Lokale Politiker und (ihre) Geschichte

Gestern habe ich erzählt bekommen, was die Abkürzung NMW bedeutet: Niemand Will Mich. Ich möchte auch so ein nettes Kraftfahrzeugkennzeichen. Bereits angemeldet habe ich die Okkupation des für mich idealen Gartenhäuschens, das mich an einen wunderschönen Hinterhof in Speyer erinnerte, wo nicht nur mir alles so toskanisch erschien. Immer noch zarte, familiare Bande haben mich nämlich, wie ich bereits Jagothello verkündet habe, ob er wollte oder nicht, in meiner elektrischen Kladde bin ich gnadenlos, mit einem Ort verknüpft, der ein paar Minuten zu Fuß nur von der Trave entfernt ist, fast an der Ostsee, also in einer Gegend, wo man in den Städtchen und Dörfern die DDR immer noch ein wenig erkennen kann, sie spürt, nicht zuletzt durch die Grußfreundlichkeit gegenüber Fremden, und wohin eine andere junge Frau, das sich in den Endspurt ihrer Dissertation begebende, für mich seltsame Axolotl-Forschung beziehungsweise die von Auswirkungen von Genmanipilationen auf Tiere betreibende Töchterlein, vermutlich in Bälde hinziehen wird, zu ihrem Wirtschaftsingenieur, der nach einem Kohlenpott-Zwischen(aufenthalt)halt in die Heimat zurückgekehrt ist und dort bleiben möchte und sich deshalb im Osten ein nahezu perfektes, Ziegel auf Ziegel handgemauertes, durchaus großzügiges und auch noch unterkellertes Haus für wahrlich günstiges Geld gekauft hat, quasi hautnah der Ostsee und dennoch in der Nähe des lübeckschen Arbeitsplatzes. Ich verstehe es gut, denn es ist wirklich sehr schön dort auf diesem Land mit den wunderschönen Alleen mit alten Bäumen, die man nicht umgenietet hat zugunsten eines «schnelleren Verkehrsflusses». Und aufrichtig freundlich sind sie auch noch, die Ossis aus dem dem ehemaligen, strengstens bewachten Sperrgebiet.

Es ist von jeher ein Mechanismus in mir gewesen, der immer dann, wenn sich ein Bezug zu einem neu kennengelernten Ort hergestellt hat, bei mir die Neu-, nein — womit ich wieder bei den Sprachverdünnungen oder -verunfallungen bin, denn früher unterschied man mal zwischen Neu- und — Wißbegier auslöst. Also habe ich ein wenig geschnüffelt, es ist heutzutage schließlich via Internet ein leichtes beim Gehen den Boden zu berühren. Man muß nicht mehr stunden-, ach was, tagelang in Stuben der Archivierung hocken und suchen. Ein Klick und die Offenbarung der Wahrheit tut sich auf. Nehme ich's mal ein wenig zurück und setze für Wahrheit Realität ein. Die kann erschütternd sein. Das zu erkennen, dazu benötige ich nicht einmal die Schnipselwirtschaft des ehemaligen obersten Verwalters und heutigen, von diesem ganzen Volk unbedingt gewollten Präsidenten der deutschen Demokratie-Monarchie. Sie bietet auch so Tristesse genug. Aber das muß kein typisch ostdeutsches Problem sein. Da dürften Ost und West eindeutige Gemeinsamkeiten aufbieten, sie dürften seit Urzeiten quasi (wieder-)vereinigt sein. Historie im eigentümologisch zutreffendsten Kleinstbürgerformat. Man mag das sehen oder interpretieren, wie man mag. Ich gebe mit Wikipedia eine Denkkrücke. Wobei ich dabei vor allem Charles Dickens assoziiere, er
schildert den gutmütigen Spießer — gemeint sind Menschen, die einer oberflächlichen Geselligkeit frönen und sich zudem gerne in Vereinen aufhalten. Harmlose Scherze und eine Art familiäres Treiben herrschen vor. Die bösartigen Varianten von Spießern tauchen bei Honoré de Balzac in seinem Roman Die Kleinbürger auf, den Gehässigkeit, Klatschsucht, Verleumdung und Verrat, Dünkel, Besserwisserei und Aufgeblasenheit auszeichnen. Der Untertan in Heinrich Manns gleichnamigen Roman von 1918 ist ein autoritätshöriger Opportunist, Mitläufer und Konformist. Vieles daran erinnert an Adornos «Autoritäre Persönlichkeit».
Aber vielleicht treibe ich's dabei wieder etwas zu weit. Wie auch immer:

