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Ach, Caterine aus Swerdlowsk Im laizistischen Frankreich hat man quasi religions-, genauer: catholiquechangierend den Geburtstag sozusagen zum heiligen Tag erklärt. An ihm, ausgenommen vielleicht am Revolutionstag 14. Juli, wird, wie vermutlich in keinem anderen Staat, gefeiert, als hätte ein Heiland das Licht der Welt erblickt oder die Rénaissance wäre ausgerufen worden. In zunehmendem Maß ist das mittlerweile auch in den anderen Ländern zu beobachten, in denen Wirtschaftswachstum zur neuen Religion umgestaltet wurde. Das nimmt teilweise Formen an, daß der eine oder andere darüber nachdenkt, dem Atheismus adieu zu sagen und tief in den Katholizismus einzutauchen, um nur noch am Namenstag Huldigungen entgegennehmen zu müssen. ![]() Da kann ein ritualitätsverweigender, sich schlicht nach weniger Rummel sehnender, am 24. Dezember geborener Mensch geradezu froh sein über seinen Geburtstag. * Jede gute Küche wird bestimmt von ihren einheimischen Zutaten beziehungsweise den Ahnen der Rezepturen. So, wie die vielgepriesene französische Cuisine aus Italien stammt (wie der gute italienische Café aus Frankreich). Der grand maïtre hört es zwar nicht so gerne, aber die Florentinerin Medici war es schließlich, die sie eingeschleppt hatte, die nämlich gesagt haben soll: Diese gallische Bauernfraße iche nixe fresse. Nein, hier gibt es keine Geburtstage.
Langsame Fortschreitung Sport ist Mord (des Versuches erster Teil) «Wir wollen die Liebe zur Gefahr besingen, die Vertrautheit mit Energie und Verwegenheit [...] Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen ..., ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.»So kopflos wie die griechische Dame von gleichermaßen Krieg und Frieden, die sogar noch etwas älter ist als das Buch zum Film des tolstoischen Stoffes zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Großschlachterei und die sich im französischen Kolonialgefängnis Louvre befindet, liest sich dieser Satz. Aber er ist von derart aktueller Brisanz, daß er wie auf DIN-A-0 aufgezogen oder hochplakatiert wird in allen öffentlichen wie privaten Kanälen. Denn solch ein geradezu mythischer Sturmwagen fuhr durch ein Städtchen an der immer zuallererst blühenden lieblichen Bergstraße kurz vor der in Heidelberg du Feine aufgehenden, also absolut historikfreien Romantik, darin einer sitzend, der einem Volk einstiger Erfinder angehört, das nach wiederholter Aussage sehr, sehr vieler Politiker mittlerweile von Fortschrittsverweigerung gekennzeichnet ist. Vermutlich hat er sich deshalb noch vor seinen kommenden Siegen bis hin zum Endsieg über die, besser mit der Technik aus seiner Heimat in so eine gute alte Mühle eines Nachbarlandes abgesetzt. Das interessiert allerdings die wenigstens der den jungen Helden frenetisch Bejubelnden, von denen ansonsten nicht wenige am liebsten alljene sofort in den Knast stecken würden, die auf dieser Insel der Glückseligkeit inmitten Europas ein Konto haben. Aber wer zu den heiligen Celebritäten zählt, der ist von diesem Urteil selbstverständlich ausgenommen. Hauptsache, er ist Deutscher. Das ist wie bei Flugzeugunglücken in Südostasien, zu denen es am Ende der allenfalls zweimal aufgelegten Meldung dann heißt: Fünfhundert Tote, aber zum Glück keine Deutschen. Hauptsache, Deutschland ist mal wieder Weltmeister. Nun, dieser Streitwagen, der da mit behördlicher Sondergenehmigung langsam durchs beschauliche Heppenheim gleich der Anrufung Thors donnern durfte, hat zwar nach wie vor explosiven Atem, aber auf Kartätschen scheint er nicht mehr zu laufen. So etwas kennt heutzutage kaum noch jemand. Nike, ja, der ist bekannt, dieser in der Shoppingtour in der Elektrobucht günstig geschossene Sportschuh, der hauptsächlich beim abendlichen Balztanz auf dem Laufsteg getragen wird; aber, nun ja, auch Schach oder Autorennen gehören schließlich zu den Leibesübrungen. Eine Kartätsche, das ist mal wieder so'n oller Kram aus der Vergangenheit, der bereits Auslaufmodell wurde, als sich massenweise Deutsche freitodwillig in den ersten Weltkrieg stürzten, um die Franzosen und noch ein paar andere wegzukartätschen. Unter ihnen befanden sich nicht wenige Künstler. Auch Intellektuelle werden dabei benannt, wobei ich diese Art von geschichtsschreibender Begriffsauslegung ablehne, denn welcher Fachmann für Unterscheidung läßt sich fürs sogenannte Vaterland oder gar einen Kaiser freiwillig totschießen? Aber diese Sätze da oben, die hat schließlich ein Italiener geschrieben, in dessen Sprache das natürlich noch viel rasanter klingt: «Noi vogliamo cantare l'amor del pericolo, l'abitudine all'energia e alla temerità. [...] Un automobile da corsa col suo cofano adorno di grossi tubi simili a serpenti dall'alito esplosivo ..., un automobile ruggente, che sembra correre sulla mitraglia, è più bello della Vittoria di Samotracia.»Und bereits einige Zeit vor dem erwähnten Krieg hat er das geschrieben, dieser Filippo Tommaso Marinetti, und zwar in seinem 1909 in der französischen Tageszeitung Le Figaro veröffentlichten Manifesto del Futurismo. Daran erinnert wurde ich durch eine Fernsehserie, die zu denen gehört, die im Gegensatz zu den vielen Wiederholungen gar nicht oft genug wiederholt werden kann, nicht nur, weil sie dem zwar vielzitierten, aber letztendlich doch arg vernachlässigten Bildungsauftrag entgegenkommt. Die 1994 eingestellte Sendereihe trägt den Titel 100(0)Meisterwerke. Darin wurde ein Gemälde von Giacomo Balla titels Velocità astratta vorgestellt. Aber jetzt wird mir diese abstrakte Geschwindigkeit zu rasant. Meine Muse lahmt wie mein Döschwoh, der diese novembrigen Feuchtigkeitstemperaturen überhaupt nicht mag und sich an die südlich beschienene Sommerbadewanne sehnt. Also lege ich mich erstmal in die Hängematte und denke später darüber nach, wohin das führen kann, wenn der Fortschritt zurückschreitet.
