Am Ende lange Sätze über kurze Gedanken

Die immerzu den Kopf schüttelnde Dame aus der Hauptstadt der regierenden langen Sätze und der nichtssagenden oder nichts zu sagen habenden kurzen hat derart Feines über die Freude an der abwechselnden sprachlichen Vielfalt geäußert, daß es die Frontseite verdient. Zudem es Abwechslung bietet von der Eintönigkeit langwieriger Erzählerei.

Kurz ist etwas für Betriebsanleitungen für Flachbildschirme und elektronische, sich selbst befüllende Brotbackautomaten. Die sind dennoch meistens unlesbar. Wenn sie von chinesischen oder koreanischen Studenten übersetzt wurden. Die sich im dritten Semester befinden. Als Nebenfach. Zur Informationstechnologie. Und die dann Technology mit Technologie übersetzen. Obwohl's deutsch eigentlich Technik heißen muß. Da die Technologie die Lehre von der Technik ist. Aber das wissen sie nicht. Da ohnehin alles ein globaler Sprachbrei geworden ist. In dem sprachliche Unterschiede vermeintlich niemanden mehr interessieren. Die von den Großrechnern der Betriebwirtschaft aus Kostengründen herangezogen werden, ums noch billiger verkaufen zu können als die Billigheimer im Westen. Oder von japanischen Ehefrauen. Die Klavier und Gesang studiert haben. Und mit einem Deutschen verheiratet sind. Zetbe in Düsseldorf, dem ins Deutsche integrierten Tokyo. Der will, daß sie zuhause bleibt. Und sich um ihr Sushi und seine Kinder kümmert. Und trotzdem hinzuverdient. Weil ein deutscher Mann das gerne hat.

Es geht aber auch bei übersetzten Speisekarten. Für Deutsche, die sich auf der Durchreise nach Spanien befinden. Oder in Narbonne-Plage typisch französischen Urlaub machen. Oder in Le Grau du Roi, La Grande Motte oder Port Camargue. Weil's dort so schön ist wie in Spanien. Noch anders ist's aber auch möglich. Zum Beispiel in poetischen Reiseführern. Oder der Preisung gastronomischer Kleinodien. Wie in Italien. Immer noch der Deutschen heimliches Sehnsuchtsland. Da setzte vermutlich die Tochter des Hauses La Trappola charonisch, sprich kryptisch über den Styx der deutschen Sprache.
Die aus-moderner-Weise-ausgestattete Küche kann jede Erfordernis befriedigen: die «Piadina» ist immer fertig, und der Bratenwender marchiert ohne Unterbrechung uber den Kamin der Hauptsaal, deren hohe Zimmerdeke mit Kätchen gemäldet ist. Auf-der-Plätze-zubereitete «cappelletti», Jagdbeute, kalter Ausschnitt, mit jede typische Nahrung der Gegend ist zusammen mit dem lokalen ganz echten Wein angebietet.
Man möchte Ariadne zur Hilfe rufen. Auf daß die ihren Faden gleich einem Rettungsanker auswerfe. Der einem aus dem Labyrinth heraushelfe. Aber es erhellte die chronisch dunkle Unterwelt des Germanischen der jungen Frau. Sie hatte mal einen deutschen Freund. Der war auf der Durchreise im Marche. Und hat ihr auf dem Kopfkissen deutsch beigebracht. Vom Heiraten war die Rede. Als er eines morgens verschwunden war, da wußte sie nichts mehr. Außer, daß sie eine Frucht im Leib trug. Ob sie alemanna, crucca, germana, tedesca oder teutonica werden sollte, sollte ihr verborgen bleiben. Da hat sie sich gerächt. An der deutschen Sprache. Mit etwas längeren Sätzen. Die so unverständlich waren wie die kürzeren oder längeren deutschen der Chinesen, Japaner oder Koreaner. Aber sie waren schöner. Weiblicher. Denn es ging schließlich ums Essen und Trinken und um die Liebe. Zur Landschaft. Darin bewegt man sich ohnehin tänzerischer als in der Sprache der Technologie. Bzw. Technik. Mit ihrer SMS-Choreographie. Tanz der Kurzmitteilung. Wie klingt das denn! Aber das ist ohnehin Männersache. Männer, das habe ich neulich auf einem US-besendeten Flachbildschirm gesehen, tanzen nicht.