«Selmsdorf — Geschichte und Geschichten», lese ich also «— ein Heimatbuch. Fertig ist das Werk bis heute nicht — zum Verdruss von Gemeindevertretern, die nun vehement forderten, den Teil, der fertig ist, zu veröffentlichen und ihn später mit ‹Beiheften› zu ergänzen.»

Ja, so sind sie, die Politikusse. Eine Historikerin arbeitet an einer Dorfchronik. Den Gemeindeherren geht das nicht schnell genug. Rom sei, möchte man anmerken, auch nicht an einem Tag archiviert worden. Auch oder gerade wer in einem ehemaligen Dorf des mißverstandenen Sozialismus nach hinten blicken soll, der benötigt eben seine Zeit, das geht nicht so rasch wie eben mal bei Wikipedia kurz reinschnuppern, wo immer alles parat nachzulesen steht, ob's nun seine Richtigkeit hat oder nicht. So argumentierte die Geschichtsforscherin Christiane Woest denn auch vehement dagegen, wie es in der Seite des Selmsdorfer virtuellen Rathauses heißt. «Ein Archäologe hört auch nicht mitten in der Arbeit auf.» Detlef Lüth von der Wählergemeinschaft Bürger für Selmsdorf hielt dagegen: «Es wird immer so sein, dass es neues Material und neue Erkenntnisse gibt.» Lüths Vorschlag: ein Teil der Chronik vorweg herausgeben und später ergänzen.

Wer behütet mich, für andere kann ich nicht sprechen, kleinen Bürger (eins siebzig, ich nähere mich zusehends napoleonischer Größe), mich virtuellen Einwohner von Selmsdorf eigentlich vor solchen politikdenkerischen Anregungen? Hat das sich immer schneller drehende, westlich-kapitalistische Rad der unaufhaltsamen Geschwindigkeit den Osten endgültig erreicht? Die DDR-Literaur ist schließlich auch nicht an einem Tag geschrieben worden, ja nicht einmal innerhalb eines solchen auf der Müllhalde gelandet und auch nicht in Lagerhäuser des Westens gerettet worden. Soll damit demonstriert werden, daß es ein Ende haben muß mit dem Denken, das nunmal seine Zeit braucht? Seriöse Geschichtsschreibung ist nunmal kein Häppchen nach dem Prinzip Bürger ißt Burger, zu dem ich gestern auf dem Weg in den endgültigen Osten mehr oder minder gezwungen ward. (Nein, ich mag diesen Schnellfreßfraß einfach nicht. Ich habe ihn mal wieder geko..., na, probiert eben. Und Pommes frites könne sie auch nicht. Auch die mache ich viel besser, und zwar aus richtigen Kartoffeln und palmölfreiem Fett.) Wer bei einer Dorfchronik in diese Richtung denkt, der hat Geschichtsschreibung immer noch nicht verstanden. oder will das ger nicht «Am Sinn des Buches», heißt es im virtuellen Rathaus von Selmsdorf, «zweifeln die Gemeindevertreter nicht. ‹Ich glaube, dass die Nachfrage für eine Chronik hier in Selmsdorf da ist›, sagt Marcus Kreft. Das Buch eignete sich beispielsweise als Geburtstagsgeschenk.» Für einen Lokalpolitiker vielleicht. Mir schwebt dabei vor, was solch eine Chronik möglicherweise noch zu leisten vermöchte, wenn man ihr nur Zeit genug läßt: den etwas intensiveren Blick nach innen vielleicht. Aber ich fürchte, daran könnte ein größeres Interesse nicht bestehen, weil man Geschichte lieber wie Kreischgymnastik für wenigstens alterstechnisch ziemlich weit Fortgestrittene, wie ein Schlagertralala der Art eines Kessel Buntes vom Verwahrsender des auf ewig Gültigen, dem Mitteldeutschen Rundfunk, oder etwa nach dem Verständnis von Guido Knopp aufgeführt wissen möchte. Bei meinem Verständnis von Geschichtsschreibung könnte beispielsweise die Suche nach Demokratischer Identität ausschlaggebend oder wenigstens hilfreich sein. Ach, Häppchenkultur.
 
