Links von der rechten Bibel der Armen ![]() ![]() ![]() Das ruft zunächst einmal die Bitte auf Erklärung, auf Aufklärung auf den Plan des Orien-tierungslosen, dem ex oriente lux, das aus dem Osten kommende Licht unter Erschwernis aufgehen will, ist es doch heute weitaus verdunkelter als zuvor, als Muslime uns noch mit der Freiheit des Handels, überhaupt die aus den Ländern der aufgehenden Sonne weitaus mehr als Flötentöne beibrachten, beispielsweise das zur Weisheit des Fortschritts fahrende oder führende Rad. Signore Benvenuto tut das direkt im Anschluß, geht geradezu alteweltdidaktisch, im europäischen Sinn der Aufklärung zunächst in die Tiefe der unterschiedlichen Bedeutungen der romanischen Sprachen: «Un tipo sinistro bedeutet soviel wie ein unheilvoller, schlimmer, unheimlicher Typ, und sinistro als Substantiv bedeutet Unglück, Unheil, Unbill. Im Spanischen hingegen hat sinistra eine mißgünstige Bedeutung, izquierda dagegen ist ein neutraler Begriff, der die Parteien der Linken als eine Seite, einen Teil der politischen Landschaft bezeichnet. Also lautete der Ratschlag des lider maximo: entledigt euch des Namens ‹Linke› und ihr werdet siegen.» Was dann und weiter unten kommt in diesem, mich auch in seinem Webmuster, wie an einer alles andere als dem Gebet dienenden Perlschnur argumentativ aufgereihten Text, ist zwar hinlänglich bekannt, jedenfalls denjenigen, die schon etwas länger paddeln in diesem, wie bei mir immer wieder nach links ausbrechenden, weil unbegradigten Hirnbach. Dennoch will ich nichts versäumen, es mögen schließlich dem nach Neuem Gierenden nichts entgehen. Nein, eigentlich nichts weiter, das Altbekannte. Aber Benvenuto geht in diesem, seinem Wissen — hier will wohl auch und nicht zuletzt die Übersetzerin Michaela Wunderle genannt werden, das Original ist mir nicht bekannt — voran wie ein glücklicher Wanderer in der Natur, fast fröhlich-forschen Schrittes immer entlang eines mäandernden Flüßchens, daß es eine Lust am Text ist, diesen Spaziergang mal links und dann wieder rechts herum mitzugehen. Nicht einmal unterliege ich dem Eindruck der Begradigung eines Baches, und doch geht es scheinbar kerzengeradeaus, aber vielleicht ist es die in ihrer Konstanz ruhige, aber stetige Fließgeschwindigkeit, die nur einem naturbelassenen Gewässer möglich ist, bei dem sich alles im Lot befindet. Das Lot ist Benvenuto die Linke. Dabei macht er's mit links, als ob's ein leichtes wäre, beim Denken den Boden zu berühren. Leichtfüßig, bin ich geneigt, mich vor seiner sprachlichen Präzision verbeugend zu schreiben, verweist er darauf, die «Vorstellung von der Asymmetrie von rechts und links sei bloß ein antiquiertes Vorurteil, ist von den Neurowissenschaften zum Teil widerlegt worden. Der rechte Teil unseres Körpers wird vor allem von der linken, der hauptsächlich auf Sprache und Begriffe spezialisierten Hirnhälfte kontrolliert; der linke Teil des Körpers dagegen von der rechten Hirnhälfte, die auf die Raumwahrnehmung und das Gedächtnis spezialisiert ist. Philosophisch ausgedrückt: in der rechten Hirnhälfte überwiegt das Sensible, in der linken Hirnhälfte das Intelligible. Die Sprache und die Fähigkeit zur Symbolisierung sind dem Homo sapiens vorbehalten. In unserem Gehirn ist ‹rechts› jedenfalls als etwas Begriffliches, ‹Hohes› angelegt und links als etwas Rezeptives, Affektives, ‹Niedriges›. Die Hierarchie rechts/links wäre demnach kein in der jüdisch-christlichen Welt wurzelnder Aberglaube, sondem hätte neurologische Grundlagen.» So bekannt das auch immer sein mag, in dieser Asymmetrie gespiegelt führt er die linke Seite, die «stets als die Seite der Verdammten und der Hölle, der Nacht, der schlechten Omen, des unglücklichen Geschicks» ins Licht. Die Historie des Siècle des Lumierères scheint auf, jener Epoche, in der ein Denis Diderot samt