermutlich nicht genau genug hingehört damals.
 
Mo, 18.08.2008 |  link | (2278) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Mayonnaise et cetera

In Strasbourg hat mal bei einem meiner Vorratskäufe eine Kassiererin, die gut und gerne jene Miou Miou aus Alain Tanners zauberhaftem Film Jonas, der im Jahre 2000 fünfundzwanzig Jahre alt wird hätte sein können, die rausgeschmissen wurde, weil sie arme Rentner auch schonmal abzukassieren vergaß, genau so entzückend-schnoddrig wie in dieser köstlichen Utopie des Jahres 1975, exakt so scheinbar schüchtern, aber ebenso übel durchtrieben oder auch verschmitzt zu mir gesagt: «Monsieur. Ich wußte zwar, daß es keinen Senf gibt in Deutschland. Aber daß es dort auch keine Mayonnaise gibt in diesem armen Land, das ist neu für mich.»

Ich kaufe in der deutschen Republik jedenfalls überhaupt nichts dieser Art. Obwohl es längst überall, in kleinen Gläsern, den Senf von Maille gibt. Aber eben keinen von Amora, und schon gar keine Mayonnaise. Mayonnaise de Dijon — von Amora. Vinaigrette de Dijon — von Amora. Das ist die preiswerteste industrielle Lebensmittelbeigabe Frankreichs. Sicher, weder die Mayonnaise de Dijon noch die Vinaigrette de Dijon von Amora schmecken wie die von Madame Meursauges im burgundischen Bourguignon handgerührten Saucen. Doch sie schmecken dennoch sehr viel mehr nach France. Während die anderen, hier erhältlichen französischen Produkte eher dem Geschmack von cous-cous gleichkommen, das ein deutscher Koch aus seinem Tunesien-Urlaub mitgebracht, aber eben im Würzmaß den Geschmacksnerven seiner touristischen Gäste aus Fulda oder Weimar an den Hamburger Landungsbrücken angepaßt hat.

Jedoch: ein Trauerfall. Da hatte ich am mare Balticum doch tatsächlich einen Laden aufgetan, wo es zu kaufen gab: Mayonnaise de Dijon, Vinaigrette de Dijon, Moutarde — von Amora! Und viele andere Produkte des französischen Lebensmittelalltags. Doch sie entsprechen nicht dem deutschen Geschmack. Deshalb mußten die sympathischen Eigner ihren niedlichen Laden — einem von vielen Lädchen — in der Lübecker Hüxstraße schließen. Sie wollten auswandern, in ein anderes (Bundes-)Land, in Richtung Süden, näher an den französischen Produkten sein, um wenigstens den Internet-Handel wieder flottzukriegen. Nun gut, man kann sich auch bei Miou Miou bevorraten. Aber auch nur, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Und in die Hüx zu den freundlichen Ritters bin ich nunmal sehr gerne gegangen — alleine wegen meiner Schwätzchen mit ihr über Marquis und Pineaud, Land und Leute (sie hat viele Jahre in La Rochelle gelebt)! Und es hatte sich zudem so eine kleine Gemeinde formiert in der Lübecker Altstadt, daß es ein leichtes war, Stunden in diesem kleinen Laden zu verbringen, hiervon ein Schlückchen, davon ein Stückchen ...

Aber es war wohl nichts. petit marché scheint endgültig dahingeschieden.
 
Di, 22.07.2008 |  link | (2563) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Alles Käse

Ich muß gestern durch die Lebenssäfte derart weggetreten (pompette) gewesen sein, daß ich eine Unterlassung begangen habe, auf die normalerweise der Entzug aller postrevolutionären bürgerlichen Rechte und dreißig Jahre deutsches Weizenmischbrot auf Sankt Helena steht. Daß ich den Café vergessen habe, ist läßlich angesichts der Probleme, die man damit im Land von Beste Bohne hat (das wird hier schon noch abgehandelt!). Nicht unbedingt entschuldbar, aber wohl der (altersbedingten?) Sucht nach allen Arten von Crémes und Küchlein geschuldet ist der Abschluß des Menues mit dem Kuchen. Aber die allerhöchstheilige Sure des französischen Küchenrosenkranzes weglassen: das Gebet auf den zu heiligenden Käse?! Bevor mich die Verbannung auf das Bratwurst-Atoll Labskaus ereilt, will ich Buße tun und schleunigst nachbeten.

