Links von der rechten Bibel der Armen Der mit seiner Sehnsucht nach Differenz so wohltuend unamerikanische Italiener Sergio Benvenuto läßt das uns von der medialen rechten Seite dieses Mondes, also allem autopisch-irdischen, das mit dem Herz oder auch dem Mund- oder Schreibwerk auf dem rechten Fleck, gerne als linkisch vorgeführte Pferd Fidel Castro aufzäumen, diesem scheinbar letzten, alten, kranken Gaul im zum Abbruch bereiten Stall der Linken, der mit dem letzten Vorbild für Recht und Ordnung, droit et ordre, dem rechten Gallier de Gaulle geistig eher weniger verwandt ist, allenfalls dessen Abzweiger im Aufräumen eines Sau- oder Augiasstalls, Nicolas Sarkozy, käme das zu: nettoyer au Karcher (ausmisten, gründlich aufräumen, den Schweinestall aufräumen, auskärchern, ein eben nicht vom ehemaligen französischen Monsieur le Président erfundener Begriff, sondern durchaus Alltagssprache in Frankreich, jedenfalls dort, wo man deutschen Produkten zugeneigt ist, hier dem Mercedes unter den Hochdruckreinigern). Aber dieser Herr ist längst narkozy; ob für immer, das wird sich weisen, wenn's auf der linken Seite der ENA wieder zu ruckeln beginnen sollte, vielleicht gibt's dann wieder Küßchen für Mutti Angela. Raus aus den exkursiven Gedanken. In der Ausgabe 97 von Lettre International steigt der italienische Apologet der Linksumorientierung ein bißchen link ein. «Als Enrico Berlinguer — bis 1984 legendärer leader der Kommunistischen Partei Italiens — Kuba einen Besuch abstattete, sagte Fidel Castro ihm frei heraus, la sinistra — die linken Parteien — verlören die Wahlen seiner Meinung nach stets deswegen, weil sich mit dem Wort sinistra düstere und negative Bedeutungen verbänden.» Das ruft zunächst einmal die Bitte auf Erklärung, auf Aufklärung auf den Plan des Orien-tierungslosen, dem ex oriente lux, das aus dem Osten kommende Licht unter Erschwernis aufgehen will, ist es doch heute weitaus verdunkelter als zuvor, als Muslime uns noch mit der Freiheit des Handels, überhaupt die aus den Ländern der aufgehenden Sonne weitaus mehr als Flötentöne beibrachten, beispielsweise das zur Weisheit des Fortschritts fahrende oder führende Rad. Signore Benvenuto tut das direkt im Anschluß, geht geradezu alteweltdidaktisch, im europäischen Sinn der Aufklärung zunächst in die Tiefe der unterschiedlichen Bedeutungen der romanischen Sprachen: «Un tipo sinistro bedeutet soviel wie ein unheilvoller, schlimmer, unheimlicher Typ, und sinistro als Substantiv bedeutet Unglück, Unheil, Unbill. Im Spanischen hingegen hat sinistra eine mißgünstige Bedeutung, izquierda dagegen ist ein neutraler Begriff, der die Parteien der Linken als eine Seite, einen Teil der politischen Landschaft bezeichnet. Also lautete der Ratschlag des lider maximo: entledigt euch des Namens ‹Linke› und ihr werdet siegen.» Was dann und weiter unten kommt in diesem, mich auch in seinem Webmuster, wie an einer alles andere als dem Gebet dienenden Perlschnur argumentativ aufgereihten Text, ist zwar hinlänglich bekannt, jedenfalls denjenigen, die schon etwas länger paddeln in diesem, wie bei mir immer wieder nach links ausbrechenden, weil unbegradigten Hirnbach. Dennoch will ich nichts versäumen, es mögen schließlich dem nach Neuem Gierenden nichts entgehen. Nein, eigentlich nichts weiter, das Altbekannte. Aber Benvenuto geht in diesem, seinem Wissen — hier will wohl auch und nicht zuletzt die Übersetzerin Michaela Wunderle