Gebremste Gelüste

Mein nordisches Büro zwischen Hamburg und dem Knick zum Mare Balticum befindet sich in einem für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich lütten Dörp. Da gibt es, außer Ruhe, nichts. Selbst die Kirchenglocke wird hin und wieder auf einer zweitweltkriegerisch anmutenden Lafette herangerollt. Mir ist nicht bekannt, ob die ziemlich unter zweihundert Bewohner im Feuerwehrhäuschen auch anschließend ihren Frühschoppen halten. Sonntags bin ich abstinent.

Was in Deutschland gemeinhin als Dorf bezeichnet wird, hat im unteren Frankreich bereits städtischen Charakter. Beispielsweise Grandrieu im Lozère, gelegen etwa in der südlichen Mitte des Massif Central, mit seinen rund sechshundert Einwohnern gilt als Stadt. Man erkennt es an den im Ortskern dreistöckigen Häusern und dem zweimal wöchentlich stattfindenden Markt, auf dem man vor allem das umfassend einkaufen kann, was die Bezeichnung Lebensmittel auch zu recht trägt. Es hat, neben kleineren Herbergen, ein beachtenswertes kleines Hotel, ebenso befinden sich im Dorf oder auch Städtchen zwei, es mögen auch drei sein, Bars, wobei dieser Begriff nicht mit dem durch die schöne Fernsehlandschaft irrlichternden deutschen Lustverständnis von nikotingeschwängerter Ruchlosigkeit oder Cocktail mit Cohiba gleichzusetzen ist; eine Bar in Frankreich ist ein Ort, in dem es was zu trinken gibt, nennen wir's Café. In einem solchen, gleichwohl privat betriebenen Gemeinschaftshaus, wo auch mittägliche, drei- bis viergängige Mahlzeiten für Handwerker serviert werden, trifft sich die Welt, jedenfalls bis zum Mittagessen. Wer nach dem Pastis oder dem kleinen Roten bei seinem Kaffee sitzenbleibt, der hat entweder keine ihn bekochende Ehefrau oder ist sowieso ein schrulliger Kauz, vielleicht ein Literat oder sowas ähnliches Abgebrochenes, der zum kostenfreien Zeitunglesen in die Bar geht, wahrscheinlich auch, weil ihm hoch oben in seinem Haus auf vierzehnhundert Metern der französische Himmel auf den Kopf fällt. Katzen sind auf Dauer vielleicht dann doch nicht so befriedigende Partnerinnen. Zuhören können sie sicherlich, durchaus auch noch schmusen, jedenfalls solange ihnen danach ist, aber eben nicht kochen.

Wenn mich in meinem holsteinischen Bürodörfchen spontane Gelüste überkommen, muß ich fünf Kilometer ins nächste Dorf fahren. Na gut, der zeitungslesende Herr in der Katzen-Wohngemeinschaft und Nachbar des alten Vert hat's um einiges weiter und kann auch nicht den Bus nehmen, weil in diese Fluchtburg der Zivilisation da oben keiner hinwill, aber bei dem mir zur Verfügung stehenden wäre jedwede Spontaneität dahin, denn der fährt nur zweimal am Tag, und das auch noch immer zu festen Zeiten, vor allem morgens um sieben. Da wird die Welt noch in Dortmund sein, denn im Nachbardorf mit seinen knapp zweitausend Einwohnern verspürt niemand, wie in Grandrieu, ab halb sechs in der Früh das Bedürfnis, mir ein Baguette mit Butter oder Schinken oder beidem oder von der Maîtresse selbst zubereiteter Paté zu streichen oder zu belegen. Also muß ich die Ente satteln, die eigens für solche Lustausflüge neben dem durch unsere nordfranzösische Madame Lucette mit leicht südlichem Architekturflair versehenen und zum Holzlager degradierten ehemaligen Schweinekoben der Revolutionskate steht und mit ihren Kotflügeln geduldig vor sich hinscharrt. Aber das mit den Gelüsten ist ohnehin nicht so einfach. Gut, vor einiger Zeit ist der als Vorreiter eines Trends der Wiederbelebung kleinerer Gemeinden geltende, also geradezu avantgardistische jüngere Dorfkramer dazu übergegangen, eine Ecke seines gewiß nicht sonderlich großen Ladens freizuräumen, zwei Tischlein samt Stühlen dorthinzustellen und Kaffee zu servieren, aber erst um acht. Sollte einem dann nach direkt zu verzehrenden Spezereien sein, wird's schon wieder trister. Frisches gibt es nicht, alles wird aus der Fabrik herangekarrt, und auch der Kaffee, nun ja, der kommt zwar aus einer Espressomaschine, aber er schmeckt auch nicht anders als dieses landesübliche Filtergebräu, dessen gemahlene Bohnen deutscherweise meist beim Billigheimer gekauft und äußerst sparsam dosiert werden (gleichwohl ich mich verneige, hat der Jungkramer doch eigens für meine büroeigene Maschine italienische Bohnen und noch ein paar andere meiner Sonderwünsche ins Sortiment genommen, weshalb ich auch brav das eine oder andere dort einkaufe, quasi als förderndes Mitglied zur Wiederbelebung der Dörfer).

