Italienisches München?

In München kennen sie jeden Kuhfladen in der Toskana oder meinetwegen auch noch in Umbrien, jede Touristenpfütze in Venedig. Da fahren sie dauernd hin, weil sie sich dort heimisch fühlen. Oder vielleicht auch, weil sie dort endlich finden, von dem sie meinen, daß es zuhause so sein müßte, weil es ständig behauptet wird: italienisch, weil ...

Alles schwafelt immer was von der nördlichsten Stadt Italiens. Damit sind allenfalls die paar wärmeren Tage auch im Herbst oder bereits im Frühjahr zu verbinden. Und daran ist in der Regel der Föhn schuld. Der sie so wirr macht, daß sie glauben, sie seien in Italien — und es überall rumerzählen. Dabei fahren sie lediglich bei Rot los und halten bei Grün an und rumpeln dauernd ineinander mit ihren lackglänzenden BMW-Cabriolen. Vor allem die ganzen Düsseldorfer und Bielefelder, die über die Stadt gekommen sind seit der Olympiade 1972. Dabei hocken sie in einem der miefigsten Kaffs der ganzen Republik.

Italien? Dieses Biergartendorf. Was ist daran italienisch? Das bißchen der Renaissance oder (im Sinne Winckelmanns) inhaltsleer der Antike nachempfundene Architektur? Königsplatz? Mich schaudert's, wenn ich davorstehe. Filmkulisse. Wie Neuschwanstein. Disneyland. Das meiste ist ohnehin dieser süßliche, putzige, niedliche, spätputtige Barock. Nun gut. Vielen gefällt's. Zugegeben, ich bin eher französisch fundiert, fundamentiert sozusagen, bevorzuge klare, aufragende Formen. Aber viele lange Jahre hatte diese «unsere kleine Stadt», wie Claudius Seidl sie so punktgenau charakterisiert hatte, mich eben im Gemäuer ihres schlichten Gemütes gefangengehalten.

Ein Kölner, der käme nicht auf die Idee, in dieser Stadt wohnen zu wollen. Der hätte ständig Heimweh in sein nördliches Italien. Mir sind einige Menschen bekannt, denen es so ging. Sie sind bald wieder zurück. Wenn's ging. Die Düsseldorfer, die fühlen sich wohl in München. Sie passen auch gut dorthin. Aber Kölner? Denn Köln ist tatsächlich italienisch. Und manchmal auch ein bißchen französisch. Schließlich haben die von links über den Rhein einmarschierenden Truppen die ehemalige römische Kolonialmetropole aus dem bis ins Mitteralter andauernden Tiefschlaf erweckt und direkt in die revolutionäre Moderne geführt. Wenn ich vorm Kölner Dom stehe und mir diese schlimme Fußbodenplatte wegdenke — na ja, ich schaue ja sowieso nach oben, weniger auf zu diesem ewigen katholischen Barträger, sondern eher zum nicht minder ewigen Baugerüst. Denn an diesem Filigranmonster wird ja nicht nur seit 1400, ach was, seit 870, sondern vermutlich noch weitere vierzehnhundert Jahre gebaut. Dann habe ich klare Gedanken: römisch, romanisch, Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Und das Vorbild hatte dann ohnehin wieder ein französisches Fundament: die Cathédrale von Amiens (man schaue sich mal zum Vergleich den Münchner Dom an ...). Oder die vielen anderen romanischen und gotischen Kirchen.

Das läßt sich aus der Geschichte leicht erklären. Die Kölner haben von beidem etwas: die Offenheit der Italiener. Das ist die römische Geschichte. Und das französische laisser-faire, und manchmal auch die Sturheit. Aber nur manchmal. Und sie können über den spezifischen rheinischen Katholizismus lachen. Oder über den rheinischen Kapitalismus. Wer kennt nicht Jürgen Becker, Miterdenker der Stunksitzung, den hirschgeweihten Moderator aus dem Alten Wartessal zu Köln oder den Missionar des Rheinischen Frohsinns, der gemeinsam mit Didi Jünnemann europaweit die örtlichen Gegebenheiten für Karnevalsumzüge zu finden trachtet? Dieser Becker ist auch der Erfinder des Rheinischen Kapitalismus, Fachmann für Glaubensfragen («Kein purer Spott, sondern ein intelligenter Exkurs, der nicht nur Fundamentalisten zu empfehlen ist», hieß es in der FAZ). Er hat am Beispiel des Franz von Assisi die Kapitalismus-Werdung erklärt. Und das geht in etwa so:

