Emanzipation auf Rädern Ein Besuch bei Aléa Torik hat mich irritiert, sie hatte sich in für mich ungewohnter Wortwahl ausgelassen über Zu viel Arsch und Titten. Dabei las ich diese Zeilen: «Ich finde, dass ich meine Heels so oft austragen sollte, wie ich will. Ich werde nämlich gerne angesehen, ich werde auch gerne sexuell angesehen. Das heisst ja nicht, dass ich Blicke mit Grapschen verwechseln lasse. Auch ich trage ebenfalls gerne Korsagen. Ich zeige mich gerne und habe es gerne, wenn das begehrt wird.» Und dann geriet ich mitten hinein in die für mich typische Haltung: «Aber dazu, dass stille Wasser tief sind, sage ich nur, dass nicht jeder geschlossene Schrank auch voll ist. Die meisten geschlossenen Schränke sind sogar leer. Es gibt Menschen, die genau wissen, warum sie lieber im Schatten stehen. Sie haben ganz einfach weder etwas zu sagen noch zu zeigen. Ihre wirklich einzige Klugheit besteht wirklich darin, dass sie schweigen und im Hintergrund bleiben. Das ist meine Erfahrung. Aber ich bin ja auch sexuell devot. Deswegen leite ich meine Firma trotzdem mit ziemlich eiserner Hand, aber bin sehr froh, wenn ich das in meinem Privatleben sein lassen kann. Das gehört zur Frauenemanzipation nämlich auch.» Und wieder hatte ich hinzugelernt. Ich reflektiere das an einem Alltag, der mich vier Jahrzehnte durch Vernissagen und nicht eben wenige Parties schleuste, deren Anlaß die Künste waren. Lustig ging's da meistens zu, und körperliche Fröhlichkeiten taten geistigen Ansprüchen nicht unbedingt einen Abbruch. Aber ein wenig begannen letztere darunter zu leiden, als ein paar Durchblicker sich anschickten, die Artistik in einer Wirtschaftsreligion, in einer Formalästhetik aufgehen zu lassen, in der der Glaube an die Sache selbst eine untergeordnete Rolle zu spielen begann; die Mitgliedschaft in einer Community schien zusehends zum Gradmesser zu werden. Die (Kunst-)Märkte der Eitelkeiten erlebten sozusagen die Renaissance. Glanz und Glitter begannen auch dort Einzug in die großformatigen Schlagzeilen der bunten Blätter zu halten, wo eine Zeitlang das (Nach-)Denken regierte. Der Salon wurde wieder hoffähig. Begriffe begannen diffus zu werden. Emanzipation erschien immer öfter im verwackelten Bild reiner Äußerlichkeit. Diese Werte gerieten schließlich in eine Hausse an den Börsen. Der Ruf nach Wachstum machte auch vor dem nicht halt, was man mich als wertfrei einzuordnen gelehrt und das ich als solches schätzen gelernt hatte. Emanzipation äußerte sich im Verlangen nach Befreiung von dem, was einen knechtete. Allzuviele meinen mittlerweile, dem alleine dadurch entronnen zu sein, weil sie zu diesem Circus Maximus zwar feiner gewandet als früher und in einem Sechsspänner angereist sind. Möglicherweise glauben sie ja fest daran. Glaube soll ja hilfreich sein. Es gibt offensichtlich immer weniger Menschen, die sich von diesem oder einem anderen Glauben befreien wollen. Mich erinnert dieses andersseitig dargestellte bunte Bild an dritt- oder auch viertklassiges Kino, an diesen auch geistig schönheitsoperierten Italiener als Hauptdarsteller, von dessen kommendem Werdegang ich etwa Mitte der Achtziger eine Vorahnung bekam, als er in der kleinen Stadt unweit meiner feierabendlichen Plaudereistandorte eine niedliche Anstalt werbefrohen Fernsehens gekauft hatte, die er groß zu machen beabsichtigte, und mit einem geradezu unvergleichlichen Charme und bei feinem Wein und gutem Essen in der naheliegenden bohemigen Osteria Bavarica, in der bereits der GröFaz und später auch der zeitweilige bundesrepublikanische Minister der Verteidigung zu speisen pflegten, eine neue Welt des Glanzes proklamierte. Nun scheint man auch ihm an die Karre fahren zu wollen und gar zu können. Sollte es zum Vollzug kommen, werden einige vom Flitter fallen. Gut, mein Verständnis von Welt ist in letzter Zeit verstärkt aus der Mitte des aktuellen Stroms geraten und hat mich in eine einsam am Ufer liegende Tonne gespült. Da kann ich nun darüber sinnieren, was daran in meinem Kopf so durcheinander geraten war, was mich bei den Gedanken an weibliche Emanzipation so abgetrieben hat. Es ist ja nun nicht so, daß ich nicht gerne hinschaue. Aber High Heels und oben drüber Décolleté bis zum Bauchnabel als Synonym für Befreiung, da muß ich gehörig etwas mißverstanden haben. Andererseits dürfte das kein Wunder sein bei einem, dessen erster Blick anstatt auf den Titten immer zuerst ganz unten festmacht. Das ist vermutlich ebenfalls eine Art geistiger Fehlsteuerung mittenrein ins Biedermeier, möglicherweise eine Variante des Fetischimus. Aber Emanzipation auf flammenden Reifen? Bleibe ich auf dieser Pneuspur, dann komme ich assoziativ irgendwie vom Weg ab.
Literatur unterm Zwetschgendatschibaum Wenn auch in der Frühphase, als die Sonne noch jung und frisch war. Aber auf jeden Fall Herrn Nnier zugeeignet. Deshalb: «[... köstlichstes, nicht mehr grünes, sondern gelbliches Fruchtfleisch wölbt sich einem da entgegen, dass es eine Freude ist, wunderbar straff ist es, nicht mehr hart und noch nicht weich, und noch kein einziger Parasit entweihte das herrliche Innere dieser formvollendet prallen Gottesgeschöpfe [...].»