Es gäbe noch eine inmitten dieses Ortes gelegene Gaststätte. Offenbar zum Zweck der Erneuerung scheint sie unlängst völlig heruntergebrannt, allerdings nur im hinteren Teil, wo an Sonnabenden manchmal tatsächlich die Dorfjugend diskotiert, jedenfalls solange sie sich noch nicht im Besitz eines tiefergelegten, von der Abwrackprämie offenbar gänzlich unberührten Transportmittels befindet, mit dem es, nach der Wäsche, der Politur und dem Vorglühen, breitreifig in den zwanzig Kilometer entfernten, geradezu gigantischen Fun Parc zum Abhotten (irgendwie scheint mir das ein wenig veraltet zu klingen) brettert. In geradezu verblüffender Geschwindigkeit muß die Gebäudeversicherung ihrer Zahlpflicht nachgekommen sein, wurde dieser ansonsten nicht sonderlich frequentierte Ort dörflicher Gemeinschaft doch rascher als landesüblich wieder hochgezogen. Der Ausschank im vorderen, seltsamerweise völlig unversehrten Trakt des knapp hundert Jahre alten Hauses mit klassizistisch, also leicht städtisch anmutenden Türmchen und Erkerchen — damals wurde der Fördergelder wegen mächtig gebaut in der Gegend — ging übergangslos weiter. Aber geöffnet wird dort noch um einiges später als beim Kramer, sicher nicht vor halb elf; es ist vermutlich recht anstrengend, die immergleichen fünf heimatlosen Stammhocker zu versorgen — Argumente für eventuelle Ehescheidungen sollen mittlerweile bis in die Dörfer Schleswig-Holsteins vorgedrungen sein.