«Er war nämlich der Sohn des berühmten italienischen Tuchhändlers Piedro Bernadone. Ein richtiger Modezar, daraus entstand dann später Benetton. Der Vater reiste als Tuchhändler viel in der Welt herum und nannte seinen Sohn Francesco, den Franzosen. Dazu muß man sagen: Die Italiener lieben die Franzosen, aber sie achten sie nicht. Die Franzosen wiederum mißachten die Italiener. Aber sie lieben sie auch nicht. Das mit der europäischen Einigung wird noch schwer kompliziert.»

Köln. Es ist die einzige deutsche Stadt, in der ich Italien rieche. Und manchmal stinkt's auch so. Mit dem Klima hätte ich allerdings Probleme. Und Meer gibt's auch keins. Wenn sich der Rhein auch manchmal so gebärdet, wenn er so uferlos wird wie seine Anrheiner. Nun denn: Sie haben den Protestantismus im Kölnischen Krieg von 1582 erfolgreich niedergerungen. Sie sind mit den französischen Besatzern von 1801 bestens klargekommen. Die waren über diese, damals eben, napoleonisch bedingt, nicht unbedingt so unangestrengte französische Gleichgültigkeit derart verblüfft, daß sie die kriegerischen Segel gestrichen, sich sogar fröhlich vermischt haben.

In Köln spürt man Geschichte. Köln ist alt! Als Stadt! Nicht so alt wie Marseille, aber immerhin etwa so alt wie Lyon. Das wäre ein Vergleich. Köln wurde 38 vor unser aller, besser des kölschen Christus, also neutraler 38 vor unserer Zeitrechnung als Hauptstadt der von den Römern umgesiedelten Ubier als als Oppidum Uborium gegründet. Und die Kölner leben auf der Straße. Immer. Und zu jeder Jahreszeit. Sogar im arschkalten, ekelhaft nieseligen November siehst du die Menschen nachts auf dem Hohenzollernring, weil sie ins Kino oder in die Kneipe gehen. Während im italienischen Zwiebelturm-München mit seinen ganzen Provinzlern aus Düsseldorf oder Hannover ...

Es ist zwar schon ein Weilchen her, aber exemplarisch für die diese Stadt: Ein Bäcker am Schwabinger St.-Josephsplatz versuchte seit Urzeiten, ich glaube, seit fünfzehn oder gar zwanzig Jahren, die Genehmigung dafür zu erhalten, Tische und Stühle auf den recht hübschen, nachgerade idealen Platz zu stellen, um Capuccino — wahrscheinlich mit Instantsahne obendrauf — und Panini zu servieren, die er den Alteingesessenen wiederum als Semmeln verkauft. Aber Semmeln mögen diese Münchner Italiener nunmal nicht. Panini müssen's sein. Wie auch immer, der Bäcker kriegt keine Genehmigung. Die Buchhändlerin von nebenan hat mir erzählt, daß es ihr wirtschaftlich um einiges besser geht, seit sie dorthin gezogen ist, von einem lediglich ein paar Meter weiter gelegenen Eck, weil an diesem Platz Leben in die Bude kommt. Es wuselt regelrecht, denn es ist eine ausgesprochene Wohngegend mit ein paar kleinen mittelständischen Betrieben. Dennoch: null. Es gibt da eine radiologische Kleinklinik. Die Menschen kommen von überall her. Sie müssen oft warten. Aber Café? Ich hab da mal verzweifelt eines gesucht, weil ich mit jemandem was zu besprechen hatte. Nichts. Aber der zuständige Bezirksausschuß oder welche abschießende Behörde auch immer sagt nein. Das deckt sich mit der jahrelangen Diskussion in der Stadt um die sogenannte Sperrstunde.

Es handelt sich zwar um einen älteren Text (2002), der auch anderenorts bereits veröffentlicht war. Aber ich bin gestern von in Isar-Athen lebenden Düsseldorfern, die mal richtiges Wasser sehen und den Horizont abtasten wollten, derart penetrant zueuphorisiert worden, daß es jetzt (nochmals) rausmuß.

