Geschichte unterm Schichtl Ich war einmal ein Liebhaber. Fürs Kabarett bin ich vor etwas zurückliegenderer Zeit weite Wege gefahren, habe auch unbequeme Umwege inkauf genommen. Glücklicherweise habe ich die Reisen dorthin manchmal bezahlt bekommen, allerdings erst später, nachdem ich diese Landleidenschaft bereits auf eigene Kosten erkundet hatte. Dann brauchte ich in der Regel lediglich Bayern in den gen Norden ausgerichteten Telephonhörer zu sprechen, um ein Ja, sehr gerne zu hören. Es ging nicht um die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, die, deren Ensemblemitglieder ich gleichwohl sehr schätzte wie auch all die anderen aus der sogenannten Kleinkunst. Dann ging es um diesen neuartigen, aus den Urwäldern ins Binnenland eingewanderten bayerischen, manchmal gar feinen, filigranen Humor, den köstlich grantelnden Witz aus Niederbayern, der Geburtsstätte heute alt- bis ausgedienter Koryphäen intelligent-komischer Tugendboldereien, er war exotisch genug, um offene Rundfunktore einzurennen. Ich hatte meine Liebe in Passau gefunden, ohne danach gesucht zu haben. Als ich dorthin gefahren war, um über Festspiele in der Nie-Gelungen-Halle zu berichten, dort, wo seinerzeit Franz Josef Strauß seine Belfereien ins Volk trötete und die katholischen Oberen Sitte und Moral bestimmten, ein heutiger getreulicher Diener des Papstes noch als Linker die wahrlich nicht, wie es besänftigend heißt, «liberale» Passauer Kleine Zeitung redigierte, da führte mich mein Weg geradezu zwangsläufig ins dortige Scharfrichterhaus. An diesem fröhlichen und zugleich kämpferischen Ort begegnete ich Ottfried Fischer wieder, den ich bereits als semiprofessionellen Primus inter pares der Machtschattengewächse in München kennengelernt hatte, die bereits, anders als in Wikipedia behauptet, vor dem Hinterhoftheater am Hart existierten. Hinzu kamen der damals bitterböse Bärbeißer Siegfried Zimmerschied (Mia druckn ois, nur des [so ein linkes Druckdreckswerk], des druck ma ned.), der ernsthaft komische wortziselierende Bruno Jonas, der mir später in der Wohnstube die Karikatur des sponsoridierenden Großmetzgers Maier-Frischart ins Mikrophon gab, eine von mir bis heute gern gehörte Persiflage auf einen sich in den Strahlen des Mäzenatentums sonnenden Bäckers der bajuwarischen Metropole, der zunächst übers Klavier, ebenfalls in der alles andere als gemütlichen Donaustadt bekannt gewordene junge Rudolf Klaffenböck war fast schon die nächste Generation. Mein Interesse daran ist schwächer geworden, auch, da mich ein anderes Metier, zudem außerhalb des Rundfunks in Beschlag nahm, aber völlig erlahmt ist es nie. Nach wie vor höre und schaue ich gerne hin, wenn die Kinseherin oder der, im Gegensatz zu anderen, nach wie vor ordentlich austeilende Django Asül (hier ein Hinweis, weil der ans letzte hiesige Thema anschließt: Die Baywa-Ausgabe von Dominique Strauss-Kahn) ihre Auftritte haben. Ich ähnele mittlerweile jedoch immer öfter der bundesdeutschen Kanzlerin, die Mundwinkel kippen mir immer öfter nach unten, die Karikaturen dieser zugestandenermaßen ohnehin schwierig zu karikierenden Figur werden immer flacher, bald so eindimensional wie antimuslimische Zeichnungen nicht nur aus Dänemark. Es mag daran liegen, daß ich ein ewiggestriger, wegen Altersstarrsinns nicht rundzuerneuerender Freund des sogenannten Nummernkabaretts bin. Vermutlich deshalb höre ich auf bei einem Jüngeren wie Max Uthoff, zu dessen wahrhaftig zubeißendem Vater Reiner ich bereits gerne ins Rationaltheater in der Münchner Hohenzollernstraße gegangen bin. Doch diese Solitäre scheinen immer öfter zu verglühen im