genannt werden, das Original ist mir nicht bekannt — voran wie ein glücklicher Wanderer in der Natur, fast fröhlich-forschen Schrittes immer entlang eines mäandernden Flüßchens, daß es eine Lust am Text ist, diesen Spaziergang mal links und dann wieder rechts herum mitzugehen. Nicht einmal unterliege ich dem Eindruck der Begradigung eines Baches, und doch geht es scheinbar kerzengeradeaus, aber vielleicht ist es die in ihrer Konstanz ruhige, aber stetige Fließgeschwindigkeit, die nur einem naturbelassenen Gewässer möglich ist, bei dem sich alles im Lot befindet. Das Lot ist Benvenuto die Linke. Dabei macht er's mit links, als ob's ein leichtes wäre, beim Denken den Boden zu berühren. Leichtfüßig, bin ich geneigt, mich vor seiner sprachlichen Präzision verbeugend zu schreiben, verweist er darauf, die «Vorstellung von der Asymmetrie von rechts und links sei bloß ein antiquiertes Vorurteil, ist von den Neurowissenschaften zum Teil widerlegt worden. Der rechte Teil unseres Körpers wird vor allem von der linken, der hauptsächlich auf Sprache und Begriffe spezialisierten Hirnhälfte kontrolliert; der linke Teil des Körpers dagegen von der rechten Hirnhälfte, die auf die Raumwahrnehmung und das Gedächtnis spezialisiert ist. Philosophisch ausgedrückt: in der rechten Hirnhälfte überwiegt das Sensible, in der linken Hirnhälfte das Intelligible. Die Sprache und die Fähigkeit zur Symbolisierung sind dem Homo sapiens vorbehalten. In unserem Gehirn ist ‹rechts› jedenfalls als etwas Begriffliches, ‹Hohes› angelegt und links als etwas Rezeptives, Affektives, ‹Niedriges›. Die Hierarchie rechts/links wäre demnach kein in der jüdisch-christlichen Welt wurzelnder Aberglaube, sondem hätte neurologische Grundlagen.» So bekannt das auch immer sein mag, in dieser Asymmetrie gespiegelt führt er die linke Seite, die «stets als die Seite der Verdammten und der Hölle, der Nacht, der schlechten Omen, des unglücklichen Geschicks» ins Licht. Die Historie des Siècle des Lumierères scheint auf, jener Epoche, in der ein Denis Diderot samt seiner Mitstreiter wie Jean-Baptiste le Rond d'Alembert et all die Encyclopaédie ou Dictionnaire raisonné des siences, des arts et des métiers auf den Weg brachten, mit dem Ziel, all denen in ihre eigentliche Heimat, dem allgemeinen Wissen, zu leuchten, diesen Pfad, der von der Kirche immer im Dunklen gehalten worden war. Das waren teilweise lediglich kleine Aufsätze, es gab für die ohnehin analphabetische Allgemeinheit, aber auch für die gebildetere Schicht keine Bücher, aus denen sie Lebenshilfen beziehen konnten, wie beispielsweise die von Louis de Jaucourt zur Kosmetik, in der er anmerkte: «Celsius hat sehr richtig bemerkt, die meisten der so gepriesenen kosmetischen Mittel seien nur ein sinnloser Zeitvertreib, eine bloße Scharlatanerie; es sei zwecklos, den Sonnenbrand, die Sommersprossen, die Rötungen des Gesichts beseitigen zu wollen; es sei ein Wahn, zu hoffen, daß man die Rauheit des Teints und die natürliche Hautfarbe ändern könne, und erst recht ein Wahn, die Runzeln beseitigen zu wollen; aber die Frauen seien in die Schönheit so vernarrt und von dem Wunsch, die Spuren des Alters zu entfernen, so besessen, daß es unmöglich sei, diesen Hang bei ihnen zu überwinden und sie von der Nichtigkeit all jener schönen Geheimnisse zu überzeugen, die den Namen Kosmetische Mittel tragen.» Verfaßt und im Lauf der Jahre veröffentlicht wurden auch umfassende Abhandlungen