(Siehe auch: Patois d'Cologne)

 
So, 10.08.2008 |  link | (7024) | 20 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Unterwegs


chat atkins   (10.08.08, 11:03)   (link)  
"Wie weit man kommt, wenn man den Mut seines schlechten Geschmacks hat, beweist das Barock."
Harry Graf Kessler


hap   (10.08.08, 11:51)   (link)  
Wer zu früh wegzieht ...
... nein, den bestraft nicht das Leben, aber er kriegt gewisse Dinge nicht mehr mit: "Ein Bäcker am Schwabinger St.-Josephsplatz versuchte seit Urzeiten, ich glaube, seit fünfzehn oder gar zwanzig Jahren, die Genehmigung dafür zu erhalten, Tische und Stühle auf den recht hübschen, nachgerade idealen Platz zu stellen ..." Vielleicht ist es ja die Macht der Feder gewesen (ich nehme mal an, OB Christian Ude, selbst ein Mann der Feder, hat damals diesen Text von Stubenzweig gelesen), jedenfalls darf inzwischen jeder Bäcker und jeder Metzger Stühle und Tische auf den Gehsteig stellen, und eine Genehmigung braucht er auch nicht. Bei Vinzenz Murr, dem Kettenmetzger, der in ganz München Filialen verteilt hat, hamse am Kufsteiner Platz sogar Tischdecken drauf, weil: Das ist Bogenhausen.
Und a Sperrstund' gibt's scho lang nimmer. Trotzdem kann ich dir nicht raten, zurückzuziehen nach Wahnmoching, lieber Stubenzweig: Der Barock tobt nach wie vor. Und den muss ich in Schutz nehmen vor übler Nachrede und etwas differenzieren: Es gibt Barockgebäude in dieser Stadt mit geradezu perfekten Proportionen. Und es gibt das Buch "Stille Winkel in München" von Hans Pfitzinger, für die ich bei dieser Gelegenheit mal wieder schleichwerben muss ("zum Niederknien", Welt am Sonntag).
Und nicht zu vergessen: Das unsterbliche Meisterwerk der internationalen Filmkunst, "Zur Sache, Schätzchen!", ist ebenfalls in dieser Stadt entstanden, auch wenn alle geistigen Urheber - bis auf Uschi Glas - Reingschmeckte waren, Zuagroaste, also von woanders her Zugezogene. So wie der Barock.


jean stubenzweig   (10.08.08, 14:08)   (link)  
Du bist Dir
hoffentliich darüber im klaren, daß das Thema München in weiten Teilen allein Dir gewidmet ist. Weil Du als Zuagroaster nämlich der einzige bist, der wirklich liebt, der zum Niederknien niederkniet und deshalb der einzige ist, der hier Werbung betreiben darf beziehungsweise die sogar gefördert wird:

Oasen der Ruhe

Ich werde die Oasen der Ruhe demnächst – wie noch einiges anderes mehr – ohnehin nach hier und woanders hin umziehen (wie sich das da drüben ja seit einiger Zeit sowieso langsam auflöst). Dann gibt's nochmal Werbung für Deine große Liebe.


prieditis   (10.08.08, 14:56)   (link)  
heee, ich wohne auch in düsseldorf! die angesprochenen "düsseldorfer" wohnen auch eher in "meerbusch"...


der ur-düsseldorfer fühlt sich nämlich nirgends anderswo zuhause als in dem viertel, wo er das licht der welt erblickte. eigentlich betritt er auch keine anderen viertel.... ;o)


jean stubenzweig   (10.08.08, 16:06)   (link)  
Ticker aus MUC
«Eine Antwort auf deine Frage, was in München nicht abgekupfert ist, erfordert längeres Nachdenken, vielleicht monatelanges Nachdenken, möglicherweise tiefere Temperaturen.

