Über Sieben Eichen woll'n wir geh'n

Eingeknickt. Der Druck war offensichtlich zu stark. — Wegen anhaltender Ermutigungen den geduldigen Ermutigern und erbauenden Lesern gewidmet.

Per Anhalter ins Paradies, Fliegend über die Berge, Anhalters Bahnhof, Grabungsvolle Hymnen, Anhalters goldener Käfig, Anbahnungen, Unter Eulen, Die Behütete, Blumenkohl und Pannekoeken, Adeliges Tennis, Nationalgericht, Das Süße und seine Fährnisse, Fluchtgedanken, Gnadenmahl oder Reiche Stunden. Der Reise vierzehnte Folge.


Da lag ich Unadliger nun in meinem adeligen, elisabethanischen Hochbett, ließ alle unguten Gedanken am Ende dieses Teils meiner Geschichte rasch hinter mir und sinnierte mich in die damalige Metropole der wohlen Lust, die etwas später im französischen Kino als À nous les petites Anglaises synonymisiert worden war und wovon ich nicht weiß, ob es des übersetzten Titels wegen heutzutage auf der deutschen Datenautobahn zumindest bildlich nicht mit einem einem Haltezeichen versehen worden ist. Bald sollte Herr Freud in seinen schönsten Irrungen mir dabei behilflich sein, Siebeneichen (das sich mir sehr viel später völlig anders, vermutlich auch altersbedingt weniger belastend darstellen sollte) hinter mir zu lassen und über die kentischen Berge zu fliegen gen Londinium, um mich dann dort von Ochsen durch die Suche nach keltischen Formen und anderen Sehenswürdigkeiten ziehen zu lassen.

Die Situation sollte sich jedoch verändern, eine, die ich Jahrzehnte danach anderenorts und in anderem Zusammenhang als äußerst angenehm enpfinden sollte, mich hier allerdings befremdete. Hier bereits trautes Heim, nach einem behördlichen Akt, der der (Un-)Schuld und ihrer Sühne geschuldet war. Ich also, seltsam gekleidet und in den letzten Wochen in zwar gewohnter, aber irgendwo und -wie anders geformter Begleitung. Hatte sich am Ende gar ein durch und durch katholischer Akt vollzogen? Immerfort hatten sich unsere Gesichter auf merkwürdige Weise verändert. Und auch, als man uns Dank der des in den Adel eingeheirateten Jonkheers Vater zur Verfügung gestellten würdigen Mittel zu einer angemessenen, aber nicht unbedingt landesüblichen Weihestätte transportiert hatte, boten wir noch einen anderen Anblick. Aber wie ich's auch betrachten wollte, es blieb ein Desaster.

Er hatte es mit Hilfe seines Vasalls Petrus — oder hieß der Moulis, so genau erinnere ich mich nicht mehr — offenbar doch geschafft. Hatte er mir was gänzlich Unprotestantisches reingetan in den katholischen Nektar, ihn im Religionskrieg, im Kampf gegen das aufklärerisch Unkonventionelle schmählich verfälscht? Bei Prinzessin Töchterlein war das ja offensichtlich nicht nötig gewesen. Papa hatte ihr einen Akademiker verordnet, und da der zudem gerne Auto fuhr, ihr Fortkommen demnach gesichert war, würde sie ihn ohnehin genommen haben. Daß sie nun auch noch Mevrouw Dokter geheißen werden würde, erleichterte ihr das Leben doch ungemein, hatte es doch nun endlich ein Ende mit der lästigen Lernerei. Und da der Gatte auch noch wenigstens der für die Konversationen erforderlichen Sprachen mächtig war, durften auch die ewigen Sprachschulungen in aller Welt storniert beziehungsweise für alle Zeiten vergessen werden. Angekommen war sie. Zwar hatte das bei ihr weiter kein allzu umfangreiches Denkinstrumentarium erfordert, aber Mijnheer Vaters Befehlswunsch war ohne die ewige Diskutier- oder Debattiererei oder wie auch immer das genannt werden wollte — auch dafür war nun die bessere Hälfte zuständig — umgesetzt worden. Und auch Jonkvrouw Mutter sah nicht unglücklich aus. Daß der frische Gatte nicht rechnen konnte, würde seiner Karriere schon keinen Abbruch tun, zumal man den Unternehmer ohnehin bereits im Hause hatte. Der würde ihm schon vorrechnen, wieviele kostbare Gulden, pardon Franks, er mit seinen gelben Stinkedingern durch den Kamin hinausqualmte. Und in der Folge wär' auch der aus. Wer's warm haben wollte, müßte bei Mutter in der Küche sitzen, wo's außerdem immer was ordentliches zu futtern gab, nicht mehr dieses schlabbrige und überhaupt fischige Zeug aus dem kalten Meer, oder sich im Büro, noch effektiver vielleicht am Kühlschrankmontageband mit Arbeit aufheizen. Ach nein, letzteres käme ja nun nicht mehr infrage, das wäre irgendwie demütigend und auch entwürdigend für sie als Ehefrau.