Universum. Da muß es ein schwarzes Loch geben. Auch die das All übernehmenden Damen scheinen es kaum zu füllen. Gestern wollte ich mich fremdverschämt in mein Mauseloch verkriechen, nachdem ich ins von Lizzy Aumeier begleitete Frauenkabarett geriet, weil die Darbietungen dürftig bis peinlich waren. «Nichts wird geschont», heißt es dickbrüstig im bayerischen Volkskanal, «weder die große noch die kleine Politik mit ihrem Ämter-Karussell-Lifting und Viagra — alles kommt mit rabenschwarzem Humor aufs Tablett. Ein rasantes Programm mit preisgekrönten Kabarettistinnen, das neue Lachhorizonte eröffnet.» Geschont wurden meine bedürftigen Muskeln, mein so gern bewegtes Zwerchfell war bar jeder Kontraktion. Mehr noch, mir wurde rabenschwarz vor Augen und in den Ohren, ich mußte abschalten. Einemaria war es, der meine Erinnerungen an die gute alte Zeit ausgelöst hat. Er war, wie meistens, die Hartelinie gefahren, dieses Mal hatte er bei König Leopold im Kongo Station gemacht. Er hat mich nun hier mal wieder ausschweiferisch zum Menetekeln oder Motzen*, zum Assoziieren, auf Umwegen zum Kabarett gebracht. Deshalb hier die Wiederholung meines zwar ein wenig abgewandelten aber deswegen dennoch als Zitat deklarierten Kommentars: Ich fühle mich dabei in diese neuere Art von Kabarett versetzt, diesen Klamauk zwischen Schichtl und nicht minder schaustellererischer Promibankhockerei, bei der die Leutchens immerfort gickern oder gar schallend laut an Stellen lachen, das mir nicht einmal ein müdes Grinsen abverlangen will. Mir fällt dabei jedesmal der Kommentar eines Kollegen ein, als ich mich vor Jahrzehnten über den Andrang der besseren Gesellschaft auf den Grünen Hügel wunderte, auf dem diese eine mehr als dürftige Inszenierung rasend beklatschte. Er meinte, sie hätten viel Geld ausgegeben für diese Veranstaltung, Bahn- oder Autofahrt übers weite Land, zuvor ein neues großes Schwarzes, ein neuer Smoking, auch das abschließende Abendmahl, bei dem man schließlich be(ob)achtet würde, käme nicht eben so preiswert wie beim ansonsten aufgesuchten Billigheimer, sie seien also gezwungen, zumindest zufrieden, besser noch glücklich zu sein über ihre Anwesenheit, sie applaudierten sich also selbst. Die Darbietungen sind aus meiner Perspektive oft (auch) deshalb so anpasserisch dünn, weil das Publikum immer weniger Hintergründe kennt, aus denen heraus, würde es sich mehr allgemein bilden, köstliche Miniaturen gestalten ließen: kleine, zurückgenommene, neudeutsch, ursprünglich aus der (bildenden) Kunst geboren, minimalistische Wortfiguren, die der Phantasie der Erinnerung von einstmals intellektuell Verarbeitetem aufhälfen oder gar weiterführten. Da es diese jedoch in der Regel nicht gibt, man also nicht nur eine, sondern die Geschichte nicht kennt, muß ein dünnes Brettchen die Bühne bohren, das kein weiteres (Nach-)Denken erfordert. Dann haben wir das Volkstheater, das keinen Deut besser ist als das vom Chiem- oder Tegernsee oder einer anderen Bühne des Fremdenverkehrs, über das die Nachtwaschsalonhocker abfällig die Nase rümpfen, weil es intellektuell nicht ihrem Niveau entspricht. Sie wissen es oft genug nicht, daß genau dies viele Politiker sich wünschen, diese liebliche Bildungslandschaft, in der kaum jemand den eigentlichen Mehrwert sehen soll, den verborgenen Kernpunkt, um den drumherumgestaltet worden ist wie beim Norwegen durch Slartibartfast, in dem die Vogonen unbemerkt unten drunter oder oben drüber oder mitten durch eine Umgehungstraße bauen, auf daß ihre monströsen langlinigen fahrbaren Lager der Teilevorfertigung noch rascher vorankommen in ihrem Wirtschaftwunderuniversum. Die