Manchmal wird dort auch gegessen, vermutlich wenn in der nahegelegenen Kirche die selbstverständlich protestantische Hoche Zeit ausgerufen wurde oder ein Jubiläum ansteht, mit Buttercrèmetorte, wie in den Fünfzigern, als geheiratet wurde. So schmeckt es auch. Der gemeine Holsteiner liebt seine Tradition. Zweihundert Meter weiter entfernt hat ein Mann, etwa im Alter des Dorfkramers, vor einigen Jahren zu experimentieren begonnen. Nachdem er in langer Vorbereitungszeit sein vorsichtig schlichtes, eben nicht ganz so traditionsbewußt gestaltetes Restaurant eingerichtet und sich einen ehrgeizigen Koch eingekauft hatte, der sich getraute, ausschließlich regionale Frische zu servieren, hat die Küche mittlerweile nur noch an vier Tagen geöffnet. Auch Frisches gibt es nur noch, wenn der Chef des Gasthauses, der in seinem vormaligen Berufsleben löchrige Auspüffe und unwillige Bremsen über die Grenzen technischer Überwachung schmuggelte, mal wieder eine Wildsau erlegt hat, nicht unbedingt mit seinem japanischen Rennpanzer, hat er doch darüber hinaus noch einen weiteren Jagdschein. Ansonsten harrt die Schmalkost in der Tiefkühltruhe der Motorradfahrer aus Hamburg oder Lübeck, die sich von ihrer Kurvenlegerei erholen müssen, derentwegen die umliegenden Rundkurse angefahren werden. Es spielt ja weiter keine Rolle, von was einem schlecht wird. Ich jedenfalls halte mich von den Straßen fern, wenn jetzt der motorisierte Zweiradfrühling ausbricht. Und in dieses Restaurant gehe ich auch nicht mehr, nicht einmal mehr an Wochenenden. Der Experimentator wider diese Cuisine campagnarde hat nämlich längst das Weite gesucht und kocht wieder, wie früher schon, in lustvoller hanseatischer Umgebung gegen das schlichte Küchenwesen des ehemaligen Zonenrandgebietes an. Und wer weiß, wie lange der einst so optmistisch gestimmte Restaurator noch durchhält. Denn seit geraumer Zeit bildet sich eine weitere ostholsteinische Tradition heraus: das Schließen von Wirtshäusern. Allzu oft steht die Ente, wenn sie meint, ihren Reiter endlich gelabt zu sehen, mal wieder vor verschlossener Tür. Da darf man sich nicht wundern, daß diese Gesellschaft sich selbst niederringt. Vive la France !
 
Do, 25.03.2010 |  link | (5313) | 16 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Land.Leben


nnier   (25.03.10, 18:48)   (link)  
Das klingt wie (West-)Harz ohne Gebirge und kommt mir sehr bekannt vor. Eines jedoch muss ich nachfragen: Eine mobile Kirchenglocke - was hat es damit auf sich?


jean stubenzweig   (26.03.10, 05:30)   (link)  
Die mobile Kirchenglocke –
Frau Braggelmann, die als landeseigenes Kind mit den hiesigen Ritualen vertraut ist, meint, die Wanderglocke würde herumreisen und an jeweils zentralen Orten bimmeln, auf daß der Protestant dann in die nächstgelegene Kirche eile, um zu protestieren. Das scheint so ähnlich wie diese ebenfalls wandernden Geschwindigkeitsanzeigen in den Ortschaften, die auch keinerlei Wirkung zeigen. Das bilde ich mir jedenfalls ein. Nach meinen Informationen suchen deshalb auch nicht mehr Menschen der Gegend deshalb ihr Gotteshaus auf. Selbst die gemeinsame Lust auf den da oben ist von irgendetwas gebremst.

Sie gehen ja auch nicht ins Wirtshaus. Ihnen reicht es aus, wenn wie in Frau Braggelmanns Büttenwarder sonnabends um punkt zwölf die Alarmsirene über dem Feuerwehrhaus losheult. Dann wissen sie, daß die Bratwurst nicht vergessen werden darf. Die sie – und wahrlich nicht nur die Schlechterverdiener – dann allerdings nicht beim Fleischer kaufen, sondern im Supermarkt, die abgepackte längerfrische aus der obersächsischen oder niederbayrischen Fabrik. Glücklicherweise gibt es noch ein paar andere Anbieter, solche, die selbst produzieren. Allerdings dürfte dieses Eßverhalten sehr viel weitere Verbreitung haben in norddeutschen Landen.