So, 27.05.2012 |  link | (2295) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele


enzoo   (29.05.12, 10:13)   (link)  
hierzulande
kann man sich ja, die nötige zahlungbereitschaft vorausgesetzt, sein autokennzeichen auch selbst aussuchen. daraus resultieren dann solche mit der hochprägung "susi 1", "opa 215" und das höchst originelle "auto 1". vor kurzem sah ich an einem audi Q7 wenigstens mal "kuh 7". da ist es mit dem bauern aber sprachspielerisch durchgegangen, man darf davon ausgehen, dass es nicht einer der einsilbigen landwirte ist, der das wort nur dann an seine frau richtet, wenn der schweinsbraten am sonntag versalzen ist. aber da fällt mir ein, dass das ganze kennzeichen ja "W KUH 7" lautete, ein wiener also, daher vermutlich kein lakto-agrarier, vermuteltst des fahrbahren untersatzes auch kein vegetarier, sondern einer derjenigen ist, die die enormen höhenunterschiede, die die wiener topographie hergibt, in summe etwa drei meter, nur mittels vierradtechnik und 250 ps zu überwinden fähig sind. (in den flachsten wiener innenstadtbezirken waren im jahr 2011 rund 20 prozent der neu angemeldeten kfz sogenannte SUVs, ich kann mir nicht genau ausdenken, was diese vorliebe für solche autos genau ausdrückt ("zur soziologie des kraftfahrzeuges", wo bist du?)).

wer allerdings sein kennzeichen nicht extra bezahlt, sondern sich eines bürokratisch automatisiert zwar nicht gratis, aber wenigstens billiger vorschreiben lässt, erhält dann buchstabenkombinationen, die auch nicht immer froh machen, etwa WAP, was in dieser schönen stadt, in der ich lebe, keinesfalls modernezeitenmässig mit wireless application protocoll, einer der neuesten und trotzdem schon überholten datenübertragungstechniken für tragbare telephone assoziiert wird, sondern mit "wappler", wie man diesorts menschen nennt, die man keineswegs für im vollbesitz der geistigen kräfte hält, also das, was man auch gerne mit "dillo" oder, interessanter weise "koffer", der aber auch eine flatulenz bezeichnen kann, tituliert. so WAPplerisch fuhr ich 12 jahre durch die lande, es brachte mir so manchen seitenhieb ein, wenn ich mich etwa im kolonnenverkehr nicht so verhielt, wie dies meine staukollegen gerne gehabt hätten (warum dürfen eigentlich nicht nur frauen autofahren? man könnte dann autos gänzlich ohne hupen bauen).

äh... ja, das wars eigentlich.


jean stubenzweig   (29.05.12, 13:06)   (link)  
Wolfgang Flatz,
Ihr Landsmann aus Vorarlberg, der seit Beginn seines Studiums in München lebt, machte mich als erster mit der Praxis des eigenen und jederzeit umhängbaren Kennzeichens vertraut. An jedem seiner im Hof seines Ateliers auf der Praterinsel zur Auswechslung parat stehenden, immer flotten Automobile prangte jeweils bei Abfahrt dieses Schild, das quasi leuchtender Ausweis seiner schillerenden Persönlichkeit war: FLATZ.