heute so schlicht auf den Idiot reduzierte Privatperson, die jungdynamische Neupolitiker vermutlich deshalb abgeschafft wissen wollen, weil die ohnehin keinen Neu-Wert haben und das dann aus ihrer Bachelor-Bildung heraus auch noch unwissentlich unter direkte Demokratie firmieren lassen, nähert sich unaufhaltsam dem, nein, nicht dem Mittelalter, in dem das Volk einfache Bildchen kuckte, weil es nicht lesen konnte, sondern eben der Antike, in der das Volk nunmal wirklich nichts zu sagen, geschweige denn zu lesen hatte. Vielleicht will die obere Kaste Europas, der «gebildeten» alten Welt ja deshalb Griechenland retten, um endlich den Urzustand wieder herzustellen. Man stelle sich vor, ein Kabarettist oder eine Kabarettistin machte eine intelligent-witzige Andeutung über König Leopolds rasende Ritte durch den eigenen Vorgarten der mehrfachen Größe seines Landes, nicht eben wenige dürften das für eine komische, eigentlich oder vermutlich seltsam meinende, vielleicht die Werbung karikierende Einblendung halten, über deren Inhalt sie sich zwar nicht im klaren sind, über die sie aber dennoch laut lachen würden, weil sie schließlich nicht ausgesperrt sein wollen aus der Unterhaltung, die die Geschichte an sich bietet.* À propos Motzen: Ende der Siebziger wollte ich eine Zeitschrift gründen mit dem Titel Motz. Enthalten sein sollten Rundfunkbeiträge, die von Hauptabteilungsleitern bis hin zum Intendanten abgelehnt worden waren mit der Begründung mangelnder Qualität, wobei aber eindeutig zuviel Kritik an Kirche und Gesellschaft ausschlaggebend war. Ausgangspunkt war die Sendung einer Kollegin über Otto Muehl, in der dieser wohl allzu ausschweifend den Begriff Ficken zu erläutern trachtete. Der damalige Redaktionsleiter setzte sich über das Sendeverbot hinweg, da er den Beitrag kulturell als für zu wichtig erachtete. Allerdings legte er über jedes inkriminierte Wörtchen einen Ton von ich weiß nicht mehr wievielen Hertz und sendete spätabends. Am nächsten Tag gab es im Sender nur ein Thema: die Piep-Show. Der Herr Redakteur machte im Haus keinen Stich mehr, leitete aber später, lange nach einer Karriere in einem großen Verlagshaus, die Hauptabteilung Kultur einer heute allüberall sehr geschätzten Rundfunkanstalt mit Sitz in Berlin. Aus Motz wurde nichts mangels Angebot. Die Schere im Kopf hatte damals bereits ihren Siegeszug angetreten.
Mein Tag der (R)Evolution. Einmal will auch ich politisch aktuell sein, da es mich am meisten bewegt. Denn heute ist (m)ein Tag der Entscheidung, dem ich dauerwütend seit längerem entgegenzittere. Die Anhänger von Marine Le Pen, gegen deren 2002 in die Stichwahl gekommenen Vater, aber auch gegen Sarkozy ich vor der letzten Wahl auf die Straße gegangen bin, gehen davon aus, daß sie spätestens zur übernächsten Madame le Président werde. Nun gut, was die Fangemeinde sich so ausmalt. Aber die Gefahr ist groß, ein bißchen übel wird mir dabei durchaus. Schon zu ihres Vaters Jean-Marie Regentschaft war es zum Beispiel in Marseille schier unmöglich, einen der kleineren Läden zu mieten, etwa Bar-Tabac, Journal et cetera, im 1. Arrondissement, also im Zentrum, im weitläufigen Bereich des alten Hafens bis hinauf in den multikulti-geprägten, ältesten Stadtteil Panier, aber durchaus auch in weiter weg gelegenen Quartiers, war man nicht Mitglied oder zumindest Sympathisant des Front National. Tochter Marine hat ihn nun mit Weichmacherparolen geöffnet. Doch manch einer derjenigen, die gewiß oder eigentlich überhaupt nicht in das Weltbild dieser Hasser all dessen passen, was ihnen fremd erscheint, hat sich ihm bereits zu Papas Zeiten