Südlich erleuchtetes, tieflinksrheinisches Déja-vu♥ Seit er sich aufs längerfristige, vermutlich ewige Dasein an la Mer Méditerranée, an la Grande Bleue, aus dem die Schaumgeborene entstiegen war, eingerichtet hatte, stand er gerne früh auf, der eigentliche Langschläfer. Meist wurde er geweckt durch den Balayeur, der noch vor sechs Uhr mit seinem treckergleichen Gerät um das am Cours Belsunce gelegene Centre Bourse herumkurvte, um den nach der letzten abendlichen Straßenfegerei neu entstandenen und irgendwie einfach zum Stadtbild gehörenden, ihn auch nicht, wie in anderen Städten, weiter irritierenden Müll wegzusaugen. Der zu ihm in die zehnte Etage hinaufdringende Lärm störte ihn nicht sonderlich, es war ein sonores Brummen und kein ihn jedesmal aufschreckendes Knallen wie das der Fußbälle gegen das Gatter des Lieferantentors des Einkaufszentrums, die die Kinder bis morgens um drei und manchmal auch um vier dagegendroschen; in diesem Alter schert man sich noch nicht um Schlafbedürfnisse anderer, schon gar nicht während der Sommerferien. Es war eher wie das Grummeln eines in einem entfernten Raum oder im Nachbarappartement stehenden Weckers. Es war eben die Stadt, in der man den Vierundzwanzigstundenkrach erfunden hatte, weil man kurz vor Afrika nunmal keine Mittags- und Abendruhezeit kennt wie im größten Dorf der Welt, der weißblauen Metropole, aus der er seit bald dreißig Jahren fliehen wollte und er es nun endlich geschafft hatte. Hier wurde aus der einstigen Nachteule eine Lerche, ein zu früheren Zeiten ungeahnt früher Vogel, der um den noch geschlossenen, auf ein gigantisches Griechenklo, gegen das Wirtschaftswachstum kommt im Land keine noch so große Ansammlung archäologischer Scherben an, betongesetzten Kaufrauschbunker herumgehen mußte, um sich gemächlichen Schrittes in Richtung des fünf gemütliche Gehminuten entfernten alten Hafens sich aufzumachen. In der Regel nahm er den Weg entlang des Cours Belsunce, ließ den nicht sonderlich beschaulichen Busbahnhof auf der Rue Bir-Hakeim rechts liegen und ging bis hin zur einstigen Prachtstraße Canebière, bog dann nach rechts ab, begrüßte allmorgendlich das noch nicht von kleinen Kindern und deren Müttern friedlich belagerte Karusell, nickte dem ebenfalls noch ruhenden vertrauten Office de Tourisme zu, deshalb, da eine dort tätige Dame zum Entschluß der Umsiedlung beigetragen hat, holte sich bei der Bäckerin an der Ecke Rue Beauvais und Rue Bailli de Suffren ein Schoko-ladenhörnchen, ein paar Schritte weiter das Gäßchen hinunter an seiner Einmündung zum Quai des Belges eine Tageszeitung und nahm in der rasch zu seinem Frühmorgenbüro gewordenen Bar seine doppelten Café, um zunächst einmal nichts anderes zu tun als den Mädchen in die Taschen zu schauen. Nach den lustvollen Blicken über Zeitung und Cafétasse hinweg würde er einen Rundgang schlurfen, ein schwäbischer Autor nannte das widerrechtlich schlurgeln, das bedächtige Vor-sich-hin-Trotten, zu den Fischen am Rand des Hafens hinüberschauen, die Fischerfrauen freundlich grüßen, von denen er sich vorgenommen hatte, sie bald persönlich anzusprechen, auf daß sie sich beim nächsten Mal seiner erinnerten wie eines Alteingesessenen, ein paar Schritte über den sich belebenden Quai Rive Neuve zu gehen, um in der Bar Marengo dann von den großen Tassen auf die kleineren umzusteigen und den Journalisten der Marseillaise beim noch hektikfreien Morgen-geplaudere und den übriggebliebenen Bordsteinschwalben aus der ebenfalls nahegelegenen Gasse Rue Glandèves bei ihren müden Nach- und Nachtberichten zuzuhören. Wenn die Mittagshitze sich ankündigte, würde er ins für längere Zeit, jedenfalls so lange, bis eine Wohnung gefunden