Kein rauschendes Form-Fest mehr


Der eine sammelt Briefmarken, der andere Frauen, mit oder ohne Kunst. Ich sammle rein gar nichts, bin ich doch kein Sammler. Reines mag ich, davon bin ich abhängig, nicht nur von einer bestimmten Zeit, von der eines bestimmten Herstellers, jedenfalls, als er noch der war, der er heute nicht mehr ist. Bei der obigen abbildnerischen Dokumentation begnüge ich mich mit einer kleinen Auswahl, um die Gegner der Zeit und deren Nahme nicht über Gebühr zu strapazieren. Es würde sicherlich ohnehin zu weit führen, denn meine Nichtsammleritis geht ja noch weiter. Denn ich höre und sehe während des köchelnden oder sonstigen Kreativierens ... — ach was, überall(es) ist Braun. Zu dieser Farbgebung möchte ich allerdings etwas anmerken. Denn sie verblaßt doch zusehend, wie ich kürzlich feststellen mußte, als eines der Geräte nach zehn Jahren kaputtging, die früher, als ich anfing, vollends abhängig zu werden, eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten hatten, jedenfalls bildlich gesprochen.
Wegen denjenigen, die dieser extremen Färbung ausweichen möchten, verstecke ich ein zeitlich dem Buch der Bücher nahekommendes Glaubensbekenntnis in den Kommentaren; zumal ich hier nicht wiederholt Markenpurismus betreiben möchte.

2005 erschien das «Jubiläumsbuch» Braun. 50 Jahre Produktinnovationen. In diesem Jahr hatte Procter & Gamble sich Gillette einverleibt. Deshalb wohl mußte unbedingt noch etwas über «Tradition» in die Öffentlichkeit, Beschönigendes, das neueren Sichtweisen trotzt. Eine Grabrede zu verfassen, das hätte sich dann doch wohl niemand getraut. «So warten wir», schrieb Oliver Herwig im design report 12/2005, «weiter auf die kritische Analyse des Braun-Phänomens.»

In diesem Jahr hatte Braun-Gillette selbst dem Formalästhetiker (die Funktionen hatten längst begonnen, nicht mehr so recht zu funktionieren) kein rauschendes Fest mehr geboten, da das Design sich zusehends einer (nicht sonderlich) merkwürdigen Colani-Philosophie des Organischen angenähert hatte — von allen Ideen ein paar Rosinchen: Zunehmend wurde, vor allem bei den (ohnehin wenigen verbliebenen) Haushaltsgeräten, es ein bißchen runder, ein bißchen bunter. Das (Natur-)Gesetz des Marktes hatte die aufs wesentliche reduzierte Form längst zu überwuchern begonnen. Beim einen oder anderen Produkt war schon Anfang des neuen Jahrtausends der Gedanke an Versandhausdesign (sprich Breitenwirkung sprich Dividende) zulässig.

Als aber der große Riese Procter & Gamble mit dem Kauf des kleinen Riesen Gillette noch riesiger, nämlich nach Nestlé zum weltweit zweitgrößten Produkthersteller geworden war, war's endgültig aus mit dem Klassiker der reinen Form. Womit Ästhet, Pragmatiker und Snob sich den Fundgruben zuwandten.

Was bleibt, sind schöne Erinnerungen — die sowohl das Zuhause als auch das Büro schmücken. Nicht nur schmücken, denn nichts steht in der Museumsvitrine. Bis auf die eine oder andere nicht mehr zu nehmende Zeit oder auch ein nicht mehr zu reparierendes (?) Weltradio (weggeworfen wird nichts!) ist alles in Gebrauch.

Für empfindsamere Ohren allerdings eher weniger geeignet ist die bislang letzte feine, im argen Hitzejahr 2003 ertaumelte Gerätschaft: ein SK 55 von 1962 — ein entschieden zu spät erfüllter Jugendwunsch. Aber in ganz jungen Jahren rückte das Portemonnaie die erforderliche Summe nie heraus. Dafür darf Schneewittchen sich jetzt aufgebahrt fühlen; gesungen wird nicht im Sarg. Das klingt sonst wie die Callas meiner Kindheit.

