Messies Plauderei (Metz)

Schwierig, das alles. Ich mag es nicht, mir mittels Navigations- und Satellitentechnik ein Internetcafé suchen zu müssen, weshalb ich auf solche Gerätschaften ja auch verzichte. Und in diesem technikseligen Land haben mittlerweile gar die Hotels, in denen ich vor gar nicht allzu langer Zeit noch unter den Betten herumgekrochen bin, um wenigstens eine telephonische Anschlußmöglichkeit fürs nette Netz zu finden, auf leitungsfreie Empfänge und Sendungen umgestellt. Aber ich Antiquität benötige für mein antikes iBook nunmal eine lange Leitung. Mittlerweile schicke ich ja, da mir das windowsbetriebene Vielerlei zu kompliziert wird, meine paar Gedanken schon zur Weiterverarbeitung per Hotelcomputer-eMail in den fernen Nordosten.

«Sonne, Wärme innen und außen», «Sänfte entlang der Erzählflüßchen», «alte oder neue Überlegungen»? Die Temperaturen im Geldzählersträßchen von Metz, der rue de la Monnaie, sind nicht dazu angetan, sanft im Erzählflüßchen zu paddeln. Nun gut, es sommert nicht eben, denn in der Wärme schaut sich's freundlicher auf das Gebälk aus dem vermutlich 17. Jahrhundert, das hier kein siebzehntes ist, da die letzten Eigentümer nicht nur ihr Geld anders gezählt haben, sondern auch die Zeit. Alte Überlegungen kommen dabei allerdings durchaus auf, vielleicht aber auch nur wegen der mittlerweile sogar vorgeburtlichen Erinnerungen, die sich mit dem Älterwerden einstellen. Ganz in der Nähe hatte eine engere Verwandte ihre lichte Wohnung. Damals sollte sie noch ausreichend Platz haben, sowohl in den weitläufigen Räumen als auch in ihrem Innenleben. Wir waren seinerzeit noch nicht auf den Plan getreten, der Erzeuger und das, was er anrichten sollte auf seine alten Tage.

Geld gezählt wird in der Nähe der nicht allzu schlichten damaligen Behausung heutzutage auch. Im nahen Luxuskaufrauschhaus wärmt die christliche Hölle das Herz vor. Nicht ganz so weit weg an der Place d'Armes kann man seine Sünden dann wieder ablassen. Das funktioniert dort besser als im östlichen, seit einiger Zeit nicht mehr so fränkischen Reich, wird hier doch tatsächlich laizistisch abgerechnet. Metz, die alte Stadt von Karl dem Frommen und Paul Verlaine. Mess ausgesprochen, mit scharfem Doppel-s. Unsauber gedacht bin ich also ein Messie. Ich sammle und horte Erinnerungsstücke, egal, ob sie was wert sind oder nicht.

À propos Wert: Die Finanzverlautbarungen erinnern mich an 1986. Damals hieß es, la catastrophe de Tchernobyl habe hier insofern keinen Niederschlag gefunden, als es gelungen sei, fast an der drüberen Rhein-Seite einen Vorhang hoch in den Himmel zu ziehen, der die alles verheerende kommunistische Strahlenwolke bei den östlichen Nachbarn beließe. Bedenkenlos könne man der Freßlust frönen, alles wilde Getier und Gewächs, von der Bretagne, der Normandie über das Perigord bis exakt vor die spanische Grenze und zum Atlantik hin sei unbelastet und könne genossen werden, wie sich das nunmal gehört im Land, in dem Gott Franzose ist.

Auch nun ist nichts vorgefallen, das erwähnenswert wäre. Während der deutsche Zoll nicht nur hinter Forbach, sondern gerne auch in Richtung Luxembourg schleyerfahndet, was der in Habachtstellung schützende ehemalige Bundesgrenzschutz an Personal hergibt, mittlerweile obligatorisch immer ein paar französische Uniformen zu Gast, antworten die (allerdings nicht minder präsenten) Douanisten linksrheinisch freundlich lächelnd, es sei doch bekannt, wieviele böse Drogenkuriere unterwegs seien, die das Land vergiften wollten. Ob sie nun ein paar Krümel von dem Zeugs erschnüffeln oder andere Währungen, das läßt sich nur unter erschwerten Nachfragungen herausfinden. Bargeldliebhabern wie unsereins ist zur Zeit allerdings empfohlen, auf die Leidenschaft zu verzichten und sich dem landesüblichen Zahlungsmittel Plastik unterzuordnen. Wer tausend Euro aus der Gesäßtasche vorzeigt, hat sicherlich noch einiges mehr irgendwo versteckt, was den deutschstämmigen Haschischhund ganz kirre macht und ihn in der Kiste wild hin und herhüpfen läßt. Es kann dann dauern, bis er nichts erschnüffelt hat, was high machen könnte, krümelnd oder raschelnd.