«Berlin ist [single] die Stadt der Einsamen, die ständig steigende Zahl der Single- und Einpersonenhaushalte macht einen selbst dann einsam, wenn man es gar nicht ist». Aléa Torik schreibt das in Der Salon Sucre, der Überschrift eines Romankapitels, dem eine Aufzählung folgt, die Nähe zum Thema und darin wiederum Abstand zu einer mehr oder minder freiwilligen neueren Lebensform assoziiert: «Eheanbahnungsinstitute und Partnervermittlungen, Standesämter, Hochzeitskleider und Brautmoden, Kutschen, Babyausstatter, Eheberatung, Scheidungsanwälte, Wahrsager und Teufelsaustreiber, Inkassobüros und Gerichtsvollzieher [...]». Irgendwann kam die Wende, womit nicht diese sogenannte gemeint ist, die die Wolke janz Balin gen Westen treiben ließ. Die hier gemeinte setzte früher ein, bereits in den frühen Siebzigern, also zu einer Zeit, als kaum jemand auch nur annähernd ahnte, daß diese Insel im Osten, auf die sich sich soviele aus dem Westen absetzen sollten, nicht zuletzt, weil man das Eiland am Leben erhalten wollte und deshalb nach der rosinenenbombastischen Vielfliegerei, der ein von Berliner Schnauze getiteltes Denkmal namens Hungerkralle gesetzt wurde, ungeheure Summen an Subventionen hineinpumpte. Das waren nicht nur vor dem Wehrdienst Flüchtende oder — ohnehin eine Gelegenheit des Reisens nutzende? — Schwaben. Von überall her kamen sie, das Angebot der Steuervergünstigung nutzend und den bezahlten Umzug aus Hessisch Sibirien oder Ostwestfalen sowie äußerst zinsgünstige Kredite mitnehmend. Zwar kamen im ersten Schub der Sechziger noch Ehepaare, aber im zweiten dann überwiegend Einzelpersonen. Zwar strebten auch die zunächst noch die Partnerschaft in gemeinsamer Wohnung an, die zu finden in Berlin trotz der noch existierenden Kuppelei- oder anderer Moralparagraphen offensichtlich leichter möglich war als in anderen Städten, in denen das Eherne Recht strikter oder auch rigider überwacht wurde. Aber die Sehnsüchte nach Erfüllung des Glücks in gesellschaftlich gesegneter, vor allem staatlich abgestempelter Zweisamkeit begannen, rückläufig zu werden. Das Lotterleben hatte schließlich Tradition in der einstmaligen europäischen Metropole der zwanziger Jahre, als, wie heute, die Kleinen nichts zu beißen hatten und die freiheitlich Denkenden fast pariserisch die Fröhlichkeit auslebten; auch wenn man in den Sechzigern am Tropf des Bonner Chefanästhesisten mit dessen Rhöndorfer Rosengeist hing. Man ging erst um Mitternacht aus dem Haus, um im Keller des Gebäudes, in das später die Schaubühne vom Halleschen Ufer her umziehen sollte, eine Partie Bowling zu spielen, auch wenn einen das weniger interessierte, aber die US-amerikanische Kultur hatte, alleine des höheren soldatischen Soldes wegen, gewaltiger als irgendeine andere der vier mächtigen, den Stadtstaat bereits überrollt. Otto Schily war noch Rechtsanwalt mit Wilmersdorfer Kanzlei, die zu diesem Zeitpunkt wie er selbst noch nicht weiter von Bedeutung war, erwähnenswert allerdings insofern, als sich direkt nebenan ein Club befand, in dem man, allerdings erst etwa ab 1970 nach Einführung einer Sperrstunde, die angeblich benötigt wurde, um auch mal putzen zu können, gebeten wurde, früh um sechs seinen Rock'n'Roll zu unterbrechen, es gehe ja bald weiter. Überall hatte man seine Plätzchen, wo Whiskey auf Trinkvorrat angelegt wurde, die Regionalpatrioten bevorzugten Wodka Gorbatschow, auch wenn der mittlerweile ebenfalls aus Westdeutschland kam oder gerade deswegen und nicht etwa, weil der sowjetische Freiheitsgeber vorweggenommen werden wollte. Auf jeden Fall bekam jeder und jede was ab zu dieser Uhrzeit in einem der unzähligen, oftmals musikinstrumental bespielten Tanzlokale. Eine Wohnung benötigte man eigentlich nicht, hatte doch der oder die meistens eine. Es herrschte Überfluß. Freiheit wurde seinerzeit gedanklich eher im kommunalen Sinn skizziert. Dabei spielte nicht unbedingt die Vorstellung amtierender Politiker von Gemeinschaft eine Rolle, sondern eine eher zukunftsweisende: Wer einmal mit derselben pennt, gehört zum Establisment. Die Welt war zweifelsohne patriarchalisch geprägt. Die Langhansens hatten die Theorie von der Kommune auf ihre Weise in die Praxis umgesetzt. Dabei stand allerdings weniger oder nicht einmal ansatzweise der kibbuzale Effekt im Sinn von Sammlung oder Versammlung im Vordergrund, wie er sich — auch das sind die USA! — von Berkeley aus abzuzeichnen begonnen hatte, sondern eine andere Form von Familie. — Bei rechtem Licht betrachtet scheint sich des Altkommunarden These vierzig Jahre danach durchzusetzen, zwar nicht in der, heute würde man sagen «angedachten», Stringenz des lustvollen Durcheinanders, sondern eher im Sinn der Tugend, die der Not unterworfen wurde. Aber bereits Mitte der Neunziger durfte ich am münchnerischen Nebentisch mehrfach den Klagen der Sexualrevolutionäre lauschen über deren Söhne und Töchter, die sich wieder nach Verlobung et cetera sehnten. Und heute haben die Haremsdamen längst wieder eigene Wohnungen. Während die anderen Rentner das Feld von der neubürgerlichen Seite her aufrollen, indem sie Wohngemeinschaften im Reihen- oder Stadthausstil bauen, manchmal gar subventioniert von den Kommunen, also den anderen. Als ich vor rund zwanzig Jahren, ebenfalls ohne sexuelle Hintergedanken, die Idee vom Generationenheim vorbrachte, scheiterte ich noch jämmerlich. Heute sitzen sie, sofern deren Pension oder Rente es hergibt, in der WG mit jederzeit erreichbarem Pflegedienst und surfen suchend im Netz nach dem Lebens(abschnitts)gefährten, und sei es der letzte. Sie unterscheiden sich also kaum von den Jungen, lediglich im Zeitangebot sowie in der reduzierteren Wohnform. Aber Platz für eine Single-Börse ist in der kleinsten Hütte. Eigentlich wollte ich lediglich eine kurze Notiz zum Einzelwesen hinterlassen. Aber wie das eben so ist: Ich kann nicht kurz. Mich überkommt jedesmal so ein Assoziationsschwall, im konkreten Fall war das eben «die ständig steigende Zahl» der Singles, die einen selbst dann einsam macht, «wenn man es gar nicht ist». Hier also der Ausgangspunkt: Single, das bedeutete einmal, bevor es den Yuppie gab oder gleichzeitig, so genau weiß ich das gar nicht mehr, irgendwann in den Achtzigern, bewußt alleine leben zu wollen. Heute heißt es fast immer Einsamkeit und wird von Alleinsein nicht mehr unterschieden, vermutlich auch, weil es einen (reduktionsbedingten?) Sprachverfall gibt, von dem viele Fachleute behaupten, es gebe ihn nicht. Aber was sagt bloß heute der Mensch, der lieber für sich bleibt, nicht in einer temporären Zweierbeziehung oder Ehe oder auch nicht in dieser extrem abgeleiteten Form der Kommune 1 leben möchte, aus welchem Grund auch immer? Gibt er an, er sei Single, deutet er mittlerweile unter Umständen unwillentlich etwas an, das eine gewünschte Statusveränderung signalisiert. Ich habe hier lediglich anekdotisch plaudernd ein paar Andeutungen gesetzt. Aber seit langem beschäftigt sich beispielsweise die Single-Generation damit, hier mal angetippt mit dem Buch von Jutta Stich. Eine Wohnung kriegt der Solipsist auch nicht (mehr), weil die alle von den Einsamen belegt sind, die er selbstverständlich nicht kennt, da es sie nicht gibt, und auf deren «Nachhaltigkeit» die Hausbesitzer in ihren Vorstellungen von Wirklichkeit gleich Wachstum dennoch setzen. Nicht nur in Berlin.