über Gott und die seinerzeit aufkommende Veränderung der Sicht auf die Entstehung der Welt. Doch aus der heutigen Perspektive des umfänglichen Wissens um Gott und die Welt scheint mir Benvenutos Essay Hirnhälften, Hemisphären beinahe in die Kategorie der Randbemerkungen zu gehören. Und richtig, im Heft 97 von Lettre International firmiert er auch unter Briefe und Kommentare, ganz hinten im, na ja, Blatt. Dennoch hätte ich nicht schlecht Lust, diesen Text einfach abzuschreiben und hier einzustellen, weil er dazu beitragen könnte, zu befreien vom «Wahn, zu hoffen, daß man die Rauheit des Teints und die natürliche Hautfarbe ändern könne, und erst recht ein Wahn, die Runzeln beseitigen zu wollen». Aber das würde den parisischen Berlinern aus aller Welt, würde Lettre International nicht gerecht, und es wäre zudem nicht recht, wollen, sollen die doch auch etwas von dem großen Medienkuchen nach dem Krümelprinzip der brotlosen Marie-Antionette abhaben, zumal er bedeutend gehaltvoller daherkommt als das meiste des Angebots, das mir in seiner Macht der Masse, des massenhaften Vorkommens der immergleichen Quantität bisweilen vorkommt wie die biblia pauperum, die auch dafür geschaffen ward, anhand von Bildern das Wort Gottes und nicht anderes zu vermitteln. Auch die Ästhethik stimmt gemäß meiner Vorstellung von ihr, das Formale richtet sich am Inhaltlichen aus. Das linke Klo ziert kein Gold, es geht im Fuß eher zur völlig ausreichenden, nicht ganz so arg dem Leistungsprinzip unterworfenen Bronze hin, dem scheinbar ärmeren Material, ein wenig malerisch vielleicht im Sockel, aber oben ist es blitzsauber, wenn auch nicht aseptisch rein wie in den Haushalten der Bevorzuger nicht nur der Billigheimer, all jener, die keine Bakterien mehr leben lassen, die ihre Kinder nicht mehr über die Kuhkoppel hoppeln lassen wollen, auf daß bei denen die Allergien die Flucht ergreifen. So soll von dem, wie er die Linke be- oder auch aus-, ja erleuchtet, nur noch ein wenig zu lesen sein. Vielleicht greift ja außer meinen beiden Lieblingsösterreichern Enzoo und Phom daraufhin noch jemand zu und ist gleichermaßen hingerissen von dieser Aufklärung außerhalb des Reviers von Oswald Kolle. Also zitiere ich als Empfehlung für das Ganze die beiden Schlußabsätze des Essays Hirnhälften, Hemisphären des Psychoanalytikers und Philosophen Sergio Benvenuto, auf dessen Liege es mir anscheinend so heiter zugeht wie auf der des Herrn Doctor der Kunst. Jedenfalls ist die Sache der politischen Linken besonders kompliziert, versucht sie doch, ein angeborenes neurologisches Ungleichgewicht gegenüber der Rechten zu kompensieren, indem sie sich als lnteressenvertreter jenes (politischen) neglects der schwachen Seite der Gesellschaft und des Lebens hinstellt. Es ist paradox, daß die politische Linke, um den geschädigten Teil der Gesellschaft sichtbar zu machen, ausgerechnet an unsere linke Hirnhälfte appellieren muß, den rationaleren, den gerechteren Teil also. Das ist das Ende, der Schluß, einer Zusammenfassung von Internationale Briefe links, zwo, drei, Champagnertrüffel auch für Arme, denn soziale Marktwirtschaft kann durchaus auch Porsche für einen Linken meinen. Möge er rasen, so seine alte Gurke dazu überhaupt in der Lage ist, wenn er denn das Bedürfnis hat, schneller zu fahren als alle anderen. Die denkende Gemeinschaft aber fordert und fördert im nicht sponsorisierenden Sinn den Fortschritt in der Langsamkeit.