Aber wenn es mir einfällt, erfährst du's als erster, Saupreiß, französischer.»

hap


jean stubenzweig   (10.08.08, 16:15)   (link)  
Meer und Busch?
Das geht doch nun wirklich nicht zusammen. Aber vielleicht liegt das ja an der Kö? Oder verwechsle ich da mal wieder was, und die sitzen eigentlich alle auf der Leopoldstraße oder am Ku'damm?


hap   (10.08.08, 17:39)   (link)  
Noch'n Düsseldorfer
"Daß man aber die ganze Stadt ein neues Athen nennt, ist, unter uns gesagt, etwas ridikül, und es kostet mich viele Mühe, wenn ich sie in solcher Qualität vertreten soll. Dieses empfand ich aufs tiefste in dem Zweigespräch mit dem Berliner Philister, der, obgleich er schon eine Weile mit mir gesprochen hatte, unhöflich genug war, alles attische Salz im neuen Athen zu vermissen.
»Des«, rief er ziemlich laut, »gibt es nur in Berlin. Da nur ist Witz und Ironie. Hier gibt es gutes Weißbier, aber wahrhaftig keine Ironie.«
»Ironie haben wir nicht«, rief Nannerl, die schlanke Kellnerin, die in diesem Augenblick vorbeisprang, »aber jedes andre Bier können Sie doch haben.«
Heinrich Heine, Reisebilder. Von München nach Genua

Mit dem Text dieses überaus frankophilen Düsseldorfers, der zeitweilig nach einer Professur in München schielte, endet die Periode des Nachdenkens auf die Frage des Herrn Stubenzweig: Gibt es in München etwas, das nicht woanders abgekupfert wurde?
Die Antwort: Weißbier. Und schlanke Bedienerinnen wie das Nannerl. In ihre Nachfolgerinnen verliebe ich mich dauernd dumm und dämlich.
Bis dieser Tage - ich muss jetzt unter die Bäume und beim Nannerl ein Helles bestellen.


loreley   (10.08.08, 19:47)   (link)  
Alles schwafelt immer was von der nördlichsten Stadt Italiens.

Vielleicht deswegen:

http://loreley.twoday.net/stories/5114716/

http://loreley.twoday.net/stories/5041605/

München ist genau genommen sogar tropisch. Ingmar Bergman war zumindest dieser Ansicht. Ihm hat es deswegen hier nie so richtig gefallen.

Ich glaube, die Weisswurst könnte auch noch in die Kategorie "Nicht abgekupfert" fallen.

Und bitte nicht immer Olympiade sagen, wenn die Olympischen Spiele gemeint sind.


jean stubenzweig   (10.08.08, 20:31)   (link)  
Olympisches Dorf
Und ja doch, Frau Loreley, Sie haben selbstverständlich recht: die Olympischen Spiele von 1972. Dennoch sind die meisten während der nächsten Olympiade gekommen. Denn vorher kannten die ganzen Düsseldorfer und Bielefelder «unsere kleine Stadt» nämlich noch nicht. Und es wäre auch gar kein Platz gewesen für sie alle. Für sie alle hat man schließlich die Olympiastadt gebaut und das Studentendorf. Und nicht für militärische Zwecke, wie ein paar Jahre zuvor anderswo.

Während ich mich lange zuvor bereits gefürchtet hatte beim Blick von der Rotwand nach unten (trotz der Bergführer-Warnung, es nicht zu tun). Außerdem ist Schwabing nicht München. Auch da kenne ich mich aus, ich, der ich aus dem Dorf nie rausgekommen bin. Wieder daneben: Man soll auch nie Schwabing schreiben, wenn die Maxvorstadt gemeint ist.