Die neue Gier nach Neuem Angesprochen habe ich's immer wieder mal, versucht, es anzutippen in der Hoffnung, das Denkdackelchen in der Hutablage des Kopfes würde lächelnd oder sonst irgendwie zu nicken beginnen. Die Begriffsgegenüberstellung habe ich auch bereits ausprobiert, nach Neu- und altgierig kam tatsächlich einige Bewegung hinein. Aber die Welt habe ich sozusagen natürlich wieder nicht bewegt damit — immer wieder vergesse ich, was ich seit einigen Jahrzehntchen weiß und woraus ich eigentlich beruflich die Konsequenz gezogen hatte: der Welten Lauf läßt sich durch Mahnen und Warnen nicht verändern. Die Kugel zieht unaufhörlich ihre Bahn, wie die Deutsche ihre auf dem Weg in die Zukunft, wenn die Störungen letzterer möglicherweise genau dadurch bestimmt sind. Es wird nur noch nach vorn geblickt. Deshalb heißt das, was früher mal Wißbegier genannt wurde, heutzutage unverbrüchlich Neugier. Letztere Bezeichnung habe ich als eindeutige Negativbewertung gelernt. Nach Neuem gierte beispielsweise der heimlich durch die vorhanglosen Fenster starrende Nachbar, vermutlich, weil er diese Transparenz als ein Zeichen religiöser Reformation deutete und hoffte, dahinter vielleicht doch ein wenig Sünde zu entdecken, was ihm selten gelang, da es hinter dreckigen Gedanken nicht allzuviel Unmoral zu erblicken gibt. Neugier, das brachten mir meine Deutschlehrer bei, ist die unterste Stufe, Neues sehen zu wollen. Die Wißbegier(de) hingegen sei an keine Aktualitäten gebunden, im Gegenteil, das sei der Blick in eine Vergangenheit, die auf Erfahrung basiere. Nun ja, es ist die Erfahrung anderer, und die scheint zusehends mehr zu langweilen. Geschichte, wen interessiert denn dieser verstaubte Kram? Ende der neunziger Jahren sprach eine nicht unbedingt alte Dame aus dem Vorstand eines zu dieser Zeit mit führenden deutschen Kunstvereins einmal von der «eingeschränkten Halbwertzeit». Es ging um die Planung einer Ausstellung über das Informel, auch über die Situationistische Internationale. In diesem Zusammenhang erwähnte sie einen Künstler, der dabei maßgeblich mitgewirkt hatte, im deutschsprachigen Bereich sogar zu dessen geistigen Vätern zählte (Mütter hatten damals noch hinterm Herd zu stehen). Der als Kapazität geltende und deshalb eigens aus dem Ausland geholte künstlerische Leiter dieser Institution kannte diesen Mann nicht, dem auch als Publizist zumindest unter kunstbewegten Menschen ein Ruf, im besten Wortsinn, wie Donnerhall vorauseilte. Er hatte sich allerdings nicht nur aus dem Kunstmarkt herausgehalten, er hatte sogar mit brillanten, teilsweise streitschriftartigen Essays kräftig dagegengehalten. Das dürfte einer der Gründe dafür sein, daß der immer nach vorne blickende Direktor dieses Kunstvereins diesen Namen noch nie gehört hatte. Der andere Grund ließe sich in der «eingeschränkten Halbwertzeit» erblicken, denn zu dieser Zeit setzte der unwiderstehliche Drang ein, die neuere Kunstgeschichte ab dem marktgewordenen Andy Warhol neu schreiben zu wollen oder überhaupt erst beginnen zu lassen. Das postmoderne anything goes oder auch Alles ist machbar, Herr Nachbar spülte alles davorliegende Moderne in die Abwasserkanäle der Vergangenheit. Gestern abend wurde in Kulturzeit von 3sat über eine Trauerfeier zu einem in jüngster Vergangenheit schlimmen Ereignis berichtet. Nein, das Gedenken zum Einjährigen war nur der Aufhänger — wenn ich auch zu beobachten meine, der Boulevard spiele sich auch in diesem Fernsehfeuilleton zusehends in den Vordergrund — für ein Buch. Ich habe es nicht gelesen und kann deshalb nicht beurteilen, inwieweit die Autorin neue — also auf Altem basierende — Erkenntnisse eingebracht hat. Doch darauf dürfte es auch nicht ankommen, handelt es sich dabei doch in erster Linie um Trauerarbeit. (Dabei fällt mir der Begriff Erinnerungsarbeit ein, nach meinem Wissen geprägt in den Anfängen der Achtziger von Wolfgang Ruppert, der auf diese Weise die Menschen aufforderte, auf ihre Dachböden der Vergangenheit zu steigen, um der Gegenwart näher zu kommen.) Die Verfasserin hatte das Buch zum Anlaß genommen, über den Tod ihrer vor einem Jahr ermordeten Tochter hinwegzukommen, die als Referendarin an dieser Realschule tätig war, also angetreten war, Kindern das dringend benötigte Wissen zu vermitteln. Im begleitenden filmischen Beitrag wurde deutlich, worauf sie die Ursachen für Gewaltausbrüche wie die sich allüberall häufenden zurückführt. An offenbar vorderster Stelle steht für sie dabei der ungeheuerliche Druck, dem die Kinder bereits vom Kleinstkindalter an ausgesetzt sind. (Selbstverständlich wurde einmal mehr zur Bestätigung dieser Erkenntnis ein Experte ins Bild gesetzt, vermutlich, weil einem das sonst niemand glaubt oder weil wir uns alle so an die Fachleute gewöhnt haben und es deshalb nicht mehr ohne sie geht.) Alle Welt hat nach vorne zu schauen, als ob die Kugel sich immer schneller drehte. Das Glück dieser Erde liegt in der Zukunft — oder in der Hoffnung, mittels dem, was heutzutage Bildung genannt wird, es doch noch zu schaffen an den Zenit des beruflichen Spezialisiertseins (von dem Arnold Gehlen vor vielen langen, eben zurückliegenden Jahren noch schreiben durfte, er sei spezialisiert auf das Nichtspezialisiertsein). Neugierig leben, wird seit einiger Zeit verführer- oder auch aufforderisch hineingeblendet in mein heiß- und manchmal auch haßgeliebtes Blütensternengärtchen, in diesen überwiegend von mehr oder minder tänzelnden Damen moderierten «Fernsehanstalt gewordenen Zen-Buddhismus». Glücklicherweise tut man dort meistens nur vordergründig so, als ob es nur hinter gelifteten oder gar keinen Vorhängen auf der Alm koa Sünd' gäb'; gleichwohl dem neugierigen Affen tatsächlich seit langem auch dort vermehrt ordentlich Zucker gegeben wird. Aber wer wißbegierig ist, bekommt dort, mehr als anderswo auch im Sinn von Sendezeit, seinen Teil ab vom großen Erfahrungskuchen, da häufig tiefschürfend zurückgeblickt wird in eine Vergangenheit, die Zusammenhänge erfassen, die eine Entstehungsgeschichte namens Gegenwart und damit auch Zukunft erkennen läßt. Es müssen wahrlich nicht immer nur hundert Jahre alte Bücher sein, aus denen Wissen zu beziehen ist; das mit der Wahrheit ist ohnehin eine Sache für sich. Ein bißchen was ist schließlich auch in der Wirklichkeit danach passiert, was sich im einen oder anderen später erschienenen Druckwerk spiegelt. Aber mit Neugier hat das, nach meinem Verständnis, eher weniger zu tun. Wie will ich beispielsweise eine digitale Revolution* verstehen, wenn ich von der industriellen nichts weiß? Manchmal ist es durchaus von Vorteil, auf den Dachboden der Erinnerung zu steigen. Auf meinem liegt sozusagen nur Altgier herum, mit der ein neugieriger Nachbar seine Lust nicht befriedigt bekommt. Aber ich kann damit lustvoll in Erkenntnisse eintauchen, weil jeder Blick sie erneuert.