Was überlebt hat, ist die Braun-Börse. Dort treffen sich Braun- und Designsammler (also ohne mich) einmal jährlich, zuletzt beim Namensgeber in Kronberg. Früher fand das auch anderenorts statt, so etwa im Mai 2007 in den Räumen des Instituts für Neue Technische Form auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Im dortigen Museum feierte man rauschende Feste angesichts der «Produkte, die in den 1950er, bis 1970er Jahren hergestellt wurden und die internationale Design-Entwicklung nachhaltig beeinflußt haben».

Das gesamte Jahr über fündig wird man in den Kleinanzeigen von Design+Design. Dort wurde beispielsweise nicht nur mal ein heifideleieti «Braun-Atelier, ‹Last Edition› Nr. 447/90 schwarz. 1A Zustand. R 2, C 2/3, CD 2/3, 2 x R 6, alle Dokumente komplett» für 2.250,- Euro angeboten. Beinahe hätte ich. Denn als die Produktion dieses Zauberturms eingestellt wurde, wollten nicht wenige Händler, die ihn sich spekulativ auf Halde gelegt hatten, gut und gerne 10.000 Mark dafür haben, nur für die Töne. Ich habe mich zusammengerissen. Denn heute bekommt man ihn für ein Drittel des Preises, obwohl es sich nicht einmal einen Leerverkauf handelt. Doch vielleicht ist auch das noch ein bißchen viel für einen weiteren nicht benutzten Sarg. Also doch lieber etwas kleineres. Immerhin kann man auf diesen Börsen auch schonmal nach einem «Ersatzglas, Messer vorhanden, Glasaufsatz und Dichtung für Braun Mixer MX 31» suchen. Denn die Form hält zwar ewig, nicht aber die Funktion.
 
Di, 13.07.2010 |  link | (5792) | 20 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Form und Sinn


jean stubenzweig   (13.07.10, 16:44)   (link)  
Der Ästhet, der Pragmatiker und der Snob ...
Es gibt (ausgelassene) Gelegenheiten, über die man sich auch nach Jahren noch heftig ärgern kann. Beispielsweise über die Möglichkeit, zehn Elektrorasierer, 15 Mark das Stück, auf einmal zu erstehen, nicht genutzt zu haben.

Zehn Elektrorasierer? Kann ein männlicher Mensch einen solchen Bart haben, daß er gleich so viele Rasierer benötigt?

Die Angelegenheit verhält sich anders. Dieser Mensch wird morgens von time control DAB 80 fsi aus dem Schlaf gerissen, stellt den KF 20 an, putzt sich die Zähne mit Oral-B Plak Control timer, legt (zur Zeit) vor dem Duschen die quartz AW 50 Titan Ceramic (auch wenn sie wasserdicht ist) ab, rasiert sich mit Flex Control 4005, stellt mit Blick auf die Analoganzeige der time control DAB 80 fsi fest, daß es schon wieder sehr spät ist, trocknet sich die Haare mit dem travelair mini Z 1000, steckt noch schnell eine Scheibe Brot in den HT 40/45, erschrickt beim Blick auf die digital DB 10 si, springt in den 500 SEL und fährt ins Büro, wo er auf der time control DB 10 fsi sieht, daß es doch noch nicht zu spät ist — und rechnet mit seinem control solar ETS 77 nach, wieviele Zeichen dieser eine Satz enthält.