Ja, vermutlich wie im (West-)Harz.


vert   (26.03.10, 02:29)   (link)  
wie schade das alles ist, dabei ist es doch ein durchaus - und jetzt werde ich das in dumont-reiseführern "provence" zuschande gerittene wort doch benutzen - pittoresker landstrich.
wer würde da nicht gern am plätschernden bach sitzen, wildsauensülze vertilgen und den störchen bei der brutpflege zusehen?

nur in den fun parc möchte ich nicht. was auch immer man da tun mag - nach spaß klingt das nicht. eher nach etwas, was ich in den achtzigern (denn da gehört dieser laden für mich gefühlt hin) wohl schon schrecklich gefunden hätte, mitsamt seiner hotterei.


jean stubenzweig   (26.03.10, 12:43)   (link)  
Landschaftlich reizvoll
ist das ja durchaus, sehr sogar. Vermutlich ähnlich dem (West-)Harz, wenn auch etwas flacher, halt, nein, flach ist es ja nicht, sondern sanft hügelig, was rede ich, Sie kennen es ja, mit viel, viel Wasser und Grünzeug. Nur gegessen wird letzteres auch nicht; die Bauerngärten sind allesamt verschwunden, wie die Gasthäuser. Auch diejenigen, die Zeit hätten, bauen nichts mehr an. Es gibt schließlich Supermärkte, vor allem Diskounter, in denen alles andere auch gekauft wird.

Ich gehe davon aus, daß er hin und wieder noch Wildsauensülze herstellt. Aber erst dann wieder, wenn die anderen Wildsäue von ihren wochenendlichen Frühlingsausritten Päuschen machen. Doch das sind ohnehin durchweg Städter, denen in Hamburg et cetera solches eher selten angeboten wird. Die Einheimischen verschmähen derart Exotisches und bleiben lieber beim werksseitig marinierten Altfleisch. «Norddeutsche Griller sind härter.» Der Willen zum Grillen schreckt vor nichts zurück. Aber eben im eigenen Garten, dem grünbetonierten, diese Harten. Es ist schon traurig, daß sich da jemand der Mühe unterzieht, den Leutchen zu zeigen, wie's oberhalb des holsteinischen Tellerrands schmecken könnte und dann letztlich von einem solchen Desinteresse gestraft wird. Aber ich nehme an, er wird sein Gasthaus weiterhin an Wochenenden öffnen. Denn er hat, wenn ich richtig informiert bin, die Gärtnerstochter von gegenüber geheiratet und – schließlich wohnen auf dem Haus die Störche – mit ihr Nachwuchs gezeugt. Jedenfalls sieht er, immer dann, wenn ich ihn sehe, ziemlich gestreßt, nachgerade griesgrämig aus; er grüßt gleich gar nicht mehr. Wobei ich nichts weiß, ob's daran oder an der mangelnden Frequenz seines Etablissements liegt oder weil ich ihn nicht mehr besuche. Und ich besuche ihn unter anderem auch deshalb nicht mehr, weil er mich zuletzt nicht einmal mehr als Gast gegrüßt hat. Vielleicht glaubt er, ich hätte Schuld am Abgang seines Kochs, mit dem ich mich bei jeder Gelegenheit über die mögliche Schönheit des Essens und Trinkens ausgetauscht habe. Ihn besuche in manchmal In Hamburg an seinem Arbeitsplatz. Er begrüßt mich freudig, sobald er mich sieht.

Ach ja, der Fun Parc. Zwei-, dreimal bin ich dorthin geritten und habe mir das angeschaut. Um meine voyeuristische Neigung etwas zu vertuschen, habe ich mich sogar rhythmisch bewegt. Es hat keine erwähnenswerte Beachtung gefunden. Ich bin also nicht nur eingelassen, sondern einmal sogar herzlich begrüßt worden, von einem jungen Mann aus der Nachbarschaft, der es großartig fand, daß ein solcher Methusalem sich getraut, in die heiligen Hallen der Jugend einzudringen. Er bestand auch darauf, mir einen ausgeben zu dürfen, obwohl das vermutlich die Hälfte seines Wochenendetats verschlungen hat. Ob's jedoch wie in den Achtzigern war, kann ich nicht beurteilen, da ich zu dieser Zeit nie und nimmer auf die Idee gekommen wäre, ein derart monströses, schätzungsweise fünf Fußballfelder großes Konstrukt mehrerer Lärmebenen aufzusuchen. Disko (nicht nur) dieser Zeit kenne ich durchaus, aber nur städtisch und damit von geringerem Umfang, gleichwohl nicht des Krachs. Aber es wird wohl so sein, wie Sie's andeuten. Bei einem solchen Einzugsgebiet ist Größe erforderlich. Doch ich nehme an, daß einige an den Wochenenden von Landkreis zu Landkreis ziehen, von dem jeder einen Fun Parc wie in den Achtzigern haben dürfte. Ob's ihnen Spaß macht, ich weiß nicht so recht, sie sahen nicht unbedingt danach aus. Allesamt. Ich fand's trotzdem lustig, wahrscheinlich als Voyeur. Nun reicht es aber.


