Ein (klein) wenig Abbitte

Gestern habe ich getan, was ich ansonsten vermeide: Ich habe mir eine Talgshow, wie der aus Franken stammende Hans Pfitzinger selig diese Quasselrunden genannt hat, angesehen und angehört. Gegebener Anlaß war meine kürzlich erfolgte Abwertung von Ina Müller. Es mußte doch einen Grund dafür gegeben haben, daß ich mich vor weit mehr als zehn Jahren auf Sylt so vernarrt hatte in die damalige Bienenkönigin, daß ich der beiden Mädels CD sogar kaufte und anhörte; nicht nur Hafencafé lausche ich heute noch hin und wieder veträumt, und wenn sie insulanerisch singt, möchte ich geradewegs übers Watt den Hindenburgdamm entlang auf ein Krabbensüppchen ins List der Neunziger rauschen. So sehr kann sich, meinte ich, ein Mensch schließlich dann doch nicht zu seinem Nachteil verändern. Einen Beleg dafür erhoffte ich mir über diese Sendung.

Dem war so. Sie hat mich tatsächlich ein wenig entschädigt für meinen erzwungenen Abfall vom Glauben an sie, für all das Geschreische, das sie über mich geschickt hat in letzter Zeit. Das werde ich mir auch weiterhin nicht antun. Aber ich bin mit ihr als Person immerhin wieder so lieb wie einst im Frühling meiner fröhlichen Triebe. Allerdings frage ich mich nach wie vor, weshalb von ihrem gestern vermittelten Charme, ihrer Ruhe, Klar- und Klugheit in diesen volkstümlichen, arg lauten Nächten mit ihr als Hauptakteuse, die mich bereits mit ihren Ankündigungen vertrieben haben und auf die nun auch noch eine Wünsch Dir Deinen NDR-Nacht mit Ina draufgesetzt wird, so wenig zu hören ist. Die Antwort könnte in der Skizze eines ihrer «Fans» zu finden sein, dessen Bewertungskriterien sie darstellte. Seit sie diesen Kurzhaarschnitt trage, habe er ihr geschrieben, seien ihre Sendungen ganz schlimm geworden.

Diese Niveaulierung deckt sich dann wiederum mit meinen Beobachtungen der letzten Zeit. Dabei scheint deutlich zu werden: Der Schädling an der Gesellschaft bin letzten Endes ich, der ich offensichtlich nicht mehr in der Lage oder wegen meines unheilbaren Altersstarrsinns nicht bereit bin, Veränderungen im allgemeinen Qualitätsbewußtsein wahrzunehmen und zu akzeptieren.

Na gut, dann bleibe ich eben zurück im Altenheim meiner stillen Erinnerung.
 
Mo, 04.04.2011 |  link | (2465) | 15 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau


einemaria   (04.04.11, 21:57)   (link)  
Dear Stubi
you have to bend your mind once in a while. We all do have to we can!

Ganz dringend rate ich Ihnen allerdings - gerade weil ich kein Arzt oder Apotheker bin - vom Medium der Television Abstand zu nehmen - eben weil ich von Ihrer leiblichen und geistigen Gesundheit lebe - eben nicht wie der Arzt oder Apotheker. Sie schenken Ihre wertvolle Zeit einem Medium, das diese Zeit im besten Fall mit Leere füllt. Schenken Sie diese Zeit uns :)


jean stubenzweig   (04.04.11, 23:43)   (link)  
Ach Marie.
Gut Frozzeln ist da. Und im Prinzip bin ich dafür nur zu gerne zu haben. Aber ich gehöre nunmal nicht zu denen, die nie und nimmer keinen Fernseher haben täten, weil der so dumm macht. Aber wer weiß, vielleicht hat er's bereits getan und ich bilde mir in meiner Dummheit lediglich ein, er täte immer wieder mal Interessantes anbieten.

Der wirkliche Grund ist ein anderer: Ohne die Glotze kann ich meiner senilen Bettflucht nicht entgegnen, kann nicht (wieder) einschlafen, sie ist mein Sandmännchen.


kopfschuetteln   (04.04.11, 22:40)   (link)  
was haben sie denn geschaut? (das will ich auch.)

und, ich glaube ja nicht, daß sie ein schädling sind. vielleicht ist es nur so, daß man (ich will ihnen wirklich nicht zu nahe treten ;-)) mit zunehmendem alter eher genervt ist und daß manche (nicht sie, vülleicht die dame?) mit zunehmendem alter eher nervt. das ist eine nicht so gute symbiose, zuweilen...

ich weiß nicht, wie die dame früher war, aber genervt bin ich schon a bisserl...

es gibt aber auch jene, die eher weniger nerven oder genervt sind, das nur der unvollkommenen vollständigkeit halber.