Angesichts und mittendrin von Kirchen und Friedhöfen gerate ich immer wieder in Gefühle der Zwiegespaltenheit. Besonders im deutschen Raum, der nunmal gut vierzig Jahre meines Lebens in Beschlag genommen hat. Allen voran gewisse protestantische Örtlichkeiten, die auch ich immer wieder einmal aufzusuchen mehr oder minder gezwungen bin. Ob Taufe oder Totenfeier, das ist dort alles überwiegend von einer Tristesse, die mit Traurigkeit nur unzureichend übersetzt ist, da sie ästhetische Hintergründe hat; wobei letzteres nicht das Formale meint. An keinen Jubel, an keine Klage kann ich mich erinnern, die mich in solcher Umgebung tatsächlich ergriffen hätte. Eine Ausnahme mögen meine Besuche, ich war gerade intensiver mit Bayern in Berührung gekommen, der Konzerte des Münchner Bach-Chores gewesen sein, wobei ich mir nicht mehr sicher bin, ob es die durch Karl Richter interpretierte Musik war oder die Rothaarige in der ersten Reihe, deren Stimme ich meinte herausgehört zu haben. Sicher bin ich mir auf jeden Fall, daß es nicht des evangelischen Heiligen Markus wegen war, daß ich die Kirche aufgesucht habe. Die stand meines Erachtens im krassen Widerspruch zur Musik und der inbrünstigen, nachgerade altgläubigen (Sanges-)Schönheit einzelner Damen. Glücklicherweise sind dann gewisse Empfindungen in der Lage, Ansichten auf graues Grausen zu verdecken und die Sinne zu fokussieren. Völlig anders hingegen meine Ergriffenheit, als ich zum ersten Mal Notre-Dame-en-Saint-Mélaine in Rennes betrat. Kaum hatte ich mich ein wenig staunend umgesehen, auch hinaufgeschaut, was aber der architektonischen und keiner anderen Höhe geschuldet war, als der Organist begann, das noch neue Instrument zu bespielen. Da habe sogar ich mich auf eine Bank gesetzt, habe nur noch hineingelauscht, mich in diese Umgebung sinken lassen. Nun ließe sich hier herauslesen, ich sei dem Katholikentum zugewandt. Das bin ich ganz sicher nicht. Auch die Orgel gehört nicht zu meinen Lieblingsinstrumenten. Sie erinnert mich immer irgendwie an Bach und an diesen angewandten Protestantismus (gegen den beispielsweise Ennoch zu Guttenberg immer wieder andirigiert hat). All das gehört nicht eben zu dem, dem ich zustrebe, womit Religionen, welcher Art auch immer, gemeint sind. Aber ich bin mir im klaren darüber, daß es ohne diese Vergeistigung diese Bauwerke, die Musiken nicht gäbe. Sogar dem Fliegenfänger Henryk Górecki bin ich einst auf den Leim gegangen. Nein, das wäre jetzt ungerecht. Denn der Pole ist wohl tiefgläubig, das muß der Maßstab sein, auch ein historischer, aber nicht im Sinne von Rückblick, sondern in dem eines anhaltenden Zustandes. Außerdem war es vermutlich nicht er, sondern wiederum eine Sängerin, deren Stimme ich hingebungsvoll verfallen war und es in gewisser Weise bis heute bin, nicht zuletzt deshalb, da ich sie anderenorts und zu anderen musikalischen Ereignissen erleben durfte: Dawn Upshaw. Dennoch war sie es, die eine Grundstimmung vermittelt hat, ohne die es eine nicht nur europäische Kultivierung nicht gegeben hätte. Aber daraus ging eben auch dieses Protestantische hervor, bei dem ich ästhetisch fast austrockne, weil mir offensichtlich dann doch etwas von dem fehlt, das die tiefe Einkehr kennzeichnet. Da müssen Rudimente in mir vorhanden sein, anders kann ich es mir nicht erklären. Am anschaulichsten wurde das, als ich in den Achtzigern auf einem Friedhof nahe der schweizerischen Grenze einen Verwandtenbesuch machen sollte. Im unteren Bereich war er von einem herauspolierten Glanz, der tausende Jahre Geschichte hinfällig zu machen schien. Sogar die Grabsteine hatten eine Formenrichtung angenommen, wie sie ein ostholsteinischer Steinmetz im Akkordlohn anstreben dürfte, wenn auch mit etwas weniger Applikation. Je weiter ich allerdings den Friedhofshügel hinaufging, um so mehr fanden sie zurück in ihre alte Sprache, die auszusterben scheint. Vollends wiedergefunden hatten sie sie erst weiter oben, von Bäumen umstanden, in der unverrückbaren Vergangenheit einer Kultur, die sich, wie alle anderen Kulturen auch, aus dem Glauben entwickelt hat, an welche Götter auch immer. Und denen ich, obwohl ich nicht an den Glauben glaube, diese Wirklichkeit zuzugestehen habe. Aber protestantisch gegen die Kirche protestieren, das hätte ich mit Sicherheit nie getan. Ach, was bin ich doch für ein herrloser Ästhetizist.
Die Wall Street im Wandel der Zeiten Zurück zur Bauernbank? Hochhäuser hat die schon lange. Und sonnabends geöffnet obendrein. Ruhet in Frieden. Hoffentlich bald. Aber was verstehe ich schon davon ...