seiner Mitstreiter wie Jean-Baptiste le Rond d'Alembert et all die Encyclopaédie ou Dictionnaire raisonné des siences, des arts et des métiers auf den Weg brachten, mit dem Ziel, all denen in ihre eigentliche Heimat, dem allgemeinen Wissen, zu leuchten, diesen Pfad, der von der Kirche immer im Dunklen gehalten worden war. Das waren teilweise lediglich kleine Aufsätze, es gab für die ohnehin analphabetische Allgemeinheit, aber auch für die gebildetere Schicht keine Bücher, aus denen sie Lebenshilfen beziehen konnten, wie beispielsweise die von Louis de Jaucourt zur Kosmetik, in der er anmerkte: «Celsius hat sehr richtig bemerkt, die meisten der so gepriesenen kosmetischen Mittel seien nur ein sinnloser Zeitvertreib, eine bloße Scharlatanerie; es sei zwecklos, den Sonnenbrand, die Sommersprossen, die Rötungen des Gesichts beseitigen zu wollen; es sei ein Wahn, zu hoffen, daß man die Rauheit des Teints und die natürliche Hautfarbe ändern könne, und erst recht ein Wahn, die Runzeln beseitigen zu wollen; aber die Frauen seien in die Schönheit so vernarrt und von dem Wunsch, die Spuren des Alters zu entfernen, so besessen, daß es unmöglich sei, diesen Hang bei ihnen zu überwinden und sie von der Nichtigkeit all jener schönen Geheimnisse zu überzeugen, die den Namen Kosmetische Mittel tragen.» Verfaßt und im Lauf der Jahre veröffentlicht wurden auch umfassende Abhandlungen über Gott und die seinerzeit aufkommende Veränderung der Sicht auf die Entstehung der Welt. Doch aus der heutigen Perspektive des umfänglichen Wissens um Gott und die Welt scheint mir Benvenutos Essay Hirnhälften, Hemisphären beinahe in die Kategorie der Randbemerkungen zu gehören. Und richtig, im Heft 97 von Lettre International firmiert er auch unter Briefe und Kommentare, ganz hinten im, na ja, Blatt. Dennoch hätte ich nicht schlecht Lust, diesen Text einfach abzuschreiben und hier einzustellen, weil er dazu beitragen könnte, zu befreien vom «Wahn, zu hoffen, daß man die Rauheit des Teints und die natürliche Hautfarbe ändern könne, und erst recht ein Wahn, die Runzeln beseitigen zu wollen». Aber das würde den parisischen Berlinern aus aller Welt, würde Lettre International nicht gerecht, und es wäre zudem nicht recht, wollen, sollen die doch auch etwas von dem großen Medienkuchen nach dem Krümelprinzip der brotlosen Marie-Antionette abhaben, zumal er bedeutend gehaltvoller daherkommt als das meiste des Angebots, das mir in seiner Macht der Masse, des massenhaften Vorkommens der immergleichen Quantität bisweilen vorkommt wie die biblia pauperum, die auch dafür geschaffen ward, anhand von Bildern das Wort Gottes und nicht anderes zu vermitteln. Auch die Ästhethik stimmt gemäß meiner Vorstellung von ihr, das Formale richtet sich am Inhaltlichen aus. Das linke Klo ziert kein Gold, es geht im Fuß eher zur völlig ausreichenden, nicht ganz so arg dem Leistungsprinzip unterworfenen Bronze hin, dem scheinbar ärmeren Material, ein wenig malerisch vielleicht im Sockel, aber oben ist es blitzsauber, wenn auch nicht aseptisch rein wie in den Haushalten der Bevorzuger nicht nur der Billigheimer, all jener, die keine Bakterien mehr leben lassen, die ihre Kinder nicht mehr über die Kuhkoppel hoppeln lassen wollen, auf daß bei denen die Allergien die Flucht ergreifen. So soll von dem, wie er die Linke be- oder auch aus-, ja erleuchtet, nur noch ein wenig zu lesen sein. Vielleicht greift ja außer meinen beiden Lieblingsösterreichern Enzoo und Phom daraufhin noch jemand zu und ist gleichermaßen hingerissen von dieser Aufklärung außerhalb des Reviers von Oswald Kolle. Also zitiere ich als Empfehlung für das Ganze die beiden Schlußabsätze des Essays Hirnhälften, Hemisphären des Psychoanalytikers und Philosophen Sergio Benvenuto, auf dessen Liege es mir anscheinend so heiter zugeht wie auf der des Herrn Doctor