zugewandt. Es gab viele Schwarzfüßler und sogar einige Beur, die für Rechtsaußen gestimmt haben, also für die, die sie dorthin zurückjagen wollen, wo sie nach Meinung der Frontkämpfer hergekommen sind, nach Afrika, unabhängig davon, ob sie fürs Land in den (Algerien-)Krieg gezogen sind, im Heimatland geboren und auch dessen Staatsbürger sind. Die sowie überhaupt viele Kleinstbürgerliche etwa aus dem Lager der Ladenbesitzer, da wären Bar-Tabac, Zeitungen oder Kleinwerkstätten, aber eben auch die Bevölkerung der kleineren Städte und der Provinz, die von der ruhmreichen Kolonialgeschiche des Landes nichts oder nichts mehr wissen wollen, machen einen großen Teil der potentiellen Wählerschaft aus. In diesem Gewässer hat Sarkozy nun um die Gunst des Èlecteur gefischt. Das hat ihm noch einmal ordentlich Gegensturm ins Segel geblasen, so daß gar der durch-und durch-altbürgerliche Bayou (wie Madame le Pen selbst) zur Stichwahl die Empfehlung verweigert hat. Ob's zur Abwahl reicht, bleibt offen, aber ich bin guter Hoffnung für morgen. Die gegen vermutlich erhebliche Stimmengewinne von Marine le Pen in fünf oder zehn Jahren ist allerdings bereits entschwunden. Auch hierbei bin ich froh, nicht mehr zu den Jungen zu gehören, nicht nur zu denen, die der amtierende Monsieur le Président einst wegkärchern wollte.Da also die bittere Realität aus dem Phantastischen der Reise durch das All herausragt oder auch ein Thema für sich ist, stelle ich ich meine Antwort auf den Kommentar der Kopfschüttlerin aus dem fernen kurz vor Moskau auf Seite eins beziehungsweise reihe die dazugehörenden Passagen noch einmal in einer neuen, meiner Ordnung auf. Ich tue das auch, weil erfahrungsgemäß Kommentare häufig nicht gelesen werden, weil der Mensch an sich dazu neigt, nur das zu lesen, was auf der ersten Seite steht. ich las heute in der berliner zeitung: Der Wahlsieger in Frankreich wird damit leben müssen, dass sein Erfolg auch vom Votum einer erstarkten national-istischen Rechten abhängt, die die französische Politik künftig stärker als zuvor prägen dürfte.Links zu verlinken, ist kein Tabu im hiesigen kleinen Häuschen, auch die rechte(re) Welt bietet Information, an die ich häufig nicht gelange, da ich sie, wie auch den Freitag, nicht regelmäßig lese, Glücklicherweise habe ich eine Vorleserin. Ein Tabu wäre allenfalls der allzu einschlägig vierbuchstabige große Bruder dieser Springer-Presse, deren Gegner ich war, bin und bleibe, auch wenn ich zugestandenermaßen eine Zeitlang selbst zum Konzern gehörte, wenn auch in einem Verlag weitab politischer Meinungsbildung, der dann an ein anderes Haus verkauft wurde, zu dem ich allerdings mittlerweile auch keine sonderlich positive Meinung mehr habe. Was Lutz Herden im Freitag nicht berücksichtigt, obwohl er sich doch auf Geert Wilders bezieht: darauf hinzuweisen, daß dessen Umtriebe auch nicht gerade wütende Proteste seitens der EU-Politiker hervorrufen, wie auch in anderen Mitgliedstaaten unserer Union. Aber vielleicht sollte ich hier etwas moderieren. Es sind in erster Linie die immerfort die sogenannte Mitte propagierenden Medien zur Hauptsendezeit, die kaum etwas nach außen dringen lassen von den meist im Hintergrund stattfindenden Debatten um Ereignisse dieser Art. Im Vordergrund läuft eben das ab, was die breite, politisch nicht wirklich interessierte Masse bewegt, zum Beispiel die Versuche der dänischen Rechten, wieder Grenzkontrollen einzuführen. Wenn's um diese andere Art der freien Fahrt für freie Bürger geht, dann geht auch das Interesse des gemeinen Interessenten auf. Als Frau Merkel ihrem Galan ein Geschenk machen wollte und