Auf daß keine Mißverständnisse entstehen: Wir haben einander zwar lange nicht gesehen, aber meine sehr guten Erinnerungen an diesen hochwissenden und sympathischen, ohne Zweifel auch intellektuellen Kopf werden durch nichts zu irritieren sein, schon gar nicht dessen öffentlich wirkungsvollen Anfänge, die ich teilweise miterleben durfte, und von den hunderten Einträgen im Internet über seine Arbeit soll dieser eine ausgewählt sein, da er in eingänglicher Kürze zusammenfaßt, was ich für typisch wienerisch im Sinne etwa in der Tradition der Aktionisten halte:
1974 setzte sich Flatz während einer Modenschau im Grazer Hotel Steirer Hof mit verbundenen Augen in die erste Reihe. Sowie das Publikum applaudierte, klatschte der ‹begeisterte› Besucher Flatz mit. Am Ende der Schau, die zu der seinen werden sollte, verließ er, weiterhin mit verbundenen Augen, den Saal, quasi hilflos, hilfesuchend und wortlos. Diesem ersten Ergebnis der Flatzschen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, vor allem mit dem Happening und den Wiener Aktionisten, folgten 1975 weitere Durchkreuzungen herkömmlichen ‹Wahrnehmens› und ‹Fühlens›. Eine davon brachte ihm einen Aufenthalt im örtlichen Stadtgefängnis und eine anschließende Einweisung in die psychatrische Abteilung der ‹Landesirrenanstalt Valduna› ein: als er sich im Palais Liechtenstein im österreichischen Feldkirch während einer Ausstellungseröffnung von den anderen Vernissagebesuchern lediglich dadurch unterschied, daß er einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt trug. [...]

Den Kulminationspunkt seiner autoaggressiven Performances erreichte Flatz sicherlich mit der zu Sylvester 1990/91 und in der orthodoxen Neujahrsnacht am 14. Januar 1991 in der georgischen Hauptstadt Tiflis (wo er, wie in Leningrad, eine Gastprofessur innehatte): in der dortigen alten Synagoge, die zur Zeit des kommunistischen Regimes als Kader- und nach dem Zusammenbruch als anarchische Kulturstätte benutzt wurde. Er ließ dort zwei 1,50 mal 2,80 Meter große Stahlplatten an die Decke hängen. Zwischen diesen hing er mit dem Kopf nach unten, an den Händen gefesselt. Diese wiederum waren mit einem Seil verbunden, mit dem ein unten stehender Mann Flatz' Körper fünf Minuten lang zwischen den beiden Platten hin- und herpendelte und aufschlagen ließ. Im Anschluß an dieses ‹Glockenläuten› tanzte ein Paar den Kaiserwalzer von Johann Strauss. Wenn dies vordergründig auch eine Provokation ohnegleichen war, so war es doch ein hintergründiger Hinweis auf Geschichte: Zur Zeit der Zaren wurden politisch Unbeugsame in die Glocken gehängt, bis sie ‹sangen›. Und mit dem abschließenden Kaiserwalzer assoziierte Flatz die monarchische, heute nur noch als romantizistische Hülse existierende Hochkultur (Demontage IX, Tiflis 1990/91).
Der Körper als Organ der Sprache
Darauf komme ich, da mir auf meiner Reise durch die Alt-DDR immer wieder seltsam anmutende Kraftfahrzeugkennzeichen begegnen, die offensichtlich nur dort zu sehen sind, anderengebiets so selten wie die von Ihnen geschilderten österreichischen, die alle irgendwie etwas von FLATZ und den sonstigen selbstentleiberischen Aktionisten zu haben scheinen, von denen ich nicht weiß, wer zuerst da war: sie oder die Österreicher an sich. Aber Sie werden mir sicherlich eine Antwort darauf geben können, also: Ahmen sie alle nur die Kulturzertrümmerer nach oder erwuchsen die aus dem grundsätzlichen, leicht psychopatholgischen Zustand eines Volkes? Dann wären diese Kennzeichen also so etwas wie ein österreichischer Duden der Postkriegszeit, möglicherweise gar die Bestätigung eines meiner Lehrer, dem Herrn Brockhaus, mit seiner Äußerung, Kultur sei die Lebensäußerung eines Volkes. Das käme hin, denn es gab schließich bereits einen Herrn Karl, als die Revoluzzionäre noch nicht geboren waren oder zumindest noch in den Kripperln gewiegt wurden.

