Auf die Geschwindigkeit gehe ich besser erst gar nicht ein in den sagittanaischen Überlegungen. Das ist kein Kriterium, nach dem bewertet werden darf. Aber zur besonderen Thematik wird es, weshalb ich es auf die aktuelle Seite setze (nicht zu vergessen ist dabei auch, daß kein zu druckender Kasten meine vermutlich angeborene und unheilbare Logorrhoe in die Schranken weist; schließlich habe ich mich unter anderem dieser Zeitdiebereien wegen Mitte der achtziger Jahre vom Journalismus getrennt — sowieso is des ois längst irrelevant). Die einen hauen einen Roman oder eine Skulptur in einer Nacht heraus, die anderen benötigen für ein Gedicht ebensolange wie die wiederum anderen für ein Gemälde: Wochen, Monate, auch Jahre. Es gibt (bei «sog.» denke ich immer sofort an «entartete»*) Kunstwerke, an denen ewig gearbeitet wird, das kann ein lyrisches Gebilde sein oder eine Miniatur. Was schnell zustandegekommen ist, muß deshalb jedoch nicht von minderer Qualität sein. Zwar hatten wir die Geschwindigkeit der Kunst hier schon einmal: Ziemlich viel Rauch. Das heißt aber nicht, daß das Thema damit abgeschlossen wäre. Dicke Bücher oder, meinetwegen, ganze Internetze voll ließen sich darüber schreiben — über das hinaus, was bereits geschrieben und sogar veröffentlicht worden ist. Manch einer mag behaupten, alles Geschaffene sei Reproduktion des bereits Gesagten oder Abgebildeten. Das ist arg kurz oder auch übermäßig schnell gedacht; zudem landet man dabei unweigerlich bei dem Ei oder der Henne et vice versa, sozusagen beim Ius primae noctis des Fragestellers. Denn der eine weiß noch lange nicht, was der andere bereits kennt. Und unterschiedliche Perspektiven kommen immer wieder aufs neue auf, sie wollen abgebildet werden. Gerade weil bei vielen noch immer nicht angekommen ist, daß die Pfaffen den Alleinvertretungsanspruch über das Wissen beziehungsweise dessen, was die dafür halten, abtreten mußten. Gut, es gibt ein aktuelles Synonym für die Priester: Experten. Ich habe Anfang der Neunziger die deutschsprachige Fassung des US-amerikanischen Katalogs zur Ausstellung Entartete Kunst im Deutschen Historischen Museum redaktionell verantwortlich betreut. Der sich daraus ergebende Austausch über jede Menge Miles and more geriet beinahe zum (Glaubens-)Krieg. Bei den Los Angelesianern existierte, trotz deutschuniversitär grundausgebildeter Mitarbeiter (nenne ich's, sprachlich ans heutige Verständnis angepaßt, Praktikantenkultur), kein bißchen Kommunismus, das müssen die Spätfolgen von McCarthy oder die Vorläufer des Kreationismus gewesen sein, alle Spuren (selbst in) der (Kunst-)Geschichtsschreibung waren getilgt. Wir Europäer aber glaubten an Fakten, nennen wir's Wissenschaft oder Historiker- oder auch Redaktionsethos, weshalb das Werk um etwa hundert Seiten erweitert werden mußte, drängte doch all das Wissen um die Kunst dieser Zeit zwischen die Buchdeckel, beispielsweise, daß viele Künstler seinerzeit Kommunisten, zumindest Sozialisten waren und einige freiwillig in den Krieg zogen. Was am US-amerikanischen Geschichtsverständnis abprallte, war weggeschnippelt oder umgehübscht worden. Auch das ist eine Sichtweise (oder heißt das Interpretation?) von Information: bloß nicht zuviel davon, es könnte langweilen. Die Recherchen und (Hin-)Zuschreibungen nahmen kein Ende, all das wollte ergänzt werden, wir waren quasi gezwungen worden, die US-Bibel sozusagen umzu- oder auch neu zu schreiben. Und so ist das mit den Experten der neuen Religionen, die uns tsunamigleich von Westen her globalisierend landunter setzen: Geld, Kunst et cetera. Also nicht wirklich ein neues Phänomen. Nur umgetauft. – Zum Glauben in der oder an die Kunst ein kleiner Exkurs: * Erst im September 2007 wertete Erzbischof Joachim Kardinal Meisner Gerhard Richters neues Kölner Dom-Fenster als zu «abstrakt» und predigte im Zusammenhang mit dem neuen Kolumba-Museum in Köln: Dort, «wo die Kultur von der Gottesverehrung abgekoppelt wird», entarte sie.