Nur zweimal ist dieser Mensch seiner Marke untreu geworden. Zum einen stellt dieses Unternehmen, von dessen Produkten hier die Rede ist, keine PKW her, und da der Tischlüfter HL 70 aus dem Jahr 1971 bei weitem nicht die Stand- bzw. Rutschfestigkeit hat wie der HL 1/11 von 1961, der zu Hause Kühlung bringt, also die zehn Jahre ältere Form der Funktion weitaus logischer folgt und dieses Modell trotz aller erdenklichen Bemühungen nicht mehr aufzutreiben war, deshalb mußte schweren Herzens fürs Büro ein anderes Fabrikat erstanden werden.

«Der Schein trügt», so Hans-Hermann Kotte in dem Buch Die leise Ordnung der Dinge von Uta Brandes, mit dem Dieter Rams, dem Braun-Chefdesigner, gehuldigt wird. «Braun-Geräte sind nüchtern, schlicht, funktional. Aber ein einziger Anblick kann genügen, um einen netten Nachbarn zum rastlosen Fetischisten werden zu lassen, der auf der Suche nach der Hardware mit dem berühmten Logo die Trödelmärkte durchstöbert, Kleinanzeigenblätter zerliest und skrupellos nichtsahnenden Omas einen Entsafter oder das Radio abjagt. Rund 2000 Braun-Maniacs durchkämmen die Republik nach Rasierern und Receivern: Braun, Braun, Braun ist alles, was sie wollen. Besonders die Musikgerätschaften aus den fünfziger und sechziger Jahren, mit denen die Braunsche Geschmacksrevolution begann, haben es den Sammlern angetan.»

Es ist ein Markt, in dem beispielsweise für den Mitte der fünfziger Jahre von Hans Gugelot und Dieter Rams entworfenen sogenannten Schneewittchensarg, den SK 4, mittlerweile gut 2000 Mark gezahlt werden. Von den Sammlern nicht genutzte Glücksfälle sind sehr selten (siehe oben). Und wenn es sie doch geben sollte, dann ist von Unkenntnis (oder -verständnis) auszugehen. So sah eine Münchner Journalistin vor ein paar Jahren das Kompaktgerät audio 250 von 1967 in einem Hausflur stehen. Auf die Frage, was es kosten solle, schenkten die im Umzug begriffenen Unwissenden ihr das funktionstüchtige, zeitlos schöne Gerät. Das ist insofern von außerordentlicher Bedeutung, als Braun Ende der achtziger Jahre die Produktion von HiFi-Geräten einstellte — mit dem Erfolg, daß es nach der Ankündigung zu enormen Hamsterkäufen durch die Händler kam.

Gut anderthalb Jahrzehnte sammelt der Hamburger Grafik-Designer Jo Klatt Braun-Produkte. Er ist es auch, der gemeinsam mit Günter Staeffler die unabhängige Zeitschrift Design+Design herausgibt, die früher unter dem Titel Braun+Design firmierte. In ihr werden beispielsweise Themen behandelt wie «Leitlinien für die Gestaltung von Braun Verpackungen, Ausgabe 1979» oder «Mehr oder Weniger — Braun-Design im Vergleich». Auch Mappen werden angeboten, etwa der ‹Kunstband› zur End-Auflage der ‹Atelier›-Serie, eine von Braun und a/d/s (der Firma, die den HiFi-Bereich von Braun übernommen hatte) herausgegebene Dokumentation, die nur Käufer der ‹letzten› Edition erhielten.

So war es naheliegend und nur konsequent, daß das «Mastermind unter den Braun-Hortern» (so die taz), Klatt, und Staeffler 1990 ein Katalogbuch herausbrachten, in dem in Wort und Bild die Geschichte dieser die Design-Welt revolutionierenden, bis heute beispiellosen Braun-‹Philosophie› mit ihren Bauhaus-Wurzeln dokumentiert worden war. Auch er entstand unabhängig von der im Taunus-Städtchen Kronberg ansässigen Firma Braun AG. Doch da die Entwicklung der 1921 in Frankfurt am Main von Max Braun gegründeten und 1967 in den Besitz der US-amerikanischen Gillette Company übergegangenen Firma nicht haltgemacht hat, also ständig neue Elektrokleingeräte (hierbei ist die Braun AG ein weltweit führender Hersteller) entwickelt wurden, war dieser Katalog nach fünf Jahren bereits wieder ‹veraltet› (sofern dieser Begriff in diesem Fall zulässig ist). Es bedurfte einer Neuauflage, die jetzt vorliegt.