hap   (10.08.08, 23:48)   (link)  
Monacophil
Ha - Frau Loreley aus Schwabing! Da hätte Herr Heine aus D'dorf bestimmt seine helle Freude dran. Danke für die Links zu den schönen Balkonfotos, verehrte Mitbewohnerin der oberbayrischen Hochebene. -
Monsieur Stubenzweig kennt, aus eigener Anschauung, sogar die unterschiedliche Geografie von Maxvorstadt und Schwabing, hat er doch zunächst in ersterer gewohnt - Barerstraße -, und dann in letzterem - Schleißheimerstraße Nord. Für die Nachwelt: Die Grenze zwischen Schwabing und Maxvorstadt ist die Georgenstraße.
Irgendwas muss an diesem Ort dran sein - hier gibt es eine magische Energie, die wir alle nicht verstehen: Zuerst bemerkt hat das Heinrich der Löwe, und dann die Wittelsbacher - Karl Theodor, Ludwig I. und II.. Und schließlich kamen sie alle hierher, meine Helden - Friedrich von Sckell, Leo von Klenze, Friedrich Gärtner, Gottfried Keller, Wladimir Iljitsch Lenin, Franziska von Reventlow, Franz von Lenbach, Franz von Stuck, Lovis Corinth (nach Berlin geflüchtet!), Oskar Maria Graf (nach New York geflüchtet!), (Adolf Hitler - in Klammern, weil kein Held von mir - nach Berlin geflüchtet!), Kurt Eisner, Erich Mühsam, Gustav Landauer, Karl Valentin, Liesl Karlstadt, Erich Kästner, Rainer Werner Fassbinder, Flatz, Klaus Lemke und - nicht zu vergessen: Gerd Müller, Sepp Maier, Gerd Ruge und Silvie Winter.
Beinahe hätte ich Detlef Bluemler übersehen (nach Marseille geflüchtet!). Und Mona mit der gelben Umhängetasche (nach Weißenburg geflüchtet)!, laut H. W. Geissendörfer die "Frau mit den hübschesten Titten von Schwabing."
Aber er nahm's auch nicht so genau, der spätere Lindenstraßen-Geissendörfer, mit dem ich immer in die "Mainzer Weinstube" in der Ismaningerstraße fuhr, weil es nur dort den Shangri-La-Flipper gab. Er meinte eigentlich: Maxvorstadt.
Ah, was ich noch sagen wollte: Gut' Nacht!


jean stubenzweig   (11.08.08, 04:49)   (link)  
Schwabing-West!
Am Rand des Olympia-Geländes. Soviel Genauigkeit möchte schon sein. Schwabing-Nord ist eine Erfindung der Immobilenbranche, die seit den Achtzigern den immer noch in Düsslerdorf und Bielefeld Hockenden weißmachen möchte, auch in Milbertshofen weilten sie noch mittendrin im Sündenpfuhl. Die Trennungsschneise Mittlerer Ring wird dabei wohlweislich unterschlagen, um mehr Prozente kassieren zu können und um bloß keinen gewinnbringenden Mythos zu zerstören. Ohnehin dürfte diese überaus seriöse Branche Schwabing-Nord bis in die Kapalkengegend Hasenbergl und zur Kaiser-Franz-Arena hin ausgedehnt haben (wo die Rieselfelder die Stadt parfumieren).

Aber wer als Altneumünchner (fast) immer Rechts der Isar im feinen Bogenhausen residiert, der kann solche Ziselierungen nicht (er-)kennen. Schon gar nicht, wenn er meinen Turm gar nie nicht von innen gesehen hat.

Mein Quartier, genannt Lebensmittelcaré, aber war immer: Türken-Adalbert-Amalien-Schellingstraße, dort, wo die vielen hübschen Studentinnen auch früher schon ihren Cappuccino schlabberten. Ein gewisser Nearly Normal Jimmy nannte das mal: Dort, wo die Brüste haltlos durch die Gegend wippten (oder so ähnlich). Schon vergessen? Es ist doch erst acht Jahre her. Ach ja, mit dem Alter schwindet das Zeitgefühl.

Ach – ich muß mich schon wieder entschuldigen. Du hast ja gar nicht Schwabing-, sondern Schleißheimer Straße-Nord geschrieben. Dennoch: Die nördliche Schleißheimer Straße befindet sich über dem Mittleren Ring. Wie geschildert.


mark793   (11.08.08, 11:50)   (link)  
Noch was zu
Meer und Busch: Selbst den Leuten von Spiegel Online ist es anscheinend nicht zu verklaren, dass das kein Düsseldorfer Stadtteil ist, sondern eine eigenständige Verbundgemeinde. Allerdings mag die Existenz von D-Seestern zu dieser Verwirrung beitragen. ;-)


jean stubenzweig   (11.08.08, 13:11)   (link)  
Meerbusch
hatte prieditis ins Spiel gebracht, und ich habe ein wenig damit herumgesponnen, wie auch mit Düsseldorf in ständiger Haß(-Liebe) zu Köln (wobei das zugestandenermaßen ein gewisses Einheimischenwissen voraussetzt). Die Stadt an der Düssel ist mir wohlbekannt, was ich von Meerbusch nicht unbedingt behaupten kann. Aber die Erwähnung von Spiegel-Online erschließt sich mir nicht in diesem Zusammenhang. Oder ist das lediglich ein kleiner Zaunpfahlwink auf meine (be-)dürftige nordrhein-westfälische Ortsbildung?