Als ich mich beruflich noch in einer Umgebung befand, in der die etwas feinüppigeren Vixen als die eines Russ Meyer nackt auf den Tischen der Graphik tanzten, lernte ich einen Herrn kennen, der unter Pseudonym, weil sein Hausverlag seinen Namen nicht im Sumpf verkommener, US-amerikanischer Lebenswege untergehen sehen wollte, quasi unter dem Tresen Kunst vermittelte. Ihm folgte ich für eine vorübergehende Zeit, da mich die unerotische Nacktheit einer von mehrfach wechselnden Textchefs immerfort gleichgemachten Sprache schrecklich langweilte. Zwar lernte ich hochbezahlter Lehrling viel, aber ich hatte bald herausgefunden, ihnen nach der fünften Überarbeitung eines Artikels wieder die erste auf den Schreibtisch zu legen, die sie dann jeweils als vollendet erachteten. Nach einem Jahr sehnte ich mich fast zurück nach dem Rundfunk der zwar fürs Gehör richtigen, im besonderen aber geradezu feinziselierteren kurzen Sätze, mehr jedoch noch nach der Suche nach der verlorenen Zeit mit seitenlangen Sätzen in der Beschreibung von Madelaine, zumindest aber nach der Lektüre von Mirabeau, der schließlich auch noch anderes Aufklärerisches wie etwa Lauras Erziehung verfaßt hat. Bei dem Artvermittler unterm Tresen, der einige Zeit später ein großes Kunstmagazin gründen würde, erhoffte ich mir, mehr sprachliche Vielfalt ausleben zu dürfen. Was kam, war mehr als enttäuschend. Denn es war in dieser Illustrierten wie in anderen, noch dazu beinahe autorennamenlosen Wochenblättern ebenso üblich, alles auf eine, wie ich es empfand, Schmalspur zusammenzuredigieren. Wer auch immer ein Manuskript ablieferte, gedruckt wurden alle Text so, als ob sie von einem Autor stammten; Autorinnen waren zu dieser Zeit noch überaus selten, die meisten Damen steckten noch hochgeschlossen in der Sekretärinnenschublade, der Beruf der Gesellschafts- oder Hofexpertin war noch nicht erfunden, der einer Redaktionsleiterin, Textchefin oder gar Chefredakteurin schlicht undenkbar. Journalistinnen wie Wibke Bruhns durften allenfalls auf den Bildschirm, und zwar als Nachrichtensprecherin, etwas früher in leitende Positionen gelangende wie Luc Jochimsen waren eine Seltenheit. Medien waren Männersache. Bloß keinen Tanz, und schon gar keine langen Spielereien.

Also mehr Frauen an die Medienmacht? Ich bin unschlüssig, ob mit ihnen mehr an- und abschwellende, sich steigernde und wieder abebbende Sarabande getanzt wird, absolvieren viele doch sogenannte Hochschulen, um wenigstens zunächst einmal an die Front zu kommen, in denen allerdings meistens gelehrt wird, alles zu verknappen, sich kürzest zu fassen wie zu Zeiten in der Telephonzelle, weil für komplette, nicht vorn und hinten abgehackte Sätze, für Vorspiel keine Zeit mehr ist oder es, wie's mir manchmal vorkommt, zum Lifestyle gehört, sich möglichst undeutlich auszudrücken und das auch noch rasend rasch quasi wegzusprechen, daß gleich gar nichts mehr übrigbleibt, vermutlich, weil den stundenlang zuhause vor dem Flachbildschirm oder ganze Nachmittage im Café vorm DiddaldaddelEiphone Hockenden die Zeit davonlaufen könnte.