...aber manchmal ist das besser als ein grüblerisches schweigen.
(deshalb haben sie jetzt meinen kommentar, statt meinem schweigen.)


jean stubenzweig   (05.04.11, 00:25)   (link)  
Sie wollen auch.
Gerne. Ich sollte allerdings wissen, um was es sich handelt (oder ich mal wieder auf Leitung und so?).

Geschaut habe ich, fast traue ich mich nicht, es zu gestehen: NDR-Talg. Aber zufällig hatte ich nach den Nachrichten via Vorankündigung mitbekommen, daß meine frühere Heißverehrte und dann von mir leicht Beschimpfte in der Runde sitzen sollte. Da habe ich mich eben dazugesetzt. Aber Einemaria hat schon recht – es macht dumm, zumindest solches. Allen voran dieser Herr, der da mit herummoderiert, obwohl er eigentlich herumdoktern sollte, der Herr Dr. kabarett. Allerdings läge es nicht unbedingt nahe, daß ich sein Patient würde. Da wäre mir dann doch die Gefahr zu groß, reif zu werden für die Anstalt.

Ja, am Alter mag's liegen. Sowohl an meinem als auch an ihrem. Damit einhergehen könnte, daß der Mensch im allgemeinen zu meinen scheint, noch mitnehmen zu müssen, was eben geht. Bevor es zuende geht. Man hört ja immer wieder mal davon, daß nach der Mitte der Vierziger nichts mehr gehen soll.

Aber eben nicht in jedem Fall. Andere schwingen sich zu Hauskonzerten auf. Solche Flötentöne sind mit Sicherheit angenehmer als die gesüßten des Fernsehens.


charon   (05.04.11, 02:22)   (link)  
Das Alter
bringt höchstens mit sich, daß man irgendwann beginnt Patiencen zu legen. Ansonsten sei von einem Jüngeren gesagt, daß ihm eben kein Fernseher ins Haus kommt. Denn die angeblichen zehn Gerechten reichen mir nicht. Andererseits, ein Vernünftiger muß den Scheiß ja gucken und berichten. Jürgen Kaube macht das übrigens auch ziemlich gut. Machen Sie also ruhig weiter, für Schlaf und Vaterland.

Ob die Sucht nach dem elektronischen Tor zur Welt, die sich bei mir eingestellt hat, die klügere Lösung ist? Das Urteil überlasse ich anderen. Ich zweifle.




jean stubenzweig   (05.04.11, 09:43)   (link)  
Den Fernsehkritiker
zu geben, bester Charon, habe ich allerdings nicht vor. Da müßte ich ja wachbleiben und mich richtig anstrengen und fundierte Analysen abliefern. Aber eh! Ich bin hier Privatier. Und als der ohnehin eher sozusagen passionierter Nörgler und Quengler. Das Motzen allein erhält mich aufrecht. Das ist Legende. Und ich bin obendrein nichtmal in der Lage, eine Liebeserklärung auf den Punkt zu bringen, weil mir während der Verfertigung meiner Gedanken sofort alles mögliche Abzuwägende einfällt. «Ich sehe dich», sprach der Dichter, «zwar große Augen machen, und mir antworten, man habe dir in frühern Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst.» Aber da ich solche Weisheiten nunmal bis heute nicht so recht zu beherzigen gelernt habe und obendrein unter Logorrhoe und mangelnder Musikalität leide, mißraten mir Minnelieder wie das beabsichtigte an die schöne Frau Müller wie oben.

Jürgen Kaube – ja, durchaus. Ich will die Gelegenheit nutzen, auf Aktuelles von ihm hinzuweisen: Es gehöre zum Recht des Urhebers, dazusitzen und nichts zu tun und sein Recht doch zu behalten.


kopfschuetteln   (06.04.11, 19:44)   (link)  
ja, lieber herr stubenzweig (unser aller "motzki")
ich wollte nur auch mal schauen, was sie geschaut haben. (und nein, sie standen nicht auf der leitung: ich kann manchmal recht unverständlich sein, oder nur kryptisch.) gestern hatte ich mir also, den mitschnitt angesehen. ach jemine, ach nö. das format einer talkshow als solches ist so unerquicklich (wir haben keine zeit, nur zwanzig minuten ... , der nächste bitte!) ich traue mich zuzugeben, daß ich manchmal ins nachtcafé schaue, hier ist der moderator nicht erquicklicher zuweilen, aber wenigstens haben die gäste nicht das gerade erschienene buch, den neuen film oder die aktuelle cd im gepäck, was auch immer.