charon   (26.03.10, 07:20)   (link)  
Zu- und Widerspruch
Welche Sau ist denn bei Ihnen durchs Dorf getrieben worden? Die letzten beiden Dokumente lassen einen gar in der Ferne verzweifeln - wenngleich / zumal die Situation hierzulande (small town Ontario) nun auch nicht gerade erfreulich ist. Doch widerspreche ich allzu grober Verallgemeinerungen (die ich Ihnen ueberhaupt nicht unterstellen moechte)! Es sei konzediert, unser Dorf ist durch gleichnamige Wettbewerbe zweifellos nicht schoener geworden und auch die Umbennenung des Wettstreits in ein Rennen um die Zukunft hat hier keine Besserung geschaffen. Doch soll es Landstriche geben, in denen das deutsche Dorf durchaus noch seinen distinkten Charakter und, ja gottverdammi: Charme hat bewahren koennen. Es handelt sich dabei selbstredend um wohlhabende Doerfer. Allerdings resultierte dieser Wohlstand nicht aus einer Einverleibung in irgendeinen Speckguertel oder der Ansiedlung hochrentabler Industrien, sondern aus der Dorftradition selbst. Ich spreche hier vom Weindorf, wie man es im Kaiserstuhl, in der Pfalz oder auch am Neckar (wenn weit genug von der Landeshauptstadt entfernt) durchaus noch finden kann. Zwar gibt es auch dort keine Bars, aber Weinstuben als Umschlagplatz fuer, ja natuerlich: Wein, Dorfklatsch, Austausch einfacher, doch um so groesserer Ideen und robusten Mahlzeiten vom Dorfschlachter. Wenn man zuvor schon einige Stunden durch die leicht ansteigenden Weinberge gewandert ist, hier und da eine wilde Frucht gepflueckt, vielleicht auch im reanimierten Dorfladen, der nun als Kooperative gefuehrt wird, sich echtes Obst aus der Umgebung zur Staerkung gekauft hat und schliesslich den weiten Blick hinab ins Tal hat schweifen lassen, dann hat man an einem perfekten Tag geschnuppert.

ABER. Sie haben natuerlich recht. Die Hoelle, das kann das Dorf sein - nicht zuletzt der Doerfler und, der gender balance zuliebe, die Doerflerin.




tropfkerze   (26.03.10, 13:12)   (link)  
diskotiert...
...das Wort kannte ich noch nicht.
Fragt sich, ob beim Diskotierten auch diskutiert wird. Dank moderner Beschallungsanlagen wohl eher nicht. Die müssten aber immerhin das ganze Dorf berieseln.


(Mhm, ich glaube, ich habe den Kommentar in die falsche Ecke gesetzt. Macht aber nichts.)


vert   (27.03.10, 00:07)   (link)  
dazu müsste man wohl diskotiere befragen. aber die sind so scheu des tags. (und nachts müssen wir ja immer bloggen!)


jean stubenzweig   (27.03.10, 04:21)   (link)  
«Diskotiert» kannte
ich bis zu dem Zeitpunkt, als ich während des Schreibens nachzudenken begann, selbst noch nicht. Dann fiel es mir ein, eben in der Assoziation Beschallung versus Diskutieren. Oder so: Deshalb geht vermutlich auch niemand, nicht nur im Dorf, zum Diskotieren.