Bei den sog. ...
... und "entarteten" bin ich hängengeblieben und konnte den Rest nicht mehr lesen, das schafft meine kurpfälzische Natur einfach nicht.Uch schreibe einfach mal ganz aus meinem Nähkästchen, ohne Wenn und Aber. Ich verstehe von Kunst... NIX. Einfach: NIX! Ich bin nicht in der Lage, ein Gebilde eines Menschen, das man "künsterisch" nennt, von einem Gebilde eines Menschen, das man "nicht künstlerisch" nennt, zu unterscheiden. Dazu würde eine ungeheure Menge an Erfahrung gehören, die ich leider nicht besitze. Ich kann zwar sagen, dass mir z.B. ein Musikstück oder ein Gemälde besser gefällt als ein anderes, aber das ist auch schon alles. Ob es künstlerisch "besser" ist oder nicht, darüber schweige ich. Nicht, weil ich nicht gerne rede, ich leide wahrscheinlich ebenso an Logorrhoe wie Sie, sondern ich befleißige mich hier einer sehr lobenswerten Eigenschaft des Pyrrhon, der sich in die Epoché verzogen hat, wenn's ihm zu mulmig wurde. Wenn ich also von "sogenannten Kunstwerken" rede oder abgekürzt von "sog. Kunstwerken", dann meine ich damit folgendes: alle Kunstwerke, die ich kenne, werden so genannt. Man nennt sie so. Es gibt Leute, die sie so bezeichnen. Ich folge ihnen, denn ich habe nichts Gegenteiliges zu sagen. Beispiel. Nehmen wir einfach mal zwei 12-Ton-Kompositionen. Die eine sei schlecht (wie man so sagt), die andere nicht (wie man so sagt). Und nehmen wir mal an, Sie verstünden von 12-Ton-Musik genausoviel wie ich, nämlich nichts, außer die Kompositionsmethode - aber was heißt das schon? Was könnten wir nun zur Einschätzung dieser Musikwerke beitragen? Womöglich nichts. Wahrscheinlich würden mir beide nicht zusagen, oder eines würde mir mehr zusagen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass dieses eines Stück gerade das ist, was gemeinhin, also von Fachleuten, als "gut" bezeichnet wird, ist ungefähr 50:50. Mit "sog." meine ich: nescio, nicht mehr, nicht weniger. Die Rede von Entartung ist hier ganz fehl am Platz. >> kommentieren Ein paar andere Töne
Arg tief getroffen hat Sie das offensichtlich. Und das ist sogenannt gut so. Allerdings hatte ich ich das auch nicht an Sie direkt hingeschrieben, sondern ich hatte klar und deutlich geäußert, daß ich dabei daran denke, es also mit einer negativen Wertung in Verbindung bringen könnte. Vergenauere ich also diese Möglichkeitsform:Auch mir sind immer wieder mal Menschen begegnet, die von sogenannten Kunstwerken sprechen. Das sind, im günstigsten Fall, solche, die das ahnungslos daherplappern, weil sie möglicherweise nicht wissen, was der Begriff sogenannt in diesem Zusammenhang bedeuten könnte. Dann gibt es noch diejenigen, die sich über dessen Bedeutung im klaren sind. In meinem jüngeren Leben sind sie mir des öfteren begegnet. Es waren diejenigen, die solcherart unterwiesen wurden: Kunst ist eine erhabene und zum Fanatimus verpflichtende Mission; so geimpft hat sich dieses Virus dann in der Regel, oft noch lange auch nach Ende der Katastrophe in den Gehirnen gehalten, haben die sich solcher Kunstbetrachtung unterzogen. Die gibt es, in der sogenannten unverbrüchlichen Tradition der Übernahme von Meinungen durch Kinder und Kindeskinder, nach wie vor: «Die erotische Faszination dieses von Joseph Thorak und Arnold Breker bis Leni Riefenstahl propagierten Körperkults hat sich – wie die Werbung von Joop bis Calvin Klein zeigt – als Ideal von Fitness, Dynamik und Vitalität bis heute ungebrochen erhalten.» Das wäre beispielsweise die Myron-Betrachtung durch die