Über höchste Ämter

Leichte Themenverlagerung mangels Einfallslosigkeit meinerseits, die mich momentan überkommt, als wär's Frühling, vielleicht liegt's auch am hier zur Zeit herrschenden indischen Sommer als Zeichen des Verwelkens, auf jeden Fall Dank fürs Stichwortgeben für die Seite eins, für ein letztes Aufbäumen, meine Herren Jagothello und Enzoo.

verfügen sie doch, die Deutschen. Sogar über einen für Euro und Englisch, und einen Präsidenten des Parlaments obendrein, auch noch einen Sozi, der es immerhin wagte, gegen eine Galionsfigur aufzubegehren, die unbeschädigt vor der alten Volksfregatte zu hängen scheint, wer weiß, wann die wieder zu Leben erwacht, indem er von einem «Virus der Interessenskonflikte» sprach. «Berlusconi schlug ihm daraufhin vor, er solle die Rolle des Kapo in einem KZ-Film übernehmen, der in Italien gedreht würde:
«Signor Schulz, in Italia c'è un produttore che sta preparando un film sui campi di concentramento nazisti, la proporrò per il ruolo di kapò. Lei è perfetto!»

«Herr Schulz, in Italien gibt es einen Produzenten, der einen Film über Nazi-Konzentrationslager dreht. Ich werde Sie für die Rolle des Kapo empfehlen. Sie sind perfekt!»
Silvio Berlusconi: Diskussion im Europaparlament am 2. Juli 2003»
Wikipedia
Bei Parkettauglichkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Verhandlungsgeschick darf vielleicht höchste Leistung angemahnt werden, was sie ansonsten allen, sowohl im eigenen Land als auch den Resteuropäern, gegenüber ständig einfordern. Und Parkettauglichkeit, was heißt das schon. Wäre Madame le Président, die feine Synchronschwimmerin des Internationalen Währungsfonds, das auch geworden, hätte der bereits designierte Aspirant dieses Amtes sich in einem Hotelzimmer in New York nicht so verhandlungsungeschickt verhalten? Hätte er die Verhandlungen gestalterisch so halten sollen wie der Herr, nach dem in des Volkes Mund gar ein ganzes Minderbemitteltensystem benannt worden ist, bekannt beispielsweise durch die Einwohner der Favelas, gelegen in dem wunderschönen Land, in dem so unnachahmlich die Hinterteile geschwungen werden und in das man deshalb gerne reist, wenn das auch nicht immer auf Konzern- und damit Staatskosten geschehen kann? Liegt es an dieser Art von Durchsetzungsfähigkeit oder auch Flexibilität, bei der mir, nicht ganz so nebenbei, einmal mehr die Zeilen aus den achtziger Jahren aus der Erinnerung abgerufen werden?
«Der Marsch nach Kambodscha war ihre Idee gewesen, und nun waren es auf einmal die Amerikaner, die mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit die Leitung übernommen hatten und darüber hinaus auch noch englisch sprachen, ohne daß es ihnen eingefallen wäre, daß Franzosen oder Dänen sie vielleicht nicht verstehen könnten. Die Dänen hatten allerdings schon lange vergessen, daß sie einmal eine Nation gewesen waren, und so konnten sich von allen Europäern nur die Franzosen zu einem Protest aufraffen. Da sie ihre Prinzipien hatten, weigerten sie sich, auf englisch zu protestieren und wandten sich in ihrer Muttersprache an die Amerikaner auf dem Podium. Die Amerikaner reagierten mit freundlichem und beipflichtendem Lächeln, weil sie kein Wort verstanden. Schließlich blieb den Franzosen nichts anderes übrig, als ihren Einwand auf englisch zu formulieren: ‹Warum wird auf dieser Versammlung englisch gesprochen, wenn auch Franzosen anwesend sind?›»
Milan Kundera: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (Nesnesitelná lehkost Bytí), aus dem Tschechischen übersetzt von Susanna Roth, München 1984, S. 248
Die schöne Schwimmerin des unaufhaltsamen Geldstroms ereilte später der Bannstrahl einer zumindest sprachpartiotischen Institution. Die Académie de la Carpette anglaise rügte sie dafür, auf ihren Versammlungen englisch zu sprechen, auch dann wenn Franzosen anwesend sind. In Deutschland wäre das allenfalls ein Streifschuß im Feuilleton geworden. Wenn es überhaupt bemerkt worden wäre, spricht man dort doch längst pflichterfüllend Business Talk, Live-Zoom, Family Talk et cetera.