Ich werde wohl auch bald zum Internetausdrucker werden, schon aus Protest gegen diese Verflachung, die noch dünner macht, als es diese Geräte ohnehin bereits sind. Sie haben schon recht, zu diesem Elektrobuch passen keine langen Sätze. Jedenfalls nicht meine, «sprachgewordene matroschkas» — ach, wie schön, die «hierhin oder dahin» wollen, die «scheinen ziellos oder führen einen manchmal in die irre, weil man denkt, man denkt schneller, aber falsch gedacht». — Ich kaufe schließlich auch schon seit langem keine Brötchen mehr beim Bäcker, weil ich weiß, bei dem gibt's auch nur noch Einheitsbrei aus der Fabrik, den er als Handwerk verkauft. Neulich habe ich mein Brot selbst gebacken, so richtig, nicht mit der Maschine, sowas kommt mir ebensowenig ins Haus wie ein Elektrobuch, sondern von Hand, den Teig aus Mehl, Hefe, Wasser sowie etwas Olivenöl und Salz in die Schüssel gegeben, gerührt und geknetet, ihn hin- und hergewendet, ihn ruhen lassen, dann noch einmal geknetet und gewalkt, ihn hin- und hergewendet, bis ein wohlschmeckender langer Satz daraus wurde. Es hat nicht viel länger gedauert als das Schreiben einer ausführlicheren Sentenz über einen Absatz. Zuhilfe kam mir dabei die Erinnerung an eine temporäre Tätigkeit bei einem Bäcker, der im Hinterhof eine Sau im Stall stehen hatte und die ich auch essen durfte, deren Fett ich sogar gerne aß, weil es so schmackhaft war, die aber auch von einem Fleischer geschlachtet worden war, dessen Wurstsuppe nie aus meinem Gedächtnis entschwinden wird, so, wie die Freude über Ihre feine kleine Würdigung des behutsamen Entblätterns, des dazugehörenden Müßiggehens, für die ich mich herzlich bedanke.
 
Di, 27.03.2012 |  link | (3684) | 19 K | Ihr Kommentar | abgelegt: lingua franca


kopfschuetteln   (27.03.12, 20:30)   (link)  
lieber herr stubenzweig, wenn ich ihnen eine freude gemacht habe, dann freut mich das natürlich sehr.

la trappola, wahrscheinlich ins deutsche übertragen
das ist ja phantastisch.
ob meine gebrauchsanweisungen, es stand in der mehrzahl, auch aus dem italienischen übertragen wurden? wer weiß. es war jedenfalls beruhigend, sie nicht wirklich gebraucht zu haben.


jean stubenzweig   (28.03.12, 15:39)   (link)  
Ihre Gebrauchsanweisungen,
daran erinnere ich mich beim neuerlichen Lesen vage, wollte ich seinerzeit bereits mit La Trappola kommentieren. Ich hab's dann doch wohl deshalb unterlassen, da ich nicht noch ein Häkelhütchen drüberstülpen wollte. Doch nun, wie schön, kommen sie nochmals zur verdienten Geltung, auch wenn Sie sie nicht gebraucht haben. Aber sie sind ohnehin ausgewiesene Meisterin des Bügelns, sogar des Blindbügelns, zudem wie geschaffen für das Fernsehen; wenn ich mich recht erinnere, tun sie dieses meines Erachtens völlig Überflüssige nur währenddessen.


kopfschuetteln   (28.03.12, 23:12)   (link)  
ich versuche das notwendige mit dem überflüssigen meisterhaft zu verbinden. (wir können ja nicht alle oscar wilde...)


einemaria   (28.03.12, 01:27)   (link)  
Oh Stubenzweig, was hab ich nur getut. Es wahrd ein unbeseelter Reflex. Gemeint hab ich garnix, ich hofe, daß wissen Sie.


jean stubenzweig   (28.03.12, 20:02)   (link)  
Was haben Sie getan?
Sie haben lediglich mein Plappermaul ingang gebracht. Ich weiß doch, daß Sie nie etwas meinen, wenn Sie was meinen. Machen Sie sich keine Sorgen um meine Logorrhoe. Die kriegen Sie ohnehin nicht verfestigt. Was nicht heißen soll, ich wollte fortan auf Ihren Biß verzichten. Er richtet mich auf. Er ist mir so etwas wie das Elexier des mir nahestehenden Teufels.