Nebenkampfplatz Ausgangspunkt war zwar eine Art Diarrhoe, aber weil ich eben Logorrhoeiker bin, setze ich wohlweislich den speziellen Fall Braggelmann mal auf eine gesonderte Feuerstelle, um potentielle Kollateralschäden bereits im Vorfeld auszusortieren. Des Renters Zeit hat schließlich eine andere Bedeutung — also nicht unbedingt die des Geldes, sondern hier eher Vorsprung —, zumal die gute Frau aus arbeitstechnischen Gründen kaum in der Lage sein dürfte, diese Frage in nächster Zeit zu beantworten. Aber wenn sie's dann doch tun möchte, dann hat sie noch Platz in der entsprechenden Spalte. Zurechtgewiesen oder gar Lügen gestraft werde ich ohnehin werden. Da köchelt das besser auf einer Nebenstelle. Bei besagtem Heinz-Herbert handelt es sich um einen Kulturfolger der Gattung Passer domesticus, dessen Leben möglicherweise die Altersschwäche dahingerafft haben könnte. Es mag aber auch der Heimatverlust gewesen sein, da ihr Nachbar eine über Jahrzehnte zu einem veritablen Sperlingsfamilienheim gewachsene Hecke aus Gründen liqidierte, die in ruhigeren oder auch vorpostpostmodernen Zeiten in der poetischen Losung Unser Dorf soll schöner werden gedieh. Wer weiß, vielleicht ist er ja seinen Artgenossen dorthin gefolgt, wo er leichter Nahrung findet. Denn aus deutschen Landen kommen schließlich kaum noch Lebensmittel, sondern demnächst wohl nahezu ausschließlich aus Chile oder China. Die hiesigen weiten Felder werden nämlich unausweichlich für Grundstoffe der Energieversorgung benötigt. So kauft beispielsweise die bundesdeutsch regierende und weltweit agierende Rohstoffindustrie seit einiger Zeit sozusagen nachhaltig aus bis vor kurzem beinahe unveräußerlichem Besitz der immerwährend treuen Hand nahezu den gesamten Nordosten der Rest-DDR heraus und schafft auf diese Weise endlich blühende Landschaften, indem sie dort Verbrennungsmittel anderer Art anbaut. Nun ja, irgendwie wollen Gewinne schließlich angelegt werden, und wozu wären Liegenschaften besser geeignet, schließlich ist dort Platz genug. Wenn auch keiner mehr für niedliches, aber nutzloses Federvieh. Es ließe sich also daraus durchaus auch folgern: Heinz-Herbert lebt, wenn vielleicht auch in der großen Stadt, dort, wo nach Meinung vieler der Mensch und deshalb auch der Spatz hingehören. Nicht nur im Herz von Frau Braggelmann ist deshalb Dauertrauer. Aus mit der Trauer wäre es allerdings, würde man die als Kämpferin bekannte und nicht nur deshalb vom Nachwuchs geschätzte Frau Braggelmann zur Vegetarierin ummodeln wollen. Sie allein würde — avantgardistisch, also bereits im Vorfeld etwaiger Vorlagen von Gesetzen oder parlamentarischen Beschlüssen — einen Aufstand verursachen, bei dem die Schutztruppen für tieferzulegende Bahnhöfe oder andere Strahlungen nicht ausreichten. Selbst ich, der ich dieses neumodische Zeugs, das bisweilen Fleisch genannt wird, nicht sonderlich mag, stürmte als Begleiter dieser entzückenden Dame auch dabei mit. Und ich bin sicher, nicht nur ein paar Bulgaren wären ebenfalls mit von der Partie bei dieser dringend notwendigen Internationalen der Restauration. Besinnungsnachtrag: Eigentlich sollte hier ein ein Beitrag über das Zukünftige aus der Ansicht der Futuristen zu lesen sein. Aber meiner Muse ist die Geschwindigkeit abhanden gekommen. Vermutlich hat sie die Kiste mal wieder absaufen lassen oder versehentlich den Rückwärtsgang eingelegt.
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