In deutschen Gebieten wird all das jedenfalls behördlich verordnet. Von Mentalitäten nichts zu erkennen. Ich müßte tatsächlich ins Niemand-Will-Mich-Land, nach NordWestMecklenburg, ins dortige, bereits okkupationsoptionierte Gartenhäuschen umsiedeln, um dem Deux Chevaux, dem bisher lediglich die Typenbezeichnung straßenverkehrsamtlich zugeordnet werden konnte, ein klares Gesicht meines östlich orientierten Mitgefühls zu geben, das mit balkanesischer Vergeschwistertheit zu beschreiben wäre, ist doch die Levante nicht allzu weit weg.


Allerdings soll die Erkennbarkeit, die Erkenntnis gestört werden. Es existieren Pläne, daß jeder ins deutsche Land Hineingelassene in Zukunft sein Kennzeichen mitnehmen soll, auch dann, wenn er als ausländischer Münchner ins Tor zur Welt, nach Hamburg zieht. Ich als heimatlos immer Suchender habe solch heilloses Durcheinander bereits in Frankreich beklagt, mein deutliches Bekenntnis zur 13 für Bouches-du-Rhône wurde zentralistisch getilgt. Dort weiß man also auch nicht mehr, woher der sportive Idiot kommt, der einen als gemütlich Dahintuckernden geschnitten hat. Das macht zwar jeder im Land, das schließlich das der Revolution ist, in dem die durchzogenen Linien der Vorschriften und Gesetze grundsätzlich überfahren werden. Auch ich halte mich nicht mit beispielsweise diesem überflüssigen Geblinke auf, man wird schon sehen, wo's langgeht. Bislang war es allerings immer recht beruhigend zu wissen, daß der Depp grundsätzlich der aus dem abgelegenen Département ist, der Provinz eben, wo jedem jedes urbane Temperament abgeht.


enzoo   (30.05.12, 11:49)   (link)  
ich vermute
ihre frage war eine rhetorische.

ein volk, dessen hauptgaudium darin besteht, sich, alle soziale schichten übergreifend, von stählernen drahtseilkonstruktionen bergauf ziehen zu lassen um hernach auf plattgepresstem schnee vermitteltst unerklärbar teurer kunststoff-metall-laminate an den beinen so schnell wie möglich zu primitiven unterständen zu rasen um sich dort nicht nur fusel-alkohol in den magen, sondern volksdümmliche schunkel-musik das selbe erweichende ins gehirn blasen zu lassen und dafür auch noch teuer zu bezahlen, und das dieses treiben auch noch zur normalität erklärt und voller unverständnis wäre, warum selbiges nicht auch auf vanuatu gemacht wird, wüsste man von der existenz dieser in der klimaerwärmung ersaufenden sandaufschüttungen, das, sollte einmal ein trupp ausserirdischer quer durch mehrere galaxien galoppieren, um unsere liebe erde zu sanieren, daran schuld wäre, wenn diese schulterzuckend wieder abzögen, weil sie einen planeten, der lebensformen mit derartigem verhalten beheimatet, für ohnehin verloren hielten, sähen sie die österreicher bei ihrem winterlichen wahntreiben, ein solches volk also macht nichts aus revolutionärem kalkül, auch nicht aus, wie sie es freundlicher weise genannt haben, "leicht psychopatholgischem Zustand", sondern aus, unter ersetzung ihres unzutreffendem "leicht" durch "schwerst", dessen wahrscheinlich unheilbarer form, und zwar so ziemlich alles.

das wissen sie doch längst.


jean stubenzweig   (31.05.12, 12:28)   (link)  
Hart ins Gericht
gehen Sie mit Ihren Landsleuten. Sie haben so gar nichts Patriotisches. Denke ich an Österreich in der Nacht, beginnt in mir augenblicklich ein mächtiges Liedlein zu schwingen, jaja, der Tee vom Jager, der ist gut, bin ich mittendrin im Heurigen, denk ich an die feschen Madln.