wäre, angemietete klimatisierte Hotel zurückschlurgeln, ein wenig das tun, wofür er auch im Süden bezahlt wurde, ein paar Telephonate tätigen, Aufsätze lesen, sie redigieren, dann ein bißchen schlafen und gegen späten Nachmittag denselben Rundgang noch einmal machen. Ausgeruht und fast so guter Dinge wie am frühen Morgen war er wieder an seinem Ausguck mit Blick auf die gazellenhafte, jedoch mittlerweile bedächtiger gewordene Rasanz um die Bushaltestelle angelangt. Um seinem sich hier in dieser Stadt ständig aufkommenden Willen der Arbeitsver-drängungsmaßnahmen zu widerstehen, hatte er sich seinen kleinen trag- und klappbaren Computer mitgenommen, um wenigstens den Versuch zu unternehmen, noch ein wenig zu Tuendes zu erledigen. Er hatte dennoch an einem Tisch Platz genommen, an dem ihm nichts von dem angenehmen Gewusel an diesem Bereich dieses Nœud routier, dieser immerzu rasenden Verkehrsknotenschleife Quai des Belges verborgen blieb. Der kleine weiße Rechner erregte zwar geringes, eher naserümpfendes wie über seine, im Land inconvenante, unschicklich oder ungehörig große Voiture, aber schließlich doch Aufsehen. Der den Pastis servierende Kellner bat, einige Fragen dazu stellen zu dürfen. Die Bitte kam ihm nicht ungelegen, war das doch eine günstige Gelegenheit, nicht arbeiten zu müssen. Er bejahte, klappte wie beiläufig den kleinen angebissenen Apfel auf und schaltete ihn ein. Den Garçon de café interessierte die Qualität der Bildwiedergabe, denn er denke seit einiger Zeit darüber nach, sich trotz des hohen Preises eventuell auch einen solchen Rechner zuzulegen, denn man höre schließlich Wunderdinge. Er suchte kurz in seinem Bildarchiv nach einer geeigneten Vorlage, die auch feine Farbabstufungen demonstrierte. Es war seiner beruflichen Tätigkeit gemäß, ein zeitgenössisches Gemälde zu zeigen. Beide plauderten noch ein Weilchen, bis der Serveur sich für die Auskunft bedankte und zugleich dafür entschuldigte, sich nun wieder um seine Gäste kümmern zu müssen. Kaum daß der Kellner abgedreht hatte, wandt vom Nachbartisch her sich höflich und dezent eine Frau an ihn, entschuldigte sich in bemühtem Französisch, dem die deutsche Ursprache zu entnehmen war, für die Ungebühr, einfach so in sein Innenleben hinein-gelugt zu haben, und merkte beiläufig an, dies getan haben zu müssen, da sie dieses Gemälde nun tatsächlich schon einmal gesehen und es seinerzeit bestaunt, wenn nicht gar bewundert habe in seiner protestantisch wirkenden, geradezu demütigen Aussage. Aber auch ihm selbst sei sie, stiekum ins Deutsche überwechselnd, bereits einmal begegnet. ![]() Da ich befürchte, dies könnte eine längere Geschichte werden, deren Ausmaß ich noch nicht kenne und das ich schlichtweg ignoriere, ich bin doch nicht beim Rundfunk oder bei der Zeitung, die, wie bei mir üblich, gewaltiger als zur Hochtide am wienerischen Nordstrand, über die Deiche treten und die Lesegeduld überstrapazieren wird, setze ich sie morgen fort. Mir ist so nach Niedrigwasser und zudem befohlen worden, aus dem Haus zu gehen, auch wenn's nach wie vor weh täte im Gestell, ich hätte nämlich schlicht zu wenig Helle, vergleichbar mit den letzten Worten des Herrn Geheimrath und frei nach Friedell und Polgar, mit mehr Licht sei zu wenig Milch im Kaffee gemeint; dabei vermiest mir dieser Eutersaft, aber nur wenn er in den Kaffee gerät, jeglichen Genuß desselben. Nun ja, eben habe ich einen um die Ecke blinselnden Sonnenstrahl gesehen. Es zwingt mich schließlich niemand und nirgendwo hin, kein Canossa, und auch kein Spaziergang ist erforderlich, das Entenherz pumpt ja wieder, um mir Obst und auch Pastis und Wein zu liefern. Da setz ich mich eben auf eins der nicht nur für Schaukelstuhlgealterte, sondern auch für jüngere den Schatten Schätzende geignete Bankerl, auf das vor der Résidence d'été mit dem Sommer-Tucholsky oder auf das vorm Teich, in dem die Karpfen des Weihnachtsschlachtens harren.