Knick in der Optik Angeregt von Bagatellen. Es sollte dort ein Kommentar werden, aber immer diese Längen ... Also dann hier ein bißchen Erinnerungsgeschichtchen. Ich mochte Brillen immer. Nein, ich war ihnen geradezu leidenschaftlich verfallen. Ob's daran lag, daß ich beim ersten Blick in ein bebrilltes Antlitz blickte? Auf jeden Fall setzte es sich fort. Entgegen früherer allgemeiner Verlautbarungen war stets Mein höchster Wille, Frau mit Brille. Zwischenzeitlich hatte sich die Perspektive verändert, da mein Blick eine Weile gerne anderswo festmachte. Irgendwann schien sich das wieder umzukehren, was möglicherweise an immer reizvolleren (Brillen)Modellen lag. Um 1990 herum sagte die Freundin nach einer längeren Autofahrt: «Wenn ich nicht wüßte, daß du es nicht bist, ich würde behaupten, du bist sechshundert Kilometer sturzbesoffen gefahren.» Ich war in regnerischer Dunkelheit tatsächlich slalomisiert, als ob ich circa zwei Promille intus hätte. Man riet mir, es doch einmal mit einem Arzt zu versuchen. Ärzte kannte ich einige, aus unerklärlichen Gründen befanden sich immer irgendwie welche in meiner Nähe. Aber als solche benutzt hatte ich sie, die Kränkelkindheit ausgenommen, eigentlich nie, allenfalls mal als Aufpasser bei meinen spätjugendlichen Selbstversuchen. Dann fiel mir ein, sogar mit einem Augenarzt befreundet zu sein, dessen Nähe ich jedoch bislang immer aus einem anderen Blickwinkel gesucht hatte. Dazu gehörte ein alljährliches legendäres Besäufnis in dessen riesiger Wohnung hoch oben im sehr schönen Haus am Eppendorfer Baum, zu dem viele Menschen von weither, sogar solche aus Frankreich anreisten. Ich kam immer von Nachwirkungen unbeschadet davon, da ich beim Wein junges Gemüse nicht mag und eher dem Alter zugetan bin, ich also jedesmal Gereifteres einschmuggelte und alleine für mich versteckte. Die dicken Köpfe hatten jedenfalls die anderen. Reisen ins schöne Hamburg und sehr gerne auch zu ihm in dessen wohlgestaltete lichte Turmzimmer waren mir von jeher eine Freude. So sollte ich ihn zum erstenmal als Arzt konsultieren. Viel Zeit nahm er sich für mich an einem Sonntag nachmittag. Sämtliche Apparaturen seiner kleinklinikgroßen Praxis wurden genutzt, drei Durchläufe gab es. Bis er leicht spöttisch grinsend meinte: «Sag mir doch, wenn du eine Brille haben willst. Dann verschreib ich dir eine. Dann können wir uns diese ganzen Turnübungen hier sparen und gemütlich was essen und trinken gehen.» Beharrlich verwies ich auf einen offensichtlichen Knick in meiner Optik und die Folgen bei regnerischer Dunkelheit. Er erbarmte sich meiner, ging den gesamten Technikparcour erneut mit mir durch, schaute nicht nur fortwährend auf seine Maschinenauswürfe, sondern mir auch immer wieder in die Augen. Nach einer guten Stunde entschuldigte er sich bei mir. Er habe etwas übersehen. Tatsächlich leide ich unter einer nicht ganz unerheblichen, zunehmenden Linsentrübung. Seither bin ich Träger von Lesebrillen, eine für Bücher und Zeitungen, eine andere für den Computerbildschirm, der ohnehin nicht eben zur Verbesserung der fortschreitenden Behinderung beiträgt. Gebrauchsanleitungen für Brillen kann ich nicht mehr lesen, auch nicht mit Brille. Beim Autofahren nutze ich auch eine für die Ferne. Wegen des Knicks in der Optik, der mich bei schlechten Sichtverhältnissen mittlerweile auch schonmal tagsüber der Verfolgung durch eine Polizeistreife mit anschließender Alkoholkontrolle aussetzte. Deshalb setze ich mich bei nahender Dunkelheit auch nicht mehr ans Steuer. Ja, ich bin manchmal vernünftig und denke bisweilen auch an meine Mitmenschen. Glücklicherweise gibt es welche, die bereit sind, mich zu chauffieren. Der Jüngste hat kürzlich diese Lizenz zum Töten erworben — Töten heißt hier: mich, Diagnose Herzstillstand, weil ich immer Angst habe, wenn andere fahren, und sei es noch so erstaunlich dezent für einen jungen Mann. Setze ich die Sehhilfe(n) komplett ab, kommen ziemliche Unklarheiten auf. Aufgekommen in meinen Augen ist mittlerweile auch ein Star. Gegen die vielen in den Medien kann ich mich wehren, indem ich einfach die Brille absetze. Nicht aber gegen den in mir, der immer näher zu kommen scheint. So hatte ich mir das nicht vorgestellt in den Anfängen meiner Leidenschaft für Brillen. Aber dafür habe ich jetzt auch den Arzt in meiner Nähe, der mir öfter mal in die Augen schaut. Das geht ja alles noch, jedenfalls solange man mich nicht, wie Frau Braggelmann (wo steckt die überhaupt?) zu sagen pflegt, mit der Sackkarre auf die Bühne fahren muß.
Das Wetter und die Katastrophe Parallel zu dem, was ursprünglich dem vernunftbezogenen Handeln zugerechnet wurde, nämlich sich, etwa über die Medien, zu informieren, scheint der Funktionslieferant des Denkens vollends abgeschaltet worden zu sein — wie die vielen schönen Kernkraftwerke Frankreichs, die sich angefühls ein paar mehr Kältegraden als Atomsprengköpfe zu erweisen scheinen und deshalb zumindest temporär stillgelegt werden müssen, anstatt die mittlerweile ebenfalls ein wenig euroglobal rachitischen Bretterbuden der nationalen Architektur- beziehungsweise Wohnungsbauprogramme zu heizen. Gut, es gab zuletzt überwiegend Winter, die jeweils nur zwei bis drei Tage dauerten. Den letzten erlebte ich ausgerechnet dann, als es mich vom französischen Sandsüden in die nordostdeutschen Schneesümpfe verschlagen hatte. Gleich gut drei Wochen und bei fünfundzwanzig Grad minus sogar auch schonmal tagsüber blieb der des ausklingenden Jahres 2002, der auch den Anfang des folgenden arg frieren ließ. Die einen warfen dann die Rentiermotoren an und fuhren in die Kirche, um zu protestieren, ich pflege dann zu flaggen und mit meinem Mahnmahl an das Geburtsland der Vernunft die weltweiten Götter der Sonne anzurufen. Mit dem Resultat, daß es kurz darauf in Marseille schneite. Der Schnee war mir persönlich auf den Kopf gefallen, als ich aus dem Kino kam. Lange wollte mir das niemand glauben, schon gar nicht die Pariser, aber die sind ohnehin berüchtigt für ihre Ungläubigkeit, es sei denn, sie kommen nicht, wie die meisten der Hauptstädter, irgendwo vom platten, gern Campagne genannten Land, sondern von dort, wo der Natur noch geglaubt und gehuldigt wird. Bis es irgendwann wieder passierte. Dann war aber was los. Eine Marseillaise füllte eine ganze Bilderseite, die mittlerweile stetig angewachsene Möglichkeit auch privater Informationspolitik half ihr dabei. Man braucht gar nicht mehr aus dem Haus. Längst hat man sich daran gewöhnt, daß der Klimawandel samt versprochener Heizkraft irgendwie nicht ganz richtig im Koppe ist. Und man selber auch. Da kommt eine Kollegin der Büddenwarderin angestürmt wie der angekündigte Katastrophenwind