jagothello   (29.03.12, 16:07)   (link)  
das ende der sprache ist also nicht nah, sondern da.
immer langsam mit die jungen Pferde... Sprachlosigkeit und Bilderliebe dürfen Sie nicht mit dem Ende verwechseln. Südkoreanische Elektronikhersteller und schwedische Möbelfabrikanten mögen es im Interesse ihrer globalen Geschäftsinteressen für opportun halten, das "Sie" abzuschaffen und zwischen 3-jährigem Bettnässer und greiser Kundschaft nicht mehr zu unterscheiden. Abgeschafft ist der Wortsalat damit noch lange nicht. Man stelle sich bloß einmal hiesige Seiten vor, wenn das Ende wirklich schon sei!


enzoo   (28.03.12, 11:07)   (link)  
jüngst
erwarb ich einen drucker, um unter anderem auch das internet auszudrucken, aber nicht nur. dabei stellte ich fest: es geht noch kürzer!

der packungsinhalt: der drucker selbst, diverse kabel, ca. 2 kilo bedrucktes papier im format A5, ein A4 zettel mit zeichnungen darauf. bedienungsanleitung ist doch was für - jemand anderen halt - also fix angeschlossen, und schon funktionierte das ding. dann, beim wegräumen der verpackung, ein näherer blick auf das mitgelieferte papier: der 2 kilo papierziegel enthielt ausschließlich rechtliche informationen in vermutlich allen sprachen samt nebentaldialekten, die in der EU gesprochen werden. eigentlich eine grundlage, um eine menge sprachen zu lernen, zumindest für die schliemanns unter uns. allerdings entdeckte ich in diesen 654 (!) seiten keinerlei bedienungsanleitung in den jeweiligen sprachen. die fand ich dann in form des A4-zettels mit den bildern. der erklärte sprachlos, wo welches kabel anzuschließen und wie papier und toner nachzufüllen wären.

das ende der sprache ist also nicht nah, sondern da.


kopfschuetteln   (28.03.12, 14:45)   (link)  
dazu gab es mal
ein interessantes interview, aber ich fürchte, das kann man nicht mehr hören. ergänzend: einen artikel aus der zeit.


jean stubenzweig   (28.03.12, 16:33)   (link)  
Zum Internetausdrucker,
bester Enzoo, mag ich zwar wohl ebenfalls mutieren, aber ehrlicherweise muß ich gestehen, Gebrauchsanweisungen nie wirklich gelesen, allenfalls einen kurzen Blick hineingetan zu haben, um sie dann vorab und wohl für alle Zeiten resignierend der Altpapiersammlung zuzuführen. Ich hab's immer getan wie Sie: Anschließen und los, egal ob drucken, kucken oder dichten. Manchmal führte das zu Komplikationen, wenn ich zum Beispiel die vorgeschriebene Reihenfolge der Steckereinsteckungen nicht eingehalten habe. Dann habe ich eben den Fachmann angerufen. Das war dann wieder unkompliziert, da ich grundsätzlich nur bei dem kaufe, zudem meist bei einem, der über ein relativ kleines, unterm Strich auch nicht teureres Ladengeschäft verfügt, dessen Personal ich persönlich kenne. In der Stadt war's und ist's ganz einfach. In München hatte und auch in Marseille habe ich jemanden, der immer irgendwie über irgendjemanden verfügt und den meistens sofort vorbeischickt, wenn ich mal wieder vor Wut auf meine technische Unkenntnis alle Stecker und Stöpsel herausgerissen hatte und nicht mehr wußte, wo sie mal drinsteckten. Aber auch auf dem Land ist das nicht anders, selbst über Entfernungen von vierzig und mehr Kilometer kommt, wenn's denn brennt, vielleicht, weil ich mal wieder ignorant etwas nicht gelesen habe, der fachlich kompetente Helfer mindestens noch am selben Tag angerauscht. Ein definitiv themaerweiterndes Beispiel: Vor ein paar Wochen rief ich bei meinem Radio- und Fernseheinrichter an und fragte nach einem digitalen TV-Empfänger, da in Deutschland Ende April alle analogen Verbindungen gekappt werden (einen wirtschaftspolitischen Kommentar dazu erspare ich Ihnen jetzt). Der Mitbesitzer des hochfrequentierten Ladens, den ich vor etwa zwei bis drei Jahren das letzte Mal aufgesucht hatte, um mir dessen schöne Loewe-Welt (in der technisch Unterbelichtete wie ich ebenso wie in der des Apfels keine Gebrauchsanleitungen benötigen) anzuschauen, erinnerte sich meiner nicht nur sofort, sondern äußerte auch, so schade das für ihn als Händler sei und er mir gerne auf der Stelle einen Receiver vorbeigebracht hätte, aber einen solchen benötigte ich nicht, da alle meine erforderlichen Geräte, auch das für den HBTV-Empfang des Einschlaffernsehens in meiner anschlußbuchsenlosen Kemenade hoch oben unterm Dach, bereits für den digitalen Empfang eingerichtet seien. Herr Gerits justiert mir alles, für das ich ungeeignet bin, ungeeignet sein will, da es mich nicht interessiert. Ich gehe schließlich auch nicht in Baumärkte und streiche auch die Wände meiner Wohnungen nicht selbst, wozu haben andere denn was Anständiges gelernt und ich nicht, jedenfalls nichts, das allgemeinwirtschaft- und gesellschaftlich brauchbar wäre. Alles andere kann ich schon.