Sie waren es, die mich zu permanenten Grenzübertritten bewogen haben, mich, der ich auch hätte im seinerzeitig neuheimatlichen Oberbayern skilaufen können, am zwischen Murnau und Kohlgrub gelegenen Hörndl, diesem für mich nicht eben mit Abfahrtsbrettern an den Füßen Geborenen gerade richtigen Hügerl zum Beispiel. Doch jenseits in Berwang gab es welche, die auf den Pisten tanzten, von denen man meinen konnten, sie wären vom Hofopernballett auf Brettln. Dorthin war ich gereist, weil ich meinte, unbeobachtet zu sein von meinen einheimischen, skiläuferisch geborenen Freunden des vorälplerischen (2, 3) Landes, wohin mich das Schicksal angelandet hatte. Und tatsächlich waren sie es (und ein landsmännischer Lehrer), die mir beibrachten, daß man auf diesen elendiglich, fast zwei Meter langen Rossignol-Faßdauben, die mir ein Sportartikelverkäufer in dem von Regen gekennzeichneten Aix-la-Chapelle für nicht minder elendiglich teures Geld aufschwatzen konnte, weil auch ich après-ski-technisch, en vogue, wie es seinerzeit unter Wie-Meinern korrekt hieß, ausgerüstet sein wollte, daß man damit auch noch etwas anderes kann, als (annähernd, weil's nicht anders ging) mit dem Karacho eines Franzl Klammer geradeaus kopfüber in den von Bremssplit durchsetzten Schneehaufen neben dem Lifthäusl stürzen konnte. Sie lehrten mich das Swinging, den Umschwung, den Schwung. Den brachten sie in mich, als ich spätabends nach dem ich weiß nicht mehr wievielten Jagertee hinterrücks auf ihren jährlich neu erstandenen und bereits damals um einiges kürzeren, auf jeden Fall immer niegelnagelneuen Ski (und deshalb später ihnen abgekauften) aus heimatlicher Produktion stehend talabwärts mitfahren durfte, ich aufgefordert wurde, mich nur gut an ihnen festzuhalten und, wie auf dem Motorrad, in die Kurven mitzuschwingen, und mit denen ich dann wohlbehalten unten in der Disco landete, wo's noch ein Weilchen weiterging mit dem Tanz.

Derentwegen oder wegen dem Klammer Franz habe ich nicht aufgehört mit dem österreichisch geheiligten Nationalsport. Es waren die Niederländer — es gab schießlich wahrlich nicht nur Holländer, die in den Süden, in die Berge zu toben anfingen —, die mir das Brettllaufen madig machten, als ich es gerade einigermaßen richtig in den Hüften hatte wie den Schwung beim Rock'n'Roll. Diese Massen, die in die Berge einfielen wie weiland ein anderer Österreicher über Österreich und andere Gemarkungen, die waren es, die mich die Bretter an den Nagel hängen ließen. Ich wollte nicht mehr stundenlang auf Autobahnen und Landstraßen im Stau, am Lift anstehen müssen. Das hat ja bis heute kein Ende, Hamburg, ja Schleswig-Holstein hat so etwas wie Skiferien! Welcher einigermaßen sogenannter gesunde Menschenverstand kann sich das überhaupt vorstellen. Na gut, mittlerweile läuft man überall im flachen Land Ski, vermutlich sogar im Durrat al Bahrain, wegen der kühlenden Wirkung oder so.

Der schwerst psychopatholgische Zustand per se ist also längst kein österreichischer mehr. Die letzte Globalisierung hat auch diesen bis in den aufgeworfenen Sand derer getragen, die bis auf Öl, dessen Dollar und Religion nichts haben, mit dem sie sich beschäftigen können, also von Langeweile gemartert sind. Sie haben doch sicherlich noch ein paar andere Nestbeschmutzungen aus der behaglichen Alten Welt im Fundus. À propos Fundus. Hofoper?