der Kunst. Jedenfalls ist die Sache der politischen Linken besonders kompliziert, versucht sie doch, ein angeborenes neurologisches Ungleichgewicht gegenüber der Rechten zu kompensieren, indem sie sich als lnteressenvertreter jenes (politischen) neglects der schwachen Seite der Gesellschaft und des Lebens hinstellt. Es ist paradox, daß die politische Linke, um den geschädigten Teil der Gesellschaft sichtbar zu machen, ausgerechnet an unsere linke Hirnhälfte appellieren muß, den rationaleren, den gerechteren Teil also. Das ist das Ende, der Schluß, einer Zusammenfassung von Internationale Briefe links, zwo, drei, Champagnertrüffel auch für Arme, denn soziale Marktwirtschaft kann durchaus auch Porsche für einen Linken meinen. Möge er rasen, so seine alte Gurke dazu überhaupt in der Lage ist, wenn er denn das Bedürfnis hat, schneller zu fahren als alle anderen. Die denkende Gemeinschaft aber fordert und fördert im nicht sponsorisierenden Sinn den Fortschritt in der Langsamkeit.
Kino im Kopf. Das Herz am linken Fleck. Für Einemaria und gerne auch für andere. Für jeden Geschmack in bißchen was. Erstmal ein Häppchen Kant. «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.» Kopfkino, habe ich Unmündiger gestern erfahren, sei zum Modewörtchen geworden von überwiegend jüngeren Menschen, die damit unter anderem beispielsweise die schnellen Tempiwechsel und Schnitte verbinden, die sie weniger althergebracht auf der Leinwand sehen, sondern in erster Linie auf dem Bildschirm. Das kann jedoch meine altertümliche Auffassung, die von Gianni Celati nicht verwässern oder reduzieren wie ein homöopathisches Mittelchen aus den übermäßigen Gewinnen der zur Industrie mißratenen sogenannten Esoterik. Ich gebe dem Langsamen, auch dessen Genuß, weiterhin Vorzug. Damit verbinde ich auch den Gedanken, den ich lieber in Ruhe wachsen lasse. Kleists Idee vom Verfertigen der Gedanken beim Reden ist mir im Lauf der Zeit zunehmend zum Vorbild geraten. Aufklärung erzwingen zu wollen, wäre ohnehin zum Scheitern verurteilt. Zwang ist hat immer etwas von Gewalt, zumindest die Idee von Herrschaft steckt dahinter, Roland Barthes' Hinweis auf die herrschende Ideologie rückt dabei näher, die in der Hierarchie den Bartel zeigt, wo der den Most holt. Dabei ist der Bartel nicht, wie allgemein wohl angenommen werden dürfte, etwa ein gestrenger Herr, der seinen Äppelwoi aus dem Keller holt. Bartel ist jiddisch, kommt von Eisen und meint Geld. Nenne ich den Bartel mal einen Lehrer, der dem Stift ohne Umschweife klarmacht, wo's langgeht, wo die Kohle, vielleicht sogar die Shore gelagert ist. Darunter wird heutzutage der Stoff verstanden, der in einem unter Ausschaltung der gehirnischen Vernunftseite mit dem Fuß das Gaspedal durchtreten läßt. Ursprünglich bedeutete dieses ebenfalls aus dem Jiddischen stammenden und auch im Rotwelsch angesiedelten Wort jedoch durchaus Diebesgut, das, bleibe ich dabei, in einem Keller gelagert gewesen sein konnte. Zur Zeit der Aufklärung sprach man allüberall an den Höfen französisch, auch am deutschen. Das war die Zeit, als das Volk begann, auch etwas vom großen Kuchen abhaben zu wollen, den Marie-Antoinette, unsere Wienerin, am Königshaus ihres göttlichen Gatten Ludwig, dem XVI, offensichtlich ständig aß, weil sie kein Brot hatte. Was abfiel, waren Krümel. Sie waren auch für die Deutschen nicht sonderlich nahrhaft. Ihnen blieben auch während der neueren stürmischen Phase der Aufklärung nur Fragmente Die haben sie sich hinübergerettet, darunter die Theorie des von keiner Religion befreiten Jean-Jacques Rousseau. Einer meiner langjährigen, mittlerweile wie Hans Pfitzinger, der mir zu seinem Ende hin immer gottgefälliger zu werden schien, seligen Freunde hielt diesen letztlich protestantischen Aufklärer hoch wie eine Monstranz, als Ikone zierte er alle Dachstuben