Das Pferd. Dein Freund. Ich hatte auch mal ein Pferdemädchen. Und das hieß (heißt?) Ursula. Nein, wie Urs sah es nicht aus. Es war wunderschön schlank und rank damals und glänzend brunette. Wie die schönen Pferde auf der Weide oder auch ihr halbes im Stall, die andere Hälfte gehörte zu einem etwas propereren und auch noch pferdeblonden Pferdemädchen aus dem Dorf, in dem sich der Stall befand, in dem sein Papa, einem städtischen Zahnarzt, ein Haus hatte, in dessen Stall kein Platz war für ein Pferd, da darin ein edles, very britisches Automobil wohnte, das heutzutage als Sehr Unangenehmes Vehikel bezeichnet würde, aber sowas kannte man damals noch nicht. Mindestens einmal in der Woche, meistens freitags, wenn mein Pferdemädchen frei war fürs Wochenende und damit für mich, fuhren wir immerfort händchenhaltend zu diesem Stall, um das halbe Pferd zu besuchen, ein ganz sanftes Wesen und fast so schön wie Ursula, nur die großen rehkitzbraunen Augen, also das ihr gehörende eine Auge, also so irgendwie, glaube man, es sei irgendwas sehr tiefsüdlich Mysteriöses, dann wird's schon stimmen, die waren noch schöner als die beiden von Ursula, die waren nämlich weißblau, wie bairisch geflaggt, obwohl sie gar nicht aus Bayern kam, sondern aus dem alten Schwaben. Ich fuhr gerne mit, obwohl ich eigentlich rechte Angst vor Pferden habe, wahrscheinlich, weil meine Mutter, ich befand mich etwa im Kleinfohlenalter, mich mal rittlings auf eine Kuh gesetzt hatte, die dann mit mir losritt, weshalb wohl ich mich auch Kühen gegenüber bis heute recht distanziert nähere, und Pferdewurst und -fleisch lieber mochte, die man beispielsweise am Fäkalienmarkt bekam, weshalb ich dorthin eigentlich auch lieber fuhr mit dem Wagen, weißblau, dem von der Linie acht, als zu dem zwar geteilten, aber eben insgesamt dann doch noch ganzen Pferd. Das liebe Pferd teilte seine Freundschaft nicht nur mit Ursula und dem anderen, stabileren Pferdemädchen, sondern mit noch einem Freund. Der war überall noch etwas breiter als das von einer oberbayerischen Brauerei nahe der Wieskirch abstammende Pferd hinten. Er kam mehrmals täglich, um seinem Freund Futter zu bringen und dessen jeweils sofortige Verwertung wegzuräumen, die das ohnehin gut genährte Pferd in der Folge vermutlich überausreichend gesunder natürlicher Nahrung und obwohl es dort etwas schmaler war als sein Freund in schier unglaublichen Mengen als Düngemittel für die Freunde der Tomaten, die ich fast so gerne mag wie Pferdefleisch und -wurst, unter hocherhobenem Schwanz als Äpfel hinausschmetterte, etwa so wie der andere Bayer, der Mitte der sechziger Jahre mittels eines anderen einheimischen Gewächses sich der vielen Düsenjäger zu erwehren versuchte, die dann aber immer irgendwoanders abstürzten als über der lieblichen Stadt vor den Alpen, die dem sportlichen und auch zivilen Absturzflugverkehr vorbehalten zu sein schien, wo er mit seinem antiken Schießgerät so schnell feuerte, wie seine Gattin die Munition geknödelt kriegte. Allzu oft wurde das Pferd von seinen Mädchen nicht ge- oder beritten, so genau kenne ich mich in diesem Metier nicht aus, weil es da nämlich neben dem Stall eine Stube gab, in der zwar keine leckere Pferdewurst, dafür aber Wurstsalat vom Schwein und Weiß- und anderes Bier offeriert wurde. Das mochten alle sehr gerne oder auch lieber, obwohl sie noch nie Salat von der Pferdewurst gekostet hatten, aber darauf kam es wohl auch nicht so sehr an, sicherlich mehr auf das, was heutzutage etwa Community genannt wird und bei dem es zum Wochenende hin immer durchaus lustig zuzugehen pflegt. Und da es damals auch noch keine Bundespolizei gab und folglich nicht hinter jeder Milchkanne lauernd folgenreiche Wegelagerei betreiben konnte, gab's über den Abend hin auch schonmal mehr als zwei Halbe auf das ganze Pferd, das ja von seinem Freund gut versorgt wurde und deshalb ein glückliches war. Das wußte auch sein Freund, weshalb der sich, es war schließlich Wochenende, auch hin und wieder mal mehr als zwei Halbe, so in Richtung auf ein ganzes Tragerl, zukommen ließ, obwohl er das eigentlich nicht sollte, weil das Pferd nicht nur ein feines war, sondern auch noch eine ebensolche Nase hatte. Mitten hinein in die fröhliche Abendgemeinschaft kam jemand leichenblaß vom Plumpsklo zurück, zu dem man am Stall vorbeimußte, und stammelte Unverständliches, dabei heftig herumfuchtelnd. Die komplette Besatzung