Jean Baptiste le Rond d'Alembert
hat sich auch in meiner Bibliomanie einmal bemerkbar gemacht.>> kommentieren Oder
wie es gerne hieß: Wer als junger Mensch nicht links denkt ist ein Arschloch, wer es als alter tut, ein Idiot.So herum sehen
kann man das. Oder so 'rum. Aber auf keinen Fall andersherum. Sollte ich mich mal wieder undeutlich ausgedrückt haben, so kann ich diese Absicht nur unterstreichen.Ich tüftle gerade
an einer Teilantwort. Ein bißchen Orientierungshilfe, auch wenn man mir mal untersagt hat, diesen Begriff in diesem Zusammenhang zu erwähnen, das sei schließlich der Titel einer Sendereihe des Österreichischen Rundfunks ORF, aber, man merke auf, darin: Casanova ruft zu Ungehorsam auf. Dieser Casanova ist ein Religionssoziologe. Der offenbar im Alter immer aufgeklärtere Heiner Geissler schwingt und klingt da mit, der neulich innerhalb einer Studiorunde mit noch so ein paar Philosophen ungefähr so sprach. Ich lasse mir doch von der Kurie doch nicht vorschreiben, wie ich zu glauben habe.Aber an die Macht mag ich nicht mehr. Das habe ich mittlerweile aufgegeben. Da müßte ich einäugiger Idiot ja Blinde — ach nein, das lasse ich lieber, sonst setze ich mich auch noch verstärkt dem Vorwurf der Arroganz aus. Wenn es mir auch nichts nützen wird, daß ich darunter auch wieder etwas anderes verstehe als zuviele, die, Sie wissen es meiner Erinnerung nach, ohnehin allzu bereit sind, ständig das höfische Gut Kompliment verteilen.
höfisch. wenn sie mich lachen hören könnten.
da muß ich immer an findelkinder denken: "bade im schaum der claqueure." ist einfach so. und. außerdem wollte ich noch sagen: jetzt haben "sie" mich soweit, ich sag nur lettre. so. viele grüße aus kurz-vor-moskau. Eine Frau, eine Frau!
Ich sage nur: eine Frau im kleinen Kreis der Blogueurs sans Frontières de Lettre. Der kleine Kreis bekommt Zuwachs durch ein gebärfähiges Weib, Randbemerkungen beginnen, hinfällig zu werden.>> kommentieren enzoo (10.08.12, 15:36) (link) ich meine doch
ihre lieblingsösterreicher sollten weiterhin thomas bernhard und elfriede jelinek sein oder vielleicht erst werden, oder andere, berufenere, zumindest was mich betrifft, ich möchte phom da nicht in geiselhaft nehmen, aber gefreut hats mich doch - danke!wäre nicht ihr posting gewesen, hätte ich die benvenuto-geschichte erst viel später gelesen (ich habe mit mir vereinbart, jeden tag einen oder zwei artikel aus den lettres zu lesen, um eine protestaktion meines bücherstapels erst gar nicht aufkommen zu lassen: gestern war ich von diesem erleuchtend-tragischen über die camorra gefesselt - dass die entfernung der capos auch schlecht sein kann, kam mir bisher noch nicht in den sinn, und emotional wehre ich mich weiter gegen diese einsicht, vielleicht weil ich noch immer nicht glauben kann, dass man das böse nicht von dieser erde tilgen kann: ich bin und bleibe anscheinend ein sentimentaler dodel). die links-rechts-aufgabenteilung war mir weitgehend bekannt, das "neglect" aber war mir neu und interessant: und unvorstellbar, dass man nur mehr die rechte seite der welt wahrnehmen soll, nicht nachvollziehbar, auch bei angestrengtestem versuch. und gleich den trieben des IT-lers folgend, die sonderfälle und ausnahmen konstruierend (durchschnittlich 90 prozent des codes einer software widmet sich der fehlerbehandlung/vermeidung und den sonderfällen): wenn die pizza vom hemiagnostiker rechtsseitig gegessen wurde und nur mehr der linke halbmond existiert und man nun den teller um 90 grad dreht, sodass es wieder eine rechte und eine linke seite im gesichtsfeld gibt: wird dann weitergegessen? wenn ja, dann könnte man durch einen teller, der selbstständig und beständig langsam rotiert, einen hemiagnostiker in den genuss fast einer ganzen statt nur einer halben pizza bringen (und ein kleines stückchen lässt schliesslich eh beinahe jeder über). ein durchschlagender verkaufserfolg wird dieser teller aber vermutlich nicht werden, allein wegen der hoffentlich geringen anzahl von hemiagnostikern. natürlich ging es in diesem artikel am allerwenigsten darum, ich weiss. aber der rest des artikels von signore benvenuto ist auch gut bei mir angekommen. nomen est schliesslich omen. Elfriede Jelinek scheidet