enzoo   (31.05.12, 15:52)   (link)  
ich war selbst
ein recht guter schifahrer; als damals in oberösterreich lebender den pisten nah und diese nähe nutzend häufig auf auch hohen bergen unterwegs, auch sommers weit abseits der pisten enge schneeschluchten an steilen 3000er-bergseiten hinabzischend, nach einem mühsamen aufstieg von mehreren stunden, kein dj ötzi gröhlte einem da ins ohr, nur die dohlen krächzten neugierig nebenan. als ich schifahrerisch sozialisiert wurde, also in den 60er jahren musste man, wenn man ins hochgebirge schi fahren ging, schi fahren können. heute muss man sich lediglich von einer aufstiegshilfe, die allerdings nicht hilft, sondern die ganze arbeit alleine leistet, nach oben bringen lassen, um dann autobahnebengleiche leintücher hinabzurutschen, und wenn sie das nur täten, die ösis und holländer und russen und deutsche, denen der sinn nicht nach natur und bewegung, sondern nach saufen und hüttengaudi, ... nein, es ist mir zu ärgerlich, mich darüber länger auszulassen. deswegen hab ich jedenfalls das schifahren aufgegeben, auf den pisten hat es keinen erholungswert mehr für mich und für diese extremtouren abseits der pisten bin ich zu feige oder in jeder hinsicht zu alt geworden.

als unsere kinder alt genug wurden, um vom geh- in den schizustand versetzt werden zu können, stellte ich zur diskussion, ob es denn nötig sei, dass unsere kinder schi fahren lernen, man sollte auch ohne dieses können ein glückliches leben führen können, worauf sich meine liebe frau, deren vorfahren eine generation zuvor noch in der ungarischen tiefebene keinen gedanken an die österreichischen bretter, die die welt bedeuten, verloren, echauffierte, man könne ihnen doch diesen spass nicht vorenthalten, das gehöre einfach dazu, dabei ist sie sonst recht vernunftbegabt, obwohl selbst schifahrkönnerisch von olympia so weit entfernt wie ich von der teilnahe an einem strickkurs für norwegerpullover. natürlich lernten die kinder dann schi fahren, heute gehen sie selbst alleine (ohne uns) schi fahren, aber es ist diese einstellung, die mich krank macht: man muss schi fahren, aus nationalem selbstverständnis, und es hat doch nichts mehr damit zu tun, was ich kennenlernte, aber vielleicht sind das auch nur sentimentale erinnerungen eines alternden trottels.

natürlich hätte ich einige nestbeschmutzungen mehr in petto, auch wenn ich sie nicht als solche betrachte, aber welcher nestbeschmutzer tut das schon? schon mein vater zieh mich, als ich in meiner jugend etwa gegen atomkraft und für frauenrechte protestierte und so zustände, die heute selbstverständlich sind, forderte, damals aber hirnrissig und weltfremd, der nestbeschmutzung, und zwar wortwörtlich. damals regte ich mich darüber furchtbar auf, heute seh ich das, wie fast alles, gelassener. das wort ist noch immer hart, aber die sache lohnt sicht und gewissermassen ist es auch eine auszeichnung, nestbeschmutzer genannt zu werden. ohne mich hier als prophet aufspielen zu wollen, dazu bin ich auch viel zu sehr mitläufer, sind es doch gerade die nestbeschmutzer, die die visionen aufbringen, die die zukunft gestalten, auch wenn einer der letzten bundeskanzler sinngemäss meinte, wenn man visionen hat, benötige man einen arzt, was den zustand der politik ja auch schon umfassend beschreibt.

die oper besuche ich zu selten (nämlich fast nie), um darüber zu vern/berichten; so gerne ich instrumentale konzerte besuche - eine oper könnte nach meinem dafürhalten daher nach der ouverture zu ende sein - in der welt des operngesanges fühle ich mich nicht so wohl, wie man es vielleicht erlernen und vor allem schätzen lernen könnte; ich glaube, ich wäre auch nie fähig zu unterscheiden, ob es sich nun um eine excellente stimme handelt oder nur um eine sehr gute, schon eine ohrenärztin, die ich vor etlichen jahren konsultierte, beschied mir, es sei unnötig, eine recht teure stereoanlage zu kaufen, ich würde den unterschied zu einer nicht ganz so guten nicht mehr hören können. ein herzerl, die gute, nicht wahr?