mark793   (11.08.08, 13:22)   (link)  
Nein, gar nicht.
Ich habe es versäumt, diese Verbindung herauszuarbeiten: Wann immer Spiegel Online irgendwelche neuen skandalösen Erkenntnisse über das Ehepaar Franjo und Verona Pooth breittritt, ist fälschlicherweise die Rede vom Düsseldorfer Stadtteil Meerbusch. Das hätte Dü-Dorf wohl gern gehabt, die ganzen hiesigen Spitzensteuersatz-Zahler in die Düdorfer Stadtkasse einzahlen zu lassen, aber die Geschichte hat nun mal anders entschieden.

Diese ewige K-D-Rivalität ist etwas, was sich mir als Zugezogenem nun gar nicht erschließt, aber in den Düsseldorfer Umlandgemeinden sieht man das eh etwas entspannter. Da werden Ur-Kölsche Kombos wie "Frings" oder Bläck Föös" abgefeiert ohne Ende...


jean stubenzweig   (11.08.08, 13:27)   (link)  
Düsseldorf
Zu dessen Erwähnung sollte ich vielleicht noch hinzufügen, daß es vor allem ursprünglich in Düsseldorf ansässige Werbe- und ähnliche Agenturen waren, die es ab 1972 nach Isar-Athen zog. Wenn ich mich recht erinnere, war das damals ein ganzer Agenturen-Treck, der sich gen Süden auf den Weg gemacht hatte. Über die Gründe dieser Völkerwanderung habe ich allerdings nie weiter sinniert. Wirtschaftsasylantische dürften es allerdings kaum gewesen sein. Vermutlich eher «hoher Freizeitwert», irgendwie in diese Richtung. Tatsächlich frischte das Münchner Blut heftig auf. In den Neunzigern sagte mir mal ein Hamburger und später Berliner Besucher nach einem Päuschen im Münchner Uni-Caré: Hier weiß man ja gar nicht, wohin man zuerst hingucken soll.


cut   (11.08.08, 13:31)   (link)  
Meerbusch ist ein Ort mit 7.400 Straßenlaternen. Vermutlich vergoldet. Meer fällt mir dazu jetzt aber auch nicht ein. Und zu Köln sag ich nix.


mark793   (11.08.08, 13:36)   (link)  
Gut, das war vor der Zeit,
als ich diese Branche auf dem Radar hatte. Aber ich denke eher nicht, dass allzuviele Agenturen komplett vom Niederrhein an die Isar zogen, wahrscheinlich wird man da eher Repräsentanzen, Dependancen und Zweigstellen - oder wenns hoch kommt Schwestergesellschaften - eröffnet haben.

Der Grund ist ganz banal der, dass man sich von der Nähe zur potenziellen Kundschaft mehr Business erhofft, und so ist es für große Network-Agenturen gewissermaßen Pflicht, in Düdorf, Frankfurt, Hamburg und München präsent zu sein. Und interessant ist in diesem Zusammenhang, dass von Berlin nie eine derart starke Sogwirkung ausging...


prieditis   (12.08.08, 00:10)   (link)  
da hab ich ja was losgetreten...

meerbusch hat insofern was von d´dorfs prosper, indem es in der einflugschneise des aviationsplatzes liegt...
man kann dort auch toll "housesitting" betreiben, mit dem fahrrad durchfahren oder etwas günstiger tanken, als in d´dorf ;o)


mark793   (12.08.08, 01:47)   (link)  
Den Stunt
mit dem Housesitting habe ich noch nicht probiert. Fahrradfahren kann man aber in der Tat sehr schön, von Haus Mönchenwerth (direkt neben den Pooths) am Rhein entlang bis zum Fährhaus am Stromkilometer 755 oder drüben im Meerer Busch im Dreieck zwischen Büderich, Strümp und Osterath. Dann Eis essen auf dem Marktplatz in Lank-Latum, absacken im "Route 66" in Bösinghoven.