aus in dieser Konkurrenz. Sie ist eine Frau. Thomas Bernhard auch. Nicht, weil er eine Frau ist, sondern keine war. Tote dürfen an diesem Wettbewerb nicht teilnehmen, habe ich beschlossen. Wenn ich ihm auch gerne zuhöre, ihm nicht zuletzt. Wie Frau Jelinek eben auch, nicht nur weil sie eine Frau ist. Hier aber geht es alleine um die, wie ich immer wieder lese, sterbende Bloggerei. Nun ja, vielleicht stimmt das insofern, als diese Art, die gemeint sein könnte, auf Zwitschern und die Gesichtserkennung tausender anderer ausgewichen ist, weil man dort mehr Freundschaften schließen kann. Doch ein wenig geknickt bin ich zweifelsohne, da sie nicht wünscht, zitiert zu werden. Dafür habe ich zwar durchaus Verständnis, da so jedem bloggenden Schöngeist, nenne ich ihn mal einen Rechtsintellektuellen, die Möglichkeit gegeben wäre, nach seinem Gusto ihre Kreationen zu verwursten. Aber mir, der ich sie seit je schätze, fehlt dadurch machmal eine Geschmacksnuance in meiner Cuisine der Bloggerei. Allerdings beiße auch ich häufig genug in die Seife. Nicht als Affe, sondern als Idiot.Daß es in diesem Artikel um die Kompositionlehre von links- bezziehensweise rechtdrehendem Yoghurt geht, das wissen wir. Dabei wäre Benvenuto ein ansprechender Markenname. Man sollte mal bei Herrn Nestlé anfragen, ob er Interesse hätte. Doch ich nehme an, er könnte ein noch so großes Sponsorenangebot machen, er stieße auf wenig Gegenliebe, selbst wenn er steuerun-begünstigt spenden täte. >> kommentieren Amerikaner und andere Gottesteilchen
Der Benvenuto- Text ist offenbar 1999 veröffentlicht, vielleicht früher. Man merkt es ihm an, denn 13 Jahre später wäre er wahrscheinlich weitaus radikaler, apodiktischer verfasst. Vielleicht hätte es auch deutlichere Verweise auf die (Un)Bildung der Massen nach amerikanischem Vorbild gegeben, sprich, auf Standardisierung der Lehrpläne, vor allem in den Bereichen M(athematik) I(nformatik) N(aturwissenschaften) und (T)echnik nach angelsächsischen Kompetenzvorstellungen zuungunsten des Sich-Treiben-Lassens, des laissez faire, mit dem frühere europäische Akademikergenerationen insgesamt sehr gut gefahren sind. Denen es noch helfen konnte, erst in Tübingen Rhetorik zu hören, sich in Heidelberg mit Schelling, Kant und Hölderlin zu befassen, um 4 Jahre später in Münster in Recht examiniert zu werden. Schließlich gab es einmal die schöne deutsche Tradition, Dingen auf ihren sittlichen Grund gehen zu wollen (und zu können). Da gab es mit Kontemplation gesättigte Zeit, die heutzutage unter den von Benvenuto beschriebenen Bedingungen mit einem einzigen Hauen und Stechen verbracht wird, einem unwürdigen Tanz ums goldene Kalb: Auswendiglernen, Praktika, Schlangestehen, Denkverbot. Utilitarismus nennt die Bildungsforschung diese Form der Zwangsneurose gerne; ein Euphemismus allerdings durch und durch, denn der Begriff impliziert eine irgendwie gutartig geartete Fürsorge. Dabei handelt es sich um eine strukturell angelegte, infame Entmündigung ganzer Generationen. Kein Wunder, dass ihnen Figuren erwachsen wie jener biederer Skandinavier, der vor Sehnsucht nach Differenz nicht ins Ausland reist und dort Authentizität sucht, sondern behauptet, er sei ein Massenmörder von Hannibal-Lector-Zuschnitt. Welche Rolle spielen global operierende Konzerne wie Google, Apple, Coca Cola? Profitieren sie (nur) von diesen Strömungen, befeuern sie sie, begründen sie gar? Ihre tendenziöse Kraft, kulturelle Unterschiede quasi bis zur Unkenntlichkeit aufzulösen (bis weit in die Sprache und damit ins Denken hinein) erscheint mir Teil ihrer Identität. Sicherlich kein Zufall, dass sie allesamt amerikanisch sind. Ouf !
Dafür muß ich mich zunächst mal stärken. Ich komme darauf zurück.>> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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