Nein. Ich überlasse das einem Hohepriester, einem von mir sehr geschätzten Maitre fromager. Er hat vor einiger Zeit eine bemerkenswerte Hymne gesungen, die den Titel trägt Käse hält aufrecht. Auch dazu habe ich selbstverständlich meinen Käse abzugeben.
«‹Die Kartoffel hat man einst verboten›, schrieb der Maitre fromager, ‹weil man von ihr Lepra bekam›: Die Unwissenden hatten statt der Knolle die Blüte gegessen, und davon war ihnen übel geworden. Nun meinten die klagenden Deutschen wohl, der Schimmel müsse mitgegessen werden! Im Freiburger Käseprozeß ging es in Wirklichkeit um Protektionismus. Die deutsche Käseindustrie wollte die französischen Produkte vom Markt fernhalten. Bis in den Bundesrat hat es ein Gesetzentwurf gebracht, wonach die Einfuhr von Käse aus nichtpasteurisierter Milch aus ‹hygienischen› Gründen untersagt werden sollte.

Ein deutscher Käse entspricht einem Putzmittel: Der steht da, riecht sauber, sieht auch so aus und läuft nicht fort; das verdankt er der pasteurisierten Milch, aus der er hygienisch hergestellt worden ist.»
Ich war kürzlich mal wieder in Besançon (wohin ich ja bekanntermaßen des öfteren mal komme, hatte dort einer meiner Lieblingsbeschäftigungen gefrönt: Gleich beim Reinkommen in die schöne alte Markthalle im Zentrum, an der place de la Revolution, direkt am Stand links ein großes Stück Comté zu kaufen, dann gegenüber bei Nicolas ein Fläschchen l'Etoile aus dem Jura und beim Bäcker nebenan dazu ein Baguette und sich dann an das nur ein paar Schritte entfernte Ufer des Doubs setzen, nach La Madeleine rübergucken, friedlich vor mich hinkauen und auch das Nachspülen nicht vergessen. Eines weiteren Kommentars dazu bedarf es ja wohl kaum.

Immer noch diesen Geschmack in mir tragend wollte ich dann am vergangenen Wochenende die schöne Erinnerung auffrischen. Deshalb fragte ich an der doch recht großen Käsetheke des Supermarktes — alles gibt's nunmal nicht im Hofladen —, ob man Rohmilchkäse im Angebot habe. Das hätte ich unterlassen sollen.

Nicht nur, daß «die deutsche Käseindustrie» weiterhin «erhebliche Mengen ‹sauberen› Käses» in den Handel schiebt. Es gibt fast nichts anderes mehr. Und letzterer verlangt für diese zwar aus Milch hergestellte, aber dennoch plastikartige Masse mittlerweile rund fünfzig Prozent mehr — ohne die Erzeuger an diesen exorbitanten Gewinnen zu beteiligen. Schlimmer noch: Der Bevölkerung ist der gute Geschmack mittlerweile derartig verdorben, daß sie, zudem fortwährend auf der Suche nach dem Billigsten, nur noch nach diesen überwiegend einheitlich nach nichts schmeckenden Produkten verlangt (am liebsten Butterkäse). Und wer an der Käsetheke eines kleinstädtischen deutschen Supermarktes nach Gereiftem aus nicht pasteurisierter Milch fragt, muß mit einigem Entsetzen feststellen, wie schlecht das sogenannte Fachpersonal über Tatsachen informiert ist.

Das ist zum einen verständlich, denn die Chefetage erzählt ihm (wider besseres Wissen), derart Unreines sei nach EU-Bestimmungen nicht zulässig. — Je weniger aufgeklärt das Personal ist, um so geringer ist der Energie- und damit Zeitverlust, der dabei entsteht, den Kunden darüber aufklären zu müssen, wie wenig man daran interessiert sei, wirklich hochwertige Produkte anzubieten. Zumal solche nunmal nicht gefragt seien ...

Und zum anderen hat das Fachpersonal solches nie gegessen, ja genossen, allenfalls in der frühesten Kindheit, beim Besuch von Urgroßmuttern. Aber die Erinnerung daran ist eher dürftig. Daß der Käse, wie man ihn damals bei Ur-Oma gegessen hatte, im großstädtischen Fachhandel, ja sogar in Kaufhäusern überall angeboten wird, entzieht sich jeder Kenntnis. Denn in die große Stadt fährt die Fachverkäuferin für Käse (gemeinsam mit dem Gatten) ohnehin nur, um beim nächsten supergeizgeilen und alles andere als blöden Großbilligheimer den neuesten LSD-Flachbildschirm-fernseher zu kaufen, aus dem es ihm dann via Werbung (die er auch noch mitbezahlt) hochaufgelöst bunt und kinomäßig subgewooft entgegenschallt: Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch! Hygenisch. Sauber wie der frisch gewienerte Abfallkübel (in den das Zeugs hineingehört).