"Man hört ja immer wieder mal davon, daß nach der Mitte der Vierziger nichts mehr gehen soll."
oha! na tolle aussichten.da ich bin ja auf dem weg in die trüben vierziger lebensjahre, auf dem besten, befürchte ich.


jean stubenzweig   (06.04.11, 20:40)   (link)  
Ihr Alter meinte ich
auch nicht; da blieb mir ohnehin hochrechnerisches Rätselraten auf der Basis der Neugierde. Aber nun haben Sie mich, wie so oft, aufgeklärt. Sollten Sie allerdings beabsichtigen, demnächst privat oder öffentlich-rechtlich allen Ihren Lieben etwas vorzuträllern oder die Tagesschau für den grimmigen Preis moderierend zu laudatieren, dann fallen Sie ebenfalls in die Gruppe derer rein, mit der es altersmäßig allerschwerst nach unten abgeht. Dann hilft allenfalls noch ein irgendetwas zu schützen vorgebendes Ehrenamt an der Seite eines allerhöchsten Mitglieds der politischen Gesellschaft. Dann sollten Sie mal mit Ihrem Mann sprechen und ihn fragen, ob er hinauf will zum Zenit. Aber der hat vielleicht keine Lust zum Katzbuckeln auf dem Acker und weiß wahrscheinlich obendrein um die kommende Frauenquote, ebenso um die Ereignisse jüngster Zeit, die vom Fallstuhl zum Keller erzählten, und wird sein Weib dorthin bitten, wo es hingehört, wo sein Platz ist – die Wahrheit ist nur im Blog zu verbreiten (Schiller).


kopfschuetteln   (06.04.11, 22:42)   (link)  
in bälde werde ich vierzig, das sind die tatsachen.
was ich nicht (tun) werde: öffentlich singen. was allen recht sein dürfte. und preise, grimmig oder nicht, zu moderieren habe ich nicht die absicht. ich habe, im grunde, überhaupt keine absichten. auch fehlt mir eine gefestigte meinung zur quote, was bleibt, ist die meinung zur gegen-die-quote. der herzallerliebste ist, beneidenswert wo er ist: immer auf dem zenit. den süßen, vielleicht, ist er unterlegen, so wie ich auch: wenn die süßen abzählreime spielen: “sag mir erst wie alt du bist“ werde ich (aber auch der herzallerliebste) regelrecht diskriminiert, nicht gefragt. ende.
bloggen bis zum ende - ein ehrenamt? - nicht ausgeschlossen.


jean stubenzweig   (06.04.11, 22:52)   (link)  
Etwa mit vierzig
habe ich angefangen zu leben. Aber ich bin ja auch ein Mann.


kopfschuetteln   (07.04.11, 00:10)   (link)  
vierzig
und?
(ich hoffe: alles bleibt anders, und auf anfang.)

"Aber ich bin ja auch ein Mann", herr stubenzweig, ach so.
ach, quark!


jean stubenzweig   (07.04.11, 00:37)   (link)  
In meiner Vorgestrigkeit
war der Mann erst dann ein Mann, wenn er in der Lage war, eine Familie zu ernähren. So war das nunmal, das müssen Sie verstehen: Ich bin der Sohn eines 1875 Geborenen. Und meine Mutter war gerade mal dreißig Jahre jünger. Da geht die Welt anders. Aber einen ordentlichen Knatsch kann's auch dabei geben. Später.


kopfschuetteln   (08.04.11, 21:37)   (link)  
vermutlich verstehe ich wirlich nicht. sehen sie es mir, einfach so, nach.
(die welt war so anders, vor über einhundert jahren, und blieb doch die gleiche, im wesentlichen - das verstehe ich nicht, jedenfalls teilweise.)


vert   (05.04.11, 03:52)   (link)  


jean stubenzweig   (05.04.11, 18:54)   (link)  
Meine Fernsehwelt ist das
ohnehin nicht, lieber Vert. Mit wenigen Ausnahmen höre ich mir überhaupt keine Musik via TV an. Und auch die Nächte von und mit Frau Ina meide ich, weil mir das zu überdreht ist, auch vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte ich mir das nicht angetan. Daß sie eine intelligente und humorvolle Frau ist, daran bestand für mich ohnehin nie ein Zweifel; Stefan Niggemeier hat ihre durchaus begrüßenswerte Eigenwilligkeit noch betont. Aber daß sie nun auch noch dieses Ding moderiert hat, dürfte einmal mehr meine Vermutung bestätigen: Mitnehmen, was am Karriererand liegt. Sei's drum, ich muß ja nicht.















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