ihren Innenminister vorschickte, der daraufhin wahlk(r)ampftechnisch von temporärer Grenzschließung plapperte, was Merkozy logischerweise die abendlichen Nachrichten bei Bier, Kartoffelplätzchen und/oder auch alkoholgeschwängerten Praliné namens Cherie sicherte, da schauten sogar viele ins meinungsregelnde Staatsfernsehen hinein und ließen auch sonstige trittbrettfahrende oder auf Gleichschaltung bedachte Meinungsmacher nicht aus. Ich halte es schlicht für Unsinn, wenn in diesen Breitwalzmedien behauptet wird, es würde sich mit Hollande europäisch etwas ändern. Er wird allenfalls — hoffentlich tut er das tatsächlich, wenn er die Präsidentschaft übernehmen sollte — so manchen Fehler oder bewußt vergessene Versprechen von Sarkozy korrigieren und mal zu den Stahlarbeitern in die Lorraine oder zu anderen Hinterbliebenen der von Sarkozy extrem zugunsten des teuflischen Haufens geförderten Globalisierung fahren oder den Spekulanten den Hahn des sprudelnden Geldes ein klein wenig zudrehen, überhaupt die Binnenwirtschaft etwas zu beleben versuchen. Mehr zu tun, das wird auch ihm kaum möglich sein. Ein würdiger Nachfolger Mitterands — man mag über dessen Regentschaft denken, was man will — wird er kaum werden, dazu ist das Schiff Grande Nation bereits zu weit ins Universum entschwunden, um im dortigen Phantasialand nach großen nationalen Wundern eines neuen Lebens im alten zu suchen. Realität ist die in der europäischen Wiege vor sich hinschlummernde Petite Nation. Die große alte ist allenfalls noch in den geradezu wundersam existierenden Kolonien zu besuchen. Wer die bezahlt, das wird nicht weiter erörtert. Es ist aber auch zu großartig, per Inlandsflug nach Guadeloupe, nach Martinique oder nach Réunion zu fliegen, wo man, so es persönliche Kontakte gibt, das Frankreich der fünziger und sechziger Jahre bestaunen kann. Mir hat mal ein Schwarzgekäuselter auf Martinique gesagt, nie würde er nach Europa ziehen, denn dort gäbe es das Mutterland schon lange nicht mehr, das wahre läge fernab davon, also hier. Ein Restaurant am Rand des Unversums. Viele auf dem alten Festland wollen einfach nicht wahrhaben, daß es nunmal die Grande Nation war, die soviel Buntes in den Kessel brachte. Das ist auch eine Art von Geschichtsbewältigung: die des Ignorierens von Wirklichkeit. Aber DOM-ROM gleich Départements d’outre-mer existiert nunmal, auch wenn die meisten nicht hinfahren, wahrscheinlich, weil es nicht zum Schengen-Raum gehört, man also nicht einfach mal barrierefrei zum Autobahnbrettern rüberfahren kann (wie umgekehrt die zu Feinschmeckern gewordenen Deutschen zum Billigeinkauf von tiefgefrorenen Schnecken, ja sogar, erst kürzlich selbst gesehen, von Froschschenkeln oder Crevetten aus den einstigen Atomversuchsgebieten). Auch an Nordafrika wollen viele nicht denken, obwohl das doch zu großen Teilen waschechte Franzosen waren, die dorthin übergesiedelt sind, weil ihre Trauben das Zeitliche gesegnet hatten und die dann nach dem Algerienkrieg als Pied-noir zurückwollten in die Heimat, dort aber nicht mehr gelitten waren, genauso abfällig behandelt wurden wie diese ganzen faulen Bastarde aus diesen Drecksländern. Gegen diese alle trat und tritt dieser kleinwüchsige Narkozy nun auf beziehungsweise aus, will sie, seit ihm die scheinbar königliche Macht dennoch abhanden zu kommen scheint, mehr noch als früher, also wenigstens geistig, da ihm seine allzu offen geäußerten brutalen Methoden doch einige verübelt haben, wegkärchern, er, dem große Teile der Bevölkerung vor fünf Jahren ihre Stimme gaben, weil sie davon ausgingen, daß ein Restimigrant wie er, ein vom Vater eingeschleppter