Andererseits läßt mich Ihr Hinweis auf den schwerwiegenden Papierziegel mit den vielen Sprachen auch wieder schmunzeln und erinnert mich, Sie wissen ja, kein Disziplinator ist in der Lage, meine durchgehenden Assoziationspferde zu zügeln, an eine Passage aus Milan Kunderas Buch Die unendliche Leichtigkeit des Seins, die ich hier gerne noch einmal wiedergebe, weil sie marginal so schön dazu paßt:
«Der Marsch nach Kambodscha war ihre [der Franzosen] Idee gewesen, und nun waren es auf einmal die Amerikaner, die mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit die Leitung übernommen hatten und darüber hinaus auch noch englisch sprachen, ohne daß es ihnen eingefallen wäre, daß Franzosen oder Dänen sie vielleicht nicht verstehen könnten. Die Dänen hatten allerdings schon lange vergessen, daß sie einmal eine Nation gewesen waren, und so konnten sich von allen Europäern nur die Franzosen zu einem Protest aufraffen. Da sie ihre Prinzipien hatten, weigerten sie sich, auf englisch zu protestieren und wandten sich in ihrer Muttersprache an die Amerikaner auf dem Podium. Die Amerikaner reagierten mit freundlichem und beipflichtendem Lächeln, weil sie kein Wort verstanden. Schließlich blieb den Franzosen nichts anderes übrig, als ihren Einwand auf englisch zu formulieren: ‹Warum wird auf dieser Versammlung englisch gesprochen, wenn auch Franzosen anwesend sind?›.»
Das Zitat stammt aus meinem Gobal-Pariser, der wiederum auch das köstliche Buch Inselsommer von Eric Orsenna erwähnt, dem nicht nur die Erkenntnis zu entnehmen ist: «Auch in einer dichten Menge namenlos gemacht, reitet das Ego des Franzosen immer ein Einzelschlachtroß.», sondern überhaupt eine, hier von Hanna Gräfe prächtig besprochene Geschichte erzählt, in der sich alles ums Translatorische, im besonderen um eine Übersetzung, um die wohllüstige Ada oder das Verlangen dreht, und zwar im Wortsinn: durchgedreht. «Die menschliche Sprache war mehr als ihr Lieblingsthema, sie war der Held der einzigen Abenteuer, die sie wirklich interessierten.» Aber, womit ich voll und ganz bei mir, bei einem Bruder im Geiste wäre: der Übersetzer Gilles «arbeitete, wenn die Lust ihn überkam: selten».