Ab und an kauft es etwas besonderes, das Fachpersonal. Zumal die Schwester zu Besuch kommt, die vor vielen Jahren von so einem Froschschenkelfresser in die französische Provinz verschleppt worden war. Ihr muß dann eben französischer Käse auf den Tisch gestellt werden (glücklicherweise gab's was im «Angebot» des Arbeitgebers). Aber das Fachpersonal weiß nicht, daß der — in Frankreich! — nach denselben Putzmittelrezepten hergestellt wird wie der aus den Fabriken im Allgäu oder Niederbayern oder der norddeutschen Tiefebene. Marktanpassung. Oder Besuchvergraulen auf immer (die Schwester ist doch ohnehin so komisch, so etepetete geworden seit der Zeit, als sie sich aufgemacht hat nach drüben, vor allem beim Essen).

Allüberall ruft das Volk nach Bier, das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut worden ist. Ehrensache. Aber Käse kauft es, den nicht einmal mehr die nun wirklich vor nichts zurückschreckende Sau fressen mag. Und selbst dort, wo diese abends vom Bauern mit ins Bett genommen wird, auf daß sie sich nun auch wirklich wohlfühle, im Bio-Hofladen, werden ihr kaum Reste wohlschmeckenden, weil nach alten Rezepten hergestellten Käses (geschweige denn solchen aus Frankreich) in den Trog geworfen. Doch nicht etwa, weil es keine Überbleibsel gibt, weil alles verkauft wurde, nein, sondern weil sich nichts im Angebot befand. Denn auch in den Läden der Bio-Bauern-Höfe (die ohnehin bald eingehen, weil die Supermärkte für'n Appel und'n Ei Bio-Obst und -Gemüse et cetera aus Chile oder China verkaufen, weil in deutschen Landen sowas ja nicht wächst, vor allem nicht so billig), hat man sich an Nachfragen zu orientieren, will man überleben. Also befindet sich mittlerweile sogar dort toter Käse im Angebot, herangekarrt aus der achthundert Kilometer entfernten, blitzsauberen oberbayrischen Käsemanufaktur. Hauptsache biodynamisch. Weshalb dann auch die Rinde mitgegessen werden darf.

So wurde zwar, wie der Maître fromager schrieb, das Anti-Käse-Gesetz damals zu Fall gebracht. Aber gesiegt haben letztendlich die weltweit mit uns «spielenden» Plastik-Konzerne, denen sich die einheimischen Produzenten unterworfen haben (wenn sie nicht ohnehin dazugehören) und die uns nach wie vor weismachen möchten: Nur Frische zählt.

Aber Käse will, ebenso wie Fleisch, nunmal reifen.

Die Zeit ist reif (für die Revolution)!

P. S. Madame Lucette friert den aus der Heimat in größeren Mengen mitgebrachten Käse ein. Der ist immer noch besser als derjenige, der hier gekauft werden kann.
 
Sa, 12.07.2008 |  link | (3272) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 

Lebenssäfte

Dieser Tage auf der Terrasse der französischen Exklave ein Aperitif, wie man ihn nicht nur im Holsteinischen nicht, sondern überall im angelschen und slawischen, überhaupt barbarischen Land, ja wohl in der gesamten rechtsrheinischen Republik nicht kennt, auf jeden Fall überall dort, wo die Römer nicht hingekommen waren und deshalb wohl Adenauer nie hinwollte, ein Gespräch über — ja worüber wohl? Übers Essen und das, was es zu erhöhen vermag und zur Not auch ohne Brot gut rutscht. Madame Lucette, Oasenbetreiberin in der grünen Höllenwüste des antikulinarischen Nordostens kurz vor hinter Sibirien unweit des tückischen mare Balticum, gab von ihrer Terrine und servierte sommerlichen Riesling aus — so schlimm ist's ja gar nicht mit dem französischen Fremdeln, Hauptsache, es schmeckt gut — der Pfalz (obwohl: der nicht so gemeine Südpfälzer fuhr zum Einkaufen schon immer ganz gerne in die Nachbarschaft Alsace und Lorraine). Erst kam einer von Schäfers Terrassen von 2005 dran, dann einer von Knipser aus dem folgenden Jahr. Verbale Ausflüge in die Heimat der Dame des Hauses, in die Ardennen, in diesen französischen Weltendezipfel, der ganz rechts oben im Belgischen Land nimmt und von dem nichtmal die meisten Franzosen wissen, daß es ihn gibt, daß er ihm, daß er zur Grande Nation gehört. Nun ja, manche halten ja auch Marseille für eine afrikanische Exklave. Womit sie nichtmal so ganz falsch liegen, denn wie heißt es doch so schön prosaisch da unten in der alten mediterranen Griechen-Metropole unter der Tricolore, nach der auch die rauen nationalhymnischen Kampfgesänge benannt sind: die Kanonen seien schon immer gen Festland gerichtet gewesen.

