Von Gebildeter zu Gebildeten:

Vom «zehnjährigen Jubiläum» von Nine Eleven spricht Tina Mendelsohn in der Kulturzeit vom elften September im Gespräch dem norwegischen Friedensforscher Johan Galtung.
Sie sucht den Augenblick der Wahrheit und macht uns zu Mitwissern:

«Ich habe ein Gespür dafür, wann ich aufhören muß zu fragen.» Ein Live-Interview ist wie Sport. In dem Augenblick davor, wenn die Minuten kurz sind und die Sekunden lang, befällt Tina Mendelsohn eine unheimliche Leere.
Und das hat Galtung eingangs des Gesprächs im Wortlaut nahezu identisch geäußert:
Kulturell ist so gut wie nichts geschehen. Der große Dialog hat nicht stattgefunden.

 
Fr, 09.09.2011 |  link | (2728) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele


nnier   (10.09.11, 11:49)   (link)  
Jubelfeiern, die zehn Jahre andauern werden.


jean stubenzweig   (10.09.11, 15:54)   (link)  
Derart gerissen hat's mich,
daß ich dem Rest der Sendung nicht mehr folgen konnte und arg ins Grübeln kam. Sicher, solch ein Versprecher ist einem schnell passiert, wenn man im Studio steht oder sitzt wie auf dem heimatlichen Sofa, abgeschottet von der anderen, meinethalben wirklichen Welt, die aber aus dem Glashaus heraus als eine parallele empfunden wird. Doch eine Korrektur ist heute, im Gegensatz zu meiner aktiven Zeit, als jedem Hüstler eine Fußnote der Entschuldigung vor den unsichtbaren Zuhörern zu folgen hatte, kein Problem mehr. Da kann man doch kurz nachklappern, etwa Gedenktag oder so, meinetwegen.

Aber ich hatte eben darüber zu reflektieren begonnen, was mich an Frau Mendelsohn in letzter Zeit zu stören begonnen hat: das zunehmend blasierte, aufgesetzte, gestelztes Auftreten einer höheren Tochter, die mir in letzter Zeit überhaupt als Darstellerin ihrerselbst auffällt, die allenfalls in eine arte-Choreographie gepackt gehört, aber nicht als gesprächsführende Ansagerin einer solchen Sendung auftreten darf. Doch in der gibt es ohnehin immer weniger Reibungspunkte, da werden, keinen Deut besser als anderswo, nur noch Events abgemanagt, hart an der Grenze zu dieser Okzidentierung.

[...] Häppchenkultur eines nicht uninteressanten Formats wie „Kulturzeit“[...]
Mendelsohn: Und alles ist Marketing. Und das macht die Sache natürlich auch sehr bitter. Also, da gibt es diesen Bürgermeister, aber man muss auch sagen: Alle Künstler sind Kollaborateure dieses Marketings, ähäh – New York, weinend wegen dieser Geschichte, alles ististist … ist sozusagen gut für’s Geschäft.

Aber wer weiß, vielleicht war das immer so, und ich kriege es erst jetzt mit. Alters- (weisheits-)bedingter Kulturpessimismus? Dabei soll Weisheit doch Gelassenheit bringen. Und ich werde immer ungehaltener. Werde ich zu dem, was ich als Kind nicht sein durfte? Dann soll's mir erst recht recht sein. Dann käme ich endlich an wie einst in den Wunschgedanken von Herrn Sutherland.


kopfschuetteln   (10.09.11, 16:20)   (link)  
ich habe mir das gespräch mal rausgefischt und angesehen. das ist unterirdisch seitens der moderatorin: "männer arabischer herkunft"; auch sehr seltsam. muß man das verstehen? nö!


jean stubenzweig   (11.09.11, 11:26)   (link)  
Darauf läuft es hinaus,
wenn ich von einer Perspektive aus dem scheinbar glashäusernen Elfenbeinturm rede – die glauben am Ende tatsächlich, sie seien «Elite». Ich will gar nicht wissen, wie Frau Mendelsohn denkt, wenn sie von «Männern arabischer Herkunft» spricht. Da kommt rasch die Vermutung in mir auf, sie könnte auf dem Sofa in ihrem heilen London klammheimlich an Randalierer denken, wenn sie vor der deutschen Moderatorinnenkamera bei hochernstem Mienenspiel Nachdenklichkeit und Toleranz predigt. Aber vielleicht tue ich ihr Unrecht und sie hat lediglich schlechte Berater.