und ruft gehetzt, schnell alle Hamster kaufen, es wird schlimm. Und alles stürmt los. Sämtliche Supermärkte und sogar die Kleinkrämer freuen sich über den gelungenen Coup. Wieviel die Konzerne den Wetterdiensten oder vielleicht besser den Medien dafür geleistet haben wie unlängst die pharmazeutische Industrie gemeinsam mit der deutschen Regierung wegen dieser Pandemieübung, bei der es sogar die Sau grauste, dürfte nicht zu klären sein. Die Lager sind leer, und der Norddeutsche sitzt zuhause, hat die Fenster zugenagelt, um den Schneesturm abzuwehren wie die Venezianer das Wasser, und wartet gebannt darauf, daß er endlich kommt. Alle Hinweise auf Fakten nutzen nichts. Daß der Schnee mit ziemlicher Sicherheit eher mittig ein wenig rieseln werde, wird zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht wirklich geglaubt, denn so ein wenig katastrophales Denken ist doch irgendwie kuschelig. Da braucht man gar keinen Horrorfilm mehr einzuschieben. Auch persönlich hat man ein Recht auf Katastrophe, also hat sie, verdammt noch mal, auch zu kommen. Daß die sich nach ihrer Ankündigung meistens als -öphchen erweist, hat das dafür zuständige Gedächtnis innerhalb kürzester Zeit von der organischen Festplatte getil(g)t. Ich muß annehmen, daß in den Redaktionen der Radio- und Fernsehanstalten mittlerweile nur noch Menschen sitzen, die sich auf die Party zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag freuen. Nicht, daß ich nun eine neue Generation erfinden und damit einen Konflikt heraufbeschwören oder an die des Praktikums erinnern möchte, aber irgendwie frage ich mich schon, ob die keinen normalen Schneefall kennen. So lange ist das nun auch wieder nicht her, daß wir winters regelmäßig die Autos freigeräumt hatten und dann nicht gestartet bekamen, weil der Batterie die Restsäure hochkam wegen des Geleires; das «servicefreie» Stromlieferungsaggregat war noch nicht eingeführt. Ebenso dürfte der eine oder die andere (sogar in Norddeutschland) sich gut daran erinnern, wie hurtig man in einer Schneewehe steckenbleiben kann. Mit diesem Erinnerungsvermögen scheinen im übrigen die altersmäßig offenbar ebenfalls etwas zu jungen Geschäftsführer des öffentlichen Nahverkehrs und der Straßenmeistereien Probleme zu haben. Die noch nicht in Frührente geschickten und somit wenigen verbliebenen etwa Fünfzigjährigen können nicht gefragt werden, wie das ist, wenn Weichen und Türen zufrieren; die sind unterwegs, um die Computer aufzutauen. Drei Stunden benötigte gestern die junge Biologin, um die paar Meter von Plön nach Kiel an den Arbeitsplatz zu gelangen; alleine am Busfahrer lag es nicht, der die junge Frau mit dem großen Koffer für Mamas Wäsche heraneilen sah, der hielt lächelnd den Fahrplan ein, gefehlt hat eigentlich nur noch das www-bekannte einfingrige Ficktory-Zeichen. Von der abendlichen, zwangsläufig mit dem Automobil bewältigten Strecke in den heimatlich-holsteinischen Schneesumpf soll hier erst gar nicht die Rede sein, auch nicht von dem Meister des Autofahrens, der sein Gefährt auch bei spiegelglatter Fahrbahn und Tempo hundert im Griff hat. Er weiß aus dem Fernsehen, was seine Pneus zu bremsen in der Lage sind. Nichts funktioniert mehr. Auch keine Streusalzbestellung. Wahrscheinlich weil man dort langfristig nur noch in Aktien denken kann. Deshalb wohl haben die Hamster sämtliche Mittel gegen Straßenglätte in den Backen. Alles ausverkauft, auch in den Supermärkten und bei den Kleinkrämern, die auf diese Weise auch ein paar Krümel abbekommen, wenn auch kein Streusalz. Aber auf diese Weise erholt sich wenigstens die Marktwirtschaft. Vermutlich ist das Ganze ohnehin dramatischer Bestandteil des Förderungsprogramms, inszeniert von namhaften Führungspolitikern. Die Büddenwarderin schaut in ihrer geliebten Programmzeitschrift aus dem großen Fernsehverlag schon gar nicht mehr nach den noch mehr geliebten Katastrophenfilmen, die aber auch irgendwie keine sind, weil das Flugzeug ja nie wirklich abstürzt. Langweilig. Es gibt schließlich stündlich Sondersendungen zu den Schnee- und Eismassen, die ganze Länder lahmlegen. Da braucht's nicht einmal mehr Guido Knopp und sein Erinnerungs-TV.
Generationenkonflikt Auch ich möchte endlich mal einer Generation angehören. Seit den frühen Achtzigern zwickt mich das leicht, als die damalige Gefährtin von sich als der Sandwich-Generation zugehörig sprach: zwischendrin. Von «damals», also von kurz nach dem Krieg könne sie nichts erzählen, und um bei den Altachtundsechzigern mitzureden sei sie zu jung als endfünfziger Jahrgang. Es sei eine Last, immerzu von der Zukunft sprechen zu müssen. Aber die ist ja nun auch vorbei. Doch nun komme ich. Nachdem ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, alle zwei Jahre würde eine neue Generation erdacht, weil sonst nichts mehr in der Zeitung oder ihrem onleinigen Ersatz stünde. Die Tage erst habe ich irgendwo den Begriff Generation X gelesen. Zwar hat sich mir nicht erschlossen, welche Bedeutung das X haben könnte, aber egal, Hauptsache Generation. Sowas wie Golf. Aber nicht das, von dem Kurt Tucholsky mal meinte, es sei ein mißlungener Spaziergang, sondern wie Florian Illies. Meine Güte, der ist mittlerweile auch schon älter geworden. Mein Zenit scheint überschritten. Aber ich will eben auch mal. Deshalb melde ich hiermit an: Generation G. Allerdings nicht wie der gleichnamige, bei Loch 13 verunglückte Ausflug ins Grüne, weil man mit so einem Gefährt eben nicht dorthin fährt, sondern dann schon mit einem solchen, das jetzt gerade von dem anderen aufgekauft wird, obwohl das ursprünglich andersherum geplant war. Also Generation G wie Gutenberg. Nein, der aufgegangene bayerische, genauer: fränkische Stern schreibt sich anders. Ich meine den wirklich antiken Herrn aus Mainz. So ließe sich auch sagen: Generation G wie Gensfleisch. Derjenige, der das erfunden hat, was seit einiger Zeit permanent für tot erklärt wird, was meistens bestritten wird in den Feuilletons der Zeitungen; was ja übersetzt in etwa heißt: weiterblättern. Aber ich kann das nicht beurteilen, bin ich doch befangen, gefangen obendrein in diesem ewigen Erinnern. Meine frühen Jahre waren bereits vom immerwährenden Leseprozeß und damit überwiegend von einer Mutter geprägt, deren Leben darin aufging, auch beruflich, etwas anderes kannte sie ohnehin kaum, sieht man von ihrer geradezu manischen Liebe weniger zu ihrer Familie als vielmehr zur Oper ab. So war es naheliegend, daß auch ich einen Beruf ergreifen würde, der etwas mit Literatur und Theater sowie vergleichenden und vergleichbaren Disziplinen zu tun hatte; wenn meine Mutter (als Prophetin der Krisen?) auch lieber einen Volkswirt gehabt hätte, meinem Vater