Verhext Ohne mein Blütensternengärtchen komme ich offensichtlich einfach nicht aus. Seit langem flaniere darin, was zuweilen dazu führt, daß mir dabei Kraut vor den Mund wächst. Aber was ein richtiger Freund ist, der übt eben auch Kritik. Hin und wieder fehlen mir allerdings fast die Worte. Da wird, quasi als Kontrast- oder auch Begleitprogramm zum christlichen Advent ein Film über historisch Beleuchtsames gesendet, in dem dramaturgisch ein Bogen ge-, besser überspannt wird, der fast in der reißerischen Manier des Zweiten-Obergeschichtsschreibers vom Mittelalter in die Jetztzeit reicht und erst ganz zum Ende der «Dokumentation» hin auf die Ursachen verweist: Lebensmittelvergiftung. Davon mal abgesehen, daß mir bei den geschilderten Symptomen gleich zu Beginn klar war, um was es sich handelt. Die, na klar, überseeische Psychologin Linda Caporeal (ohnehin ein Klang wie ein nom d'emprunt, doch die deutschsprachige arte-Redaktion dichtet ihr auch noch eine Historikerin darauf, mit der Folge, daß diese und andere Fehler von den Abschreibmedien gnadenlos übernommen werden) hat ihre These bereits Mitte der Siebziger aufgestellt, und 1976 wurde sie im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht: Verhext worden zu sein, war nicht des Teufels und somit eine göttliche Strafe, sondern durch ungesundes Essen verursacht worden. (Also doch eine Teufelei? Aber damals gab's im heutigen Sinn ja noch keine Nahrungsmittelindustrie.) Nun ließe sich behaupten, neue Erkenntnisse seien hinzugekommen, die ein Filmchen dieses Häkelmusters rechtfertigten (daß es eine Wiederholung aus dem Jahr 2002 ist, darauf wird, wie mittlerweile überall üblich, erst gar nicht mehr hingewiesen, immer häufiger nicht einmal mehr im Abspann). Dem ist jedoch nicht so. Als ob es es ein so großes Geheimnis wäre, daß Albert Hofmann Lysergsäurediäthylamid entdeckt hat. Er hat in den Sechzigern mit dem Mutterkorn experimentiert. Daraus entstand dann, einmal geschluckt, unter Umständen das, was nicht nur in der mittelalterlichen Ü-30-Disco aufgrund halluzinogener Wirkung pflanzlicher Drogen zur Tanzwut führen konnte. Einmal einen Trip geworfen, wird der eine Langzeiterinnerung bleiben. Zu plastisch ist mir dieser Horrortrip in Erinnerung, in dem ich vor etwa vierzig Jahren durch die Gassen der romantischen Universitätsstadt schwebte, hinunter zum Fluß und wieder hinauf in Richtung Einwurfstation, kein Klingeln der Straßenbahn mehr hörend, nur noch sich ständig verschiebende Flächen wahrnehmend, in permanenter Farbveränderung, fliegenden, ja einstürzenden Bauten entfliehend während der Heimsuchung in meine Behausung, die über einer anderen Kneipe lag, die schmale Treppe dort hinauf nicht so recht findend, da sie andauernd eine andere Richtung nahm, sie wieder hinunterrennend, wiederum Musikboxen und Schnapsregalen ausweichend, die auf mich zugeflogen kamen. Stundenlang ging das so. Und es legte sich erst wieder, nachdem die Expertenrunde, von der ich mir das winzige Stückchen hatte in mein skeptisches Schnütchen schieben lassen und aus der sich glücklicherweise immer jemand in der Nähe befand, festgestellt hatte, es sei wohl besser, die Notbremse zu ziehen. Vor allem, nachdem sich jemand hinzugesellt hatte, der meinte, man solle dieses Zeugs grundsätzlich nie unausgeschlafen und um des lieben Himmels willen nicht unter Alkoholeinfluß einwerfen, das sei nicht ganz ungefährlich. Ein anderes Pillchen bremste dann auch die schier unaufhörliche Raserei. Es war keine Vollbremsung wie bei einer Intercity-Entgleisung, sondern eher ein Ausrollen über viele lange Kilometer hinweg. Und schließlich ergab sich sogar ein wunderschönes, sozusagen multiples (An-)Kommen, eine Art Nebentraum, alles andere als alp, indem mich die zauberhafte Freundin empfangen hatte, schier endlos. Ich brauche das gar nicht wiederzulesen. Es hat sich nicht nur eingebrannt in meine Erinnerung, ich könnte ohne weiteres Einzelheiten hinzufügen. Das war es eben, was mich nicht im positiven Sinn erregte, als das Filmchen in meinem Blütensternengärtchen anlief. So stelle ich mir Harry Potter für (Klein-)Kinder vor: ein bißchen Friedhof, Gestalt mit Fackel, Baum in Nebelschwaden, drei Galgen mit was dran baumelnd, und dann, Walpurgisnacht und so: Verhext. Das ist soweit ja alles gut und schön, das Thema kann man zeigen, zumal es sicher einige Leutchen gibt, die das immer noch nicht wissen, selbst wenn sie bereits im Schaukelstuhl (oder eben noch in der Wiege) wippen. Aber braucht denn es eine derart geheimnistuerische Dramaturgie, die obendrein den Kernpunkt der Aussage fast zum Filmende hin auswalzt, um dem Menschlein etwas Information zukommen zu lassen? Bei Guido Knopp oder in den anderen von der Spannung und nichts als Spannung gefütterten Sendern erwarte ich nicht anderes, weshalb ich da schließlich auch nicht reinschaue. Aber im sogenannten Bildungsfernsehen? Ich beharre auf meinem Recht als gebührenzahlende Minderheit. «Der aktuelle Euphemismus für Schwachsinn», lese ich im Froschfilm, «lautet ‹nicht hilfreich›.»