Es versteht sich von selbst, daß Klatt und Staeffler beide Ausgaben selbst gestaltet haben, und zwar ‹systemimmanent›: die geordnete Klarheit und Form-Stille der Produkte mit dem unverkennbaren Signet herrscht auch hier vor. Veränderungen — geringfügige, aber dennoch deutliche — gibt es in der 2. Auflage vor allem in Typographie und Präsentation. Die Herausgeber bzw. Grafik-Designer haben auf die einer der Schreibmaschinentype ähnlichen Schrift zugunsten der weitaus präziseren, angenehm lesbaren Akzidenz Grotesk verzichtet. Das nun glattgestrichene Papier Opus matt 135 kommt den (mit wenigen Ausnahmen) im Wortsinn bestechenden Schwarz-weiß-Reproduktionen von Margot Sduneck und Reinhold Proske entgegen. Auch wurden den verschiedenen Texten sinnvolle Ergänzungen angefügt, so ein Aufriß der Firmengeschichte, der beispielsweise die Gestaltungsethik des Unternehmens mittels Fakten komplettiert.

Zu komplettieren ist damit auch die Bibliothek des weniger manischen Sammlers, der dann zu überprüfen in der Lage ist, aus welchem Jahr der CSV 250 ist, den ihm vor einiger Zeit der freundliche Bildhauer geschenkt hat und der ihm nach getaner Bürotätigkeit abends die Ätherwellen verstärkt. Oder bestätigt zu bekommen, was der Berliner Student Till Streu (gegenüber dem taz-Reporter) geäußert hat: «Beim Kauf und Anblick dieser Geräte feiern der Ästhet, der Pragmatiker und der Snob in mir rauschende Feste.»

Braun+Design Collection
40 Jahre Braun Design — 1955 – 1995
Herausgegeben von Jo Klatt und Günter Staeffler
280 Seiten, 664 SW-Abbildungen, davon mehrere Großfotos, Texte zur Geschichte des Unternehmens Braun und zum Braun Design.
Format 21 x 30 cm, schwarzer Leineneinband, Schutzumschlag, Fadenheftung.


Aus: Antiquitäten-Zeitung, 23. Jahrgang, Nr. 21, 13. Oktober 1995, S. 706



g.   (20.07.10, 07:09)   (link)  
Einige Vögel in den Städten singen nicht nur lauter und früher als ihre Verwandtschaft auf dem Lande, sie ahmen auch den Signalton des Braunweckers nach, um die anwesenden Weibchen zu betören.


jean stubenzweig   (20.07.10, 10:42)   (link)  
Das wäre Werbung,
die sogar ich mir gerne anschauen würde. Da kommt frühmorgendliche Heiterkeit auf!

Da geht mein lachend' Herz gleich in den Keller.

Wie hängt mein Herz an eitler Lust
Und an der Torheit dieser Welt!
Oft mehr als eines Weibes Brust ...



kid37   (13.07.10, 17:23)   (link)  
Als kürzlich die Dieter-Rams-Retrospektive in Frankfurt gezeigt wurde, gab es zeitgleich in der Münchener Pinakothek eine Alessi-Ausstellung. Das war ein ganz interessanter Effekt, Berichte mit Bildern beider Schauen nebeneinander zu halten und zu sehen, wie sich der Zeitgeist der letzten paar Jahrzehnte verändert hat. Die Idee Braun wird sicher ästhetisch überleben, im anderen Fall bin ich mir nicht so sicher. (Ich mag an den alten Braungeräten den Hang, einen orangefarbenen Knopf einzubauen, nicht.)