Religiöse oder glaubensfreie Mannwerdung Eigentlich hatte ich nicht vor, mich zu dieser Thematik zu äußern. Nicht immer verspüre ich Neigung, dagegen anzugehen, weil ich bisweilen der fatalistischen Meinung bin, möge doch jeder nach seiner Façon sein Leben lang gefesselt sein. Nun aber bin ich heute in die weibliche Sturmflut, das Wetter und sein Tief, geraten, nicht zuletzt, weil ich deren Winde immer wieder gerne an mir zerren lasse, auf daß sie mich zerzausen. Sie meint unter dem Titel Beschnittenes Menschenrecht: Seit Tagen geht mir die Sache mit der Beschneidung durch den Kopf. Allenthalben ist etwas darüber zu lesen — von Gegnern wie Befürwortern dieser Praktik gleichermaßen, von denen, die die Religionsfreiheit in diesem Land gefährdet sehen und hinter der Kritik (wie üblich) Anti-Islamismus Schrägstrich Antisemitismus wittern ebenso wie von kopflosen Xenophobikern. Wirklich Kluges habe ich dazu noch nicht gelesen. Bis ich mal wieder in der Flohbude vorbeischaute.In diesen Hüpfzirkus schaue ich auch gerne hinein, und so bin ich zu dem Schluß gekommen, dann doch etwas dazu beizutragen. Da ich mich nicht in Kürze fassen kann, schließlich ist das hier keine Telephonzelle bis in die letzten achtziger Jahre des vergangenen Jahrtausends, tue ich das auf meiner Plapperseite, in der nach landläufiger Meinung sich der weibliche Teil meiner Androgynität durchsetzen dürfte. Das Maßgebliche liest sich auf den Seiten der beiden anderen, das ich nur empfehlen kann. Ich will lediglich quasi eine gesellschaftliche Randbegebenheit hinzufügen, die dabei nicht bedacht wurde, die jedoch unterm Strich auf ein gleiches Ergebnis hinauslaufen könnte. Daß es mir nicht gelingen will, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren, führe ich der Einfachheit halber auf die Gene zurück. Ich entstamme einem Elternhaus, in dem immerfort geredet wurde. Dabei durfte ich anfangs nur zuhören. Es endete jedoch darin, aus mir einen Schreiberling gemacht zu haben. Ich bin als Kind jüdischer Eltern nicht beschnitten worden. Das mag daran gelegen haben, daß sie sich als sogenannte Kulturjuden gefühlt haben; der Begriff kam erst später auf und bezeichnet Menschen, die nicht oder nicht mehr religiös empfinden beziehungsweise nicht nach den Vorgaben, der Lehre dieses Glaubens leben, aber sich der Geschichte des «auserwählten Volkes» verbunden fühlen. Meine Eltern, voran mein Vater, der einem überaus strengen jüdischen Haus, nenne ich das mal so, nach Palästina quasi entflohen ist, um sich wenigstens innerhalb eines Laufstalls bewegen zu dürfen, wollten mir die Freiheit lassen, mich in fortgeschrittenem Alter selbst zu entscheiden, ob ich mich dieser oder einer anderen Religion hingeben oder der Aufklärung gemäß, in deren Tradition mein liebevoller Erzeuger sich geistig bewegte, die im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung nicht etwa in Frankreich ihre Anfänge nahm, sondern in England und Portugal, aber zur französischen Revolution hin enormen Auftrieb bekam, mich gegen jedes Nichtwissen durch Glauben richten würde. Ich habe mich nicht nur für letzteres entschieden, sondern es in mir gefestigt, indem ich ich via Studium versucht habe, die Gegenbeweisführung anzutreten, in der auch dem Glauben in der Romantik und dem an sie noch ein gerüttelt' Maß zuteil werden sollte. So gesehen hat auch mich eine Religion zum Mann werden lassen. Ob daraus ein richtiger wurde, mag offen bleiben. Ich weiß