war das schnurz, sein Lebenssinn war: Hauptsache glücklich. Das war ich dann eine Zeitlang am Theater, doch es wurde mir zu eitel dort, worauf ich zur Gegenseite übergelaufen bin. Doch dort fühlte ich mich irgendwann nicht mehr erhört, mit der ehernen Konsequenz, beim Hörfunk zu landen, von dem schon damals niemand mehr was hören wollte. Dann ereilte mich ein Ruf aus dem Verlegermetier. So bin ich letztlich doch beim Buch gelandet. was naheliegt, quasi immer griffbereit, und das Hören — von Musik eben. Für mich wäre es geradezu absurd, mich mit so einem Elektrodingens, wie KrethPlendi es anspricht und der ich hier ein bißchen was erzähle, in die Bahn oder in ein Flugzeug oder am Ende gar zuhause hinzusetzen. Ich packe dann eben die drei oder vier Bücher ein, Neues oder immer wieder erneut zu Lesendes, gerne besuche ich vor Reiseantritt auch noch eine nahe oder innerhalb eines Bahnhofs gelegene Buchhandlung, wenn die Auswahl sich dort auch zunehmend auf das beschränkt, was alle lesen, wenn sie's denn tun. Rollkoffer erleichtern den Transport ungemein; es sei denn, man möchte als stilvoller Mensch erkannt werden, weshalb man lieber eine antiklederne Verpackung schleppt, excusez-moi, schleppen läßt. Lesen eben und nicht Zuhören wie der Märchentante oder dem -onkel. Ich habe ohnehin manchmal das Gefühl, diese sogenannten Hörbücher sind für diejenigen geschaffen worden, die's mit den Lesebüchern nicht so haben, weil die so anstrengend sind, nicht nur beim Schleppen. Schließlich tönt es bald nur noch, da das Lesen als solches ja nicht mehr unterrichtet wird beziehungsweise vor fünfzehn Jahren Rechtschreibreform kapituliert hat; deshalb schreibe ich auch so, wie ich vermute, es einmal gelernt zu haben, und warte ab, bis eine der nächsten aus Politikern bestehenden Fachkommissionen die Kurve zu denen gekriegt hat, die mein Deutsch kreiert haben. Einmal mehr muß ich auf den geschätzten Gianni Celati verweisen (und zu einem Link verführen?). Wobei ich selbstverständlich unterschieden wissen will zwischen den dem Marketing lauschenden (Hör-)Verlagen und deshalb abgeordneten professionellen oder auch prominenten Erzählern von Gutenachtgeschichten auf ganzjährig weihnachtlich glitzernden Scheiben und Bearbeitungen literarischer Vorlagen, die früher überwiegend als Hörspiele ausgestrahlt wurden und deren ältere Fassungen man seit einigen Jahren kaufen kann, da die Rundfunkanstalten ihre Fähigkeiten als Trödelhändler entdeckt haben und den Fundus verhökern; ein Beispiel wäre der NDR-Gontscharow (was hat Gert Westphal eigentlich nicht gesprochen, manchmal möchte man glauben, es hätte nur einen Experimentator gegeben?), den irgendjemand irgendwann mal geschenkt bekommen hat und der nun «originalverschweißt» via Internet offeriert wird. Was mir allerdings einfach nicht einleuchten will, daß so etwas im untersten Archivkeller liegenbleibt wie die grandiose Inszenierung von Per Anhalter ins All nach Douglas Adams' Galaxis-Odyssee für den Bayerischen Rundfunk. Ich hatte Anfang der achtziger Jahre das Vergnügen, bei der Hörspielproduktion dabeigewesen sein zu dürfen — damals mit etwa 150.000 Mark eine der aufwendigsten Hörfunkproduktionen innerhalb der ARD. Ursprünglich sollte August Everding Regie führen, doch der war verhindert. Dann übernahm glücklicherweise Ernst Wendt — und alle kamen, sogar Bernhard Minetti für einen einzigen Satz. Die anderen auszugsweise: Dieter Borsche, Rolf und Markus Boysen, Barbara Freier, Hans Korte, Klaus Löwitzsch, Hans Reinhard Müller, Doris Schade. Entdeckt und als Stoff empfohlen hatte die Geschichte seinerzeit eine Hörerin des Bayerischen Rundfunks, die sich in einer Londoner Buchhandlung in The hitchiker's guide to the galaxie festgelesen hatte. Zwar hatte ich alles auf (drei) Kassetten aufgezeichnet, ich erinnere mich wie heute, ein Virus hatte mich hingestreckt, aber keiner vom Schwein, das hatte seinerzeit noch andere Aufgaben, als Gazetten zu füllen, und so nahm ich unter Schweiß die Bänder auf, aber die gingen verloren, als ich meine Plünnen auf verschiedene Orte verteilte. Weshalb darf ich so etwas nicht nachkaufen? Ich will mich nicht als Exot gehandelt wissen. Auch in meinen Regalen steht der eine oder andere geschenkte Gaul, dem ich nicht nur nicht hineinschaue, sondern der manchmal sogar in mein Ohr darf. Einen bestimmten Oblomow habe ich sogar vor einiger Zeit in mein EiBückchen hineingespeichert, weil ich dessen Bettgeschichten hin und wieder auch schon mal ganz vorgelesen bekomme, wenn ich nächtens einsam unter leichter Hoteldecke liege, zumal ich sie alle drei recht gerne mag: Millberg, Manteuffel und Sander, wobei ich letztere noch gut aus antiken Theaterzeiten kenne, als es noch kein guter Ton war, anderswo zu sprechen als auf einer Bühne. Aber mittlerweile lädt die nächste Generation sich so etwas eben runter oder holt sich all die Damen und Herren via Internet ins Haus. Auch ist es verständlich, daß der eine oder andere ein paar Centimes verdienen möchte, zumal aufgrund der zu rettenden Finanzkrise das eine oder andere Haus demnächst dichtgemacht werden wird oder bereits worden ist; man kennt es, von früher oder später. Wenn ich so lese, was ich da mal wieder notiert habe, muß ich mir ernsthaft die Frage stellen: Gehöre ich am Ende gar längst der nächsten Generation an, der Generation MP3, die nicht mehr liest, sondern nur noch sabbelt, wie alle Feuilleton-Darsteller im Internet, weil sie keiner mehr lesen mag? Höre ich zuviel und lese zuwenig? Gehe ich demnächst nicht mehr mit Büchern, sondern mit meinem Eibuck ins hotelene Bett und lasse mir die Finanznachrichten vorlesen? — Nein. Ich schlafe lieber beim Fernsehen ein, noch anders: ohne es kann ich es gar nicht. Außerdem ist die Klapprechenmaschine zum Behufe der Anrufung irgendwelcher ominösen virulösen Formeln ohne mich unterwegs. Ich lese doch lieber noch ein wenig. Gerne solche Sachen, deren gruseliger Rätselhaftigkeit ich seit vielen Jahren oder auch Jahrzehnten auf der Spur bin und die ich als Privatier nun endlich weiterverfolgen darf: «Gebe der Himmel, daß der Leser, erkühnt und augenblicklich von grausamer Lust gepackt gleich dem, was er liest, seinen steilen und wilden Weg durch die trostlosen Sümpfe dieser finsteren und gifterfüllten Seiten finde, ohne die Richtung zu verlieren; denn wofern er nicht mit unerbittlicher Logik und einer geistigen Spannung, die wenigstens seinen Argwohn aufwiegt, an diese Lektüre geht, werden die tödlichen Emanationen dieses Buches seine Seele durchtränken wie das Wasser den Zucker.» Sowas geht einfach nicht elektrisch. Lautréamont. Die Gesänge des Maldoror. Erster Gesang, erste Strophe. In: Das Gesamtwerk. Aus dem Französischen und mit einem Nachwort versehen von Ré Soupault. Reinbek 1963