Und schon klopfte es fordernd an seiner Tür, man müsse los, es stünde schließlich einiges an, rief die ehemalige Jungfrau. Wie hatte er sich nur hingeben können, wie konnnte das nur geschehen, dachte er noch und vergrub sich voller Gram und Jammer in die (noch?) bestickten Kissen, da pochte es erneut, aber sein Herz nicht mehr, da sein Leben samt der jungen Keltinnen in London ihm entglitten war und er sich nun sogar mit dem unangenehmen belgischen Sankt Bernhard würde anfreunden müssen, es war erneut die Prinzessin. À propos — würde er am Ende jetzt gar Jonkheer genannt, zumindest aber Mijnheer? Aber das war dann doch nicht so elementar wichtig im Augenblick, denn die Gattin machte sich schon wieder an der Tür bemerkbar und rief irgendwas von einem kommenden oder fahrenden Schiff und von irgendwelchen sich erfüllenden Träumen, auf jeden Fall eines, das nicht auf uns warten würde in Calais für die Überfahrt nach Dover. Und sie würde schließlich auch erwartet in Sevenoaks.

Da kam ich zu mir. Ich würde später angenehmere Träume haben im Zusammenhang mit Ehe und Familie.


Ouf! Immer diese Träumereien. Jetzt benötige ich dringend die gestern angekündigte Pause.

Keine der hier hyperverlinkten Abbildungen steht in einem Bezug zur Geschichte, zumindest nicht der hier erzählten.

 
Do, 09.07.2009 |  link | (3541) | 5 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Belgischer Adel


apostasia   (09.07.09, 18:21)   (link)  
Dann doch
ein schneller Schuß? Nach so langer Wartezeit.


jean stubenzweig   (10.07.09, 01:58)   (link)  
Nur noch Anfeindungen hier.
Liest es sich gar so hingerotzt? Dann nehme ich's wieder raus und gehe in meine rotweinische Hängematte. Aber in die südliche, weitab von jedem Netz. Frei von horror vacuii.


damenwahl   (10.07.09, 11:30)   (link)  
Nein, auf keinen Fall rausnehmen, bitte.

Rotweinische Hängemätte? Gefällt mir.


jean stubenzweig   (10.07.09, 17:34)   (link)  
Es gilt fürs nächste
die untenstehende Ankündigung.

Was ich noch zu sagen hätte, nicht nur für die Dauer einer Zigarette, sagt ein anderer. Der schreibt in seinem Realismus exakt die Bilder, die selbst ein Gesellschaftsabbildner mit allerbesten photoshopischen Kenntnissen nicht hinbekäme.


apostasia   (11.07.09, 11:34)   (link)  
Nein, nicht hingerotzt
Der Kommentar hingegen ist es sicherlich. Pardon. Gemeint ist: nach der Ankündigung einer Pause dann schließlich doch noch "schnell" eine Geschichte. Und eben auch für die Stammleser des Gelbe-Blatt-Magazins Belgischer Adel. Normalerweise braucht der Mensch dafür doch so seine Zeit – sich zu erinnern ...















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