jedenfalls bis heute nicht, was das ist. Das Thema Beschneidung wurde bei uns dennoch immer wieder mal aufgegriffen, und zwar über seine religiöse Bestimmung hinaus. Mein Vater war der Meinung, sie sei von gesundheitlichem Vorteil, sie schütze vor Erkrankungen im genitalen Bereich, den manch einer bis heute zu seiner Genialität zählt, was sich häufig in einem Überzug namens SUV zeigt und selbst von sogenannt seriösen Medien allüberall immer wieder bestätigt wird (sechzig Prozent der in deutschen Landen neu zugelassenen PKW, entnahm ich gestern dem Buntfunk, gehören diesen Schwellkörpern an). Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, daß vor bald fünfzig Jahren aus der Perspektive eines ziemlich älteren, im vorletzten Jahrhundert geborenen Herrn argumentiert wurde. Denn auch in den frühen Sechzigern, ich war um die zwanzig Jahre jung und mein Vater kurz vor neunzig, als er das letzte Mal das heikle Thema ansprach, dürften Geschlechtskrankheiten wie harter Schanker, auch Franzosenkrankheit genannt, daher wohl im Deutschen der Pariser, der im Französischen ein Capote anglaise ist, gemeinhin auch heute noch unter Syphilis bekannt, oder Gonorrhoe, bei mir als Nebenwirkung Logorrhoe, als sprachlicher, im Konkreten krankhafter Samenfluß nachgewiesen und landläufig sozusagen in aller Munde als Tripper, insofern noch problematisch gewesen sein, als es einige Väter gab, die ihre Söhne zur Liebes- oder Leibeserziehung in den Puff schickten oder gar mitnahmen. Ob das heutzutage noch oder gar wieder gängige Praxis ist, kann ich nicht beurteilen, muß ich jedoch angesichts des allenthalben stattfindenden Sexgewäsches annehmen. Von AIDS war zur angegebenen Zeit jedenfalls noch lange nicht die Rede. Und heute scheint dieses Thema gestorben zu sein. Tatsächlich habe ich einige Male darüber nachgedacht, aus dem erwähnten Grund mich massakrieren zu lassen. Es mag jedoch durchaus an Rudimenten kulturjüdischer Samenergüsse gelegen haben, die sich genkrebsgeschwürgleich durch meine Synapsen ergossen. Je älter ich werde, um so unsicherer werde ich bezüglich lange zurückliegender Beweggründe. Ich habe jedoch einige Männer kennengelernt, die, obwohl zumindest nach außen hin nicht an das Jüdische als Möglichkeit zur Weltrettung glaubend, sich haben lange nach der Pubertät, also in einem Alter, in dem angeblich die Vernunft fest im Sattel sitzt, beschneiden lassen. Es waren überwiegend US-Amerikaner. Aber womöglich ist das ohnehin das eigentliche gelobte Land. Dessen Lebens-praktiken wird schließlich längst europaweit gehuldigt. Damit käme ich dem näher, an das ich nicht glaube, also lediglich vermute, daß da nämlich so eine Art Ursuppe in vielen drinnensteckt. Und daß die geschätzte Sturmfrau und der nicht minder beachtungswürdige Betreiber dieser Leipziger Flohbude damit recht haben dürften und mit dem sie ausdrücken, was die Grenzen der, wie ich empfinde, grauenvollen Wirklichkeit sogenannt säkularer Staaten zu überschreiten hat, was als jedem Glauben entrückte Wahrheitslehre genannt werden darf: Hier wird zum ersten Mal vor allen anderen Stärke bewiesen und über den Schmerz hinweggegangen, Trösten wird unterbunden, allenfalls wird abgelenkt. Vor dem breiten Publikum, das bei der Inszenierung solcher Feste zugegen ist, ist die offene Entblößung und Verletzung zugleich eine Demütigung ersten Ranges. Das Kind erhält eine paradoxe Botschaft: "Dir wird weh getan werden, aber du musst dich darüber freuen!"Ich danke beiden für ihre Beiträge, die meine Gedanken vortrefflich zum Ausdruck gebracht haben.