Lust habe ich an Ihren schönen Ausflügen auch in Nebentäler des Sprachlichen, und das als ITler. Ich gestehe ein, zumindest bis vor ein paar Jahren sicher gewesen zu sein, die könnten gar nicht lesen, es sei denn ihre esoterischen Apokryphen und nur Allgorithmen schreiben oder wie dieses Zeugs heißt, das uns das Private aus dem Gehirn herausliest und geschaffen ist, uns das Buch zu vermiesen, worauf die Kopfschüttlerin unten mal wieder hinweist. Aber irgendwann wurde ich, mal wieder, eines besseren belehrt.


jean stubenzweig   (28.03.12, 16:58)   (link)  
Ja, Frau Kopfschüttlerin,
es ödet. Doch es ängstigt auch. Neulich habe ich im Fernseher, von dem ein Kommentator in der Zeit darauf hinweist, daß es vor fünfzig Jahren hieß, er werde das Buch ablösen, einen Beitrag über die Fortschritte neurologischer Techniken gesehen. Da mag ich mich einem weitereren Kommentator anschließen, der meinte: Gut, daß er das nicht mehr erlebe müsse.

Crest schreibt: «In einem Punkt stutzte ich stark: "Aber die Masse wird mit Schrift nicht mehr viel anfangen können – und auch nicht müssen."» Bei IKEA-Aufbauanweisungen haben wir das.» Ich komme auf den früheren Ausgangspunkt zurück: Womit wir wieder bei den Gebrauchsanweisungen wären. Es ließe sich auch behaupten: bei der biblia pauperum, jener Armenbibel für nicht lesen Könnende, die mithilfe von gaaanz vielen Bildchen Anweisung gibt, wie man ins Hochbettchen des lieben Gottchens gelangt. Dem widerspricht hingegen Coiote: «Die Gebrauchsanweisungen per Bilder halte ich dabei für ein schlechtes Beispiel. Gebrauchsanweisungen werden nur deshalb gerne als reine Bilderreihe geliefert, weil diese dadurch von der jeweiligen Landessprache unabhängig sind.» Dem ist entgegenzuhalten, daß auch in den hiesigen Straßen immer mehr durch Bildchen ersetzt wird. Wahrscheinlich für die vielen hier umherirrenden Chinesen und Russen, die jene Orte suchen, in die sie gerade invesitiert haben.

Nicht zu vergessen ist allerdings der Papierbrikett von Enzoo, der die allgemeinen Geschäftsbedingungen in allen erdenklichen Sprachen enthält. Die müssen natürlich alle gelesen werden.


einemaria   (28.03.12, 17:31)   (link)  
Für alles gibt es Lösungen:
leider ist es noch nicht ausgereift. Aber insgeheim (wer ließt schon all die Kommentare) darf ich das Projekt "Ebook-Verbrennung" schon mal andeuten. Unterliegt aber noch der Geheimhaltungsstufe §$911. Also, pst.


einemaria   (28.03.12, 18:43)   (link)  
... dem möchte ich noch auf die Würze (leider nur in Englisch) einen Vermerk Mark Twains über THE AWFUL GERMAN LANGUAGE hinzufügen. Ich denke, es hat ihm trotzalledem ganz gut gefallen. A real good fellow that needed to be mentioned more often ... ;)


kopfschuetteln   (28.03.12, 19:48)   (link)  
"Ebook-Verbrennung"
versucht sie zu reparieren!, würde auch reichen.
ich wette, die dinger lassen sich nicht auseinanderbauen.


jean stubenzweig   (28.03.12, 20:12)   (link)  
Den deutschen Twain
haben wir anderswo festgehalten, seit 1995 ziert das Laubacher Feuilleton dessen berühmte Parenthese.