Eine solche Erfahrung am eigenen Leib (wohl eher: Geist) fehlt mir, doch hat sie ein anderer für mich gemacht. Zu den faszinierendsten Lektürestücken gehören für mich die Skizzenbücher von Robert Crumb aus jener Zeit, in denen man eine so plötzliche und umfassende Stilveränderung beobachten kann, dass man atemlos staunt. "I've been stumbling around in a delirium since I took some weird psychedelic drug... the stuff came on like normal acid... the usual trippy sensations, the visual effects, the expanding consciousness into infinity-like WOW -- then all the sudden everything went, like, fuzzy-like; the reception went bad -- I lost the picture, the sound, everything -- it was so WEIRD, but not particularly frightening. [...] And what a boon to my art! It was during that fuzzy period that I recorded in my sketchbook all the main characters I would be using in my comics for the next ten years; Mr. Natural, Flakey Foont, Schuman The Human, The Snoid, Eggs Ackley, The Vulture Demoness, Shabno The Shoe-Horn Dog, this one, that one... which is interesting. It was a once-in-a-lifetime experience, like a religious vision that changes someone's life, but in my case it was the psychotoic manifestation of some grimy part of America's collective unconscious." (Aus dem Vorwort eines Sammelbandes - auch hier zu lesen) Ich stöbere mal
ein bißchen herum bei Herrn Crumb. Das hatte ich mir ohnehin gewünscht. Herzlichen Dank.>> kommentieren Der Sommer der Liebe
«fing am 16. April 1943 in Basel an. Der erste LSD-Reisende war mit dem Fahrrad unterwegs.»Den kreisenden Reisenden
meine ich ich in den letzten Wochen innerhalb einer Dokumenation über seine Zeit irgendwo durch ein laufendes Bild radeln gesehen zu haben, ziemlich neben der Spur. Allerdings bin ich nicht sicher, ob es echt oder eine Nachstellung gewesen ist. Aber mir hat's damals auch ausgereicht, zu Fuß unterwegs sein zu müssen – oder zu dürfen.Ach, der Hap, Was ist von ihm übrig? Wahrscheinlich ist er es, der da als Vulkan an allen Orten des Globus ständig herumspu(c)kt. Dabei wollte er ursprünglich in jungen Jahren nichts anderes als Love and Peace. >> kommentieren Klamauk-TV
Was man sich da mittlerweile herauszunehmen traut, passt auf keine Kuhhaut. Das ZDF übrigens scheint mir ein wenig weniger reaktionär zu sein; dort verzichtet man aus Qualitätsgründen mittlerweile weitgehend auf Volksmusik, es gibt, wenn ich richtig zähle, nur eine (!) Talksendung und zumindest nicht wöchentlich den Herzschmerz-Klamauk a la Degeto. Bei RTL bekommt man übrigens ein handwerklich- formal erstklassiges Fernsehen geboten, jedenfalls hin und wieder und natürlich eher im ureigenen Kernsegment- der Show. Wenigstens behauptet man hier nicht immer und immer wieder, auch alles andere ganz toll zu können.Nachdem ich auch Privat-TeVau
mal durchstöbern durfte, auch auf internationaler Ebene, kann ich ein klein wenig ahnen, wovon die Rede ist. Aber seit langem schaue ich beim Ersten und beim Letzten ohnehin kaum noch rein, allenfalls bei den Abfallprogrammen, die politische Magazine sowie Dokumentation wiederholen. Und daran wird sich auch nichts ändern. Ich empfinde diesen Hauptteil des Öffentlich-Rechtlichen im wesentlichen als unsäglich dröge bis dämlich. Und von diesen ganzen (Talk-)Shows bin ich seit je angeödet.Nicht nur deshalb werde ich den Privaten auch weiterhin fernbleiben. Diese ganzen Werbeblöcke ertrage ich einfach nicht; sowie Werbung anläuft, bin ich weg. Deshalb befürworte ich die Rundfunkgebühr der öffentlich-rechtlichen Anstalten, solange sie wenigstens in den Dritten, vor allem in den Zusatzprogrammen wie 3sat etc. diese Schrecklichheiten heraushalten. Aber das beginnt mittlerweile leider, sich aufzulösen – immer öfter blinkt die eine oder andere kommerzielle Botschaft den Zuschauer an. Sie mögen ja recht haben mit deren «handwerklich-formal erstklassigem Fernsehen», aber ich käme ja auch nie auf die Idee, mir in den Folies Bergère oder im Moulin Rouge Revuen anzuschauen oder an der Elbe oder sonstwo ein Musical. Und ich war auch noch nie ein Freund von irgendwelchen Zirkusveranstaltungen, also gehe ich auch nicht zu Hagenbeck. Und so weiter. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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