Das Radio läßt sich auf jeden Fall reparieren.


jean stubenzweig   (13.07.10, 23:32)   (link)  
Der Orange-Knopf
am Braun-Ohr war vermutlich ein Zugeständnis an den Zeitgeist der Siebziger. Ich habe in meinem Bekanntenkreis einige, die dieser Farbe heute noch huldigen. Das sind zwar ganz hartnäckige akademische Sozialdemokraten aus dieser Zeit, aber Braun-Gestaltung käme ihnen dennoch nie in die Schrankwand. Ich ertrage diese Tönung bis heute nicht, auch wenn Ulmer Schule draufsteht.

Aber auch mit Alessi hatte ich von Anfang an und bis heute große Probleme. Das dürfte damit zu tun haben, daß mir die klare Formensprache mehr sagt und mir das Postmoderne wie Gestammle im Sinn von Barberei in den Augen rasselt. Überraschend für mich ist allerdings seit einigen Jahren immer wieder aufs neue die vermehrte Zuwendung einiger jüngerer Menschen zu einer applikationsfreien Gradlinigkeit, die nicht unbedingt gestalterischen Hauptströmungen entspricht. Das könnte mit dem seit Mitte der Neunziger angestiegenen Interesse an Kunst und Design und möglicherweise an deren Geschichte zusammenhängen. Aber sicher bin ich da nicht, oft befürchte ich, es könnte an der Liebe zu jenem arrièregardistischen «Klassizismus» liegen, der Inhalte für nicht sonderlich erwähnenswert hält, der eher Designer-Brillen oder -Klamotten annonciert.

Braun repariert das Radio nicht. Das verhält sich in etwa so, wenn ich mit dem Döschwoh in eine Konzern-Werkstatt fahre – es wird gelacht. Und sie merken nicht einmal, daß sie sich selber auslachen müßten, weil sie nichts anderes mehr können, als Teile auszutauschen. Da müßte wohl jemand ran, der die Wechseljahre bereits überschritten hat. Zum Beispiel ein großväterlicher französischer Dorfschmied der zehnten Generation. Der repariert sogar einen dreißig Jahre alten Citroën. Mit verbundenen Augen.


kid37   (14.07.10, 15:04)   (link)  
Für solche Fälle muß man wirklich einen der letzten alten Radiomechaniker finden, einen, der im Keller eine Sammlung ein Sortiment Ersatzteile hortet.


jean stubenzweig   (15.07.10, 08:04)   (link)  
Sicherlich kennen Sie
einen in Hamburg? Bei Ihnen, der Sie so gerne durch die versteckten Hinterhöfe abenteuern, könnte ich mir das durchaus vorstellen. Mein Schneewitchensarg bräuchte auch eine «neue» Nadel, auf daß er wieder kreischsägt wie weiland Frau Callas. Ich könnte ja bei den Braun-Börsianern nachschauen. Aber mit dem Einkaufen im unpersönlichen Netz habe ich's nicht so; genauer, ich kaufe dort grundsätzlich nicht. Ich gehe lieber dorthin, wo nebenbei auch noch ein wenig erzählt und geplaudert wird.


apostasia   (14.07.10, 11:29)   (link)  
Verblüffend ist es
dann doch, dass jemand, der offensichtlich ungern auf die Uhr schaut, sie gleich dutzendweise hortet (selbstverständlich "nicht sammelt").


jean stubenzweig   (14.07.10, 13:11)   (link)  
Diese Frage habe ich
mir immer wieder mal gestellt. Zeit ist Geld!


jagothello   (15.07.10, 11:32)   (link)  
Zeitgeist
Hat Colani nicht auch für Mercedes gewerkelt? Die Zeitungen sind voll mit Kritik an der Profillosigkeit der Damen und Herren Merkel, Wulff, Gabriel etc.etc. Und nun werden auch die seit den 90er Jahren geradezu femininen Daimler wieder kantiger und eckig. Wer reagiert da auf wen?