brekersche Antiken-Brille. Darüber zu streiten wäre nun gegebenenfalls, ob die Werbung bei der Kunst klaut. Aber behaupte keiner, das sei sogenannte. Deshalb wohl oder dennoch stimmt mich das seltsam: «... alle Kunstwerke, die ich kenne, werden so genannt. Man nennt sie so.» Alle?Man? Wo verkehren Sie? Wer in meiner Anwesenheit so daher- oder am Ende gar bewußt redet, der muß sich auf eine meiner gefürchteten Erklärungen gefaßt machen oder mit meinem grußlosen Abwenden rechnen. Ich ertrage dieses dümmliche Geschwalle nicht: Das soll Kunst sein? oder Das kann unsere Tochter auch oder besser! Das läuft aufs selbe hinaus, was Adip Fricke einmal notiert hat: «Meine Grossmutter sagt häufig, dass die Telefonkritzeleien von Ronald Reagan technisch gesehen eine Meisterleistung seien.» Wer so auch nur denkt, tut dies sogenannt. Denn solches Denken ist allenfalls Annäherung – an was auch immer. Da Sie die Musik beispielhaft anführen: Kunst ist, wie auch immer man sie betrachtet, nicht immer Werckmeister-Harmonie: oder «mitteltönige» oder «wohltemperierte Stimmung» in diesem Sinn: «Die Meinung ist zwar nicht, daß die Sternen ihre natürlichen Sonos [Töne] geben müßten; sondern das ist gewiß, dass sie in ihre harmonische Proportion und Ordnung von Gott dem Schöpfer gesetzet sind und in ihrem Lauffe die Ordnung der musicalischen Proportionen und Harmonia behalten und in acht nehmen müßten.» (Spärenharmonie) Das geht, muß aber nicht. Ich habe selbst innerhalb der reduzierten Töne schon ganz andere, schier unglaubliche gehört. Aber keinesfalls geht, nur weil man die Zwölftöner nicht sonderlich schätzt, zu denken, zu sagen oder zu schreiben: sogenannte oder sog. Musik. Ich schätze Ihre Meinung sehr. Daß ich nicht immer mit Ihnen übereinstimme, nicht, weil ich andersgeartet bin, sondern weil ich hin und wieder eine andere Ansicht habe, wertet Ihr Engagement nicht ab. Und nie und nimmer käme ich auf die Idee, von sogenannten Schwulen zu sprechen. Schwul ist schwul. Und Kunst kommt von Kunst. Bei letzterer wäre ich höchstenfalls bereit, sie alten oder neuen Erkenntnissen entsprechend aus der Wissenschaft herauszulösen und in die Kategorie Angewandtes Nichtwissen hineinzunehmen – gleichwohl dabei zu bedenken gilt: «Unwissenheit, also ein Mangel an Kenntnissen, lässt sich höchstens dann unter den Begriff des Nichtwissens subsumieren, wenn man sich im Klaren über diesen Mangel ist. Ignoranz, also Unwissenheit aus Borniertheit, spielt für unsere Arbeit so gut wie keine Rolle. Dagegen kann der absichtliche Verzicht auf Informationen durchaus eine sinnvolle Strategie sein, Probleme zu lösen; wer einen guten Wein genießen will, ist gezwungen einen entsprechenden Kauf zu tätigen, selbst bei Unkenntnis sämtlicher Angebote in der Umgebung. Im Volksmund wird gesagt ‹Glauben heißt nicht wissen›, doch wer einer inneren Gewissheit folgt, die von Beweisen unabhängig ist, der kann nicht für sich reklamieren, mit Angewandtem Nichtwissen umzugehen.»
Ich habe nun 5 verschiedene langatmige Kommentare vorbereitet und alle weggeworfen. Ich begnüge mich mit einem ganz kurzen.
Mein kleiner, nicht tief schürfender Kommentar sprach die Kommerzialisierung von Kunst an. In diesen Kontext setzen Sie bitte das sog. Anathem "sog.". Es verhält sich ähnlich einem Optionsgeschäft, von dem ich nichts verstehe, und von dem ich daher die Finger lassen werde, um sie nicht zu verbrennen. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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