Neue Gastarbeiter braucht das Land Autant pèche celui qui tient le sac que celui qui l'emplit.* Über fünfzig Prozent, mal mehr, mal weniger, entnehme ich den deutschen Medien, der spanischen jungen Menschen, ab wann man nicht mehr jung ist, wird nicht näher erläutert, seien ohne Zukunft, genauer: bekämen keine Arbeit. In der Regel heißt es neudeutsch: keine Jobs. Ein Job ist für mich immer noch eine Gelegenheitsarbeit, etwa meine Tätigkeit in jungen Jahren, als mich die Randbereiche der Künste noch nicht ernähren wollten, als Töter von Cucharachos oder Vergifter von Tauben im Park. Einen Job will er also nicht, der Nachwuchs von Andalusien bis Katalonien, über Galicien, dort, wo soviele Gläubige oder auch nicht dann mal hinweg sind, nach Navarra. Er will Arbeit. So geht er nach Deutschland. Das ist das Land, in dem gerade wieder darüber abgestimmt wird, abgestimmt werden muß, sogar die Politiker werden deshalb temporär aus dem Urlaub zurückgepfiffen, ob dem nach wie vor aristokratisch quasi stimmungsbeherrschten Land hundert Milliarden Kredit genehmigt werden soll. Oder besser nicht, so die Mehrheit (?) der adelsfrei regierten Bundesbürger, sollen die doch die von ihnen selbst verursachten Schulden selber abbezahlen. Denselben Medien entnehme ich Reportagen über Flaschensammler aus Not, über Pfandleihen aus Not, über Zwangsräumungen aus Not, auch in allen Fällen junger Menschen, über Tote, die monatelang ihn Kühlhäusern aufbewahrt werden, da die Behörden Kosten für Begräbnisse nicht zu übernehmen bereit seien, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet wären. Dennoch zieht es junge Menschen aus Spanien, von den griechischen spricht kaum noch jemand, denn der Schuldenberg ist weitergewandert wie eine Düne unter dem Wind aus dem wilden Westen der Finanzspekulationen, in das Land, von dessen Osten es einmal hieß, er werde blühen. Denjenigen, der die Bevölkerung seines Landes einmal so verkohlt hat, interessiert es ebensowenig wie die ihm nachfolgenden Politiker und, selbstverständlich -innen, was aus dieser verblühten Landschaft werden soll. Ihr Interesse reicht lediglich bis zur nächsten (Wieder-)Wahl. Zu der kann es nur kommen, wenn die Wirtschaft weiterhin so boomt, wie es im rummelplatzigen Deutsch der Journaillen mittlerweile allüberall tönt. Es ist die Sprache, das Gebrüll, auch in leisen Tönen ist gut brüllen, derjenigen, die an oder auf den Märkten mehr oder minder ridicule das anpreisen, was in den seltensten Fällen tatsächlich benötigt wird, oder das, was unbedingt raus muß, weil es woanders kaum jemand haben wollte. Sicher, nicht vergessen werden darf die Made in Germany, die Resteuropa sowie die Welt im Inneren beglücken soll. Von Binnenforschung und und ebensolcher -produktion zugunsten aller ist geradezu mannigfaltig die Rede. Dabei wird häufig oder zur Gänze gar nicht g'schamig verschwiegen, wo das tatsächlich geschieht. Dafür wurden Studiengänge beschleunigt. Aber, das zeigt die Wirkichkeit, ein Bachelor macht noch kein Sommermärchen. Auch im blühenden Deutschland, das ist hinlänglich bekannt, hüpft so manch einer dieser nach vorne verkürzten Jungakademiker von Job zu Job, anders mag ich diese Praktikakultur nicht bezeichnen. Hinzu gesellen sich nun die jungen Menschen aus dem Süden. Spanien, das ist das Land. von dem sogenannte Experten, wenn ich mich recht erinnere, 2007 behaupteten, es würde innerhalb weniger Jahre die geballte Wirtschaftskraft Deutschlands wenn nicht zumindest eingeholt, so voraussichtlich gar überholt haben. Dann kam diese Springflut, aus der eine Sturmflut wurde, weil niemand der Verantwortlichen die auflandigen Winde aus dem Westen, den Tidenstrom zu beachten Lust verspürte. Lust hatte man alleine auf die hohen Wogen der Gewinne, an dieser wunderschönen Blase, in deren Inneres zu