Unter Androhung aller erdenklichen schrecklichen Strafen, bester G., reagiere ich seit Beginn meiner Internet-Teilnahme, also etwa seit 1990, auf jeden Versuch, mich zu belästigen. Wer mich anruft, um mir irgendetwas andrehen zu wollen, muß sich aufs Höllenfeuer vorbereiten. Das scheint diejenigen eher weniger zu schrecken, die das für Aufklärung halten oder es als solche bezeichnen. Aber irgendwas Irrationales scheinen sie dennoch zu fürchten. Da ich das von Anfang an in aller Konsequenz durchgezogen habe und -ziehe, auch wenn es anfänglich mühsam war, scheint sich das gelohnt, herumgesprochen zu haben. Die jeweils sofort ausgeführten, meist juristisch ausformulierten Drohungen haben wohl Früchte getragen (ist es das, was man als «nachhaltig» bezeichnet?). Höchst selten erreichen mich noch Spam-eMails unter meiner privaten eMail-Adresse. Der letzte telephonische Versuch auch im Büro dürfte etwa zwei Jahre zurückliegen; die Telephonnummer hatte mal so ein «Dienst» im Netz angeboten (da war er aber verkauft). Ich bin wohl reihum als für das ungeeignet, was gemeinhin unter Konsum firmiert, und als Widerling aktenkundig. Klopf auf Holz. Das Mobile schalte ich nur noch ein, wenn ich es benötige, etwa wenn ich unterwegs oder im Süden bin, allerdings fürs Private nur noch zu einer festen Stunde, da ich dort keinen Festanschluß habe. Gut, ich kann es mir wegen «Erreichung der Altergrenze» erlauben. Aber ich habe es schon einige Zeit vorher getan, quasi als unterstem Ast auf dem Weg zum Baum der Erkenntnis. Ich will das einfach nicht haben. Früher ging's ja auch ohne. Man hat sich mundgemalte Postkärtchen mit Herzchen geschickt oder Rauchzeichen gesandt. — Das ist das eine. Aber es hängt alles zusammen. Ich habe es schon mehrfach geäußert: Gnade der frühen Geburt. Aber so ganz ohne Berührungspunkte zur aktuellen Situation bin ich ja auch nicht, und eine Zeitlang befand ich mich mittendrin. Zu erwähnen wäre einer unter den Bekannten und Freunden, die im akademischen Betrieb tätig sind, der beklagte schon Mitte der Neunziger, da war er noch promovierter Habil-Student und machte die Arbeit für seinen Herrn Professor und übernahm dessen Lehre gleich mit, aufkommende Erschwernisse. Dennoch ist er heute einer der wenigen, die im Rahmen seiner Möglichkeiten die von Ihnen erwähnte Auffassung von akademischer Lehre vertreten. Bereits die Nachgerückten, vor allem die Nachrückenden bringen offensichtlich die Mentalität mit, die da herangezüchtet wird. Wie auch anders?! Da stimme ich Uferblume absolut zu, diese Art des Studiums bildet das ab, was als Wirklichkeit gewünscht ist. Die Zeiten, in denen ich mich gerne im Hochschulbereich aufgehalten habe, sind vorbei. Jedenfalls in hiesigen Regionen. Es macht einfach keinen Spaß mehr, weil Spaß mittlerweile verboten ist. Ich meine nicht den Partyspaß, sondern die Lehr- und Lernfreude, aus der sich oft genug das anschließende fröhliche Zusammensitzen ergab, aus dem sich «Erkenne dich selbst» oder «Verstehe die Welt» herauskristallisieren konnte. Was bei uns als Lehrlingen früher und auch später als Lehrer noch normal war, scheint nicht mehr möglich zu sein. Ich erinnere mich auch nicht, daß das im April diplomierte Töchterlein derartiges berichtet hätte, allenfalls davon, daß der ältere Lehrstuhlinhaber gelassener und nicht so fahrig und hektisch reagiert habe wie die zwanzig Jahre jüngere Kollegin, die nur den von ihr Bevorzugten Zeit zum atmen zugestehen will. Alles ist derartig auf Schnelligkeit und Karriere ausgerichtet, daß es mich graust. «Und ehe sich», das ist es, lieber Vert, politische Begabungen ausbilden können, ist das Studium auch schon wieder vorbei.» Das ist ebenso mein Eindruck, wenn auch aus der Entfernung. Ich weiß, wieviel näher Sie dran sind. Aber «wir damals! ha!», das meine ich nicht. Das wäre mir zu schlicht. Wir hatten eben völlig andere Bedingungen. Und die hielt und halte ich nunmal für sinnvoller als all das auf Wachstum und Konkurrenz Ausgerichtete. Verbesserungen — durchaus, aber nicht zu Lasten einer Gemeinschaft, die bald nur noch virtuell bestehen wird. Längst löst die sich ja auch außerhalb akademischer (Aus-)Bildung auf. Nun ja, so neu ist das alles nicht. Man erinnere sich sich: Kiesinger war's (oder war's Filbinger?), der mal geäußert hat, schließlich dürfe es nicht nur Akademiker geben, es müsse auch jemand arbeiten? Jedenfalls so ähnlich. Und wie die arbeiten müssen mittlerweile. Wenn sie Arbeit haben (und die Studenten obendrein Zeit). Die anderen also, die der Handarbeit willen eine Lehrzeit absolviert haben? Auch die werden «freigestellt» (ich hasse den Erfinder dieses übelsten aller Euphemismen) oder werden zumindest schlecht bezahlt, unter ständig drohendem Wink mit dem Zaunpfahl der Entlassung. Trotz sowohl qualititativer als auch quantitativer Höchstleistung. Das sind Erfahrungen, die wir zur Zeit direkt machen. Diese Erpressungsmethoden der Großunternehmen haben sich mittlerweile sogar die kleinen Mittelständler zueigen gemacht. Ich habe begonnen, jede (frühere) Achtung vor denen zu verlieren. «Zu gucken, zu lesen, zu diskutieren und daraus etwas zu folgern und sei es auch nur, sich nicht alles bieten zu lassen», das denke ich fortwährend, nicht erst seit heute. Als Anfang, lieber G.? Den scheint das Volk nicht zu wollen. Hier wie anderswo. Sonst würde es sich nicht so erniedrigen und jedesmal dieselben Schlächter seinerselbst wählen. Einer der wenigen, die noch Hoffnung zu haben scheinen, ist Jean Ziegler. In seinem neuesten Buch Der Hass auf den Westen macht er einmal mehr vehement auf Ursachen aufmerksam, verweist allerdings auf Veränderungen, wie sich seit jüngster Zeit in Lateinamerika anzubahnen scheinen. Ich weiß nicht so recht, das ist weit weg, von Europa aus betrachtet. Denn mittendrin in diesem alten Kontinent sitzen altgrüne Barrikadenkämpfer wie Daniel Cohn-Bendit und erklären, wie Europa an der Welt hängt. Die französische Bewegung décroissance beispielsweise hält er für «Schwachsinn» — oder so ähnlich, wie er kürzlich laut und vernehmlich zum besten gab aus dem Fond eines Fahrzeugs heraus, der ausufernd bequem wirkte. Aber wahrscheinlich war es ein elektrisch angetriebener, edelledrig überdachter Rollstuhl. Eine Zeitlang hielt ich es mit dem überaus geschätzten Herbert Achternbusch, der seinen Atlantikschwimmer mal sagen ließ: «Diese Gegend hat mich kaputtgemacht. Jetzt bleibe ich solange hier, bis man es ihr ansieht.» Ich habe aufgegeben. Es käme dem gleich, was Franz Josef Strauß einmal angekündigt hat: Ananas züchten in Alaska.
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