mit hofoper wirds also nix, aber ärgernisse gibts genug, über die noch hergezogen werden kann. somit sollte hier keine langeweile entstehen können.


jean stubenzweig   (01.06.12, 11:44)   (link)  
Der Nestbeschmutzer,
da meinte ich uns einig, ist wohl als Nobilitierung zu werten, wobei Ihr Land zudem besonders herausragende Vertreter aufzuweisen hatte und sicher immer noch hat. Der österreichische, dieser hinterrücks, dieser fast balkanische Humorbiß, als ob man's seinen Landsleuten grundsätzlich durch die Blume des Schmähs flüstern müßte, weil an jeder Ecke ein Zensor steht, der kommt meines Erachtens weitaus köstlicher, vertrackter daher als der deutsche. Beim Balkanischen denke ich in erster Linie an den Bagonalismus, dessen Miterdenker ihn mir dahingehend erklärte, als man in seiner Heimat Bulgarien, die er als sehr junger Mensch mit den Eltern verließ, gar nicht umhin kam, verklausuliert zu sprechen und zu schreiben, um vom großen Bruder nicht verstanden zu werden. Wobei ein Thomas Bernhard sich längst einer klaren, unmißverständlichen Sprache bediente, während Carl Merz und Helmut Qualtinger ihrem Herrn Karl noch Worte in den Mund legten, die scheinbar die des Volkes waren, nur daß es das nicht merkte und eben auch nicht so derb schenkelklopferisch, wie das beispielsweise häufig bei vielen heutigen Kabarettisten der Fall ist, die teilweise immer mehr zu sogenannten Comedians verkommen. Aber das Volk braucht nunmal leicht verständliche Scherze, zu denen auch noch diese unsäglichen TV-Brüller eingeblendet werden, weil es nach Meinung der Fernseh-Allwissenden nicht weiß, wo es was zu lachen hat; dabei brüllt es längst beim noch so schlichtesten Witzchen. Zu gerne erinnere ich mich Egon Friedells beziehungsweise Alfred Polgars Pennälerulk Goethe im Examen, den ich mal allein wegen der Rätsellösung um des Litaraturheroen letzte Worte «Mehr Licht» auf die Bühne bringen wollte, was aber deutscherseits kaum jemanden interessierte, vermutlich, weil's mit der literarischen Hochkulturunterweisung irgendwie schiefgelaufen war, das ich aber auch heute immer noch spaßiger finde als die aktuellen deutschen Brettl-Witzeleien.

Das Skifahren als österreichischer Nationalsport bringt Sie ernsthafter auf die Palme, als ich geahnt hätte. Ich als freizeittechnischer, dürftig begabter ehemaliger Brettlrutscher wollte dem lediglich (m)eine lieblichere Note geben. Die Ironie scheint mir ein wenig aus der Spur des gfüagigen Schnees geraten zu sein. Aber ich bin auch etwas aus der Übung, habe ich doch bereits Ende der siebziger Jahre die Bretter an den Nagel gehängt. Nur diese irrwitzigen Abfahrtsrennen habe ich mir noch eine Zeitlang im Fernsehen angeschaut. Allerdings bin ich da nicht so nachhaltig orientiert wie Frau Braggelmanns aus der Nähe von Kiel stammende und dort auch lebende Mutter, die auch heute noch konsequent jedes skiende Ereignis verfolgt, und sei es das Event.

Bei der «Hofoper» muß ich etwas leicht korrigieren. Ich meinte nicht das hochkulturelle Sangesgeschehen (das mich, wennauch ohne die Mystifizierungen von Gesangsstars, durchaus interessiert). Mir ging es um das gesellschaftliche, das muß mittlerweile so genannt werden, Event, den Opernball mit seinen Hauptdarstellern, den Baulöwen und deren angemieteten Begleiterinnen. Aber das ist thematisch mittlerweile so ausgelutscht, daß es vermutlich niemanden mehr vom Stuhl reißt.















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