schauen nur wenige bereit waren. Die ist dann geplatzt, und auch Spanien stand vor den Trümmern, die dieser aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten sich aufbauende Tsunami im Hafenbecken erzeugt hatte (und der demnächst wohl auch die Insel Zypern und noch einige Festlande wegspülen wird). Tausende und abertausende auch junge, wer oder was das auch immer sei, Spanier wollten endlich aus elterlicher gefangenschaftsgleicher Umarmung entfliehen — so lange ist das noch nicht her, daß man im stolzen Köngigreich Kastilien auch im Alter von vierzig, eben noch jungen Jahren nachhause ging, wenn Stillzeit war — und legten sich immobile Güter zu, die sich selbst einigermaßen gesattelte Ältere nicht leisten konnten, ungeachtet dessen, von welchen Fonds oder sonstigen Schlachtbanken auch immer sie bedient wurden. Reich belohnt wurden dabei nur diejenigen, die auf diesem Markt leise, aber unaufhörlich geschrien habe. Die Alten wehren sich nun, El Jefe de Estado, Señor Rajoy, hat bei seiner deutschen Kollegin rasch gelernt, legte ein «alternativloses» Sparpaket vor. Und die Jungen ziehen aus. Sie ziehen in ein Land, das offenbar neue Gastarbeiter braucht, wie es uns die Marktstrategen verkünden, die hierzulande eine Hausse sehen, obwohl es fast nur noch regnet und stürmt, also auch dort die Baisse sich abzeichnet, weil auch die Wirtschaft nunmal keine Wetterwunder zu vollbringen vermag, da mag sie noch so katholisch oder auch calvinistisch beten und uns etwas von der unbefleckt schwangeren Jungfrau erzählen. Die jungen Spanier werden diese im deutschen Fernsehen spätnachts, auf jeden Fall nicht zur gängigen Zeit ausgestrahlten Sendungen nicht sehen und schon gar nicht hören, von denen da oben die Schreibe war. Sie müssen nämlich erst einmal die deutsche Sprache erlernen, um in eines dieser deutschen Praktika hineinkultiviert zu werden, die ihnen eine unbeschwerte Zukunft versprechen. Davon sind sie noch um einiges enfernt, von dem, wie Frau Herzbruch es schildert, daß man beispielsweise «in duesseldorf mit kleinkind ja schwieriger eine wohnung findet als mit einer pitbullzucht. kennen sie vielleicht aus anderen staedten auch: 120 m2 maisonette, 5 zimmer mit garten, gerne an solvente paare und singles.» Bis zu dieser Solvenz ist es noch ein Weilchen hin. Auch diejenigen, die in den Sechzigern eines vergangenen Jahrtausends aus Griechenland, Italien (Mein kleiner Italiener war der überall geträllerte Schlager dieser Jahre, als die Ausreisewelle ins Land der Gastarbeiter eingesetzt hatte), Portugal, auch aus Spanien, dann aus der Türkei ins gelobte Land zogen, um reich zu werden, waren zum Teil bald arm dran. Heutzutage sind sie es, die zu großen Teilen Deutsche geworden sind, schaut man sich die Meldungen über die Arbeitslosigkeit des Nachwuches der «integrierten» Einwanderer an. Ich bezweifle die Wirksamkeit solcher Lobhudeleien oder gebets-mühlenhaften, nahezu unredigiert übernommenen Verkündungen von «Angelas Wunderland» in den Karriereseiten: «Auch konnte die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland nur deshalb so erfolgreich sein, weil es hier einen Mittelstand mit vielen Unternehmen gibt, die ständig neue Produkte erfinden, sie überall verkaufen und dadurch einen Großteil der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Davon kann die verlorene Generation in Spanien, Griechenland oder Portugal nur träumen.» Ich empfehle für solche Vorhaben eher den Schlaf. Am besten noch mit Karl Marx, in diesen androgynen Zeiten kein gesellschaftliches Problem, als Bettgesellen: «[...] heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.»
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