Aber ins Grübeln komme ich jetzt darüber, ob ich vielleicht nicht doch Diskotiere gemeint haben könnte. Ob ich mal die Bloggerei unterbrechen und den Dialog mit ihnen suchen sollte?


vert   (27.03.10, 04:34)   (link)  
das ist bekanntermaßen gar nicht so einfach ob der organismusimmanenten schwerhörigkeiten

nzz nzz nzz nzz nzz nzz tschakk mpf mpf mpf mpf mpf mpf plokk
- du...?
- häh?
- egal
nzz nzz nzz nzz nzz nzz tschakk mpf mpf mpf mpf mpf mpf tschokk nzz nzz nzz nzz nzz nzz tschakk mpf mpf



tropfkerze   (27.03.10, 15:22)   (link)  
zu den Disko-Tieren:
...was mich immer wieder an jenes wohlbekannte, aber
schöne Bild
erinnert: Den Presslufthammer bitte durch die Diskossion ersetzen!


jean stubenzweig   (29.03.10, 17:07)   (link)  
Trifft's ziemlich genau.
Jedenfalls die evolutionäre Entwicklung hin zu der abartigen, vermutlich dem Homo sapiens zuzuordenden Species, die sich vor allem nächtens Diskotieren nicht zu nähern in der Lage sieht, auch nicht zu Erkenntniszwecken, da sie es vorzieht, die Grundhaltung des Virtuellen zu ergründen. – Ich sehe mich zumindest treffend dargestellt.

Eine Frage treibt mich allerdings um: Wie haben Sie es geschafft, mir dieses schöne Bildchen in meine, also Ihnen fremde Seite hineinzustellen? Ich war bislang der Meinung, daß sei bei Blogger.de nicht möglich. – Ach, bin ich ungebildet ...


vert   (06.04.10, 18:46)   (link)  
(img src="bild-url") ist zumindest blogger.de-intern der geheimtipp

(und natürlich werden die runden zu eckigen klammern, aber das ist ja allgemeinhin bekannt...)



jean stubenzweig   (07.04.10, 01:27)   (link)  
Mein Dank
ist Ihnen gewiß. Das Bild selbst habe ich entfernt bzw. in den Link umgewandelt, da ich dem Free-Frieden mißtraue – zumal Tropkerze als «Urheber» sich dazu in Stillschweigen ergießt.


terra40   (26.03.10, 13:26)   (link)  
Enten in Dortmund
Sehr amusant und lehrreich! Ihrem Loblied über die Ente schliesse ich mich sofort an. Ich bin meinen 2CV4 und 2CV6-ern nog immer dankbar dass sie es mit mir so lange ausgehalten haben. Bei der Lafettegeschichte hatte ich mich fast verlesen: es stand zweitweltkriegerisch und nicht zweiweltkriegerisch und das ist ja nicht genau dasselbe. Ich hab meinen Fehler rechtzeitig entdeckt. So dass die Welt wieder in Dortmund ist.
Gruß, T.


jean stubenzweig   (27.03.10, 12:26)   (link)  
Das Enten-Loblied
singe ich eigentlich immer gerne und lang anhaltend. Nicht nur, weil sie frei von jeder Elektronik ist, die rückgerufen werden muß und von einem Dorfschmied gewartet werden kann, wenn auch die Elektrik bisweilen ein wenig mißmutig gestimmt ist, wenn's ihr zu kalt wird. Was ihr aber leidlich wird, solange man ihr einen sie schützenden Schweinestall danebenstellt. Dann hält sie lange durch, die meine seit 1985. Vielleicht liegt's daran, daß sie noch in Frankreich geboren wurde und nicht in Portugal.