Ungar, mehr Verständnis aufbringe für die Nöte der historisch Übriggebliebenen, zu denen auch die Beur gehören, die Nachkommen der Einwanderer aus Afrika, das war ja nicht nur Algerien, sondern noch einige Länder mehr, in denen die Tricolore wehte. Er meinte wohl, es würde ihm ausreichen, sich der Stimmen derer zu vergewissern, die immer daran glauben, es könne wirtschaftlich nur mit ihm und überhaupt aufwärts gehen, auch, weil er dieses Pack aus dem Land vertreiben will. Die hat er teilweise nun auch noch von ihrem bürgerlichen Glauben abfallen lassen, weil sie allesamt ihrem Katholizismus anhängen und ihn mittlerweile für einen Scharlatan halten. Es haben sich möglicherweise ein paar moralisch einwandfreie Evangelen daran erinnert, daß man ihre Vorfahren bis nach Preußen vertrieben hat. Ob François Hollande es besser machen wird, darf infrage gestellt werden. Er kann ähnlich werden wie François Mitterand, zumindest genauso höfisch agieren. Aber selbst unter diesem Aspekt hätte ich mehr Hoffnung als bisher. Lediglich der Gedanke an Marine Le Pen könnte sie ins Sterben schicken. Dennoch gehe ich jetzt zitternd um meine Stimme auf Sendeempfang. Vielleicht schreie ich heute abend noch einmal kurz auf. Aus Schmerz oder, hoffentlich aus Freude. Der Champagner liegt bereit. Im Keller ist's ja kühl genug. Im anderen Fall gibt's Pastis. Pur. Besser wäre Absinth. Wegen der Bitterkeit der Realität und zur Betäubung. Das käme der Flucht aus diesem schlechten Roman näher.
Mit dem Radio durch die Galaxie Nahezu schicksalhaft tauchte dieses Textlein aus dem Fundus auf, wohl die selige Erinnerung an eine Zeit gemahnend, als ich noch nicht verunsichert war von schwarzen Löchern wie etwa dem, das inmitten unserer Milchstraße ruhend darauf lauert, sie in einigen Jahren zu schlucken, während ich mir ernsthaft Gedanken darüber mache, ob die Wahlen des kommenden Wochenendes in Frankreich, Griechenland und Schleswig-Holstein Veränderungen bringen werden. Endlich ist es soweit: Die Antwort auf die Frage nach «dem Leben, dem Universum und allem» kann man vom 28. Dezember (1981) an im Bayerischen Rundfunk erhalten. In sechs Folgen zu je fünfzig Minuten versucht der britische Hörspielautor Douglas Adams mittels seiner Sience-fiction-Satire Per Anhalter ins All erschöpfend Auskunft geben über die brennenden Probleme der Menschheit: Warum wir leben, warum wir sterben und warum wir zwischendurch soviel Zeit mit Digitaluhren an Handgelenken verbringen. Der Bayernfunk hat mit diesem Sechsteiler sein bislang teuerstes Hörspiel produziert, die etwas später sendenden SWF und WDR steuerten als Coproduzenten bei zu dem 150.000-Mark-Projekt. Das Spektakel beginnt mit der Apokalypse und bringt gleich britischen Humor ins Spiel. Arthur Dent, ein Erdling wie wir, sieht sich eines Morgens Preßlufthämmern und Bulldozzern gegenüber: Sein Haus soll abgerissen werden, um Platz für eine Umgehungsstraße zu schaffen. Seinen Sitzstreik beendet Arthur allerdings nach wenigen Minuten, da sein Freund Ford Prefect auftaucht und ihm klarmacht, es gäbe Wichtigeres: Die Welt geht unter, weil draußen im All eine Bauflotte der Vogonen, eine Art milchstraßiger Techno-Faschisten, den Auftrag hat, die Erde zu beseitigen, um eine intergalaktische Umgehungsschneise zu hauen. Und es passiert tatsächlich: Unser Planet wird zerstört. Arthur und Ford können gerade noch per Anhalter mit einem Raumschiff ins All entwischen. The Hitchhiker's Guide To The Galaxy bescherte der BBC 1978 die bis dahin höchsten Einschaltquoten. In deutschen Binnenlanden wurde man erst zwei Jahre später wach, als Hans Pfitzinger