Wieder einmal erzählt Madame ihre unsererseits immer gerngehörten Geschichten aus der Kindheit, deren materieller Reichtum einzig darin bestand, inmitten von selbstangebautem Obst und Gemüse oder auf Feld und Wiese gefundenen Löwenzahn und Brennesseln, zum eigenen Wohlsein liebevoll gepflegtem Borsten- und Federvieh aufgewachsen zu sein. Und aus alldem Köstlichkeiten zuzubereiten sind wie etwa Konfitüren und Gelées, wie sie auch heute noch alljährlich im heimatfernen Herzogtum Lauenburg aufgekocht werden, dazu gebacken eine Brioche, wie sie eben nur jemand hinbekommt, der's von mère oder gar von grand-mère und die wiederum es in Zeiten lange vor der nie getanen Äußerung dieser Österreicherin beziehungsweise deren und anderer nachrollenden Köpfe gelernt hat — früher also schlichtes Gebäck und heutzutage großes Kunsthandwerk. Von dem Mieter samt Löwenzahn (cramaillot)- oder Quitten(cognassier)gelée immer wieder mal was abbekommen, nicht nur, wenn oder weil sie kein Brot haben.

So führt irgendwann zwangsläufig einmal mehr das Gespräch hin zur Qualität und dem dazu erforderlichen Bewußtsein, das eigentlich nur in einem Elternhaus entstehen, allerdings auch nachgeholt werden kann, vor allem, wenn man das Glück hatte, als junger Barbar während einer dieser ungestümen Paris-Ausflüge in den Anfangssiebzigern einer dieser entzückenden kleinen Bilderbuch-Französinnen begegnet und von der dann auf den Geschmack gebracht worden zu sein, sowohl in der anschließenden ehelichen Küche als auch auf den vielen Reisen durchs Land, in dem der tägliche gut durchgebratene Batzen Fleisch und sonst nichts nicht eben zu den höchsten Lebensgefühlen gehört.

Eigentlich müßte man ja Champagner trinken, denn das vor etwa fünfunddreißig Jahren der Liebe wegen verlassene Zuhause liegt in der Région Champagne-Ardenne, etwa eine Autostunde von den Heiligen Champagner-Gärten entfernt. Selbstverständlich liegt auch der im Keller des Hauses nahe der Ostsee, wenn auch in einer Geschmacksrichtung, für die der euroglobalisierte Deutsche nie auch nur eine einzige Stufe nach unten ginge. So etwas wie den herrlich nach historischer Lagerstatt duftenden 99er Duménil mag er nicht, er zahlt lieber fast das Doppelte für den von den großkonzernigen Herstellern für den Weltmarkt produzierten alle Jahre wieder immergleichen Geschmack. Daß das Lebewesen Wein einmal im Jahr Stimmungen unterworfen ist wie wir gleich alle Tage, das darf nicht sein. Dann hieße es ja Laune. Und Laune wird hierzulande gerne als schlechte definiert, da mag er noch so launig am Gaumen herumtänzeln. Also kommt er in den Käfig Anpassung. Doch die auch geschmackliche Entindividualisierung durch die Lebensmittelindustrienorm hat auch sein Gutes, denn so bleibt für die Anhimmler des feinen Wohlseins mehr. Aber heute werden ja zwei Sorten Pfälzer getrunken. Der Sohn als gelernter Sommelier bringt so etwas von seinen Verkostungsreisen mit.