Das mit dem «morgens um sieben noch in Dortmund» hat allerdings diese andere Bewandtnis, die Sie zwar erkannt haben, die ich aber für andere Mitlesende nun doch klären möchte. Sie ist abgeleitet aus der, von wem auch immer, feinfühlig formulierten Weisheit, morgens um sieben sei die Welt noch in Ordnung. Ich habe sie in den Siebzigern, vielleicht auch in den Achtzigern, mal von einer Toilettenwand einer Kneipe in Aix la Chapelle abgelesen und nie wieder vergessen.


jean stubenzweig   (26.03.10, 17:02)   (link)  
Richtig, die Pfalz
die, Himmel! erhalt's, bester Charon, die habe ich völlig vergessen. Es ist aber auch zu lange her, daß ich das letzte Mal dort war, in den neunziger Jahren. Zwar streife ich sie hin und wieder nochmal, wenn ich via Lauterburg/Lauterbourg nach Frankreich hineinrolle, aber das geschieht immer seltener, da mir die lange Fahrerei unangenehm geworden ist. Damals habe ich das tatsächlich so erlebt, wie Sie es angedeutet haben. Wobei ich das Glück und Vergnügen hatte, bei einem (hier beschriebenen) Freund zu Gast gewesen zu sein, der jeden Spargel, vor allem aber jeden Gasthof und die dazugehörigen Menschen persönlich kannte, auch die Pfarrer, mit denen ich so manchen Schoppen gehoben und über Kunst gestritten habe, weil der Bildhauerfreund auch ihnen einen Brunnen vor die Kirche gießen wollte. Das war sein kunsthandwerklicher Broterwerb, das Ideelle hat er still in seinem Atelier erdacht, skizziert, gebaut. Das war dort eine Geselligkeit und Gemeinschaft, die das nahe Frankreich ahnen ließ, wohin man von dort aus auch häufig zum Einkaufen fuhr, gleichwohl in ureigener, südpfälzischer Mentalität bei ureigener, südpfälzischer Kost. Ja, das habe ich sehr genossen. Aber ob sich das bis heute so gehalten hat, das vermag ich eben nicht zu beurteilen.

Ebenso geht es mir mit dem Kaiserstuhl. Allerdings habe ich dabei keine sonderlich guten Erinnerungen. Das war mir zu bereits früheren Zeiten zu touristisch ausgerichtet. Da geht es mir in allen Gegenden so, in denen das Dorf explizit verschönert worden war. Und das war nunmal in der Regel dann der Fall, wenn der liebe Feriengast gelockt werden sollte. Davon habe ich beispielsweise in den Teilen der wahrlich schönen Pfalz, in denen wir unterwegs waren, nirgendwo etwas gespürt. Diese ganzen im Süden gelegenen Dörfer des Schwarzwaldrandes in ihrem Geranienschmuck haben es mir eigentlich immer untersagt, mich tiefer in sie hinein zu begeben. Das ging und geht mir aber auch in diesem nicht nur diesbezüglich schrecklichen Elsaß (die Regionalwahlen, die letzten mit noch höheren Anteilen der Partei von Le Pen!) so. Ob das die weinseligen Massen aus Deutschland sind, die über die Dörfer oder Städtchen (Barr, Colmar) herfallen, oder die gut bestückten Monetäreliten, die den dortigen Geldwert derart erhöhen, daß die weniger betuchten Einheimischen schon ins billige Deutschland fahren müssen, wollen sie mal ins Restaurant gehen, und auch ein Elsässer ist ein (Rand-)Franzose, weshalb er Restauration braucht, für mich ist das quasi ein Aufwasch, mit dem ich die gesamte Region hier jetzt abfertige. Und das Allgäu sowie Oberbayern und so weiter gleich mit dazu. Ich empfinde diese Tourismus-Dörfer widerwärtig, wo auch immer sie sich befinden mögen. Dort gibt es nach meinem Wissen auch nur deshalb ein Dorfleben, weil es den Fremdenverkehr gibt. Und ich gehöre zu denen, die ein Leben lang über die kleinen Straßen gefahren sind, um Land und Leute näher kennenzulernen. Eine Zeitlang habe ich das sogar beruflich getan.