den Stoff der Hörspielabteilung des Münchner Senders vorschlug. Er rannte offene Türen ein. Science-fiction, und auch noch komisch — das zündete endlich mal. Ernst Wendt, Regisseur und Chefdramaturg der städtischen Kammerspiele, übernahm die Regie, und eine Reihe prominenter Mimen trat die Sprachreise durchs All an: Dieter Borsche, Bernhard Minetti, Markus und Rolf Boysen, Hans Korte, Klaus Löwitsch, Felix von Manteuffel, Hans Reinhard Müller und Helmut Stange. Die Frauen in der Galaxie sprechen Barbara Freier und Doris Schade, die Musik komponierte Frank Duval, und die Effekte, mit denen das ganze Audio-Unternehmen steht und fällt, stammen von dem Toningenieur Günther Hess. Die beiden Helden abenteuern vorwärts und rückwärts durch Raum und Zeit, bedienen sich des galaktischen Kreuzers «Herz aus Gold» und der neuesten Entwicklung auf dem Gebiet der Fortbewegung, dem Unwahrscheinlich-keitsantrieb. Sie erfahren, daß der Mensch nicht, wie bisher angenommen, nach den Delphinen das zweit-intelligenteste Lebewesen der Erde war. Die Mäuse, jene Nager, die zur Tarnung in den wissenschaftlichen Laboratorien in Laufrädchen herumrannten, hatten ursprünglich unseren Heimatplaneten maßschneidern lassen. Sinn des Vorhabens war: Die Erdkugel sollte als gigantischer Computer die Antwort auf die Frage aller Fragen finden. Dummerweise schlugen die Vogonen fünf Minuten zu früh zu. Den Mäusen bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal von vorn zu beginnen. Slartibartfast, Spezialist für Küstenlinien, einst Gewinner eines Preises für die Gestaltung Norwegens, macht sich wieder an die Arbeit. Bis sie die Antwort, die 42 lauten wird, erfahren, müssen Arthur und Ford noch mit allerlei lebensgefährlichen Begegnungen fertig werden, lernen den Erfinder des stärksten Drinks aller Zeiten, den Pangalaktischen Gurgelsprenger kennen und landen schließlich auf einer prähistorischen Erde, die von Sekretärinnen und Versicherungsvertretern bevölkert ist. Wenn das Spektakel einschlägt, plant der Bayerische Rundfunk fünf weitere Folgen im neuen Jahr. Titel der Fortsetzung: «Das Restaurant am Ende des Universums.» Flohmarkt: savoir-vivre, 1981
|
Jean Stubenzweig motzt hier seit 6030 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00 ... Aktuelle Seite ... Beste Liste (Inhaltsverzeichnis) ... Themen ... Impressum ... täglich ... Das Wetter ... Blogger.de ... Spenden
Zum Kommentieren bitte anmelden.
AnderenortsSuche: Letzte Kommentare: / Echt jetzt, geht noch? (einemaria) / Migräne (julians) / Oder etwa nicht? (jagothello) / Und last but not least ...... (einemaria) / und eigentlich, (einemaria) / Der gute Hades (einemaria) / Aus der Alten Welt (jean stubenzweig) / Bordeaux (jean stubenzweig) / Nicht mal die Hölle ist... (einemaria) / Ach, (if bergher) / Ahoi! (jean stubenzweig) / Yihaa, Ahoi, Sehr Erfreut. (einemaria) / Sechs mal sechs (jean stubenzweig) / Küstennebel (if bergher) / Stümperhafter Kolonialismus (if bergher) / Mir fehlen die Worte (jean stubenzweig) / Wer wird schon wissen, (jean stubenzweig) / Die Reste von Griechenland (if bergher) / Richtig, keine Vorhänge, (jean stubenzweig) / Die kleine Schwester (prieditis) / Inselsommer (jean stubenzweig) / An einem derart vom Nichts (jean stubenzweig) / Schosseh und Portmoneh (if bergher) / Mit Joseph Roth (jean stubenzweig) / Vielleicht (jagothello) «Ist Kultur gescheitert?» ? «Bitte gehen Sie weiter.» Suche: Andere Worte Anderswo Beobachtung Cinèmatographisches + und TV Fundsachen und Liebhaberstücke Kunst kommt von Kunst La Musica Regales Leben Das Ende © (wenn nichts anders gekennzeichnet): Jean Stubenzweig |
|