kopfschuetteln   (12.09.11, 15:17)   (link)  
man könnte ihr "zugute" halten, daß sie in der vorbereitung des gespräches die textbausteine nicht selbst zusammengesetzt hat. insofern hat sie vielleicht nur schlechte „textzusammensetzer“.
ich denke nicht, daß sie der dame unrecht tun. sich in einem gespräch zu vertun ist das eine, wie sie sagen: Sicher, solch ein Versprecher ist einem schnell passiert, wenn man im Studio steht. das andere ist jedoch, den herrn galtung mehrmals zu fragen, ob man denn nun verstehen muß, obwohl er ihr das sehr gut erklärt hat. konsequenterweise hätte sie breivik einen attentäter norwegischer herkunft nennen müssen. darauf würde niemand kommen. bleibt dann doch nur gedankenlosigkeit im elfenbeinturm.


jean stubenzweig   (13.09.11, 13:44)   (link)  
«Textzusammensetzer»
Welch ein Wort. Meinen Sie damit, da hat jemand im Archiv für Frau Mendelsohn nach Schlagzeilen gesucht, die aber nun wirklich auch jeder sofort versteht? Das hieße jedoch, daß mittlerweile auch Kulturzeit auf der Suche nach dem Zuschauer mit der Stange im Quotennebel stochert. Das vermute ich dann doch weniger, denn ich halte das Publikum des Magazins eher für eine recht geschlossene Gemeinschaft, weniger eine der Art wie diese Fernsehanstalt gewordene[r] Zen-Buddhismus als eine im Prinzip nach wie vor scharf zwischen E und U trennende und aus Gründen der anerzogenen Toleranz mit halbem Ohr auch mal ungewohnte Töne registrierende. Es mag allerdings sein, daß die sich durch Zulauf aus dem Spektrum neuartiger Bildungskriterien verjüngt, nenne ich sie mal Kinder der grünkatholischen Liberalität, dann träfe das dann zu. Zu denen zählten nach Florian Schröder auch diejenigen, die in der großen Stadt dann das Dorf lebten, das sie vor einiger Zeit wutentbrannt verlassen hätten.

Die Angelegenheit mit dem etwaigen Versprecher: Gestern wies die Ansagerin eines Regionalprogramms (!) innerhalb der Sendung darauf hin, man habe sie darauf hingewiesen, sie habe bei ihrer Anmoderation einen nicht korrekten Begriff verwendet, den sie hiermit selbstverständlich korrigiere. Eine gesprächsführende ehemalige Studentin der Zeitgeschichte und Politik sowie filmische Dokumentatorin scheint das nicht nötig zu haben. Oder aber die ebenfalls absolvierte Ausbildung schlägt durch, die stärker am heuristischen Prinzip orientiert ist, nach dem mit möglichst wenig Aufwand viel mediale Wirkung erzielt werden soll. Als seinerzeit immer mehr Absolventen privater Journalistenschulen in die Redaktionen drängten, kam bei mir der Verdacht des Klappentextjournalismus' auf. Zunehmend waren mir Journalisten aufgefallen, die ganze Zeitungsseiten vollschrieben über Themen, die sie nicht wirklich interessierten und zu denen ihnen auch jeglicher Bezugspunkt fehlte, mit denen sie aber auf die Schnelle die Kulturseite ihres Blattes vollzuschreiben hatten, weil möglicherweise ein Text einem Krankenstand zum Opfer gefallen war. – Von dieser Warte aus betrachtet liegen Sie wohl richtig mit Ihren «Textzusammensetzern», denen ein (un)mittelbarer oder gar tieferer Zusammenhang zwischen Terrorismus und einem Breivik entgangen sein dürfte. Auf die Idee, daß es sich bei diesem Begriff um einen handeln könnte, der von den Jakobinern bzw. aus der französischen Revolution stammt, kommen sie noch weniger als auf die zeitlich näher liegende Tatsache, daß solche Begebenheiten auch von staatlichen Institutionen ausgehen können. Da gab es nämlich beispielsweise mal einen anderen 11. Sepember, eingegangen in die Annalen des Jahres 1973. Verdamp lang her, aber schließlich dann doch schon drei Jahre vor der Gründung von Bap.

Um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen soll nicht verschwiegen werden, daß ich aus eben dieser Kulturzeit die Information habe, mit der ein Autor darauf hinweist: «An vielen Orten der USA finden Sie Museen, die dem Holocaust gewidmet sind, aber kein Museum, das an die Sklaverei erinnert. Das liegt einfach zu nah vor der eigenen Haustür. Teju Cole sucht die erste Siedlung freier Sklaven in New York: Seneca Village liegt auf dem Gebiet des heutigen Central Parks. 1820 hatten hunderte ehemaliger Sklaven erstmals eigenen Grund und Boden erworben, kurz darauf musste ihr Dorf dem Park weichen. Erst 2011 haben hier Wissenschaftler gegraben. Zehn Jahre lang hatten sie vor Gericht um die Erlaubnis gekämpft. Heute wächst schon wieder Gras über diese Geschichte.»















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