Gänzlich ab gehen mir Kenntnisse zum Neckartal. Daran habe ich allenfalls Erinnerungen an die frühen Siebziger, als ich in Heidelberg ein bißchen was gelernt habe. Von daher kenne ich gerademal die Besenwirtschaften, die tatsächlich von Einheimischen aufgesucht wurden. Aber das ist nunmal ewig her, und es hat mich nie wieder dorthingezogen. Ich habe mit dem dortigen Menschenschlag ein wenig Probleme, was wiederum mein Problem ist. Aber ich habe ohnehin Zweifel, daß die Entwicklung dort eine andere ist als in anderen Gegenden.

Ich kenne auch in Schleswig-Holstein im von den Küsten entfernten schlichten Binnenland sogenannte schöne Dörfer. Die sind aber auch nur dann «schön», wenn sie für den Tourismus herausgeputzt sind wie Puppenstuben, am Ende gar noch ein hessischer Graf dort via Stiftung Pferdezucht und Gastronomie betreibt sowie «Kreativität» ansiedelt wie in Panker. Oder Siebeneichen im Herzogtum Lauenburg, wo aber nicht nur in der Kirche kein Leben mehr stattfindet, weil die Betuchteren aus den Städten sich dort alte Häuser gekauft haben, die sie dann neu derart veredeln, daß es gleich gar keine Sau graust, weil die sich dort nichtmal durchs Dorf mehr treiben lassen würde, da ihr das dort nicht geheuer ist. Das sind dann Gemeinden, die schön tot sind. Die zahlreichen Spaziergänger, vor allem aber die den Elbe-Lübeck-Kanal entlangrollenden Radfahrer finden im Ort selbst nichts, das locken könnte. Selbst wenn sie dürstet, bleiben sie zwangsläufig unten am Wasserlauf, wo es auf der anderen Seite einen Gasthof gibt (über dessen Küchenqualität ich mich besser ausschweige). Im Dorf selbst, dieses Eindrucks kann ich mich nicht erwehren, da hat man ordentlich seine (gewünschte) Ruhe.

Nein, ich sehe sogar im geselligeren deutschen Süden kein Dorfgemeinschaftsleben mehr. Erst kam der Fernseher, dann der Diskounter mit dem billigen Kasten Bier und dem GaBiKo*, und nun kriegt's den Todesstoß durch das Internet. Wer geht denn als Ü 30 noch ins Wirtshaus, um zu schwätzen, vielleicht gar, um zu tanzen? Sogar der andere Viehmarkt findet doch mittlerweile im Netz statt. Einmal jährlich zum Schützenfest. Aber auch nur die Mitglieder. Auch oder gerade im Norden. Vielleicht sehe ich auch zu schwarz. Oder ich bin tatsächlich zu alt oder fehlgeleitet und gehöre deshalb nicht in diese Art von Fun Parc. In meinem Bürodorf hat es immerhin ein Kulturverein geschafft, der von ein paar zugezogenen romantischen Stadtflüchtern U 30 gegründet wurde, einmal jährlich Dans op de Deel zu veranstalten. Da gibt's dann Bratwurst im Stehen, und auch die nicht vom Fleischer aus dem Nachbardorf. Mir aber ist nach mindestens drei Gängen am langen großen Tisch, doch bitte außerhalb der Musikzone. Und nicht nur einmal im Jahr. Ich täte gerne auch außerhalb fester Zeiten ganz gerne mal ein bißchen sabbeln und schnabbeln. Meine Vermieter, die Besitzer der Revolutionskate, haben eine Konzession für das Grundstück, befand sich hier doch mal ein Wirtshaus im Haus. Die wiederzubeleben, darüber hatten sie kurzzeitig nachgedacht, aber unter den französischen Visionen unserer Madame Lucette. Dann fiel ihnen ein, es könnte ihnen so ergehen wie dem weiter oben erwähnten gastronomischen Experimentator.

Ich weiß, daß das geht. Nur eben anderswo. Der Dörflerin wegen samt den vielen lustigen Kinnings aber bin ich hier.

* Ganz Billiger Korn















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