«Kleine Chaisennostalgie»

betitelt der Dauerreisende Periplus in seinem Fahrtenbuch seine Verwunderung über meine (Alt-)Träume (mit anschließendem Abgesang auf französische Transportmittel). «Sie träum(t)en von einem Gefährt aus solid-nüchternem Schwedenstahl? Ich bin überrascht, dachte ich doch, für Ihre automobilistischen Schwärmereien kämen allein Chaisen vom linken Rheinufer in Betracht ...» Um ihm sein Logbuch nicht vollzukritzeln und hyperionisch zuzuverlinken, versammle ich meine ansatzweisen Assoziatiönchen hier.

«Solid-nüchternen Schwedenstahl», muß ich Ihnen zurufen, nennen Sie solch ein filigranes, durch und durch durchdachtes Gebilde? Das möchte einer wie ich ja fast gleichwertig neben die Déesse stellen, der Roland Barthes in den Sechzigern eine kritische Hymne geschrieben hat. Außerdem bin ich nach recht intensiven kindlichen Herumtreibereien sozusagen stählern in die Autofahrerwelt geworfen worden. Papa kaufte mir einen PV 544 zum Abitur, nicht zuletzt deshalb, da ich meine ersten Bewegungsversuche auf einem solchen machte und weil man an diesem Alltagstraktor nicht viel kaputt machen konnte, selbst nicht bei Eis und Schnee. Wir waren keine Gefahr für den Autoverkehr, denn so etwas gab es in den Anfangssechzigern noch etwas weniger als heute im leicht abgelegenen Land.

Und als der Schneewittchensarg in der automobilen Welt aufschien — längst gehörte ich in Berlin mit meinem Renner der gegen die altertümliche Bauernschaukel angetretenen Fraktion der fortschrittlichen Moderne und hoffentlich bald Besserverdienenden an —, da war ich nur noch verzückt ob des Anblicks und wollte und wollte. Allein am benötigten Geld mangelte es mir. Als ich es dann hatte, gab's so gut wie keine dieser entzückenden Särge mehr und ward zwischenzeitlich auch noch gezwungen, mich deutschbesternt zu bewegen; im Süden Frankreichs, wo ich mich häufig aufhielt, mehr als kritisch beäugt. Zuvor eben war er schon sehr teuer, dieser Traum — vor dem ich heute noch manchmal verzückt stehe, etwa im Holsteinischen, wenn ich ein Restaurant aufsuchen möchte, dessen Besitzer genau so einen hat, wie Sie ihn bei sich da unten abgebildet haben. Aber der hat auch noch eine schwarze Cabriolet-Göttin, die ich dann allerdings anhimmle. Mit diesem Herrn spreche ich dann manchmal nicht nur über seine Küche und seinen Koch aus La Rochelle, der den Sternenhimmel anstrebt ausgerechnet in der ländlichen Heimat vom Willen zum Grillen (norddeutsche Griller sind eben härter).

Auch zum R 4 hätte ich ein Menge zu erzählen und habe ich bereits (wenn auch viel mehr über das andere Gerät), nicht nur über den des alten Vert, sondern auch über ständig defekte Antriebswellen beispielsweise, und zwar bei allen vieren, die ich jeweils neu gekauft hatte, sie haben es nicht in den Griff bekommen, nach 15.000 Kilometern war'n sie hin. Aber er hat letzten Endes ja auch nicht überlebt. Im Gegensatz zum Döschwoh, den ich mittlerweile — eigentlich unvorstellbar — sogar in Frankreich schon restauriert habe herumfahren sehen. Mit französischen Kennzeichen! Es ist dahingeschieden, das gute alte Frankreich mit den Kreidemalereien.
 
Mi, 29.07.2009 |  link | (2178) | 10 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Unterwegs


prieditis   (30.07.09, 00:34)   (link)  
Kreidemalereien
finden sich heute noch manchmal in Deutschland. Z.B. an Mofa-Anhängern angebrachte Tafeln...


vert   (30.07.09, 00:51)   (link)  
...oder traktoranhängern.
es sei denn, es sind keine traktoren davor.


jean stubenzweig   (30.07.09, 05:07)   (link)  
Unvorstellbar,
daß solches in der allzu gerne vorschriften- und ordnungswidrigkeitenahndenden Bundesrepublik Deutschland noch möglich sein soll. Andererseits, auf dem Land, da kann man noch was erleben. Als ich mit dem Döschwoh beim Autoschmied war, weil's irgendwo untenrum so ungewohnt klapperte und eine anschließende sehr flotte Probefahrt notwendig geworden war, wo nur siebzig erlaubt sind, meinte Meister Berlenbach: Ach, hier auf dem Land, da guckt doch keiner hin.

Wo waren Sie, als ich der Kreidemalereien wegen verzweifelt nach Ihnen rief, Herr Prieditis?! Im Urlaub auf jeden Fall nicht mehr. Na gut, es gibt ja noch anderes zu tun.


vert   (30.07.09, 05:31)   (link)  
sehr recht hat ihr schmied.
da scheint mir die französische provinz gebeutelter von ihrer zentralregierung...


jean stubenzweig   (30.07.09, 05:42)   (link)  
Jetzt wird's aber
hochpolitisch hier! Aber wo Sie recht haben, da haben Sie irgendwie recht.


vert   (30.07.09, 06:10)   (link)  
selten genug!
daraufhin streckt's mich glatt nieder: ich muss ins bett.
morgen gleich franken/oberpfalz. ich jauchze.


jean stubenzweig   (30.07.09, 08:25)   (link)  
Ob ich da mitjauchzen
soll, das weiß ich noch nicht so recht. Jaulen vielleicht eher. Mir fehlte das Meditterane doch ziemlich arg.


prieditis   (30.07.09, 21:08)   (link)  
ich bin untröstlich, dass ich den Hilferuf übersah...
Vermutlich stand ich noch zu sehr unter dem Einfluß des Erlebten bei den französischen Schotten. Aufgefallen ist mir dort, dass man sonntags sein Auto wäscht und die Kennzeichen weiß auf Schwarz, Schwarz auf gelb und Schwarz auf Weiß vorhanden waren. Selbstredend auch die heimelige Warmtonfarbe der Scheinwerfer an Fahrzeugen älteren Baujahrs...


gorillaschnitzel   (30.07.09, 04:21)   (link)  
Fragense nicht warum, aber bei "R 4" kommt mir die sehr französische 2CV in Erinnerung. Kurz: Ente. Und da gab es ja tatsächlich die Allradversion von und wurde als Diane im französischen Militär unter anderem in Algerien eingesetzt. Und ich kenne wiederum einen dieser Dianebesitzer. Es ist eine Glaubensfrage. Er fährt jährlich zu den 2CV-Treffen und es soll da Leute geben, die Weinreben auf ihren 2CV züchten oder selbige zur Strech-Limo umgebaut haben....


jean stubenzweig   (30.07.09, 14:12)   (link)  
Ich frage nicht warum,
aber da es Ihnen entgangen zu sein scheint, erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß in den hiesigen Seiten mehr Ente drinnensteckt als anderswo Katzen. Beispielsweise sei aktuell nochmals auf dieses andere Gerät hingewiesen sowie auf die ebenfalls im Text erwähnte bzw. verlinkte Bauernschaukel.















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