des Stüberls folgte ihm, nichts genaues nicht wissend, wie man in Bayern nunmal doppelt verneint, aber auf jeden Fall erstmal sehr aufgeregt. Und da lag er nun, der Freund des Pferdes, das in seinem Unmut über den Biergeruch, den es gar nicht mochte, ganze Arbeit geleistet hatte, so wie der bayrische Sieger über die feindlichen Luftwaffen. Ein kurzer Tritt nach hinten hatte ausgereicht. Beim Boxen oder anderen Kampfsportarten spricht man, glaube ich, vom Solarplexus, den es zielgenauer getroffen hatte als der andere die ganzen Flugzeuge. Am nächsten Freitag sind wir wieder zum Stall hin gefahren, mein Pferdemädchen und ich. Nach dem Kirchhof war'n wir wieder im Stüberl und haben auf d'Leich angestoßen. Verzeihen Sie, werte Dame Damenwahl, daß ich das nach hier rübergehoben habe, das ureigentlich für Ihr Maxilein sowie Ihre Pferdefreunde bestimmt war. Aber ich wollte Ihnen mit einer solch schauerlich langen Geschichte nicht Ihr schönes Poesiealbum zuklecksen. Nun ist erstmal Päuschen. Ich muß Hilfe leisten beim Umzug in der jungen Frau Töchterleins neue große (Wohn-)Welt (und auch in die der Wissenschaft), dies erfordert meine köchelnde Kreativität. Die arbeitenden Brüder samt Mutter und sonstige Helfer können sehr, sehr hungrig sein (um einen nicht ganz so freundlichen Begriff zu umschiffen). Höchstleistung! Zu irgendwas muß ich ja auch noch zu gebrauchen sein. Mein altes Haustierchen muß auch noch zum Onkel Doktor! Renter befinden sich immerzu im Streß.
Lieber Herr Stubenzweig, mit so warmherzig und witzig erzählten Anekdoten dürfen Sie gerne auch bei mir rumklecksen, soviel Sie mögen, sogar. Und falls Sie dachten, ich würde ob der Erwähnung von Pferdewurst ganz mädchenhaft toben und kreischen - nein, das wurde mir von jemandem abgewöhnt, der auf Schuhe aus Pferdeleder schwor. Der Freund des Pferdes hingegen - war der wirklich ganz tot? Oh wei. Bei Schuhen
bevorzuge ich das von feinen Pferdemädchen durchkaute Leder von Yaks aus der inneren Mongolei; na ja, nicht durch, eher so wochenlang genossen.Und das mit dem toten Pferdfreund, das ist der wirklichste Teil dieses Geschichtchens. Ich erinnere mich noch recht gut daran, daß dieser Pfleger mehrfach darauf hingewiesen wurde, Pferde röchen das nicht so gerne. Hinzu kam, daß dieser ohnehin nicht Zartbesaitete nach einem allzu oft genossenen Tragl Bier zu noch rigoroseren Erziehungsmaßnahmen neigte. >> kommentieren das glueck der erde liegt auf dem ruecken der pferde
ich kann das so nicht bestaetigen, wurde mir doch gleich zweimal von einem klepper das schienbein maltraetiert. obendrein fand ich mich auf diesem pferderuecken (und spaeter auf dem hosenboden) nur deshalb wieder, weil ich (m)einer frau imponieren wollte, die herkunftsmaessig im uebrigen durchaus in ihre tafelrunde gepasst haette. aber alle hochachtung fuer diesen pferdekuss!Ein schöner Pferderücken
entzückt mich durchaus. Nur draufsitzen mag ich gar nicht so gerne. Nicht nur aus dem Blickwinkel der von Ihnen angerissenen Eventualitäten, denen auch ich dadurch sozusagen unterliegen könnte. Ich mag nämlich nicht nur Pferdefleisch- und die manchmal daraus entstehende Wurst, sondern die Tiere selbst im Ganzen sehr gerne. Ob in der Camarque die vielen weißen Schimmel, ob blond, ob braun in Holstein oder anderswo, ich liebe sie alle, auch die Frau'n, die häufig mit ihnen zu tun haben und die sich ungeachtet der Adeligkeit manch eines schwarzen Springinsfelds auch um die etwas massiveren vierbeinigen Trecker kümmern. Früher habe ich schon mal angehalten auf dem Land, um einer ziemlich schräg kickenden Unterklassenmannschaft zuzuschauen, wie sie über die Maulwurfshügel in die nächstuntrige Liga stolpert. Das hat sich geleht. Mittlerweile kommt es öfter vor, daß ich stehenbleibe und den Pferdchen zuschaue, wie sie zügellos, wie ich sie eben am liebsten mag, über die Koppeln hoppeln. Aber ein Stück Pferd unter dem Sattel eines anderen Pferdes bis nach Waterloo weichzureiten, wie das dieser blutige Brite bar jeder Küchenkenntnis getan hat, das käme mir nie in den Sinn. Sattel- und pferdlos schwöre ich auf cuisine traditonelle für Reifes Fleisch.Das mit dem Pferdekuß, das hätte, verdammt nochmal, auch mir einfallen können. Aber nun ist's doch noch eingeflossen, in Form eines feinen Lobs, über das ich mich freue und für das ich danke. Unter Reitern auch:
Das Glück der Pferde ist der Reiter auf der Erde.Ja, genau!