seines Denkvermögens. Nach Rousseau wollte er seine Kinder erziehen: frei, ohne jeden Zwang. Sein Sohn geriet ihm arg grün, nicht nur im Gesicht. Ob er so bläßlich geworden ist wie mittlerweile die meisten seiner Zunft, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich nachlässig geworden bin in der Pflege von Verbindungen (die zu meinen Kindern lasse ich mal fürnehm außer-acht). Aber der ehemalige Stadtverordnete der deutschen Bankenmotropole mag als von mir ausgemaltem Bildbeispiel für viele seines Alters gelten, die die Lehre des Alten allein deshalb fehlleiten mußte, da der bereits recht orientierungslos war durch ein unzureichendes Studium der Schriften seiner Päpste, er lediglich deren Dogmen kannte. Es mag am unkonzentrierten Lesen gelegen haben, vielleicht auch an der mangelhaften Übersetzung. Auf jeden Fall kam die mißverständliche Auslegung von laisser-faire zustande, der Prämisse machen-lassen der antiautoritärem Erziehung. Sie endete, wie das eben so stattfindet beim Übermitteln von Parolen des Donnerbalkens, die in der Regel in den Effekt des Buchbinders Wanninger münden, bei dem nichts mehr übrigbleibt vom eigentlichen Inhalt. Es geriet zum laisser-aller, dem Sichgehenlassen, auch zu übersetzen mit Lotterwirtschaft oder Schlendrian. Meine Vermutung geht dahin, daß die Generation der Nach-Achtundsechziger, also die um '68 Geborenen logischerweise nie so richtig darüber nachgedacht haben, wohin es führen könnte, ließe man seine Jungen ohne jeden Hinweis auf Verhaltensweisen einfach so und ohne jede Korrektur lostoben (womit ich wieder gezwungen bin, an die eigene Brut zu denken und mich an die Brust zu fassen). Ich bin alles andere als ein Liebender der Regularien und Rituale der Hab-acht-Stellungen und -Haltungen. Eine Entwicklung dahinfließen zu lassen bedeutet mir heute mehr noch als gestern, als es eben auch mir des öfteren passierte, ganz gerne mal das Gaspedal bis zum Bodenblech durchgetreten und mal so eben irgendwelche Thesen überflogen zu haben. Meine heutige Bedächtigkeit, mein immer reduzierteres Tempo hat aus dem Dschungel meiner Gehirnstömungen das Tunnelende der Erkenntnis herausgeschlagen, wie essentiell die sanfte Anleitung ist. Einfach nur Tunlassen ohne Hinweise, das führt den Nachwuchs über eine enge, Großes versprechende Gasse, die auf eine saure Wiese führen kann. Ich komme auf dieses Bildbeispiel, da man etwa Mitte der Siebziger in einer oberbayerischem Marktgemeinde auf Druck einiger weniger aufrechter Sozialdemokraten, ich meine, es wären zwei oder drei gewesen unter lauter Christsozialen, einen Straßennamen nach dem einst dort ansässigen Dramatiker Ödön von Horvath benannte, der beispielsweise mit dem Theaterstück Italienische Nacht, also weniger eine nach heutigem spaßigen Zeitbegriff ausgerichtete, sondern das gegen die braunen Machenschaften vieler, wohl der meisten Ortsansässigen sturmwetterte. In allerärgster Not, man wollte diese häßliche Farbe wenigstens ein wenig aus dem Bild wischen, das man von diesem nicht ganz so großen Dorf wie München hatte, schließlich ging es darum, den Fremdenverkehr zu beleben; möglicherweise hatte man die so erfolgreichen, von den National-sozialisten in der Nähe auf den Gipfel gebrachten oympischen Winterspiele noch in guter Erinnerung. Ein Gäßchens ward's schließlich, nicht die von den gräßlichen Sozis gewünschte, den halben Ort parallelisierende Bahnhofstraße, das nach dem Dichter benannt wurde, an einem Ärztehaus vorbeiführend, und es endet, wie angedeutet, in einer sauren Wiese. Seit einigen Jahren hält man dort Fremdenverkehrshof mit dem seinerzeit Zugezogenen. Sein Name kommt einem über dem Ort schwebenden Transparent gleich, als ob er nie etwa anderes gewesen wäre als freigeistig. ![]() Das, das ist das eine, verstehe ich unter Aufklärung, ausgehend von Diderot