Metz, Mess, Messie — eine nette Erinnerung am Rande noch: Fünf Jahre, nachdem sie in Deutschland die Mülltrennung eingeführt hatten, stand ein französischer Vorreiter des Umweltschutzes in Metz am vermutlich ersten Glascontainer Frankreichs und verlagerte den Inhalt seines komplett mit Flaschen gefüllten Kofferraums dort hinein. Wahrscheinlich hat er solange die Behältnisse seiner täglichen Weinration (neun Flaschen?) gehortet, bis er dort hingestellt würde, gestion de fin de vie gab's damals noch nicht, wie auch der deutsche euphemistische Begriff Entsorgung politikerseits noch nicht erfunden war. Eine halbe Stunde lang ging das, selbstverständlich und durchaus landesüblich bei laufendem Motor.

Jaja, der Wein. Da unten im Burgund gibt es ziemlich viel davon. Und sehr guten! Die Tage ist dort quasi Kursfixierung der zweiten Landeswährung, einhergehend mit einer berühmten Versteigerung. Man kann ein 200-Liter-Faß ersteigern, das dann drei Jahre in einheimischen Kellern gelagert und dessen Inhalt anschließend auf knapp 300 Flaschen gezogen wird, um dann dem rechtsmäßigen Eigentümer zugestellt zu werden. Was diese Premiers Cru oder Grand Cru kosten werden? Keine Ahnung. Aber immerhin wird es diesen Wein bereits geben. Im Gegensatz zum Bordeaux, wo manch einer für den noch ungeborenen Wein bereits achtzig Euro und mehr hinlegt. Pro Flasche! Der Freund, selbst zwar kein Weinhändler, aber immerhin Hofbesitzer aus der Nachbarschaft zu Beaune und vermutlich deshalb irgendwie Ergatterer einer Einladung, meinte, das solle ich mir unbedingt antun. Was ordentliches zu essen und zu trinken gäb's auch. Ordentlich, das sollte vielleicht angemerkt werden, hat in dieser von Lucullus befruchteten Gegend eine andere Bedeutung als rechtsrheinisch.

Also, wenn's wieder ein Weilchen pausiert mit mir — möglicherweise liege ich in dem schönen Vierkanthof von Bourguignon und schlafe im 18. Jahrhundert ein paar von diesen feinen, noch übriggebliebenen Grand Cru weg, mit denen ich vielleicht einen dieser Fasane ertränkt habe, die dort überall herumstolzieren. Jagdsaison! Und jeder (ländliche) Franzose ist irgendwie auch Jäger.

Nachgetragen: Noch ein wenig Messie-Culture.
 
Mi, 12.11.2008 |  link | (3469) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Linksrheinisches


hap   (12.11.08, 22:57)   (link)  
Nicht nur Nahestehende
auch durchs Internet Entfernte sorgen sich ja, wenn die Dosis Stubenzweig ausbleibt. Also: Bloß kein Zwang, aber wenn du mal keine Zeit, Lust oder keinen Zugang zum Zyberspäiß hast - ein Schild "Vorübergehend nicht im Einsatz" an der Ladentür würde Sorgen ums Wohlergehen vertreiben. Hm?
Und hau nicht so fasanenmäßig auf den Putz - für diesen Braten würde ich jede vegetarische Überzeugung fallen lassen.
An Guatn!
Aufm tazblog erfährst du auch, weshalb ich seit Montag jeden Tag beim Arzt war (dir kann ich's ja sagen: der Hund hat instinktiv das Großkapital verteidigt!).


hanno erdwein   (13.11.08, 09:08)   (link)  
Gott in Frankreich!
Ein höchst göttlicher Streifzug durch das linksrheinische Nachbarland. Die Vermischung von Literarischem und Lukullischem bekommt dem Leser vortrefflich. Hab mich mit angenehmem Speichelfluß delektiert. Einen solchen "Messie" lob ich mir! (Hanno)















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 5814 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 22.04.2022, 10:42



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