Alle meine Erfahrungen aus der Reiterei kommen so langsam wieder zusammen. Nur noch ein bißchen, und ich kann einen Pferdemädchenroman schreiben, sozusagen aus der Blogger-Erleuchtung heraus.Beinahe hätte ich's schon wieder vergessen: einen mit ganz vielen leidenschaftlichen Pferdeküssen, selbstverständlich. Und vielleicht übernimmt Herr Prieditis dann die Illustration. >> kommentieren Das sind ja gleich zwei schöne Geschichten in einer! Denn die vom knödelnden Flugabwehrschützen, die zähle ich einfach mal mit. Das ist das Schöne
an diesem mäandernden Schreiben, das keinerlei zeitlichen Verpflichtungen und die Assoziationsfreiheit knebelnden Zeilenlimits unterworfen ist, bei dem immer ein Stückchen kleistsche Idee von der Verfertigung der Gedanken beim Reden mitreitet: Immer wieder fällt einem dieses noch ein oder jenes, dieses einstmals Gelesene könnte man noch reinhäkeln oder das Gehörte (wird man dann zum Remixer und ist damit frei von jedem Urheberrecht?). Manchmal wird man ärgerlich, weil man den Pferdekuß (bei wem liegen da eigentlich die Rechte?) in eine solche Geschichte ja nun wirklich noch hätte integrieren können ...Ich weiß gar nicht mehr, weshalb mir dieser Knödelkrieg mit einem Mal aus dem Kopf in die Erinnerung entfleuchte. Aber auf einmal war er da, vermutlich, weil zu dieser Zeit im schönen Voralpenbayern tatsächlich mehr Düsenjäger durch die weißblauen Lüftchen schallmauerbretterten als heutzutage freitagnachmittags zwischen München und Salzburg Menschen staustehend die Landschaft bestaunen, die sie ansonsten vermutlich nie gesehen hätten. Also bitte – wenn dann Geschichtchen im Geschichtchen. Ach, egal, Hauptsache, sie haben Ihnen gefallen. >> kommentieren wieskirche
handelt es sich bei dem gebaeude im hintergrund um die wallfahrtskirche zum gegeisselten heiland auf der wies? dann verehrtester passt das bild natuerlich haarscharf zu ihren schoenen geschichten und dann verfuegen wir auch ueber einen gemeinsamen biographischen bezugsraum, da ich die gegend aus persoenlicher anschauung ziemlich gut kenne. im sommer koennen sie mich einmal besuchen kommen, wenn sie die b17 ein stueck richtung nord fahren.Richtig, die Wallfahrtskirche
zum Gegeißelten Heiland auf der Wies. In der Gegend habe ich mich auf meiner ständigen spätjugendlichen Suche nach Heimat auch mal herumgetrieben, insgesamt so an die dreißig Jahre. Impulsgeber waren damals Wassily Kandinsky und seine auch ein wenig, hier Blaue Reiterin, unweit deren klein' Häuschen* ich eine Zeitlang wohnte, ich also in meinen bayerischen Anfängen aufs Murnauer Moos und die dahinter aufragenden Berge blickte. Auch als ich ein Jahr später arbeitstechnisch nach München gezwungen wurde, durchstreifte ich lange Zeit weiterhin unablässig das Vorälplerische. Damals habe ich es schon sehr gemocht, wenn auch mit abflauender Tendenz, wie das eben häufig so ist mit der Liebe. Heute mag ich es gar nicht mehr so sehr. Mir ist das zu kitschig geworden, aufbereitet für den Tourismus; bald sieht's da so aus wie im mehrmals täglich staubgewedelten Allgäu. Ich bin vollends zu dem zurückgekehrt, aus dem ich zu größten Teilen bestehe: dem Wasser.Weshalb ich auch erstaunt ausrufen darf: Was wollen Sie denn in dieser extremidyllischen Puppenstubenlandschaft?! Am Ende noch dorthinziehen?! Da gibt es doch weit und breit keine höhere Lehranstalt oder ähnliche Institutionen. Die B 17 nördlich? Peiting oder so? München ist weit. Auch mit der Bahn. Und nicht nur in Berlin frieren der die Türen zu. Das haben nämlich die bayerischen Bahnen erfunden. Allerdings schreiben Sie ja vom Sommer. Vermutlich sind Sie ohnehin ein professioneller Bergwanderer und -steiger, dessen Leidenschaft da unten seine Anfänge nahm. * Das damals noch nicht so sauber und putzig dastand. Es sah es sogar arg gammlig aus, wie man sich überhaupt in Ödön von Horvaths Marktgemeinde der Italienischen Nacht seinerzeit eher weniger für diese ganze abwegige Kunst und Kultur interessierte. Oh! da könnte ich ganz viele Geschichten erzählen – von denen heute dort niemand mehr auch nur ein bißchen wissen will. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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