et all diejenigen, die jenen Teil des düsteren Mittelalters ins Siècle des Lumières rücken wollten, der von den Herren der Kirche verdunkelt worden war und der, manchmal hat es den Anschein, wieder zurücksoll in die Finsternis. Dabei liegt es auch mir fern, mich als Muezzin eines anderen Glaubens zu betätigen, der einer solchen Erleuchtung dienen könnte. Auch mir bereitet es eher Freude, es in mein Tagebuch zu setzen. Als ich mich noch als öffentlich-rechtlicher Weltretter betätigte, gar Botschaften via Zeitung in die Umlaufbahn sendete, wollte mir offensichtlich kaum jemand Gehör oder Aug' schenken. Da gab ich's auf und widmete mich allein den schönen Künsten. So gesehen bin ich mißraten wie all die anderen, die ich hier immer wieder gerne mal beschuldige. Ich tue weiterhin schön. Aber es nagt sich doch immerzu der sogenannte Schädling zwischen meine Zeilen der künstlichen Schönheit, der über lange Zeit hin aufklärerisch das Innenleben des Baumes der Geschichte freizulegen versucht. Nenne ich einmal mehr die schillersche List, das zu verbreiten, was ich unter Wahrheit verstehe. So formuliere ich die List um in Lust. Ob es die auf das Wahre ist, das weiß ich bis heute nicht. Ich bin so entscheidungsunfreudig. Möglicherweise ist es mein Glaubens-ersatz. Ich glaube daran, daß die Linke, ich meine nicht die deutsche Partei gleichen Namens, sondern eher den Sitz des Rates zu Zeiten der französischen Revolution, also an eine gesellschaftlich von vielen für nicht mehr gültig erklärte Position oder Haltung. Dies ist meines Erachtens der eigentliche Überbringer der Essenz. Links ist nicht nur einfach dort, wo der Daumen rechts sitzt. Das Herz am rechten Fleck, das ist ein arglos erscheinendes Allerweltskompliment, das ich nie machen würde, da ich das Complément für eine Beigabe halte, ein deutschsprachliches Mißverständnis, für einen verbal affigen, weil höfischen Kratzfuß. Hier sollte, müßte nun meine Hirnforschung, zwo, drei mit Sergio Benvenuto fortgesetzt werden, diesem intellektuellen Gutmenschen. Das ist, wie bereits im vorausgegangenen und hier verlinkten Abschnitt erwähnt, aus meiner Sicht alles andere als ein Schimpfwort, weder das eine noch das andere. Die Begründung dafür liefere ich aber bei nächsten Mal. Wie vorhin Enzoo gegenüber angedeutet, mangelt es mir an Zeit, denn ich sitze an einer anderen Variation von Aufklärung. Sogar ich habe noch Verpflichtungen, wenn auch kleine und selbstauferlegte. ![]()
Von der dunklen und der hellen Seite des Hirns1 Es ist uns allen bekannt, die rechte Seite unseres Gehirn regiert uns, jedenfalls, nenne ich's mal so, viele von uns. Es ist der rationale(re) Teil dieses gleichwohl den meisten unter uns bisweilen als unheimlich anmutende Bereich in dieser terra incognita unserer Innenwelt, der uns zu schaffen macht, der sich ständig gegen das immerwährende Bedürfnis des Gefühls auflehnt, es ist die gegen das Wohlsein gerichtete Vernunft, die uns vorrechnet, welche Nachteile es uns bringen könnte, sich aufgrund eines oder vieler Ereignisse einfach fallen zu lassen, etwa in Tränen auszubrechen oder alles kurz und klein zu schlagen. Beim gestrigen Gespräch mit Frau Braggelmann über den unterschiedlichen Ruf der Intellektuellen in jeweiligen geographischen oder auch, etwas allgemein-gehalten ausgedrückt, mentalen Gebieten Europas — Ulfur Grai zweifelt zu recht den früher gebräuchlichen Begriff Volkscharakter an — kam zur Sprache, wie schlecht beispielsweise der Ruf derjenigen in Deutschland ist, die besagten Teil des Gehirns bevorzugt einschalten, bevor sie ihre Meinungen in die Öffentlichkeit ausstellen. In der aktuellen Phase des Weltgeschehens, die zur Zeit in London stattfindet, sehen sich bereits die Reporter und ihre sich nach wie vor an den Rand gedrängten Kolleginnen geschaßt, die sich zurücknehmen, die