Mit dem Exiltschechen Kundera bin ich wieder in Behm, Böhm, Bohémiens und diese ganzen Tschuschen zurückgeworfen, die sich unaufhaltsam in aller Welt, aber besonders gerne dort verbreiten. Frankreich ist seit langem angefüllt von ihnen. Es merkt nur kaum noch jemand, weil sie sich schon länger im Land befinden als die Türken in Deutschland, von den Polen im Ruhrgebiet erst gar nicht zu reden. Möglicherweise hülfe die Neuinstallation eines deutschen Königs oder gar Kaisers, auf daß das Volk endlich wieder jemanden hätte, dem zugejubelt werden darf. Denn was sucht das mehr als Vorbilder, wie der Adel sie beispielsweise bietet, nämlich weitaus mehr als das nur kurzzeitige Berühmtsein. Man schaue sich doch um, wie gut das in Nachbarländern funktioniert, mit dieser Art Zuckerbrot. Österreich muß sich zwar mit einem Surrogat behelfen, der zwar auch bereits wieder abgesetzt ist, aber sich auch in der Wiederholung gut anläßt. Und linksrheinisch existiert immerhin eine ENA, die Schule der Post-Napoleons. Andererseits hatte es auch ein Nicht-ENA-Absolvent dieser Elitehochschule im Endeffekt überwiegend hoher bis höchster Staatsbediensteten der Verwaltung geschafft, zumindest dem mittleren Europa galante Benimmregeln zu vermitteln. Nun ist er zwar aufs Abstellgleis geschoben worden, unser Narkozy, aber auch von diesem Hollander läßt sich die rechtsrheinische Madame le Chancelier nach der Sittenhaftigkeit des goût français gerne die Wangen behauchen, da der schließlich die hohe Schule der deutscherseits nach Knigge benannten, hier doppelhaarigen Ästhethik besuchte. Daß der seinerzeit noch nicht gesamtdeutsche Freiherr mit seinen Ansichten eher nahezu Revolutionäres im Sinn hatte bei seinen Belehrungen der feinen Gesellschaft, sei einmal mehr am Rande erwähnt. Es darf allerdings gemutmaßt werden, der Mann des Volkes im Sinne eines postitalienischen Duce könnte wieder auf den Thron gelangen. Es sei denn, François Hollande gelingt es tatsächlich, seine leichten Linkischkeiten abzulegen und die Haltung eines seiner berühmtesten Vorgänger einzunehmen. Hatte Frankreich je einen geachteteren König als den Sozialisten François Mitterand?

Im übrigen wäre es doch naheliegend, der deutsche Präsident übernähme das Volk. Man müßte lediglich die Gesetze leicht ändern und ihn mit der Machtfülle seines französischen Kollegen ausstatten. Mit grundsätzlichen Änderungen tun die Deutschen sich ohnehin fast so leicht wie beim Wenden. Und man hätte wieder einen König, nicht nur der Herzen, der von rechten Intellektuellen verstanden scheint, sich jedoch dem schlichteren, eher herzlich orientierten Bürger gegenüber um so unverständlicher macht mittels seiner pastoral-diplomatischen Fähigkeiten. Und man müßte sich nicht ständig darauf berufen, daß die englische Erbmasse schließlich ein deutschblaublütiges, volksmündig oder auch -selig gewordenes Panta rhei (na, von wem stammt es denn nun, von Heraklit oder von Platon?) darstellt. Allerdings müßten dann einige, zumindest ein öffentlich-rechtlicher Fernsehrepräsentant, sich tatsächlich in den Stand begeben, der da lautet: Gib endlich Ruhe.

Es steht jedoch an zu vermuten, daß er medienmäßig über eine weitaus bessere Kondition verfügt als der ziemliche volksdeutsche Niederländer Johannes Heesters, getragen von einem Volk, das da im träumerischen Geist der immerwährenden Sehnsucht nach dem guten Alten des Kadaver-gehorsams hurrahend jubelruft: Wir wollen unsern ollen Kaiser Willem wiederhaben. Bis das geschieht, werden sie allerdings mit ihrer Ersatzköniginmutter Theresia Angela vorlieb nehmen müssen. Bis zur Regelung der vierzig Prozent Rente des ehemaligen Einkommens wird das aber sicher noch dauern.
 
Di, 04.09.2012 |  link | (1849) | 0 K | Ihr Kommentar | 















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