jean stubenzweig   (15.07.10, 13:16)   (link)  
Ob der Luigi
auch die Dame Mercedes «natürlicher», mainstreamlinienförmiger im Sinn der konsumrauschigen oder auch zweireihig eleganteren späten Neunziger machen durfte, entzieht sich meiner Kenntnis. Vorstellbar wäre es, hat er doch überall an Auto- und sonstigen Mobilen Schönheitsoperationen durchführen oder Weltmodelle auch komplett neu entwerfen dürfen, darunter mal einen Polo. Aber ob der den daimlerschen Feminismus mitgeprägt hat – daran habe ich dann doch Zweifel.

Die neuen Sterne seien «kantiger und eckig», schreiben Sie. Seit ich fahrzeugtechnisch umgestiegen bin von etwas größer auf etwas kleiner, habe ich mich mit dieser Formensprache nicht mehr so beschäftigt. Doch nachdem ich mir ein paar Bildchen angeschaut habe, muß ich ein wenig anderer Meinung sein. Globiger, würde ich das nennen, unangenehm protzig, noch protziger als dieser porschige Rennpanzer oder auch der aus dem Stuttgarter Sternenhaus. Machtgefüge assoziiere ich dabei. Aber das ist Ansichtssache. Den frisch diseinten oder auch aufgemöbelten bayrischen Strauß könnte ich dabei erkennen: massig machtvoll und -toll. Neues Profil in merkelartiger Figuration?

Aber davon ist Colani weit entfernt (er war hier übrigens bereits einmal Gegenstand eines fröhlichen Austausches). Gegen solche Verungestaltungen müßte ich ihn fast schon wieder verteidigen, ging seine vielfältige Einfalt doch in eine gänzlich andere Richtung. Eher sehe ich dabei weniger eine Reaktion auf die akute Gestaltung von Welt, sondern mehr die aktuell zeitgeistige Fortsetzung – mit noch brutalerer Formensprache (und nirgendwo den Versuch der Wiederbelebung einer einst leichten und heiteren Gestaltung).

Einen kleinen Hinweis noch. Wenn Sie möchten, daß Ihre Seite auch bei Kommentaren auf anderen Seiten durch Anklicken sichtbar wird, dann gehen Sie in in «Benutzerprofil» und tragen Ihre «persönliche URL» ein.


vert   (16.07.10, 10:44)   (link)  
[na toll. jetzt hab ich schon den ganzen tag gestern diesen studio-braun-ohrwurm gehabt, und es geht nicht vorbei. ganz herzlichen dank, wirklich.]


jean stubenzweig   (16.07.10, 12:00)   (link)  
Nach dem Knopf
der orangenen Siebziger am Studio nun den braunen Wurm im Ohr – von mir hineingesetzt. Endlich habe ich mal etwas geleistet. Gleich fange ich an, von Stolz zu sabbeln. Aber deshalb müssen Sie doch noch lange nicht alles so kleinschreiben. Da brauche ich ja eine noch größere Lupe.


vert   (18.07.10, 19:24)   (link)  
ICH WEISS JA NICHT, WIE DAS BEI DEN APFEL-COMPUTERN IST, ABER HIER KANN MAN DAS MIT "STRG+" LUPIEREN.

NA EGAL, SCHREIB ICH HALT ALLES GROSS.


jean stubenzweig   (18.07.10, 19:37)   (link)  
Dafür gibt es ein Apfel plus!
Aber Sie ärgern mich nunmal gerne. Wie jetzt gerade wieder. Genau diese Versalisierei mag ich nämlich überhaupt nicht (übrigens bis heute eine der von französischen Jungdynamischen geliebten Unarten, die ich nicht sonderlich schätze). Ständig assoziiert das bei mir geringes Kapitälchen.