sachlich zu berichten bemüht sind. Gefordert wird immerzu Emotion, wer nicht brüllt wie ein Hornochse, den man bei lebendem Leib am Spieß dreht, um für zwanzig Euro am Stückchen serviert zu werden, weil es eine dieser hochdotierten Gazellen aus dem olympischen Amateurlager zuwege gebracht hat, für zigtausende Euro Fördergelder aus dem Säckel der Gemeinschaft plus Sponsorenprämie die ganz weit oben liegende Latte zu überhüpfen, der wird gerne als dröge und somit ungeeignet für den Beruf des Berichterstatters bezeichnet. Also sehen die sich gezwungen, mit dem Bauch zu denken und, weil's die das alles finanzierende Allgemeinheit zu wünschen scheint, sich weniger Mäßigung aufzuerlegen, die den Verdacht errregen könnte, jemand sei kopfgesteuert, wie es mir zu Zeiten meiner Hilfslehrertätigkeit in oberbayerischer Nähe zu fast höchstgebirgischem Olympia entgegenschallte, als ich es wagte, mithilfe einer Mischung aus 50, 1 Prozent Vernunft und dem Anteil von 49,9 Prozent Gefühl dem Töchterlein eines Meisters des Handwerks in die nächste Klasse zu verhelfen; ähnlich brüllte es einige Jahre später in der Stube des öffentlich-rechtlichen Redaktionsleiters, der mich rauschmeißen wollte für den Fall, daß ich aus seiner Sendung aktueller Politik einen «Kulturbeutel» machen wolle. Sport ist Emotion, und da sind klare Gedanken fehl am Platz, der Verdrängungsmechanismus setzt voller Gefühle ein, überwältigt mittels Kraft der Masse das dann bißchen Resthirn. Da hat es gefälligst nicht weiter zu interessieren, inwieweit dies aus dem politischen Hintergrund und dem damit verbundenen Wirtschaftswachstum für diejenigen, die ohnehin bereits groß sind, von panem et circenses für die restlichen 99,9 Prozent geschieht. Wer nicht mitspielt, der gehört ohnehin zur unteren Kaste, etwa diejenigen am Rand Londons, die von all dem allenfalls das Geschrei der Emotionalisierten aus den Kampfstätten in den Ohren haben. Gemeinhin steht in deutschen Gazetten nicht nur des Sports der Intellektuelle als Schimpfwort, zumindest als Bezeichnung für jemanden, der seiner Sinne nicht mächtig ist. Ein Bekannter Frau Braggelmanns, jener, den ich hier bereits einige Male leicht bespöttelt habe, der in einer der bunten deutschen Gazetten als sportlicher Journalist tätig ist, die den glanzvollen Alltag der meisten Deutschinnen, die gesellschaftliche Welt ausmachen, der sich mangels Navigationshilfe des öfteren verfährt im Dschungel der Sprache, meinte dieser Tage ihr gegenüber, er wolle sie zwar nicht beleidigen, aber manchmal käme sie ihm tatsächlich vor wie eine Diva, wie eine Intellektuelle. Er kenne jedenfalls keine Frau, die so schlagfertig sei wie sie, die auf nahezu alles eine Antwort habe. Ich kenne kaum eine Frau, die derart gefühlvoll, also unkapriziös mit dem Leben und den darin sich bewegenden und bewegten Menschen umgeht, ohne daß ich mir herausnehmen würde, sie als eine Diva oder gar als eine Intellektuelle zu beschimpfen. Davon einmal abgesehen, daß schließlich auch eine Diva über intellektuelle Fähigkeiten verfügen dürfte, allein durch die Tatsache, einen Geschmack entwickelt zu haben, dessen Voraussetzung nun einmal die Unterscheidungsfähigkeit ist. Jetzt kommt sie gleich, um mir den Kopf zu waschen. Da muß ich abbrechen. Die körperliche Gesundheit hat mehr Gewicht oder ist mehr wert als die geistige. Nix Mens sana in corpore sano, solches sagen die Damen und Herren Gesundheitsminister, denen es ebenfalls an Förderung mangelt und die deshalb mit Olympia die Wirtschaftswachstümer meinen. Aber die haben eben mit dem Satiriker Juvenal ohnehin nichts im Kopf, der's eher so herum meinte: Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano. ![]() Bei den Fußnoten bzw. Anmerkungen bitte mit dem Cursor die jeweilige Ziffer berühren.2
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