Und all diese köstlichen Lebenssäfte gibt's dann auch noch zu kaufen in dem kleinen mittelständischen Betrieb, dem der Junior mittlerweile als Geschäftsführer des elterlichen Handels vorsteht. Bei den moderaten Preisen mag man dann auch noch verwundert den Kopf schütteln, vergleicht man sie mit den Offerten der Warenumschlagplätze allüberall. Fast wähnt man sich in Frankreich, wo ein Wein eben nicht den Gegenwert einer Tankfüllung eines dieser Renn-LKW kosten darf, in denen die Deutschen so gerne zu den Billigheimern einkaufen fahren, weil man ja irgendwie an irgendwas zu «sparen» anfangen muß. Dort kaufen sie dann das, was den erwähnten mittelständischen Betrieben, vor allem aber den kleinen Läden in den Dörfern und auch den Städtchen den Garaus gemacht hat: Hauptsache billig. So sehr lange sei es noch nicht her, erzählt Madame, daß der dorfansässige Händler wochenweise hunderte von Kisten mit Getränken verkaufte. Den Händler gibt es natürlich nicht mehr, das Geschäft machen diejenigen, die ihn aus dem Dorf radiert haben, ihr Personal überwachen und zu Billiglöhnen knechten, anstatt ihm ein Schwätzchen zu gönnen mit den Kunden.

Aber was soll's, die haben ohnehin keine Zeit mehr. Sie sind immer in Eile, geht es doch darum, Paul-Martin, Amalia Marie oder Jimi Blue und San Diego zum Ballett- oder Klavierunterricht, zum Cheerleaders Hüpfing, zum Tennis und zum Reiten und zum Junior-Golfing, zu diesen ganzen durch den Medien-Rummel samt angeschlossenen Ratgeberlein suggerierten Lebensnotwendigkeiten zu karren. Vielleicht auch noch zum erforderlich gewordenen Nachhilfeunterricht, wobei das ja längst zur feineren Lebensart gehört. Die Kleinen fröhlich über die Koppel hüpfen oder ein Schlammbad in der Schweinesuhle nehmen zu lassen, das würde sie nicht auf die Fährnisse des späteren Alltags vorbereiten helfen. Für oder gegen Allergien hat man schließlich Kinderärzte und Krankenkassen. Außerdem wär's zu prollig. Was sollte denn da der Nachbar von einem denken?!

Aber es sind ja beileibe nicht nur die Pilotinnen koreanischer (einen bayerischen oder schwäbischen hat der Haushaltsplan nicht hergegeben) SUV-Panzer, die zwar die Maße ihrer Geräte nicht kennen, dafür aber die Preise für das Kilo pharmaziegefüttertes Massenvieh, das ihr Bürohengst am Abend unbedingt braucht, wenn er von seinem anstrengenden Sesselritt nachhause kommt. Immer wieder liest unsereins auch bei denen, die sich als feine Schmecker gerieren, wie wunderbar lecker doch der Wein von diesem oder der Champagner von jenem Preiskämpfer geschmeckt habe. Daß diese Nach-unten-Nivellierer mit ihrer Einkaufspolitik «im Dienste des Kunden» die Winzer platt- und sich selber noch reicher machen, indem sie ihnen Preise aufzwingen, daß die gar nicht mehr anders können, als irgendwann Eurogülle zu produzieren oder aufzugeben. Welche gesellschaftlichen Folgen das nach sich zieht, darüber wird eher weniger nachgedacht. Egal. Hauptsache billig. Auch Öko. Aber das hatten wir ja auch schon.

Und daß Knigge eher weniger eine Anleitung für vollsaftige Handküsse und abzuspreizende Kleinfinger oder nicht geschrieben, sondern sich eher über die Begleitumstände des (auch oder gerade heute gültigen) Hofschranzentums, überhaupt zum Thema Umgang mit Menschen geäußert hat, das zu wissen, das wäre billig und käme einem Rückfall in den Konservativismus gleich, dem man ja gerade erst entronnen ist.

Von Erkenntnissen erschöpft lehnen wir uns zurück, blinzeln in die vom Atlantik auf Besuch weilende Sonne und nehmen dann doch ein Schlückchen dieser köstlichen Wahrheit aus Chigny les Roses. Und immer dann, wenn du meinst, es gäb' nichts mehr, kommt von irgendwo dann noch ein Stückchen Kuchen her. Wir sind zwar im Norden, aber so gut wie zuhause.
 
Fr, 11.07.2008 |  link | (5143) | 7 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache



 







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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6026 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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