kopfschuetteln   (28.03.12, 20:15)   (link)  
ich finde den vergleich, lieber herr stubenzweig, auch passend. es gibt ja schließlich solche gebrauchsanweisungen schon. also, wenn die aussagefähiger sind als un- oder mißverständliche übersetzungen eben jener, warum nicht?
und ich halte es für absolut nachvollziehbar, daß die schrift vereinfachteren formen weichen wird.
ich meine, unterhalten die leute sich gerade darüber, ob die kinder noch schreiben lernen sollen? ich denke, das geht einerseits hand in hand und vermute, daß irgendwann nur noch getippt wird. (es ist echt eine schande, daß die kinder das was sie schreiben könnten, in form von arbeitsblättern vorgegeben bekommen und nur noch das gezielt zu erlernende geübt wird, das ist das minimumprinzip.)
das systematische verlernen von lesen und schreiben, weil es technisch möglich ist, irgendwann usus ist und, nicht zu vergessen, eine frage der "performance". dann ist es auch keine sinnfrage mehr.
geschäftsbedingungen: unverzichtbar; aber bitte in allen sprachen lesen.


g.   (29.03.12, 07:26)   (link)  
Mit einem e-book wirkt man auf lästige Fliegen unseriös, las ich jüngst (finde gerade nicht mehr wo das war).


enzoo   (29.03.12, 11:53)   (link)  
das mag stimmen,
das mit dem respekt der fliegen, sollte einen mann von welt aber nicht weiter erschütttern.

mindestens erschüttert hingegen wird das gerät wenn es selbst als waffe gegen die fliegen eingesetzt wird. ists beim analogen buch lediglich ein wenig grauslich, wenn eine fliegenleiche nach erfolgreichem angriff leicht angegatscht am eh plastifizierten, also abwischbaren umschlag pickt, so ist beim ebook-reader neben der fliege mit einer weiteren leiche zu rechnen, was den gebrauch eines staubsaugers und eine fahrt zur elektronikschrott-abgabestelle nach sich ziehen kann. und alle 76 darauf gespeicherten bücher sind auch perdu.


einemaria   (29.03.12, 16:33)   (link)  
Buch auf, Klammer auf,
Wie das Interview über das Verschwinden des Buches zu Recht zu bedenken gibt, ist, neben dem Lesen, insbesondere das Schreiben eine Art moderner Luxus. So doch eine Art von Luxus, der eigentlich nichts kostet und auf seine Art nicht dem Energieerhaltungssatz unterliegt. Lesen und Schreiben zu vervielfachen und zu multiplizieren bedarf einer Art Energie, dem Lehren, die selbst Energien schaffen kann - mancher Lehrer wird mir da widersprechen.

Die Kaligraphie und der Wert der Schrift - Times New Roman ist für mich eine Schriftabart und keine Schriftart - könnten auch als eine Art konstruktiver, ziviler Ungehorsam gesehen werden. Ähnlich dem Feuer, mit dem wir durchaus so manchen Palast in Schutt und Asche legen könnten, das uns Prometheus unter unwillentlicher Opferung seiner Leber gebracht (O-Ton Wikipedia), sind wir nun in der Lage, die Schiefer- und Gesetzestafeln selbst lesen.

Mag man den Hyperlink auf die Waagschale legen, der uns so manches Blättern auf Verweise erspart, läßt sich durch eben jenen auch Verwirrnis stiften und in die Irre leiten - letzteres vermag zugegebenermaßen so manches Buch auch ohne digitalen Verweis. Ich bin mit dem Ebook und dessen Readern nicht per Du, Klammer zu. Dazwischen das genommene Leben einer Fliege als Lesezeichen ... dafür keine geopferten Eselsohren mehr, Buch zu.


jean stubenzweig   (01.04.12, 16:36)   (link)  
Mich ficht
das Für und Wider des Elektrobuches nicht an. Möge jeder in seiner Weise damit glücklich werden oder nicht. Da ich auf Reisen seit den Anfängen des rollenden Koffers ohnehin immer einen solchen mit mir führe, ist es nicht von erheblicher Bedeutung, ob zwei oder zwanzig Bücher mitfahren. Ich bin mit dem Buch aufgewachsen, deshalb gehört es zu mir, immer eine Auswahl dabeizuhaben. Mir scheint es allerdings oder zudem eine Erholung für die allzuoft vom Bildschirm gebeutelten Augen.















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