Es wäre die reinste Idylle - wäre nicht der rege Flugverkehr, der streckenweise über die teuersten Grundstücke brettert.


jean stubenzweig   (18.12.10, 08:59)   (link)  
Patois d'Cologne
Johanna Schopenhauer (1766 – 1838)

Ohn Kunkelfusen ne Baselmanes

«Der Kölner Dialekt im Munde des Volkes, eine Art Plattdeutsch, das aber mit der eigentlich niedersächsischen Mundart nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit hat, noch weniger mit dem deutschen Patois der benachbarten Flamänder, scheint eine ganz eigentümliche, für sich bestehende Sprache zu sein. Fremden, selbst Niedersachsen bleibt sie anfangs ganz unverständlich, und keinem wird es jemals gelingen, sie sich ganz anzueignen, und gäbe er sich auch die größte Mühe darum. Eine Menge durchaus fremdartiger Worte sowie die Physiognomie, die Gestalt und das ganze äußere Wesen der echten Kölner deuten durch mancherlei Eigentümlichkeiten auf eine in längst vergangenen Zeiten sich verlierende Abstammung von einem fernen Volke, von aus dem Süden eingewanderten Kolonisten: einige gelehrte Sprachkundige behaupten sogar, daß manche Worte, besonders aber Ortsbenennungen, die man täglich hier im Munde des Volkes hört, unter der nämlichen Bedeutung auch in der griechischen Sprache sich wieder antreffen lassen, worüber ich freilich nicht urteilen kann. In Bonn und der ganzen benachbarten Gegend, bis Koblenz zu, wird zwar auch eine Art Plattdeutsch gesprochen, aber der Kölner wird doch überall an seiner Sprache erkannt, die durch eine Menge verstümmelter, ursprünglich französischer Worte, welche während der langen Oberherrschaft der Franzosen in dieselbe aufgenommen wurden, noch seltsamer wird. Anfangs erscheint diese Sprache dem nicht daran Gewöhnten sehr rauh und unangenehm, besonders da das Volk in Köln, wie in allen großen Städten, einen sehr lauten Sprachton sich angeeignet hat; doch wird man nur einigermaßen mit ihr bekannt und lernt sie verstehen, so gewinnt sie etwas ungemein Ehrliches und Treuherziges, wie alle plattdeutschen Dialekte. Verstehen und sprechen können muß diese Volkssprache jeder Einwohner von Köln, denn sie bietet das einzige Mittel, sich selbst den nicht ganz niederen Volksklassen verständlich zu machen und zugleich ihr Vertrauen zu gewinnen; im Munde der Gebildeten hat sie sogar eine gewisse anmutige Naivität, die besonders im Munde der Frauen sehr angenehm werden kann; auch ist sie aus den engeren Familienkreisen, selbst der Vornehmeren, noch bei weitem nicht ganz verbannt, und Anklänge aus ihr werden selbst beim Hochdeutschen der geistreichsten und gebildetsten Männer und Frauen sehr merkbar. Das Hochdeutsche im Munde der Kölner hat überhaupt etwas Fremdartiges, das aber bei weitem nicht so unangenehm breit und platt auffällt als zum Beispiel in Österreich; auch bedienen sie sich mancher Ausdrücke auf eine ganz eigentümliche Weise; fragt man eine Kölner Dame, bleiben Sie heute Abend zu Hause?, so antwortet sie «doch» anstatt ja. Eine Hamburgerin, eine Leipzigerin setzt ihren Hut auf und tut ihren Shawl um, eine Kölnerin zieht beides an; ein Viertel auf fünf heißt in Köln eigentlich ein Viertel auf sechs, nämlich fünf Uhr, und noch eine Viertelstunde dazu, wodurch der Fremde oft sehr irregemacht wird, und so gibt es der Abweichungen von der gewohnten Bedeutung der Worte hier noch unzählige. Übrigens halten die Kölner ihre eigentliche Volkssprache sehr in Ehren; sie im Theater zu hören, macht ihnen immer viel Freude, und manches Lied wird in ihr gedichtet, besonders zur lustigen Karnevalszeit, an dem Vornehme und Niedere sich höchlich ergötzen. [...]»

Aus: J. S., Köln, in: Köln, Blicke. Ein Lesebuch, hrsg. v. Jochen Schimmang, DuMont, Köln 1998, Seiten 53 + 54; der Ausflug nach Köln im Jahr 1828 der Mutter von Arthur Schopenhauer stammt aus: J. P. Bachem, Köln 1975; Titel v. d. Redaktion















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