prieditis   (18.07.10, 19:57)   (link)  
Colani
mit dem hab ich mich mal auf einer Messe unterhalten - halt, völlig falsch, zu Wort kam ich nämlich nicht... Eigentlich bekam die Gruppe, mit der ich anreiste, nur zu hören, daß wir alle völlige Schwachmaten seien. Sinngemäß. Obwohl mich der Widerspruch schon sehr faszinierte: das glattgebügelte Design und die äh, kantige Sprache...
fand ich sein Auftreten unter aller Kanone.


jean stubenzweig   (18.07.10, 21:35)   (link)  
Sein Deutsch, seine Sprache
hat die Charakteristik der vom weißen Meister der Gestaltung ins Schwarze entworfenen hamburgischen Polizei-Uniformen – bei genauer Betrachtung entpuppen sie sich wie billigstes B-Kino an den Hollywood-Suburbans; B für trash, oder das, was der Billigdenker als echt Klasse lobt. Nein, das jetzt ebenso beschönigend wie ihre «kantige Sprache». Sprechen wir's doch aus: Der Kerl quatscht wie eine von Massenmüll überquellende Tonne. Corporate DiSein.


prieditis   (18.07.10, 23:32)   (link)  
B-Movies?
Da möchte ich intervenieren! Ich bin nämlich ein großer Liebhaber dieser "B-Movies". Mir ist schon bewusst, daß diese Filme mit wenig Geld produziert wurden, um daraus dann maximalen Profit zu erzeugen. Aber ich finde immer wieder richtige Perlen darunter und für einige, später hochgelobte, Regisseure und Schauspieler, waren diese B-Filme der Einstieg.
Gerade heute dachte ich im "ice-cold" ICE-Zug der Tränen darüber nach, eine Serie über B-Filme zu malen. Kurz: Ich sträube mich, den weiß Beschalten mit diesen Filmen in erbindung zu bringen. Aber das ist natürlich nur meine, bescheidene, Meinung eines interessierten Laien.

Ansonsten stimme ich Ihrem Kommentar zu!


jean stubenzweig   (19.07.10, 08:30)   (link)  
Die richtigen Worte
fehlten mir da wohl. Oder ich war zu voreilig. Schnell ist meine Sache nicht, ich sollte es sein lassen. Selbstverständlich bin ich es, der Ihnen hierbei zuzustimmen hat. Vielleicht hätte ich T für Trash schreiben sollen. Aber das ist seit Warhol auch eine postive Wertung.

Nein, mir geht es schlicht um die schlechten Filme, die nichts anderes als aktionistisch und inhaltsleer im Sinne der Ränder Hollywoods sind, aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht ins Zentrum gelangen; den Begriff Hollywood alleine empfinde ich allerdings bereits als Minderwertung. Wobei diese Müllmovies dann schon wieder gut wären, da sie keine weiteren Ansprüche erheben. Ich weiß, daß es es großartige B-Movies gibt, ich habe selbst einige gesehen.

Allerdings führt das jetzt zu weit. Colani hat ja durchaus Beachtetes geschaffen, das ist so, auch wenn ich mit seiner Theorie und deren Umsetzung nicht einverstanden bin. Aber es ging hier schließlich um nichts anderes als um seine intellektualistisch unterfütterte und dabei gezielt proletenhafte Sprache. Ich kann alleine diese provokative Anbiederung nicht ausstehen. Das ist üble, krawallige Verlogenheit.


prieditis   (19.07.10, 11:16)   (link)  
"Heut´ist Gegenteil-Tag"
heißt ein beliebtes Kinderspiel. Aber auch in der Welt der Erwachsenen, sofern es sie mittlerwile überhaupt noch gibt, scheint dieses Spiel an Bedeutung zu gewinnen. Vieles, was mit Negativ-Attributen bedacht wird, erhält stehenden Fußes das Prädikat "wertvoll". Erst, wenn DInge über den grünen Klee gelobt werden, regt sich Widerstand. Jeck, tät´man dazu im/am/um den Niederrhein sagen. Dem ist nämlich nach wie vor, vieles Neue fremd...















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